Protokoll der Sitzung vom 19.06.2013

Vielen Dank. – Herr Minister, typisch für die Finanzplattform in der Karibik ist die Zusammenarbeit von Banken mit sogenannten Special Investment Vehicles, die teilweise hochriskante Finanzprodukte handeln oder große Geldvolumina, beispielsweise für das Geschäftsmodell Fristentransformation, bewegen. Mit namentlich welchen Vehikeln haben die WestLB und ihre Tochtergesellschaften in Offshore-Destinationen zusammengearbeitet bzw. diese selbst gegründet?

Bitte schön, Herr Minister.

Ich kann Ihnen jetzt über das hinaus, was ich eben dazu vorgetragen habe, keine einzelnen Namen nen

nen. Sie liegen mir nicht vor. Ich bin gerne bereit, konkrete Fragen zu konkreten Namen im Nachgang noch zu beantworten.

Ich kann nur noch mal sagen: Seit ich Finanzminister bin, beschäftigen wir uns mit der Abwicklung der WestLB. Da ging es an keiner Stelle mehr darum, eine ausländische Tochtergesellschaft zu erwerben, zu reaktivieren oder ihre Aktivitäten zu verstärken, sondern es ging darum, relativ rasch nach Amtsantritt all diese Geschäfte zu beenden und abzuwickeln.

Inwiefern Teile schon in der Abwicklungsanstalt waren, kann ich nicht sagen. Denn auch das, was im Phoenix-Portfolio ist, ist ja schon vor meinem Amtsantritt in das Phoenix-Portfolio gekommen. Zu meiner Amtszeit sind lediglich die aus der Auflösung der WestLB stammenden 77 Milliarden, die ja weitestgehend schon wieder abgearbeitet sind, dazugekommen. Welche Einzelkonstruktionen vorlagen, war auch nicht mehr Gegenstand von Beratungen etwa des Aufsichtsrates.

Danke schön, Herr Minister. – Nun kommt Herr Kollege Busen von der FDP-Fraktion mit einer Frage.

Herr Minister, unter der Verantwortung von Herrn Peer Steinbrück hat bereits vor über zehn Jahren der massive Ausbau der Offshore-Strukturen stattgefunden. Die Gesellschaften haben Milliardengeschäfte gemacht. Wie beurteilen Sie aus heutiger Sicht die Rechtskonformität sowie die ökonomische Sinnhaftigkeit dieser Offshore-Geschäfte, die sich unter der Verantwortung von Herrn Steinbrück abgespielt haben?

Bitte schön, Herr Minister.

Die Absicht, den Zusammenhang mit Peer Steinbrück herzustellen, ist ja sehr durchsichtig und gut erkennbar. Peer Steinbrück war, wie ich es heute auch bin, Mitglied des Aufsichtsrates bzw. Verwaltungsrates, und zwar ein Mitglied eines großen Verwaltungsrates. Daraus immer abzuleiten, dass ein Aufsichtsratsmitglied am Ende für das Geschäftsmodell, für das operative Geschäft der Bank verantwortlich ist, dass er möglicherweise die Bank dazu getrieben hat, sich in neuen Geschäftsfelder dubioser Art zu bewegen, ist eine abenteuerliche Unterstellung. Das muss ich eindeutig sagen.

Das Problem, mit dem wir uns heute doch gemeinsam beschäftigen, auch auf der europäischen Ebene, dass wir Umwegfinanzierungen bzw. Steuerumgehungsmodelle unmöglich machen wollen, abdichten wollen, liegt doch gerade darin, dass sie zurzeit rechtlich noch möglich sind. Das waren sie auch vor

einigen Jahren. Und ökonomisch waren sie auch sinnvoll, sonst würden sich beispielsweise Länder, die man als Steueroasen bezeichnen kann – auch unsere Nachbarn –, nicht so schwertun, sich von diesen Modellen zu verabschieden. Sie sind ein Teil dieser Volkswirtschaften, und sie sind ökonomisch gewinnbringend. Das Ganze ist also rechtlich zulässig und ökonomisch gewinnbringend. Diese Frage kann man mit Ja beantworten.

Trotzdem sind sie nach der von uns vertretenen Auffassung nicht akzeptabel. Deswegen gehen wir auf der europäischen Ebene und auf der Ebene des Bundesrates dagegen vor.

Mit der Abwicklung der WestLB haben wir diesem Treiben in Nordrhein-Westfalen, jedenfalls was die unmittelbare Verantwortung des Landes als einem der Eigentümer angeht, ein Ende bereitet.

Das ist aber ein Punkt, bei dem man heute meines Erachtens nicht anfangen kann, zu monieren, warum ein Einzelner in einem Verfahren, in dem sich früher die WestLB als Großbank mit getummelt hat, nicht den Finger gehoben hat. Dann müsste man nämlich auch sagen: Warum ist diese Frage 2006, 2007, 2008, 2009 und 2010 nicht gestellt worden? – Die Frage, warum sie jetzt gestellt wird, kann man sich, glaube ich, sehr leicht selber beantworten.

Vielen Dank, Herr Minister. – Als Nächste hat sich Frau Kollegin Gebauer von der FDP-Fraktion gemeldet.

Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister Walter-Borjans, ich habe noch eine Frage zu der WestLB. Es gab für die WestLB in den letzten zwei Jahrzehnten Offshore-Erträge und Offshore-Verluste. Ist der ökonomische Gesamteffekt der letzten 20 Jahre Offshore-Business für die WestLB insgesamt positiv oder negativ?

Herr Minister.

Dazu habe ich jetzt keine konkrete Zahl vorliegen. Auch das können wir gerne noch in Erfahrung bringen.

Die Gesellschaften sind allesamt – insofern kann ich an die vorhergehende Frage anschließen – aus ökonomischen Überlegungen gebildet worden. Sie waren für die WestLB jeweils eine Vereinfachung ihres Geschäfts.

Ob wir das unter den heutigen Gesichtspunkten akzeptabel fänden oder nicht, kann ich nicht sagen. Die Erklärungen, die mir für die Offshore-Gesellschaften, über die ich heute gesprochen habe, gegeben worden sind, legen jedenfalls nahe, dass es sich nicht um Konstruktionen handelte, die dem Zweck dienten, anderen ungesetzliche Chancen zu

eröffnen, etwa Steuern zu minimieren oder zu hinterziehen.

Vielmehr ging es zum einen darum, das Geschäft mit der brasilianischen Tochter für Brasilien bei Währungsschwankungen einfacher zu machen.

Zum anderen ging es um die Generierung von Kapital. Dabei war eindeutig klar, dass die Kapitalgeber nicht Privatleute etwa aus Europa oder anderen Ländern waren, sondern dass große Institutionen hier Geld angelegt haben. Allerdings sage ich direkt dazu, dass es sich zum Teil um Inhaberpapiere handelte, die auch weiterveräußert werden konnten, sodass eine Bank anschließend nicht sagen konnte, an wen ein Erwerber seine Anleihepapiere möglicherweise weiterveräußert hat.

Insofern kann ich nur noch von dem reden, was mir über die Bank bekannt ist. Ich kann nicht ausschließen, dass sich Menschen zur Umgehung von Steuertatbeständen dieser Vehikel bedient haben.

Unter dem Strich sind die Zahlen, die mir aus den letzten Jahren für die von mir eben genannten Gesellschaften vorliegen, als positiver Geschäftsbeitrag zu sehen. Wer sich aber zum Beispiel vor Augen führt, dass Harrier als Teil eines toxischen Portfolios geendet ist, weiß aber, dass es wahrscheinlich auch Investitionen in diesem Bereich gegeben hat, die ökonomisch nicht sinnvoll waren – oder jedenfalls im Nachhinein ökonomisch nicht erfolgreich waren.

Vielen Dank, Herr Minister. – Als Nächster hat sich Herr Kollege Lürbke von der FDP-Fraktion gemeldet.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Die Portigon AG nennt als Grund für das OffshoreEngagement die aufsichtsrechtlichen Vorteile der Verbuchung in der Karibik. Herr Minister, warum wurde was genau auf den Karibikinseln günstiger verbucht als in Europa oder den USA? Können Sie mir das sagen?

Bitte schön.

Mir sind drei Gründe bekannt, die sich auch nicht ausschließen.

Das Erste war die Nähe zu dem jeweiligen Standort, etwa von den Cayman-Inseln zu Brasilien, um Geschäfte zwischen der brasilianischen Tochter und den Cayman-Inseln nach den dort geltenden Regeln vornehmen zu können.

Das Zweite war, dass es darum ging, in einem Bereich vertreten zu sein, der in einer ähnlichen Zeitzone lag wie die USA, um dort Geschäfte machen zu können.

Das Dritte war, dass es offenbar Regularien gab, die Geschäfte in diesem Bereich einfacher erscheinen ließen als anderswo. Ich sage ganz deutlich dazu: Wenn sich das nicht auf die Vergangenheit beschränken würde und auf die Abwicklung heute nicht mehr zuträfe, sondern ein Punkt wäre, der sich beim Weiterbetrieb und der weiteren Nutzung dieser Unternehmen stellte, würde mich das heute auch im Detail sehr viel stärker interessieren. Denn wenn das Regularien gewesen sein sollten, die darauf basierten, dass die Kontrolle geringer war oder dass man andere Möglichkeiten hatte, Steuern in Europa oder in Deutschland zu umgehen, dann wäre das sicher nicht auf meine Zustimmung gestoßen.

Vielen Dank, Herr Minister. – Es gibt eine erste Zusatzfrage des Fragestellers, von Herrn Kollegen Witzel.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Finanzminister, ich will noch einmal auf einen Aspekt eingehen, den Sie eingangs genannt haben, nämlich die Frage von Harrier. Meine Frage bezieht sich auch darauf, was eigentlich die Konsequenzen gewesen sind. Sie haben hier zu Recht noch mal erwähnt, dass das, was übrig geblieben ist, heute ein ganz wesentlicher Teil von Phoenix ist. Das beschäftigt auch den PUA zur WestLB. Neben Greyhawk und Kestrel ist das letzten Endes eines der ganz wesentlichen Verlustvehikel geworden. Wie bewerten Sie diese Geschäftskonstruktion und die Risiken, die da eingegangen worden sind?

Nach dem, was bekannt zu sein scheint, sind außerhalb des engen Konsolidierungskreises der WestLB extra die Special Investment Vehicles – SIVs – gegründet worden, um da besonders risikoreiche Geschäfte machen und enorme Milliardenvolumina an Kapital bewegen zu können. Das Einzige, was dann in der Bilanz der WestLB konsolidiert worden ist, war die Servicegesellschaft, die den Provisionsertrag verbucht hat, aber oftmals nicht – Stichwort: regulatorisches Eigenkapital – das eigentliche Special Investment Vehicle.

Deshalb interessiert mich Folgendes: Wenn dieses Special Investment Vehicle aber doch für die Zwecke von Harrier – zugehörig zur WestLB – gegründet worden ist, welche Verpflichtungen wurden dann von der WestLB eingegangen? Welche Liquiditätszusagen und welche Haftungszusagen gab es? Kein Privater gibt doch einen Großteil seines Geldes an ein völlig unbekanntes, mit kaum Kapitalausstattung versehenes SIV. Welche Zusicherungen gab es also seitens der WestLB, um diese Geschäfte abzusichern?

Herr Minister, bitte schön.

Dazu liegen mir vonseiten der WestLB keine Details vor. Ich will nur noch mal sagen: Den Sinn und die Legitimation Ihrer Frage will ich überhaupt nicht in Abrede stellen. Das sind Dinge, die im Nachhinein auch mich bei der Aufarbeitung der Geschichte der WestLB interessieren. Ich glaube auch, dass wir im Zusammenhang mit einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss eine Menge Gelegenheit haben werden, diese Geschichte aufzuarbeiten.

Ich will trotzdem noch einmal darauf hinweisen – weil da ganz offenkundig irgendein Zusammenhang hergestellt werden soll –: Die Harrier Capital Management ist 2004 erworben worden. Dazu muss man noch in Erinnerung rufen: Der eben schon mal erwähnte Peer Steinbrück war bis 2002 Finanzminister dieses Landes. Dann war er Ministerpräsident. Der Ministerpräsident Rüttgers war genauso wenig im Aufsichtsrat der WestLB, wie es die Ministerpräsidentin Kraft ist. Das gilt auch für den damaligen Ministerpräsidenten Steinbrück.

Ab 2005 war eine andere Regierung an der Macht. Ihre Frage hätte damals möglicherweise noch mehr Sinn gemacht, denn man hätte sich fragen können: Was kann man hier denn möglicherweise ändern? – Sie ist aber nicht gestellt worden. Nun befinden sich diese Gesellschaften – jedenfalls Harrier und Phoenix – schon seit Ihrer Regierungszeit in der Abwicklung. Dieser Sache hätten also nicht wir uns noch mal angenommen; das war ja 2008 oder 2009.

Das heißt: Natürlich kann man alles historisch noch mal aufarbeiten. In der gesamten Bewertung von Portigon jedoch, in der gesamten Bewertung der Verbundbank, in der gesamten Bewertung der Lasten, die auf die EAA übergegangen und damit praktisch in derselben Eigentümerstruktur geblieben sind, wie es vorher die WestLB war, haben Risiken dieser Art keine Rolle gespielt. Sie sind jedenfalls bei dem, was insgesamt durchleuchtet worden ist, nicht als besondere Risiken aufgefallen, die zu einer anderen Zuordnung oder zu einer anderen Bewertung hätten führen müssen.

Vielen Dank, Herr Minister. – Nun hat sich der Kollege Alda zu einer Zusatzfrage gemeldet.

Danke, Herr Präsident. – Herr Minister, vorhin fragte ich ja bereits nach den Beteiligungen. Bekannt sind die bilanzierten OffshoreGeschäfte der WestLB oder Portigon AG und damit auch die bekannten Beteiligungen.

Meine Frage: Welche weiteren Kooperationspartner – also nicht Beteiligungen – gibt es bei der WestLB, durch die bzw. mit denen OffshoreGeschäfte betrieben werden, ohne dass diese zum Konsolidierungskreis des WestLB-Konzerns gehören würden?

Herr Minister, bitte schön.

Ich glaube nicht, dass man diese Frage abschließend beantworten kann, weil ich vermute, dass jede Form der Zusammenarbeit mit einer anderen Großbank – die es bei der WestLB sicher gegeben hat – automatisch die Zusammenarbeit mit einer Institution war, die ihrerseits wiederum Instrumente genutzt hat, die auch mit Offshore zu tun hatten.

Ich sage es noch mal: Wir reden hier doch nicht über eine Besonderheit der WestLB; wir reden hier bestenfalls darüber, warum die WestLB nicht eine Besonderheit unter den Großbanken war. Es geht darum, genau dieses Unwesen abzustellen. Hier haben wir da erst in den letzten Monaten ein paar erkennbare Fortschritte erzielen können. Wir sind noch lange nicht am Ziel.

Dass aber eine Großbank wie die WestLB zur Zeit ihrer Blüte als Großbank mit Institutionen zu tun hatte, die ihrerseits alle möglichen Konstruktionen, die auf der Welt existieren, genutzt haben werden, daran besteht für mich kein Zweifel, auch wenn das jetzt möglicherweise eine Unterstellung ist, die ich gar nicht belegen kann. Aber es würde – ich möchte fast sagen – mit dem Teufel zugehen, wenn die WestLB oder ihre Partner allesamt keinerlei Konstruktionen dieser Art genutzt hätten.

Vielen Dank. – Nun hat sich die Kollegin Schmitz zu einer Zusatzfrage gemeldet.

Vielen Dank für das Wort, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr Minister, es ist jetzt schon viel zu den Offshore-Geschäften gesagt worden. Trotzdem habe ich noch eine kleine gezielte Nachfrage.