Dass die Emscher-Lippe-Region eine der größten wirtschafts- und strukturpolitischen Herausforderungen in Nordrhein-Westfalen darstellt, das wissen wir alle, das kommt ja auch bei allen zum Ausdruck. Die Emscher-Lippe-Region hat zwei besondere Strukturmerkmale:
Erstens. Die Region im nördlichen Ruhrgebiet weist landesweit die niedrigsten Beschäftigungsquoten aus. Dies gilt sowohl allgemein als auch für die Erwerbstätigkeit von Frauen, Älteren und Migranten. Herr Kollege Hovenjürgen, ja, dort gibt es 73.000 Hartz-IV-Empfänger. Das könnten sicherlich weniger sein, wenn wir die Zahl der Aufstocker durch einen gesetzlichen Mindestlohn reduzieren würden; denn die tragen auch zu der großen Quote bei.
Zweitens. Das verarbeitende Gewerbe spielt in der Emscher-Lippe-Region gemessen am Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten eine bedeutend niedrigere Rolle als im Landes- oder im Bundesdurchschnitt. In dieser Region gibt es deshalb seit Jahren und Jahrzehnten besondere wirtschafts- und strukturpolitische Anstrengungen. Mit diesen Initiativen sollen insbesondere die Industrie belebt und neue zusätzliche Arbeit geschaffen werden. Beispiele dafür sind der Chemieatlas und auch der Chemiepark in Marl.
Ein Leuchtturm dieser Anstrengungen ist der newPark. Auf dem Gebiet der Stadt Datteln soll eine Fläche von insgesamt 136 ha für industrielle und gewerbliche Großvorhaben entwickelt werden. Die Projektsteuerung erfolgt durch die newPark GmbH. Gesellschafter sind die Stadt Datteln, der Kreis Recklinghausen, die Stadt Dortmund, die WiN Emscher Lippe GmbH und NRW.URBAN. Aber auch meine Heimatstadt Lünen ist dort beteiligt. Es handelt sich also um ein regionales Projekt.
Die Bewilligung des Förderantrags für den Planungsprozess ist ja auch bereits 2008 erfolgt. 2,9 Millionen € Fördermittel wurden zugesagt; die sind natürlich auch geflossen. Auch die rot-grüne Landesregierung hat sich nach 2010 wiederholt für newPark ausgesprochen und ist entsprechend aktiv gewesen, auch wenn Sie das heute nicht wahrhaben wollen.
Die Landesregierung hat Wort gehalten. In dem im Juli dieses Jahres vorgelegten Entwurf für einen neuen LEP ist Datteln/Waltrop mit insgesamt 330 ha als Standort für landesbedeutsame, flächenintensive Großvorhaben vorgesehen. Auch Wirtschaftsminister Duin hat seine Unterstützung hier im Plenum, in den Ausschusssitzungen, aber auch in der Öffentlichkeit immer wieder deutlich gemacht.
Klar ist aber auch, Herr Kollege Brockes: Das newPark-Projekt muss nicht nur politisch gewollt sein, sondern es muss auch wirtschaftlich tragfähig sein. Prognos hat Ähnliches geäußert,
der Landesrechnungshof hat sich geäußert, und die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC hat ein unabhängiges Gutachten zur Bewertung der Risiken der Landesbürgschaft erstellt, wie es im Wirtschaftsministerium bei allen Bürgschaftsanträgen seit Jahrzehnten üblich war und ist.
Der Wirtschaftsminister hat dies alles in der ersten Sitzung nach der Sommerpause – am 18. September 2013 – dargelegt. Er hat das Risiko einer Inanspruchnahme der beantragten 100-%-Landes
bürgschaft als relativ hoch bewertet. Deshalb hat er entschieden: Die Risikoanfälligkeit der Finanzierung
lässt eine Ausreichung der Bürgschaft vor dem Hintergrund einer verantwortlichen und soliden Haushaltsführung nicht zu. Zur soliden Haushaltsführung gehört für uns natürlich auch, mit den Steuergeldern der Bürgerinnen und Bürger sorgsam umzugehen.
Diese Entscheidung der Nichtgewährung einer Landesbürgschaft ist zweifellos ein Rückschlag für die bisherigen Planungen der newPark GmbH vor Ort. Diese Entscheidung hat jedoch überhaupt nichts mit dem zu tun, was Sie von CDU und FDP in Ihrem Antrag behaupten. Es ist hanebüchener Unsinn, dass CDU und FDP in ihrem Antrag von einem Widerstand gegen das Projekt sprechen. Die Entscheidung des zuständigen Wirtschaftsministeriums ist vielmehr das Ergebnis einer sehr sorgfältigen Abwägung zwischen Chancen und Risiken, wie sie jede verantwortliche Landesregierung zu tätigen hat, und ich sage bewusst: Jede!
Jeder, der sich mit Bürgschaftsverfahren befasst – Herr Brockes scheint damit erst jetzt angefangen zu haben –, weiß um diese Abwägung. Ich möchte nicht daran denken, was wäre, wenn die Bürgschaft trotz des bestehenden PwC-Gutachtens gewährt würde und zum Tragen käme, sprich: wir zahlen müssten. Sie von CDU und FDP, genau die gleichen Akteure von heute Morgen, wären es, die das Verfahren lautstark kritisieren, die Verschwendung von Steuergeldern anprangern und unsolides Arbeiten eines Ministers anmarkern würden. Das ist Ihre Art der Politik: sich drehen, wie Sie schreien können, und damit versuchen, die Zuschauer auf den Rängen zu begeistern.
Falls Sie von CDU und FDP dies vergessen haben sollten, erinnere ich Sie gerne an Ihre sehr kurze Regierungszeit. Zwischen den Jahren 2006 und 2010 wurden unter Verantwortung von Wirtschaftsministerin Thoben 19 Bürgschaftsanträge abgelehnt. Grundlage dafür waren Empfehlungen in PwC-Gutachten und seitens des Bürgschaftsausschusses.
Damals haben wir keine Nebelkerzen gezündet, Herr Kollege Brockes. Wir haben das, was PwC niedergeschrieben und was Frau Thoben vorgetragen hat, anerkannt, weil es ein anerkanntes Gutachten ist. Und diese 19 Ablehnungen waren oftmals ebenso bitter. Aber kein einziger dieser 19 Fälle wurde politisch derart instrumentalisiert, wie Sie das jetzt versuchen.
Haben Sie sich damals Businesspläne, Anträge, Anlagen der Anträge und Sonstiges vorlegen lassen, um die Seriosität des Gutachters zu hinterfragen? – Nein, in keinem Fall. In keinem dieser 19 Fälle haben wir als damalige Opposition die Redlichkeit eines PwC-Gutachtens, das zur Ablehnung geführt hat, infrage gestellt, und das im sehr guten Vertrauen auf ein bewährtes Verfahren. Übrigens:
Ein einziger Fall wurde in Ihrer Regierungszeit politisch diskutiert, nämlich als Gutachter und Ausschuss eine Bürgschaft empfahlen, aber die FDP eine Bürgschaft für Opel entgegen der Empfehlung der Gutachter ablehnen wollte. Das war im Mai 2009.
Die FDP hat schon damals mit dem Feuer gespielt, Herr Kollege Brockes, mit dem sie heute wieder zündelt. Sie setzt sich über die Ergebnisse von unabhängigen Prüfungen im Zuge von Bürgschaftsverfahren hinweg. Die FDP hat ja auch bei der Bundestagswahl am letzten Sonntag die entsprechende Quittung für ihre opportunistische Politik und für die Willkür ihrer politischen Positionierung bekommen.
Von unseren Prozenten träumen Sie nur! – Umso enttäuschender ist es, dass jetzt auch die CDU mit dem heute vorgelegten Antrag anfängt, das Bürgschaftsverfahren zu torpedieren, nur um der Regierung mal eben ans Zeug flicken zu wollen. Jeder, der sich mit dem Thema befasst hat, weiß: Das Bürgschaftsverfahren, so wie wir es in NordrheinWestfalen seit Jahrzehnten pflegen, ist bei allen Akteuren anerkannt. Es gilt sogar bundesweit als beispielhaft. Und das Wichtigste: Es genießt das Vertrauen in der Wirtschaft. Deswegen meine Worte an die Kolleginnen und Kollegen der CDU: Setzen Sie mit Ihrem Vorgehen dieses Vertrauen nicht aufs Spiel.
Mit Ihrer öffentlichen Spekulation über den Weiterverkauf der Fläche als landwirtschaftliche Nutzfläche haben Sie die Verhandlungen mit dem Grundstückseigentümer in der Vergangenheit unnötig erschwert. Dabei wissen Sie ganz genau, dass eine Aktiengesellschaft wie RWE nicht der EmscherLippe-Region, sondern Ihren Aktionären gegenüber rechenschaftspflichtig ist.
Ich fordere Sie dringend dazu auf: Hören Sie auf, Informationen aus dem Bürgschaftsverfahren wie auf einem öffentlichen Basar zu jonglieren! Hören Sie auf, das Vertrauen aller Akteure in die Vertraulichkeit und in die Seriosität des Bürgschaftsverfahrens kaputt zu machen! Oder glauben Sie ernsthaft, dass sich künftig ein Unternehmen in schwierigen Situationen auf ein bewährtes Verfahren einlässt, wenn es fürchten muss, dass demnächst ein Antrag und seine gesamten Anlagen inklusive Businessplan von Herrn Wüst, Herrn Hovenjürgen oder Herrn Brockes öffentlich gemacht werden?
FDP und CDU verfallen wieder in ihr altes Muster, mit dem sie schon viel Schaden angerichtet haben: Sie setzten sich über alles hinweg, was ihnen nicht passt, und unterlassen notwendige Abwägungen. Damit sind Sie schon einmal in Datteln gescheitert. Sie haben nichts aus Ihren Fehlern gelernt und wollen sich auch bei newPark über alles hinwegsetzen.
Nein, wir haben ausführlich im Wirtschaftsausschuss beraten. Und wenn man das hätte weiterberaten wollen, dann hätte man diesen Antrag ja nicht zur direkten Abstimmung gestellt.
Die regionalen Akteure wollen das newPark-Projekt auch ohne Landesbürgschaft zum Erfolg bringen. Diesen Initiativen hilft Ihr rückwärtsgewandter Antrag überhaupt nicht weiter. Es schadet ihnen vielmehr.
Erstaunlich und gleichwohl erfreulich ist, wie man aus der Region hört, dass sich der Kollegen Hovenjürgen in der Diskussion vor Ort ganz anders gibt: sachlich, ruhig, nach vorne gewandt. Warum nicht hier so, Herr Kollege? Ihr Getöse im Ausschuss und auch heute mit all den Vorwürfen, die ja auch auf Ihre kurze Regierungszeit zurückfallen, ist der Sache in unserer Region alles andere als dienlich.
Für uns ist klar: Die Landesregierung verstärkt nochmals ihre Anstrengungen in der EmscherLippe-Region, wie wir auch heute in den Zeitungen lesen konnten, um die Wirtschaftsstrukturen in der Region zu stärken. Das gestrige Gespräch hat das bewiesen. Auch außerhalb der Gewährung von Bürgschaften wird die Unterstützung der Landesregierung für diese regionale Initiative nötig sein. Die Unterstützung wird kommen. Machen Sie Schluss mit der populistischen Propaganda, die Sie hier zu betreiben versuchen, handeln Sie endlich im Sinne der Region, Herr Kollege Hovenjürgen, wie Sie es auch vor Ort machen, und hören Sie mit dem Getöse hier im Land auf! – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Schmeltzer. – Zu einer Kurzintervention hat sich der Herr Abgeordnete Hegemann gemeldet.
Sehr geehrter Herr Kollege aus Lünen, Sie haben dargestellt, dass eine Verwirklichung des newPark-Projektes ein politischer, insbesondere ein finanzpolitischer Blindflug sei. Ich bekomme heute eine Liste der Unterstützer für newPark mit Stand heute für die Umsetzung des newParks heute, unter anderem mit Ihrem Bürgermeister Stodollick und Ihrem Landrat. Halten Sie die auch für finanzpolitische Geisterfahrer? Im Übrigen sind noch fünf SPD-Landtagsabgeordnete und fast jeder SPD-Bürgermeister aus der Region dabei.
Unabhängig davon, dass Sie mir hier Worte in den Mund legen, die ich überhaupt nicht benutzt habe – aber man kennt sich ja lange genug –, kann ich Ihnen sagen, dass die Region sehr gut aufgestellt ist. Das haben die gestrigen Gespräche und die ersten Gespräche mit dem Ministerium gezeigt.
Die Region hat indes längst eine andere Lösung im Visier. Die sind sehr wohl mit der Ablehnung der Bürgschaft nicht zufrieden. Das bin ich auch nicht, überhaupt keine Frage. Aber sie wissen auch: „Mund abwischen, weiter machen“ – das ist das Motto. Und die gucken nach vorne. Auch mein Bürgermeister Stodollick und mein Landrat Makiolla sind nicht so verblendet, zu sagen: Wir machen da nicht mit. – Die machen mit, weil sie verantwortungsvolle Politik in der Region machen.
Ich sage Ihnen: Wenn sich alle an einen Tisch setzen, was signalisiert ist, dann wird es für diese Region eine gute Zukunft geben. Der Minister hat seine Unterstützung gesagt, und die Bürgermeister und Landräte werden dies in gleicher Weise tun, Herr Kollege Hegemann.
Vielen Dank, Herr Kollege Schmeltzer. – Für die Fraktion Bündnis90/Die Grünen spricht Frau Abgeordnete Schneckenburger.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Hovenjürgen, ich finde es absolut ehrenwert, dass Sie sich heute Morgen am Redepult so engagiert für Ihre Region einsetzen.
Das ist absolut ehrenwert. Die Region braucht Unterstützung. Aber jetzt kommt mein „Aber“. Was wollen Sie eigentlich, Herr Hovenjürgen? Dem Minister wurden zwei rote Ampeln aufgestellt: Ihm wurde vorher vom Landesrechnungshof gesagt: Tue es nicht! – Ihm wurde von einem Gutachter, und zwar einem renommierten, nicht von irgendeinem Büro, sondern von einem Gutachter, der seit Jahren die Verfahren im Land begleitet, gesagt: Tue es nicht! Wir raten dir davon ab! – Sie werfen diesem Minister vor, er hätte sich darüber hinwegsetzen und politisch entscheiden sollen. Was wollen Sie eigentlich, Herr Hovenjürgen, einen zweiten Nürburgring in Nordrhein-Westfalen?
Die CDU wäre die Erste, die hinterher, wenn es dann schiefgegangen ist, mit einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss gekommen wäre. Ganz sicher wären Sie die Ersten gewesen.