Die Geschichte geht dann ein bisschen anders weiter. In der Plenarsitzung am 31. Mai 2006 erneuerte Schulministerin Sommer das Versprechen des Ministerpräsidenten mit folgenden Worten:
„2008/2009 werden wir die erheblichen technischen und organisatorischen Vorbereitungen getroffen haben, um eine flächendeckende Erhebung des Unterrichtsausfalls zu ermöglichen. Wir
sind dabei, ein unbürokratisches Verfahren zu entwickeln, um verlässliche Daten aus den Schulen zu erhalten. Der Einsatz modernster computergestützter Erhebungsverfahren garantiert, dass der Aufwand in den Schulen so gering wie möglich gehalten wird.“
2008 war dieses Versprechen nichts mehr wert, denn die Ministerin kassierte dieses Versprechen sang- und klanglos ein und erklärte stattdessen, nunmehr an einem Stichprobenverfahren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sie vorher so heftig kritisiert haben, festzuhalten und diese Stichproben auf die fünf Bezirksregierungen auszuweiten. Die letzte landesweite Stichprobe betraf das Schuljahr
Nach dieser Stichprobe betrug der Unterrichtsausfall nach der Statistik des MSW 2,4 %. An diesen Prozentzahlen haben wir alle gezweifelt, einschließlich die Öffentlichkeit und die Eltern. Der Landesrechnungshof kam dann in seiner Erhebung auch zu einem deutlich anderen Ergebnis. Er ermittelte an den erhobenen Schulen einen Unterrichtsausfall von 5,8 %.
Genau diese Diskrepanz zwischen MSW-Statistik und Erhebung des Landesrechnungshofes führte zu dem Beschluss im Haushaltskontrollausschuss, den wir bereits mehrfach heute Morgen zitiert haben. Wie Sie sehen: Zu diesem Thema ist eine Menge zu diskutieren. Es ist dringend notwendig, die Fachdebatte dazu zu führen, und zwar dort, wo sie hingehört, in den Fachausschüssen.
Das ist nichts Neues. Dies haben wir beschlossen. Dies werden wir auch tun. Und den Antrag von der CDU lehnen wir wegen Unsachlichkeit heute ab. – Ich bedanke mich.
Vielen Dank, Frau Kollegin Hendricks. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Abgeordnete Beer.
Sehr geehrter Her Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich würde mich dem heutigen Antrag gerne in zwei Teilen widmen.
Zu dem einen Teil will ich die Vorgeschichte erzählen, weil ich mich sehr gewundert habe, dass wir diesen Antrag heute auf dem Tisch haben. Vor allen Dingen geht es nicht um eine Sachdebatte. Wenn man das wollte, dann müsste man im Ausschuss die Beratung fortführen, statt den Antrag hier zur direkten Abstimmung zu stellen.
Ich möchte Ihnen gerne vorlesen, was ich einen Tag vor der letzten Schulausschusssitzung an die Kolleginnen und Kollegen bezüglich der Diskussion um das von der Ministerin vorgelegte Gutachten geschickt habe:
Liebe Frau Gebauer und Frau Vogt! Liebe Monika Pieper! Morgen steht in der Einladung unter TOP 5 das Thema Erhebung zum Unterrichtsausfall mit dem Gutachten auf der Tagesordnung. Gemeinsam mit Frau Hendricks möchte ich anregen, dass wir die Gutachter zu einem Gespräch einladen und gegebenenfalls auch die Kollegen des Haushaltskontrollausschusses dazu bitten.
Wir haben dann einvernehmlich am Tag darauf beschlossen, den Punkt von der Tagesordnung abzusetzen, um die Gutachterin und den Gutachter einzuladen, weil es Gesprächsbedarf über dieses Gutachten gibt und weil wir uns damit auseinandersetzen wollten. Dann kommt gleichzeitig die Pressemitteilung der Kollegin heraus, mit der sie der Ministerin unterstellt, sie wollte sich vor dem Thema drücken.
weil wir gemeinsam im Ausschuss beschlossen haben: Wir machen keine Diskussion aus dem Bauch heraus. Wir machen eine Diskussion, die sich mit dem Gutachten auseinandersetzt.
Sie haben einen sachkundigen Nachbarn, Frau Vogt, den Kollegen Kaiser. Der wird Ihnen sagen können, dass Frau Bellenberg nicht irgendeine Feld-, Wald- und Wiesenbildungsforscherin ist, sondern CDU-Expertin in der Enquete „Chancen für Kinder und Jugendliche“, damals benannt von der CDU, und dass Sie sich bei der Art und Weise, wie Sie der Wissenschaftlerin und diesem Gutachten entgegentreten, vielleicht etwas zurücknehmen und das Gespräch mit ihnen suchen sollten, statt Debatten zu führen, wie sie hier als Mätzchen- und Kasperle-Theater vorgeführt werden.
Jetzt würde ich gerne zu der Sachfrage kommen. Da ist es völlig richtig, dass jeglicher Unterrichtsausfall ärgerlich ist – nicht nur ärgerlich, sondern wir müssen sehen, dass wir ihn minimieren und vermeiden.
Lieber Kollege Laschet, jetzt müssen wir ihn messen. Sie waren ja Mitglied einer Landesregierung. Da will ich Ihnen doch einmal die Antwort dieser Landesregierung auf die Große Anfrage der SPD vorlegen, nämlich vom 03.02.2010. Ich glaube, da waren Sie gerade noch so dabei. Dort steht nämlich Folgendes:
Die von der Opposition, der SPD, eingeforderte Einführung einer zentralen flächendeckenden ganzjährigen Dokumentation von Unterrichtserteilung und Unterrichtsausfall würde bei einem vorsichtig kalkulierten durchschnittlichen wöchentlichen Zeitaufwand von mindestens einer Stunde je Schule Ressourcen im Umfang von rund 220 Stellen beanspruchen. Handlungsleitend für die Landesregierung ist jedoch, dass weniger Stellen in Bürokratie und mehr Stellen in die Unterrichtserteilung fließen sollen. – Das haben Sie mit unterschrieben, Herr Laschet. So ist die ganze Geschichte gewesen.
(Beifall von Reiner Priggen [GRÜNE] – Armin Laschet [CDU]: Warum kann es jedes Bun- desland, warum nur wir nicht?)
Wunderbar, jetzt kommen wir nämlich in die Sachdebatte. Sie haben genauso wie Kollegin Vogt das Gutachten nicht gelesen. In der Übersicht steht nämlich: Es gibt Bundesländer, die machen diese Übersichten, genauso wie hier Stichproben durchgeführt worden sind. Und in jedem Bundesland ist es genau so, wie wir es hier haben: Der Landesrechnungshof legt andere Zahlen vor und erklärt, die Statistik stimme nicht.
Also müssen wir uns mit der Frage auseinandersetzen: Wie bekommen wir das bessere Verfahren hin? Das ist genau die Sachdebatte, die wir in der Auseinandersetzung mit diesem Gutachten führen müssen.
Dann nützt es mir auch nichts, wenn in „Westpol“ der Kollege aus dem Ministerium aus RheinlandPfalz auftaucht, der das genau nicht sagt. Die machen die Erhebung, aber sie ist jedes Jahr genauso umstritten.
Da nutzt es mir auch nichts, wenn ein Schulleiter – Herr Laschet, gehen wir einmal zusammen dahin und gucken wir uns das an sagt: Ich muss nur aufs Knöpfchen drücken. Dann wird zwar eine Stundentafel übermittelt. Aber damit wird nicht festgestellt, wie die Schule ihren Unterricht organisiert hat, ob sie aus 100 Schülern fünf Kurse mit 20 Schülern oder vier Kurse mit 25 Schülern gebildet hat und ob der Lehrereinsatz überhaupt noch stimmt, den man sinnvollerweise verantworten kann. Das kann man in einer solchen einfachen Statistik so nicht abbilden. Deswegen müssen wir uns mit diesem Gutachten auseinandersetzen.
Da helfen die Mätzchen und diese Theaternummer von Frau Vogt den Schulen überhaupt nichts. Sie helfen den Eltern nicht, und sie minimieren auch den Unterrichtsausfall nicht. Deswegen bitte ich, was das Profil der Schulpolitik der CDU angeht, zur Sachdebatte zurückzukommen und diese Mätzchen zu unterlassen.
Deswegen werden wir diesen Antrag natürlich heute ablehnen. Aber wir gehen offensiv in die Debatte mit den Experten Herrn Prof. Reintjes und Frau Prof. Bellenberg, um ihnen diese Frage zu stellen. Das ist doch das Interessante: Es gibt Schulen in Nordrhein-Westfalen, die kriegen das hin. Ich will wissen: Wie ist das übertragbar? Wie können wir das steuern? Die Kolleginnen und Kollegen des Haushaltskontrollausschusses sollen direkt dazukommen, weil wir ein solches Instrument brauchen und nicht diese billigen Klamauk-Debatten, die so flach sind, dass man sie eigentlich gar nicht mehr erwähnen sollte.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sowohl das Gutachten, das hier schon oft herhalten musste, als auch das bisherige Vorgehen von Rot-Grün bei dem wichtigen Thema „Unterrichtsausfall“ sind Eltern, aber auch Lehrern gegenüber – das muss ich an dieser Stelle leider sagen – ein Affront; denn Unterrichtsausfall ist keine Verschlusssache, die es geheim zu halten gilt. Unterrichtsausfall ist auch kein Kavaliersdelikt und keine Bagatelle. Unterrichtsausfall kann zu massivem Qualitätsverlust im Rahmen der Ausbildung unserer Kinder und Jugendlichen führen. Gerade deshalb sollten Sie, meine Damen und Herren von Rot-Grün, mit Ihrem Anspruch, kein Kind in Nordrhein-Westfalen zurücklassen zu wollen, auch den Unterrichtsausfall permanent im Fokus Ihrer Arbeit haben.
Beteiligte und Betroffene haben ein Recht darauf, zu erfahren, was an den Schulen passiert und ob, aber auch wie Unterricht tatsächlich erteilt wird; Stichwort „fachfremd“. Eltern und Lehrer, aber auch wir, das Parlament, haben ein Recht auf Transparenz.
Meine Damen und Herren von Rot-Grün, seit Sie hier die Regierung übernommen haben, haben Sie die Hände in den Schoß gelegt und eine Erfassung des Unterrichtsausfalls nicht mehr durchgeführt. Dieser jahrelange Stillstand lässt kaum einen ande
Es ist richtig, dass der Landesrechnungshof in seiner Überprüfung im Jahr 2011 letztendlich einen höheren Anteil als zuvor ermittelt angegeben hat. Genauso richtig ist es aber auch, dass der vom Landesrechnungshof stichprobenartig ermittelte Unterrichtsausfall in Höhe von 5,8 % für das Schuljahr 2008/2009 nur halb so hoch war wie zuvor unter Rot-Grün. Im Jahr 2000 hatte der Landesrechnungshof nämlich sage und schreibe 10,6 % Unterrichtsausfall konstatiert. Frau Ministerin Löhrmann, Sie trugen damals bereits Mitverantwortung. Das heißt, der Unterrichtsausfall war laut Landesrechnungshof doppelt so hoch wie in Regierungszeiten von FDP und CDU,
Nach jahrelangem Nichtstun beauftragte oder – besser gesagt – zwang das Parlament die Ministerin vergangenes Jahr, ein Gutachten zur Erfassung des Unterrichtsausfalls in Auftrag zu geben. Mit einiger Verwunderung stellt man dann fest – der Name ist schon gefallen –, wer damit beauftragt wurde, nämlich eine Professorin, die hier im Landtag bereits eine Studie zum integrierten Lernen vorgestellt hat.