Protokoll der Sitzung vom 20.06.2013

Herr Lindner sprach davon, dass wir uns kluger Konsolidierungspolitik verweigern.

(Zustimmung von der CDU und der FDP)

Bei Ihnen scheint offensichtlich nicht angekommen zu sein, dass der Bund 8 Milliarden neue Schulden aufnimmt, um das Ganze zu stemmen. Das ist die Wahrheit. Er hat diese Spielräume offensichtlich nicht, sondern er muss neue Schulden aufnehmen. Insofern verstehe ich Ihre Einlassung offen gesagt nicht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Kollege Laumann, Herr Kollege Lindner, dann empfehle ich gerne noch mal den Blick auf 2002, damals Bundesregierung Schröder. Es gab seinerzeit eine Gegenfinanzierung, die hieß: Verschiebung einer damals schon geplanten Steuersenkung plus Aufschlag auf die Körperschaftsteuer von 1,5 %. Insofern war auch diese Debatte nicht aus der Luft gegriffen, sondern hatte einen konkreten Hintergrund.

Eines noch zum Schluss, das ist mir wichtig: Sie haben davon gesprochen, Herr Kollege Lindner, wir würden beim Hochwasserschutz kürzen. – Ich kann Ihnen sagen – ich habe die Zahlen ja dargelegt –: Wir kürzen nicht, sondern wir finanzieren anders. Wir haben einen revolvierenden Fonds aufgebaut. Das sind strukturelle Veränderungen unserer Förderprogramme im Sinne einer nachhaltigen Finanzpolitik für Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich sage ausdrücklich: Der Kollege Remmel ist hier in vorbildlicher Weise unterwegs. Wir halten das für richtig mit Blick auf die zukünftigen Lasten, die auf den Landeshaushalt zukommen. Wir werden diesen Weg, zu dem Sie damals in Ihrer Regierungszeit den Mut nicht hatten, konsequent weitergehen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerpräsidentin. – Für die CDU-Fraktion spricht nun der Kollege Herr Dr. Bergmann.

Meine Damen und Herren! Ich würde die Diskussion gerne noch um einige Aspekte erweitern. Es wird viel über den Osten gesprochen. Das ist wichtig. Es sind auch schon viele Punkte genannt worden, in denen wir uns mehr oder weniger einig, in einzelnen Details vielleicht auch nicht einig sind.

Es gibt Unterschiede, Frau Ministerpräsidentin, nicht nur weil ich Obergefreiter der Reserve bin und Sie nicht und ich deswegen vielleicht andere Einblicke in die Bundeswehr habe, sondern weil ich nicht wie Sie an der Ruhr, sondern am Rhein wohne. Die letzten 17 km des deutschen Rheines fließen durch meinen Wahlkreis. Und ich war 1995 schon groß genug, um mitzubekommen, was passiert, wenn das Wasser bis an die Kanten der Deichkronen steht.

Es gibt drei Deichverbände, die mit 90 Rheindeichkilometern in meinem Bereich oben, auch im Hinterland, sehr viel dafür tun, dass die Menschen in Sicherheit leben können. Panikmache kommt bei uns Niederrheinern gar nicht an. Der Niederrheiner weiß, dass der Rhein erst nach vielen Jahrhunderten sein Bett gefunden hat, aber in Hochwasserzeiten bei uns oben Mississippi-like bis zu 2,5 km breit werden kann. Wir halten viele Flächen vor, damit das, was hier unten am Highway-Rhein stattfindet, sich bei uns oben ausruhen kann.

Aber wahr ist auch, dass ich aus einer Region komme, in der von Ihrem Ministerium, Herr Remmel, von Ihrer Vorvorvorgängerin – ich weiß nicht genau, wie viele Vorgänger das zurückliegt – 2000 und 2002 bei einem Deichbruch 80 bis 100 % Überflutung prognostiziert wurde. Ich komme aus einer

solchen Stadt, die zu 80 bis 100 % überflutet würde, wenn ein Deich brechen würde.

Den Deichverbänden in unserer oberen Region gehören als Zwangsmitglieder 55.000 Menschen an. Herr Meesters wird das aus sozialdemokratischer Sicht bestätigen können. Da ist der Anschluss; wir teilen uns zwei Deichverbände.

Diese Menschen haben natürlich kein Verständnis dafür, dass es einen Stillstand der Maßnahmen gibt. Diesen Stillstand der Maßnahmen gibt es seit 1998. Denn nach dem letzten Hochwasser hat die VorVorvorvorgängerin von Herrn Remmel alle aufgefordert, die Pläne einzureichen, was dann auch geschah. Diese Pläne liegen teilweise seit 1998 bei der Bezirksregierung und werden nicht beschieden. Die Menschen bei uns vor Ort erwarten seit 15 Jahren, dass Bescheide kommen.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Warum sind die denn dann nicht zwischen 2005 bis 2010 beschie- den worden?)

Das Rheinhochwasser ist damals nur ganz knapp an einer Katastrophe vorbeigekommen und hatte zur Folge, dass wir heute ein Stückwerk haben. Wir haben neue, moderne Deiche neben alten, homogenen Lehmdeichen – das wird Ihnen jeder Fachmann erklären –, die teilweise ganz schlecht mit Kriegsschrott aufgepeppt sind. Diese Deiche drohen beim nächsten Hochwasser wie Wackelpudding wegzugehen. Vor diesem Hintergrund ist es eigentlich ein Skandal, wenn Hochwasserschutz in unserem Land dahin gehend läuft, dass man erst verzögert, dadurch die notwendigen Maßnahmen unglaublich verteuert und jetzt auch noch Gelder kürzt.

(Zuruf von Hans-Willi Körfges [SPD])

Dabei ist der Punkt, den Sie gerade erwähnt haben, gnädige Frau, gar nicht der entscheidende. Der entscheidende Punkt ist nicht die Kürzung von 40 auf 30 Millionen €, sondern der entscheidende Punkt sind die 80 zu 20. Die 80 zu 20 werden in Abrede gestellt und sollen auf 70 zu 30 geändert werden – unterstützt durch Darlehen. Wie soll das denn finanziert werden? – Die Gelder fallen ja nicht vom Himmel, sondern müssen von den Mitgliedern des Deichverbandes bezahlt werden. Somit müssen sie also von den Anwohnern bezahlt werden, die seit 15 Jahren darauf warten, dass bei uns vor Ort Maßnahmen umgesetzt werden. Diese haben Sie aber eben nicht umgesetzt. In der Zeit sind die Kosten für die Deiche von 2 Millionen € pro Kilometer auf 4 Millionen € gestiegen.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Das bedeutet: Wir haben bei uns – Herr Meesters wird Ihnen das bestätigen, denn das ist der gemeinsame Deichverband – bis zur Landesgrenze 13 km – Herr Remmel hat ja eine Liste der Planungsabschnitte – in Planfeststellungsverfahren, die 1998 26 Millionen € gekostet hätten und jetzt

52 Millionen € kosten würden. Wir sollen davon jetzt nicht 20 %, sondern 30 % bezahlen. Das kann doch nicht richtig sein: Erst verhindern, verzögern, verteuern und jetzt auch noch die Zuschüsse kürzen. Das ist nicht in Ordnung.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Marc Herter [SPD])

Ich möchte das noch ergänzen: Es kann auch nicht sein, dass die Maßnahmen über jetzt angeforderte Planungsunterlagen – speziell aus dem Hause Remmel – zusätzlich verteuert werden, weil Artenschutz, FFH-Verträglichkeit, Fledermausaufkommen usw. eingerechnet werden können. Dass Maßnahmen für eine Länge von 3,5 km plötzlich um 300.000 € teurer werden, das ist unglaublich. Das ist Geld von anderen Leuten, was man gut ausgeben kann.

Wir am Niederrhein würden sagen: Kommen Sie endlich in die Puschen, damit die Menschen oben am Rhein weiterhin all das Wasser aufnehmen können, was Sie im südlichen Bereich von NordrheinWestfalen im Highway an den Niederrhein schicken. Wir schauen gerne, dass es bei uns abfedert und ganz entschleunigt in die Niederlande entfleuchen kann. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Bergmann. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Remmel.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! In der Debatte gerade wurden einige Aspekte angesprochen, zu denen es mir wichtig ist, noch einmal die Fakten darzustellen.

Erstens. Das Land Nordrhein-Westfalen hat seit den Hochwässern 1993/94 ein umfangreiches Hochwasserschutzprogramm aufgelegt und insgesamt über 600 Millionen € investiert. Das ist eine beachtliche Leistung dieses Landes. Im Übrigen ist auch in einer Zeit, in der Sie regiert haben, entsprechend investiert worden, allerdings in der Tendenz weniger als im Durchschnitt der Jahre vorher und nachher. Auch das gehört zur Wahrheit, wer wann wie investiert hat.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Es ist zweitens eine Grundregel des Hochwasserschutzes, dass der Oberlieger die Unterlieger schützt. Das machen wir in Nordrhein-Westfalen, indem wir insbesondere die Unterlieger in den Niederlanden durch unseren Hochwasserschutz schützen. Aber wir haben auch den Anspruch, dass die Oberlieger am Rhein – Baden-Württemberg und Hessen – endlich in die Puschen kommen. Dort sind seit Jahren Polder nicht realisiert worden, die

wir für unseren Hochwasserschutz benötigen. Ich würde mich für Ihre Unterstützung sehr bedanken, wenn Sie sich an die hessische Landesregierung wenden würden, endlich den Polder in Trebur auf den Weg zu bringen, der insbesondere Köln schützt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Zu den aktuellen Finanzierungszahlen, denn dort geht ein bisschen was durcheinander: Das Land unterstützt nach wie vor und auch in Zukunft die Finanzierung von Poldermaßnahmen und Deichrückverlegungen zu 100 %. Diese Maßnahmen werden auch in Zukunft zu 100 % finanziert. Wo wir eine Zuschussregelung hatten und auch zukünftig haben werden, das ist bei der Deichsanierung. Das ist auch allgemein bekannt. Alle Maßnahmen, die planungs- und umsetzungsreif sind – auch dieses Jahr –, können finanziert werden, auch mit dem abgesenkten Beitrag. Es ist überhaupt kein Problem, alle Maßnahmen umzusetzen. Wir haben allerdings in der Tat ein Genehmigungsproblem, da die entsprechenden Unterlagen bei der Bezirksregierung Düsseldorf von nicht ausreichendem Personal bearbeitet werden. Aber das ist nicht durch uns entstanden. Wer hat denn das Personal in der Umweltverwaltung abgebaut, und wer ist dabei, es langsam wieder aufzubauen?

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Es ist richtig, dass wir hier zur Beschleunigung kommen müssen, wenn wir unseren gemeinsamen Plan umsetzen wollen, die Maßnahmen bis 2025 abzuschließen. Deshalb – das habe ich auch schon öffentlich angekündigt – möchte die Landesregierung Ende dieses Jahres zu einem Hochwassertreffen aller Beteiligten, der Deichverbände und der Kommunen einladen, um auf der einen Seite gemeinsam die Planfortschritte und Unterlagen so fertigzustellen, dass sie genehmigt werden können, und um auf der anderen Seite die Genehmigung voranzutreiben sowie die Finanzierung bereitzustellen, um unsere gemeinsamen Planungen einzuhalten.

Einen letzten Punkt in Richtung Herrn Lindner; das sei mir an dieser Stelle gestattet. Herr Kollege Lindner, es wäre sehr schön, wenn Sie …

(Christian Lindner [FDP]: Ich bin ganz auf- merksam!)

Ja, es ist manchmal schwierig, gleichzeitig zu reden, aber wenn Sie das können, dann können Sie mehr als ich. Das ist in Ordnung.

Ich finde das, was Sie am Ende Ihres Beitrags hier von sich gegeben haben, in zweierlei Hinsicht unglaublich. Das macht wieder einmal deutlich, dass Sie in der Sache selbst überhaupt nicht präsent sind und sich nicht mit den Themen beschäftigen, sondern sich an irgendwelchen Botschaften entlanghangeln, die sie zelebrieren wollen. Wie kann man in einer solchen Situation, in der es auch darum

geht, für die Zukunft zu lernen, was wir mehr tun müssen, den Klimawandel als Mitursache für zunehmende Starkregenereignisse infrage stellen?

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Eine zentrale Botschaft der derzeit notwendigen, von der EU vorgegebenen Politik eines umfassenden Hochwassermanagements ist – das möchte ich Ihnen an dieser Stelle ins Stammbuch schreiben –: Hochwasserschutz beginnt im Kopf. – Wenn wir es nicht schaffen, dass das bei den Planerinnen und Planern in unseren Kommunen, bei der kleinsten Brücke, bei der kleinsten Baumaßnahme, wenn es wieder in Überschwemmungsgebiete geht, mit im Kopf ist, dann wird sich nichts ändern. Wir brauchen einen flächendeckenden Hochwasserschutz, der überall im Lande anfängt. Dann werden solche Aussagen, wie Sie sie heute getätigt haben, bei den Leuten vor Ort wieder in Erinnerung gerufen, dass dann doch wieder gebaut wird. Vorbilder sind also gefragt. Und auch Sie müssen Ihr Wording an dieser Stelle ändern.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Herr Minister, mir liegen zwei Meldungen für Zwischenfragen vor.

Ich will den Gedanken zu Ende führen. Ich brauche es Ihnen eigentlich gar nicht so ausführlich zu erklären. Gehen Sie einfach mal zu einem Rückversicherer. Schon nach fünf Minuten wird der Ihnen erklären, warum er bestimmte Versicherungen im Elementarbereich nicht mehr abschließt, und das mit dem Klimawandel begründen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Deppe zu?

Ja gerne.