Das will ich nachher gerne tun. Lassen Sie mich bitte noch ein bisschen reden. – Herr Hovenjürgen, der Wahlkampf ist vorbei. Deswegen ist es absolut richtig, sich den drängenden Problemen der EmscherLippe-Region zu stellen. Die Strukturdaten und die Probleme der Region sind alle bekannt. Das Ruhrgebiet insgesamt hat ein Problem und die EmscherLippe-Region auch. Aber ich finde, man muss es dann auch sachgerecht tun.
Lassen Sie uns bitte noch einmal festhalten – auch jenseits der Verschwörungstheorie, die immer wieder gerne vorgetragen wird, wenn man argumentative Mängel hat; Herr Brockes tut das gerne, Sie haben es vorhin aber auch getan –:
Es gibt keinen Deal; es gibt keine politische Entscheidung, die das eine gegen das andere tauscht, sondern es gab erhebliche Probleme, diese Bürgschaft zu gewähren. Ehrlich gesagt, es gab auch ein paar andere Probleme rund um newPark. Lassen Sie uns die ernsthaft miteinander ansehen!
Sie haben gesagt, das Projekt sei jetzt volljährig. Das heißt, 18 Jahre ist an diesem Projekt geplant worden, ohne dass in diesen 18 Jahren das eingetreten wäre, wofür die Fläche eigentlich vorgesehen und geplant war, nämlich für eine große industriepolitische Ansiedlung in Nordrhein-Westfalen.
2000 war das letzte Mal, dass BMW im Anflug auf Nordrhein-Westfalen war. Nicht nur die EmscherLippe-Region, sondern verschiedene nordrheinwestfälische Kommunen haben sich dafür beworben und darum gerungen, diese große industriepolitische Ansiedlung nach Nordrhein-Westfalen zu holen. Sie wäre auch gut und richtig für NordrheinWestfalen gewesen. Aber gewonnen haben andere, die in der Lage waren, bessere Konditionen anzubieten. Seitdem gibt es kein großes industriepolitisches Vorhaben, das auf newPark hätte realisiert werden können. Und auch die Realisierungsprobleme außen herum haben das Projekt die ganze Zeit begleitet.
Ich finde, es hilft in so einer Situation überhaupt nicht weiter, in der Region mit einer Mischung aus Übertreibung und Verschwörungstheorien Unruhe zu stiften, was Sie in den letzten Tagen immer wieder getan haben. Die Zahl der Arbeitsplätze, die dort nach Ihrer Auffassung hätten realisiert werden können, ist, wenn man Ihre Presseerklärung verfolgt, täglich gestiegen. Erst waren es 6.000, dann 7.000, am Ende sind Sie bis auf 10.000 Arbeitsplät
ze gegangen. Damit kann man vielleicht Wahlkampf machen, obwohl man das nicht machen sollte, aber es ist nicht sachgerecht.
Herzlichen Dank, Frau Schneckenburger, dass Sie die Frage zulassen. – Sie hatten gerade den Begriff „Übertreibungen“ verwendet. Halten Sie es nicht für eine Übertreibung, das newPark-Projekt mit dem Nürburgring zu vergleichen, wo die schwarz-grüne Landesregierung Rheinland-Pfalz
Entschuldigung, die rot-grüne Landesregierung von Rheinland-Pfalz –, 500 Millionen € versenkt hat, während es hier in Nordrhein-Westfalen im Gegensatz dazu nur 17,5 Millionen € sind.
So kann das gehen, Herr Schmeltzer. – Nichtsdestotrotz möchte ich von Ihnen eine Bewertung, weil dieser unselige Vergleich auch leider von Herrn Römer angestellt worden ist, der aus der Region kommt und diese kennen müsste.
Herr Hovenjürgen, ich habe den Mechanismus verglichen und nicht die Höhe der Investition. Beim Mechanismus frage ich Sie noch mal: Was würde ein CDUMinister an dieser Stelle tun, wenn ihm der Landesrechnungshof sagt: „Nein, wir halten es nicht für geboten, diese Bürgschaft zu erteilen; wir halten die Risiken für zu groß“, und wenn Ihnen ein Gutachter sagt: „Nein, gib diese Bürgschaft besser nicht; denn die Risiken sind nach unserer Auffassung zu groß“? Ich habe Sie gefragt, wie der Mechanismus zu bewerten ist.
Fakt ist doch, keine Bank war bereit, ohne Bürgschaft des Landes zu finanzieren. Die Banken werden auch eine eigene Expertise haben, Herr Hovenjürgen.
Es gibt keinen Widerspruch, wie Sie ihn immer wieder zu erzeugen versuchen, zwischen Prognos und PwC. PwC hat die Zahlen von Prognos verwendet
und gesagt: Das Best-Case-Szenario, mit dem hier gerechnet worden ist, arbeitet mit Annahmen – es ist zum Beispiel kein Klagerisiko einkalkuliert worden; es ist eine sofortige Vermarktung von 10 ha unterstellt worden –, die nicht tauglich sind, eine seriöse Perspektive zu begründen.
Und ich will noch eines sagen, weil Sie eben ein bisschen locker darüber hinweggegangen sind, dass die Grünen jetzt gleich wieder mit den 1.000 ha kommen würden. Herr Hovenjürgen, die Oberbürgermeister und Landräte der Region – übrigens auch Ihr Landrat in Recklinghausen und Ihr Kreis Recklinghausen – haben im letzten Jahr, 2012, einen Brief an die Landesregierung gerichtet. In dem Brief haben sie gemeinsam mit dem RVR gesagt, wir haben große RAG-Flächen, brachfallende und schon brachgefallene RAG-Flächen im Ruhrgebiet. Helft uns bitte, diese Flächen zu entwickeln! Denn es ist für uns wirtschaftlich absolut notwendig, diese Flächen wieder einer Verwendung, einer wirtschaftlichen Verwertung zuzuführen.
Das haben sie gesagt, und ich finde, sie haben absolut recht. Und jetzt sagen Sie hier auf einmal: Das geht doch überhaupt nicht! – Wir wissen doch, die altindustriellen Flächen sind überhaupt nicht zu verwerten, da sie ein großes Vermarktungsrisiko bergen und das Baurecht dagegensteht.
Herr Hovenjürgen, wenn man in der Region eine konsistente Politik macht, muss man sich entscheiden, ob man in großem Stil neue Flächen ausweist – verbunden mit einem planerischen Risiko, das auch Sie in dieser Region kennen – oder ob man sich eine konsequente Entwicklung auch des Potenzials der altindustriellen Flächen vornimmt. Sie drehen sich aber an dieser Stelle. Zuerst machen Sie eine politische Initiative, um sich dann zu drehen.
Frau Kollegin Schneckenburger, der Abgeordnete Hovenjürgen hat sich zu einer weiteren Zwischenfrage gemeldet.
Kollegin Schneckenburger, herzlichen Dank für die Möglichkeit, Ihnen noch eine Frage zu stellen. – Sie haben meine Rede gehört, und ich habe gesagt: Die 1.000 ha gibt es. Das hat niemand bestritten. Nur, wer von einer wirklichen Vermarktung oder Nutzbarmachung reden will, der muss bereit sein, das Baurecht zu ändern. Ich habe gesagt, diese Gesetzesvorlagen zur Änderung des Baurechts gibt es Ihrerseits noch nicht. Insofern bleibt im Moment nichts anderes übrig, als Flächen wie den newPark voranzutreiben.
Sind Sie bereit, das Baurecht – die Landesbauordnung und den Abstandserlass des Landes Nordrhein-Westfalen – so zu ändern, dass altindustrielle Flächen durch Verringerung des Abstandserlasses wieder industriell nutzbar werden?
Herr Hovenjürgen, abgesehen davon, dass die Landesbauordnung ohnehin in eine Überarbeitung geht und wir dann prüfen werden, wo Überarbeitungsbedarf besteht, haben Sie und Ihre Oberbürgermeister – ich kann Ihnen, ehrlich gesagt, nur den eigenen Brief noch mal zur Lektüre empfehlen – das Land aufgefordert, finanzielle Hilfe für die Altlastensanierung zur Verfügung zu stellen.
Es ging gar nicht um das Baurecht. Es ging gar nicht um Abstandsgebote, sondern es ging um die Frage, ob das Land finanzielle Hilfen für die Altlastensanierung zur Verfügung stellt.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich meine, Symbolprojekte helfen dem Ruhrgebiet an der Stelle überhaupt nicht weiter. Es ist nicht weiterführend, ein Projekt über Jahre hinweg zu planen und es noch dazu so zu planen, dass der Eindruck entsteht, es sei nicht seriös geplant. Davon haben wir im Ruhrgebiet wirklich genügend gehabt.
Wir brauchen ernsthafte Bemühungen um Ansiedelung im Ruhrgebiet, um die Entwicklung von Clustern, um die Schaffung neuer Arbeitsplätze auch in ganz unterschiedlichen Segmenten. Dazu gehört es meines Erachtens, sich ernsthaft an die schwierige Aufgabe zu machen, altindustrielle Flächen weiterzuentwickeln. Ich verweise auf die Entwicklung in Bochum. Ich verweise auch auf die Entwicklung in anderen Bereichen, beispielsweise auf die Fläche Blumenthal in Herne, eine ehemalige RAG-Fläche, wo eine Entwicklung absolut notwendig ist.
Ich lade Sie ein, sich an dieser Stelle zu beteiligen, und meine, dass es keinen Sinn macht und auch dem Ruhrgebiet, Herr Hovenjürgen, an keiner Stelle dienlich ist, in dieser Art und Weise hier noch einen nachgelagerten Wahlkampf zu betreiben. – Danke schön.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf der Tribüne und draußen am Stream! Im Dezember letzten Jahres hatte ich bereits be
gründet, warum wir Piraten dem Projekt newPark ablehnend gegenüberstehen und eine Landesbürgschaft nicht wünschen.
Mit dem Projekt sei die Hoffnung auf bis zu 10.000 Arbeitsplätze verbunden, so wird hier gewunden im Antrag formuliert. Wenn das so ein Selbstläufer ist, wozu braucht man dann überhaupt eine Bürgschaft? Herr Hovenjürgen hat es ja selbst gesagt. Sie brauchen die Bürgschaft gar nicht. Sie können das alleine wuppen. Sie haben die Grundstücke als Sicherheit. Die vielen Arbeitsplätze, die geschaffen werden, tragen das dann alles selbst. Gewinne werden abgeworfen in Form von Sozialabgaben und Steuern.
Es steht im Antrag leider nicht, wo diese 10.000 Arbeitsplätze herkommen sollen, die fantastisch vielen Arbeitsplätze, wo seit Anbeginn dieses Projektes die Fläche, die zur Verfügung gestellt werden sollte, um 90 % geschrumpft ist und auch für die restlichen 10 % jetzt die Interessenten nicht gerade Schlange stehen.
Herr Brockes hat kritisiert, dass das Gutachten nicht veröffentlicht wurde. Ich habe gestern kurz mit dem Minister Duin gesprochen. Der sagt, das Gutachten ist schwierig zu veröffentlichen wegen Firmendaten und der Vertraulichkeit von Daten.
Wir Piraten haben ja prinzipiell die Forderung nach der Veröffentlichung derartiger Gutachten, die ja auch durch Steuergelder finanziert sind. Man muss dann einen Weg finden – mit ein bisschen gutem Willen wird das auch gehen –, die Daten soweit zu anonymisieren, dass keine Rückschlüsse auf die genaue Herkunft gezogen werden können. Dann kann das Gutachten wahrscheinlich doch in irgendeiner veränderten Form veröffentlicht werden. Das hoffe ich jedenfalls.
Der Landesrechnungshof rät auch von dieser Bürgschaft ab, vermutlich nicht deshalb, weil er meint, sie sei nicht nötig, weil das Projekt sich ja selber trägt.
Es gibt also zu wenig Interessenten, die sich ansiedeln wollen. Es gibt überall im Lande leer stehende neue und alte Gewerbeflächen. Auch neue Gewerbeflächen, frisch angelegt, stehen leer. Es gibt genug versiegelte Flächen, die recycelt werden können. Zum Teil wird das teuer, weil sie verseucht sind und jetzt saniert werden müssen. Weil derartige Kosten bei uns sozialisiert werden, darf die Allgemeinheit die Kosten dann tragen. Aber das ist jetzt eine andere Baustelle und kann nicht als Vorwand herangezogen werden, um die alten Fehler in dem Bereich, um den es hier geht, jetzt zwanghaft ständig neu zu wiederholen.
Wir sollten in den neuen LEP hineinschreiben, dass Gewerbeflächen nicht dadurch nachhaltig werden, dass wir sie in einem Naturschutzgebiet ansiedeln, und dass FFH-Gebiete nicht zu Industrieflächen werden sollen.
Ich zitiere mich einmal selbst aus dem letzten Dezember: Diese Rieselfelder, um die es hier geht, sind naturschutzfachlich wertvolle, große Flächen. Teilweise reichen sie bis in die Lippeauen. Die Flächen haben eine wichtige Klimafunktion für den Ballungsraum südliches Ruhrgebiet, weil sie eine Kaltluftschneise sind, die an heißen Sommertagen Kaltluft in das Ruhrgebiet bringen – eine immer wichtiger werdende Funktion im Zuge des Klimawandels.
Warum steht in Ihrem Antrag nichts zum ursprünglichen rechtswidrigen Verzicht auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung? Wurde das inzwischen geheilt? Ich wies im Dezember schon darauf hin. Ohne Umweltprüfung verstößt die Planung gegen europäisches Recht. Das heißt, dem Projekt droht dann bei einer Klage das gleiche Schicksal wie dem E.ON-Schwarzbau in Datteln.