Deshalb war unser Ansatz sehr zielführend, als unser Fraktionsvorsitzender Sie gestern ausdrücklich ermuntert hat, sich doch offensiver, als es bislang geschieht, nicht nur der Frage anzunehmen, wie man die Verluste verbucht, die die WestLB verursacht, sondern sich auch einmal Gedanken zu machen, wie wir stärker das tun können, was auch andere Landesbanken machen, nämlich Strategien zu entwickeln, wie wir Gelder auch einmal umgekehrt aus Prozessverfahren werthaltig für das Land Nordrhein-Westfalen als Eigentümer zurückbekommen. Bei den ersten Ansätzen ist noch viel Luft nach oben.
Sie gucken ja nicht so gerne nach Bayern. Aber schauen Sie sich einmal an, mit welchem Mut die Bayern jetzt ihre Klageverfahren gegen Goldman Sachs, Bank of America und andere Emittenten von Schrottpapieren in den USA in Angriff nehmen. Dabei werden hohe Beträge zustande kommen, die
der Landeskasse wieder zufließen und für Entlassungseffekte sorgen. Diesen Aspekt sollten Sie erheblich forcieren und da auch einmal Konflikte eingehen, auch wenn man sich einmal mit großen Playern am Markt anlegt. Da gibt es noch viel Potenzial nach oben.
Was Sie auch gar nicht thematisiert haben, Herr Finanzminister, ist die Frage: Wie entwickelt sich eigentlich zukünftig die Perspektive für Ihren Haushalt, wenn wir nicht mehr diese historische Niedrigzinsphase haben, wenn die Zinsen wieder steigen, was ja auch angesichts der aktuellen europäischen Rahmenbedingungen für die nächste Zeit nicht ganz ausgeschlossen ist. Was bedeutet das dann für das Land und nachgelagert für die Kommunen für die Liquidität und für die Kosten, die sie dann für die Kapitalaufnahme zu tätigen haben? Das sind große Risiken. Auch dazu fehlen die nötigen Schlussfolgerungen in Ihrer mittelfristigen Finanzplanung.
Das, was Ihre mittelfristige Finanzplanung enthält, ist allerdings der Aufwuchs des Landeshaushalts. Wenn wir uns das über die Jahre ansehen, stellen wir fest, dass immer weitere Milliarden draufkommen, dass Sie die Staatstätigkeit immer mehr ausdehnen wollen, auch wenn sie heute in NordrheinWestfalen schon größer ausfällt als in anderen Bundesländern. Das sollte Ihnen auch zu denken geben.
Bei diesen Rahmenbedingungen und bei diesen Risiken müssen Sie schon die Frage beantworten: Welche neuen Steuern wollen Sie eigentlich alle noch einführen, und welche bestehenden Steuern wollen Sie alle noch weiter erhöhen, um die Lasten dann zu tragen, wenn die konjunkturellen Bedingungen sich nicht mehr so gestalten wie heute.
Deshalb muss Schluss sein mit dieser Verteilungsmentalität. Die Mitglieder der Landesregierung ziehen ja gerne durchs Land, weihen Einrichtungen ein und überreichen bei dieser Gelegenheit auch immer Schecks. Sie vermitteln dabei den Eindruck, sie gäben ihr Geld. Was sie über den Tisch reichen, was sie über den Tresen geben, ist aber das Geld der Steuerzahler, und das ist verdammt knapp. Deshalb müssen wir schauen, dass wir mit diesem knappen Gut sinnvoller und verantwortungsbewusster umgehen.
Sie müssen sich dem Benchmarking der anderen Bundesländer stellen. Warum schaffen – ob im Westen oder im Osten, ob im Süden oder im Norden – Bayern, Brandenburg, Mecklenburg
Vorpommern, Sachsen und Baden-Württemberg – alles Bundesländer mit einer höchst unterschiedlichen Struktur; Sie werden ja Mecklenburg
und zwar mit anderen Konzepten, als Sie es hier in Nordrhein-Westfalen tun? Die haben übrigens auch alle unterschiedlich kolorierte politische Mehrheiten in ihren Ländern. Aber dort, wo in den Ländern der Wille besteht, zu handeln, da schaffen andere das, anders als Sie in Nordrhein-Westfalen. Deshalb bleiben wir bei unserer Einschätzung, Herr Finanzminister. Das ist auch eine Frage Ihrer Glaubwürdigkeit.
Sie haben heute – ich habe das eben zitiert – eine ganz druckfrische Pressemeldung Ihres Ministeriums herausgegeben, in der nachlesbar steht, dass Sie 5,9 % Einnahmenzuwachs bei den Steuereinnahmen haben. Sie selber geben als positive Nachricht Rekordsteuereinnahmen bekannt, von denen Sie realistischerweise nicht ausgehen können, dass sie dauerhaft bestehen.
Wir haben, Herr Finanzminister – das muss Ihnen im Ergebnis dieser Debatte klar sein –, in Nordrhein-Westfalen kein Einnahmeproblem, sondern ein Ausgabeproblem. Deshalb gilt unverändert: Sie müssen mehr sparen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein paar Bemerkungen möchte ich doch noch machen. Herr Kollege Witzel, wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, warum die Politikansätze der rot-grünen Regierung richtig sind – kein Kind zurücklassen, frühkindliche Bildung, Bildung ein ganzes Leben lang –, dann haben Sie diesen eben fortgesetzt erbracht.
Es ist doch vollkommen logisch, dass wir uns in der heutigen Debatte möglichst auf konkrete Dinge beschränken sollten. Wir haben eben von Ihnen ein langes Plädoyer und ein großes Referat über Ihr neoliberales Staatsverständnis, gespickt mit kruden historischen Vergleichen, gehört. Auch ein bisschen Slapstick war dabei. Ob das wirklich lustig sein sollte, war mir nicht ganz klar. Es gibt jedoch fortgesetzt eine absolute Realitätsverweigerung. Sie haben
sich schlicht und einfach mit diesem Haushalt 2012 nicht beschäftigt. Und Sie verweigern sich jedem einzelnen konkreten Vorschlag, übrigens wie die Kollegen der CDU auch. Das zeigt doch einfach nur, dass Sie heute die Leistung schlicht nicht erbracht haben, die eigentlich in einer solchen Diskussion notwendig ist.
Sie haben einen ziemlich gewagten Vergleich angestellt, indem Sie den Studienerfolg der Ministerpräsidentin mit dem Ihren verglichen haben. Meine Höflichkeit verbietet es, hierauf eine wirkliche Antwort zu geben. Aber ich meine, Studienerfolge sind eben mal so und mal so. Ich habe an dem der Ministerpräsidentin jedenfalls keinen Zweifel in Anbetracht dessen, was sie hier vorgetragen hat.
Sie haben dem Finanzminister vorgeworfen, Herr Kollege Witzel, viel interessanter als das, was er gesagt habe, sei das gewesen, was er nicht gesagt habe. Das trifft eigentlich nur auf Sie zu. Denn es gab keinen einzigen konkreten Punkt zu Haushaltsfragen, eben nur die Elogen über Staatsverständnis, Neoliberalismus und das, was Sie eigentlich immer schon mal sagen wollten. Nur weil wir gezwungen sind, Ihnen zuzuhören, macht es die Sache keineswegs besser.
Ausgerechnet zum Thema „WestLB“ uns Belehrungen zu machen, das ist wirklich so etwas von deplatziert und falsch. Wenn Sie ein künftiges Geschäftsmodell der WestLB mit dem Bund und dem Finanzminister diskutieren und schauen wollen, wie andere Bundesländer das machen, dann erinnere ich Sie daran, dass es die WestLB gar nicht mehr gibt.
(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Ralf Witzel [FDP]: Habe ich doch gerade ge- sagt: WestLB-Abwicklung durch Rechtsnach- folger Portigon AG!)
Das mag Ihnen vielleicht entgangen sein, aber die Westdeutsche Landesbank AG ist schlicht nicht mehr vorhanden. Portigon hat jetzt ein Geschäftsmodell, das wir zusammen mit anderen weiterentwickeln. Aber ausgerechnet Sie waren es doch in der damaligen Koalition mit Ministerpräsident Rüttgers, der die WestLB verkaufen wollte. Sie haben es aber nicht auf die Reihe bekommen. Sie wollten die Braut erst aufhübschen. Was daraus geworden ist, das sehen wir jetzt: Milliarde um Milliarde muss jetzt in Haushalte eingestellt werden, weil Sie es nicht geschafft haben, Ihren eigenen Vorhaben Taten folgen zu lassen. Und vor lauter Aufhübschen ist aus der Braut eine ziemlich alte Lady geworden, die wir am Ende nicht mehr vernünftig am Markt halten konnten.
Sie persönlich haben durch Klagen vor dem Landesverfassungsgerichtshof genau das verhindert, was Sie jetzt vom Finanzminister fordern, nämlich Vorsorge. Der Finanzminister hat doch versucht, die Vorsorgelasten in Haushalten so abzubilden, dass wir ein für alle Mal sehen, transparent, offen, für jeden ehrlich erkennbar, welche Lasten noch auf uns zukommen. Sie haben das verhindert. Also beklagen Sie doch jetzt nicht mit aufgesetzten Krokodilstränen, dass das nicht geschehen kann, was Sie selbst verhindert haben.
Ihr einziger Punkt zu einem wirklichen Geschäftsmodell der WestLB – Ihr Fraktionsvorsitzender Lindner hat das übrigens vor einigen Wochen tatsächlich einmal mehr im Munde geführt – war die Vertikalisierung von Sparkassen und Westdeutscher Landesbank oder eben jetzt Portigon. Das muss man sich einmal vorstellen. Der Mühlstein um den Hals der Sparkassen, nämlich die Vertikalisierung, dass die WestLB ihnen das Geschäft weggenommen hätte, das führen Sie immer noch immer Mund. Deutlicher kann man doch nicht zeigen, dass Ihre Konzepte von gestern sind.
Deswegen die herzliche Bitte: Lassen Sie es sein und werden Sie endlich konkret, aber nicht den alten Käu von gestern. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht der Abgeordnete Mostofizadeh.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein Fraktionsvorsitzender hat gesagt, ich dürfte mich nur melden, wenn ich das Niveau von Herrn Witzel unterbiete.
Weil ich möchte, dass wir über Haushaltspolitik wieder ernsthaft und qualifiziert reden, möchte ich nur einen Punkt herausgreifen. Sie haben ja das ach so witzige Beispiel von den Gutachten über das Schwanzbeißen in den nordrhein-westfälischen Ställen geliefert. Vielleicht hätten Sie sich einmal mit der Materie auseinandersetzen sollen.
Es geht nämlich hierbei darum, Herr Kollege Witzel – hören Sie bitte den Moment zu! –, ob Ställe nach EU-Recht zu schließen sind. Wenn nämlich in den Ställen Schwanzbissigkeit vorherrscht, dann müssen diese Ställe nach EU-Tierschutzrecht geschlossen werden. Das Umweltministerium hat daraufhin diese Studie in Auftrag gegeben, um sicherzustellen, dass diese Ställe nicht geschlossen werden müssen. Sind Sie dafür, dass dieses Gutachten
nicht in Auftrag gegeben wird und damit zwei Drittel bis drei Viertel der nordrhein-westfälischen Ställe geschlossen werden? Ach wie witzig, Herr Kollege Witzel! Und ach wie witzig, dass Sie die Stutenbissigkeit im Kabinett untersuchen lassen wollen. Das ist ein Niveau, Herr Kollege, das ich unterirdisch und wirklich ekelhaft finde.
Wir kommen ja unter dem Tagesordnungspunkt zum Thema „Steuerabkommen“ noch auf weitere Ekelhaftigkeiten zu sprechen, aber jetzt noch nicht.
Noch ein Punkt, was das Steuerabkommen anbetrifft. Hierauf hat ja auch der Finanzminister hingewiesen. Auch da haben Sie ja durch Weglassungen versucht, ein gewisses Bild darzustellen. Mittlerweile habe ich aber einen ganz anderen Eindruck von Ihnen. 2008 hat Finanzminister Linssen ebenfalls eine Steuer-CD kaufen lassen. Er hat damals auf Nachfrage – wir haben das unterstützt – darauf hingewiesen, er habe da keinen Spielraum, ob er diese kauft oder nicht, weil er nach Abgabenordnung – ich könnte den Brief heraussuchen – gehalten sei, jedem Hinweis auf Steuerhinterziehung nachzugehen. Er hat es so gedeutet, er sei quasi verpflichtet, diese CD zu kaufen.
Wenn Sie jetzt versuchen, den Finanzminister zu kriminalisieren – einige Piraten haben auch Anzeige erstattet; darüber werden wir nachher auch noch einmal sprechen – und den Anschein zu erwecken, dass das Aufdecken von Steuerstraftaten Hehlerei sei und man eine konsequente Ermittlung zu unterlassen habe, wenn man nicht jedem Vorgang nachgehe, drängt sich mir folgender Verdacht auf: Sie haben eine Studie in Auftrag gegeben – die Herr Lindner gestern zitiert hat –, in der es darum geht, ob man eher für Schuldenabbau oder, in Ihren Worten, eher für soziale Wohltaten ist.
Ich habe mir einmal die Kommentarleiste angeschaut. Ein Kommentar lautete – alle Kommentare waren vernichtend, zumindest die, die ich gelesen habe; es waren ungefähr 40 oder 50 –: Dieses Gutachten wundert uns gar nicht, weil diese FDP die Partei der Schutzpatrone, der Automatenaufsteller und der Steuerhinterzieher zu sein scheint. – Das haben Sie heute eindrucksvoll bestätigt.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist der erste Teil dieses Tagesordnungspunkts erledigt. Wir sind am Schluss der Beratung.