Zum runden Tisch ist bereits vieles gesagt worden. Prinzipiell ging es um zwei Sachen. Zum einen: Gibt es einen Konsens für die Beibehaltung von G8? Zum anderen ging es darum, den Optimierungsprozess voranzubringen und für die jetzt im G8 befindlichen Schülerinnen und Schüler weitere Entlastungsmöglichkeiten zu finden.
Und dazu muss ich sagen: Wer will schon dagegen sein, für Schüler Entlastungsmöglichkeiten zu finden? Natürlich waren wir uns alle einig, dass wir schauen müssen, wie es besser geht.
Herr Priggen hat gestern gesagt, wir hätten dort – wenn er das denn richtig verstanden habe – einen Konsens gefunden. Herr Priggen ist heute nicht da, aber ich muss sagen: Nein, das hat er nicht richtig verstanden. Es gab am runden Tisch keinen Konsens für das G8. Das war von vornherein letztendlich auch gar nicht möglich, weil die Elterninitiativen wieder das G9 wollten. Das heißt, es stand von vornherein fest, dass die sich auf diesen Konsens gar nicht einlassen würden. Aber auch die Landesschülervertretung – das hat die Kollegin Beer gerade schon gesagt – fordert einen neunjährigen Bildungsgang am Gymnasium. Langfristig ist – das haben wir gerade gehört – die inklusive Gesamtschule das Ziel.
Eine Regelung, die sowohl ein G8 als auch ein G9 ermöglicht, wurde von der Landeselternkonferenz und vom Landesjugendring befürwortet. Auch der Landesjugendring als Vertretung der Jugendlichen hier in NRW ist, finde ich, eine sehr gewichtige Stimme, die man nicht einfach links liegen lassen darf.
Landesschülervertretung, Landeselternschaft Grundschule, Landeselternkonferenz, VBE, GEW und DGB sind für eine verbesserte Anschlussfähigkeit und Erreichbarkeit der Abschlüsse am Ende der Sekundarstufe I. Das sollte in den Blick genommen werden. Von „langfristig“ habe ich da nichts gehört. Dass wir das nicht morgen umsetzen können, weiß ich auch. Aber die Diskussion an der Stelle im Moment zu schließen und zu sagen „Damit werden wir uns in ein paar Jahren beschäftigen“, das ist mir zu wenig.
VBE, GEW, Landesschülervertretung, Landeselternschaft Grundschule und DGB haben sich perspektivisch für eine sechsjährige Sekundarstufe I ausgesprochen, und zwar an allen Schulen. Diese Diskussion sollten wir, finde ich, weiterführen und jetzt nicht einfach sagen: Jetzt legen wir da ein Deckchen drüber und gucken in ein paar Jahren einmal, wie wir weiterkommen.
Es gab ebenfalls ein breites Votum dafür, mittelfristig die Umstrukturierung des Bildungsgangs am Gymnasium anzugehen, und zwar in der Oberstufe eine flexible Phase einzuführen, in der die Schüler durchaus gucken können, wie schnell sie das Abitur schaffen. Die GEW hat in dem Zusammenhang vorgeschlagen, die Oberstufe im Rahmen von zwei bis vier Jahren zu gestalten. Das scheint mir durchaus Sinn zu machen, um eine individuelle Lebensplanung zu haben und zu gucken: Mache ich einen Auslandsaufenthalt? Engagiere ich mich sonst wo? Oder aber man sagt: Ich ziehe das einfach in zwei Jahren durch, dann habe ich das G8. – Das alles kann möglich sein.
Dann haben wir über die Maßnahmen gesprochen, die zu einer Verbesserung der Situation im G8 führen. Die Maßnahmen in den unterschiedlichen Feldern – wie die Entlastung von Schülerinnen und Schülern oder die Begrenzung des verpflichtenden Nachmittagsunterrichts – wurden hier heute Morgen schon ausführlich dargestellt.
Auch wenn ich einzelne Maßnahmen durchaus sinnvoll finde, bestehen bei mir doch erhebliche Zweifel, ob sie denn wirklich zum gewünschten Ziel führen. Ich möchte dazu anhand eines Beispiels etwas zu den Ergänzungsstunden sagen. Ich war wirklich überrascht, was man mit diesen paar Stunden alles anfangen kann. Unglaublich! Lernzeiten werden für die verschiedensten Zwecke genutzt: Es gibt keine Hausaufgaben mehr, also machen wir das in den Lernzeiten. Auch individuelle Förderung machen wir in den Lernzeiten. Die Förderung von besonders Begabten machen wir ebenfalls in den Lernzeiten. – Ich weiß gar nicht, wie lang diese Ergänzungsstunden sein sollen, keine Ahnung.
Ich weiß auch nicht, wie ein Lehrer es leisten können soll, das alles in diesen paar Stunden unterzubringen. Da kam dann die Idee: Wir nennen das Schulministerium in „Hogwarts“ um und bilden jetzt Zauberer aus. Ich weiß aber nicht, wie Lehrer das noch hinkriegen sollen.
Genau das Gleiche gilt für den einen Pädagogischen Tag. Ich finde das super. Dann wird gesagt: Da müssen auch die Eltern und die Schüler beteiligt werden. Was soll denn an einem Gymnasium mit 1.500 Schülern und mit Hunderten Lehrern an einem Tag geleistet werden? Da ist doch ein Tag einfach nicht genug. Das alles sind doch nur kleine Pflasterchen, die hier wirklich niemanden nach vorne bringen.
Danke schön. – Liebe Frau Pieper, ist Ihnen bekannt, dass es in der Schule Mitwirkungsgremien – wie die Schülermitverwaltung, die Schülervertretung, die Eltern und die Schulpflegschaft – gibt, die an solchen Tagen auch eingebunden sind, die ihre eigenen Organe in den Klassenpflegschaften haben und die in den Fachkonferenzen beteiligt sind? Ist Ihnen das bekannt? Und halten Sie es für unmöglich, dass eine Einbindung in einen Pädagogischen Tag mit den Gremien erfolgen kann?
Vielen Dank, Frau Beer. – Nein, das halte ich natürlich nicht für unmöglich. Das habe ich auch an keiner Stelle gesagt. Ich habe nur gesagt, dass gerade dieser Pädagogische Tag hier so in den Vordergrund geschoben wurde, als wolle man damit sagen: An diesem Tag richten wir das Leben. Das wird nicht funktionieren.
Selbst wenn wir all diese Fragen beantworten und uns gestatten, wirklich Verbesserungen zu bekommen, wird das die strukturellen Probleme, die mit G8 einhergehen, absolut nicht lösen.
Durch das G8 in NRW wird das ganze Gymnasium nicht mehr durchlässig. Wir haben lange darüber diskutiert, dass es schwierig ist, von einer anderen Schule auf ein Gymnasium zu wechseln. Wie sieht es mit Schülern aus anderen Bundesländern aus, in denen es G9 gibt, wenn die hierherkommen? Müssen die dann ein Jahr wiederholen? Wie sieht es mit zieldifferenter Förderung am Gymnasium aus? Wo machen die die Klasse 10? Gehen die dann mit in die Oberstufe? Ich weiß es nicht. Ich glaube, das G8 macht einfach viel mehr Probleme, als dass es sie lösen kann.
Natürlich löst ein Wechsel zu G9 – das ist schon klar – auch nicht alle Probleme des Bildungssystems. Wir glauben aber schon, dass ein G9 auch am Gymnasium den individuellen Begabungen besser entgegenkommt als das G8, und zwar in jeder Schulform.
Wer wirklich für eine Erhöhung des Bildungsniveaus und für Chancengleichheit ist, der kann eigentlich nur für eine möglichst lange Schulzeit sein, um allen Schülern diese Chancen zu geben. Warum dann dieses Beharren?
(Sigrid Beer [GRÜNE]: Was ist denn mit der Qualität des Unterrichts? Was ist mit den Schulen, die das gut machen können?)
Frau Beer, wenn Sie eine Frage stellen möchten, klinken Sie sich doch bitte einfach ein. Dann machen wir das.
Warum dies Beharren? Das Gymnasium ist von seiner Schülerschaft her durchaus heterogener geworden. Wir haben mehr Inklusion, mehr Integration im Gymnasium. Deshalb verstehe ich nicht, wie all diese zusätzlichen Herausforderungen, die jetzt auch aufs Gymnasium zukommen, in dieser kürzeren Zeit bewältigt werden können.
Dann muss man auch mal den Zusammenhang sehen: Diese große Diskussion um Abschulen und die Kultur des Behaltens – da frage ich mich einfach, ob nicht viele, die für G8 sind, G8 nur haben wollen, um ein bisschen in dem Elfenbeinturm für unsere Bildungseliten zu bleiben und zu sagen: Die, die sich nicht so ganz sicher sind, gehen dann lieber zur Gesamtschule, die sind wir dann einfach ganz gut los.
Das finde ich nicht richtig. Ich habe während der gesamten Diskussion nicht ein einziges pädagogisches Argument für G8 gehört.
Es wird ständig nur als Begründung angegeben, dass es damals ein Fehler war, G8 einzuführen, und jetzt wäre es ein noch größerer Fehler, wieder zurückzukehren, weil das so viel Unruhe in die Schule brächte.
Zweitens. Wir wollen nicht zurück zu G9, sondern man kann das langfristig angehen und muss auch nicht sagen: Pass mal auf, in einem halben Jahr drehen wir alles um. – Das kann man planen, das kann man vorbereiten, das kann man fließend in die Schulen einbringen.
Aber, was ich nicht verstehe: Wir halten ein nicht funktionierendes System aufrecht und behandeln es, anstatt zu sagen: Hey, das war eine Sackgasse; das war nicht richtig. Lasst uns gucken, wie wir zu einem neuen G9 nach vorne gehen, nicht mit Rolle rückwärts zu dem alten. Was für Chancen bieten sich uns? Wie können wir flexibel Schullaufbahnen organisieren? Wie können wir individuelle Förderung organisieren?
Individuelle Förderung – das habe ich schon ein paar Mal hier gesagt – ist nicht nur Lernen auf unterschiedlichem Leistungsniveau, das ist Lernen in unterschiedlichen Lernzeiten, Lernschritten und Lerngeschwindigkeiten.
Meine lieben Kollegen von Rot-Grün, ich finde es gut, dass man einen runden Tisch macht und sich alle anhört. Trotzdem muss man nachher klare Kante zeigen und Position beziehen.
Da sage ich ganz deutlich: Bei der FDP haben wir immer gewusst, woran wir sind. Wir wussten, die FDP steht für G8. Diese Position muss ich nicht teilen, aber dann weiß der Bürger, dann wissen alle Menschen in Nordrhein-Westfalen, woran sie sind. Das finde ich gut.
Ich weiß immer noch nicht, wofür Rot-Grün steht. Herr Geisel trägt sich bei der Bürgerinitiative ein. – Keine Ahnung. Da wird gesagt: Wir machen jetzt G8 weiter. – Ich weiß es nicht. Da muss man doch hier mal Position beziehen und sagen, wo man eigentlich perspektivisch hin will.
Mir fehlt tatsächlich die Vision von einer Schule 2025. Wie schaut das dann aus? Ich finde immer, dieses hier ein bisschen Kleckern und da ein bisschen Kleckern ist nicht gut für NRW, und das ist keine nachhaltige Schulpolitik. – Vielen Dank.
Frau Kollegin, bitte bleiben Sie noch einen Moment am Pult. Es liegt eine Kurzintervention der Frau Kollegin Beer vor.