Vielmehr haben Sie nur noch einmal wiederholt, was wir schon seit längerer Zeit von Ihnen hören. Eigentlich sollte Herr Herter sprechen. Dem hätte ich wenigstens zur Wahl gratulieren können. Zu dieser Rede kann ich Ihnen garantiert nicht gratulieren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, man hätte natürlich einen Antrag schreiben können. Man hätte sich beispielsweise mit den Erkenntnissen aus der Kommunalwahl auseinandersetzen können. Aber auf der einen Seite, die Sie da schnell zusammengeschrieben haben, standen, wie gesagt, keine neuen Erkenntnisse.
Schauen wir einmal ein bisschen zurück. Ich bin Anfang der 70er-Jahre geboren worden. Damals war man mit 21 volljährig und durfte wählen. Das hat die SPD damals geändert. Unter Willy Brandt hat man dafür mehrere Jahre gebraucht, hat die Gesetze umfassend überarbeitet und hat damit gezeigt, dass
eine Wahlrechtsänderung mit dem Absenken des Wahlalters kein singulärer Schuss ist, sondern dass es dafür ein umfassendes Konzept benötigt. Aber dieser Frage unterziehen Sie sich gar nicht. Diese Arbeit scheuen Sie und legen stattdessen einfach Anträge auf den Tisch.
Eines finde ich bemerkenswert. Sie betonen hier, wie politisch erwachsen Jugendliche mit 16 sind. Wenn es allerdings nicht darum geht, dass sie sonntags an die Wahlurne sollen, dann sinkt das Vertrauen in junge Menschen in Ihrer Partei in ganz erheblichem Maße. Wie sieht es denn unter der Woche aus, wenn sich Jugendliche zum Beispiel am Montagmorgen einen Energydrink kaufen wollen? Dazu sagte Ihre Bundestagsfraktion noch in der letzten Wahlperiode, die Jugendlichen müssten mindestens 18 sein, um so etwas konsumieren zu dürfen.
Es mag ja sein, dass Ihnen das Verbraucherthema nicht schmeckt. Dann schauen wir einmal, wie Sie junge Menschen politisch bewerten. Blicken wir einmal zu Ihren Parteikollegen nach Berlin. Dort gab es auf dem Parteitag einen entsprechenden Beschluss, dass Bundeswehrsoldaten nicht mehr in die Schule sollten, dass sich junge Menschen nicht mehr mit den Jugendoffizieren der Bundeswehr auseinandersetzen sollten.
Die Begründung dazu lautete – ich gebe das einmal sinngemäß wieder –, Minderjährige seien in einem Alter, in dem zentrale Lebens- und Wertvorstellungen noch entwickelt werden müssten. Dementsprechend seien Jugendliche anfällig für militärische Propaganda.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe eher Angst, wenn sich junge Menschen in Chats mit Extremisten, die sich an sie heranmachen, auseinandersetzen. Ich habe aber keine Angst, wenn Bundeswehrsoldaten im geschlossenen Raum in der Schule mit jungen Menschen darüber diskutieren, was der Auftrag der Bundeswehr ist und was nicht.
Ja, aber wenn es um Themenbereiche geht, die Ihnen nicht schmecken, ist auf einmal Gefahr im Verzug. Dann sind Jugendliche auf einmal nicht mündig.
(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Es gibt einen Unterschied zwischen schützen und Rechten verschaffen!)
Geht es hingegen um Themenbereiche, von denen Sie sich ein wenig politischen Honig versprechen, sind Sie entsprechend aktiv.
Ich habe gerade Willy Brandt und das Gesamtkonzept angesprochen. Wie ist es denn beim Thema „Wahlrecht mit 16“? Nur aktiv? Oder auch passiv? Sie hätten vielleicht auch einmal darüber sprechen können, warum Sie nicht auch 16-Jährige gleich als wählbar betrachten.
Eine weitere Frage stellt sich in Bezug auf das Strafrecht. Auch das müsste man anpacken, weil Rechte und Pflichten aus meiner Sicht immer zusammen betrachtet werden müssen.
(Beifall von der CDU – Sven Wolf [SPD]: Das ist doch alles rauf und runter diskutiert worden! Sie schmeißen ja alles zusammen!)
Früher hatte die SPD noch den Anspruch, Gesamtkonzepte auf den Tisch zu legen. Aber damals gab es auch noch Sozialdemokraten in der SPD. Heute gibt es nur noch Personen, die versuchen, jeden Strohhalm zu ergreifen, um zumindest eine Schlagzeile zu produzieren. So begeistert man Jugendliche garantiert nicht.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wurde schon darauf hingewiesen, dass wir heute zum wiederholten Male auch in dieser Legislaturperiode über die Herabsenkung des aktiven Wahlrechts auf 16 Jahre nicht nur bei den Kommunalwahlen, sondern auch bei der Landtagswahl diskutieren.
Herr Kollege Wolf war in seinem Redebeitrag so freundlich, noch einmal die Beschlusslage der Freien Demokraten nicht nur auf Landes-, sondern auch auf Bundesebene vorzustellen. Denn auf dem Bundesparteitag hat sich die FDP in der Tat deutlich und ohne eine inhaltliche Gegenrede für eine Absenkung des Wahlalters
übrigens nicht nur bei den Landtagswahlen ausgesprochen, sondern generell. Und zwar, wie ich auch persönlich finde, mit guten und überzeugenden Argumenten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen junge Menschen zu mündigen, aufgeklärten, zeitkritischen Persönlichkeiten
fördern. Sie sollen engagiert an den Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit mitarbeiten und auch mitentscheiden können.
Wir diskutieren über zahlreiche Ansätze zur Stärkung der politischen Bildung und Partizipation zum Beispiel in den Schulen, in Vereinen, in Verbänden, in Kinder- und Jugendparlamenten, auch übrigens in der auf Antrag der CDU eingesetzten Enquetekommission hier im nordrhein-westfälischen Landtag.
Wir wissen, politisches Interesse oder politisches Bewusstsein ist keine Frage des Alters. Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, dass wir das Wahlrecht als Freiheitsrecht und als Kernrecht der Demokratie stärker auch in das gelebte Bewusstsein unserer Bürgerinnen und Bürger bringen wollen und auch müssen, übrigens bei alt wie bei jung.
Die Zahlen zur letzten Kommunalwahl liegen uns noch nicht ausführlich vor. Ich befürchte, dass auch in der Gruppe der 16- bis 18-Jährigen, also derjenigen, die bei der Kommunalwahl erstmalig wählen durften, die Wahlbeteiligung unterdurchschnittlich gewesen sein dürfte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, es ist doch unlauter, in Ihrem Antrag die Verknüpfung herzustellen, nur mit dem Wahlrecht würden die Stimmen junger Menschen gehört und hätten in unserer Gesellschaft Gewicht. Das wäre auch arm.
Die Väter und Mütter unserer Verfassung haben der Wahlmündigkeit und dem Wahlrecht eine hohe Bedeutung beigemessen, sonst hätten sie es auch nicht in der Verfassung geregelt. Natürlich ist die Feststellung des Wahlalters das Ergebnis einer Abwägung.
Und ich habe auch an verschiedenen Stellen bereits festgestellt: Für kluge Demokraten eignen sich Wahlrechtsfragen nicht für parteipolitisch-taktisch motivierte Argumentation.
Liebe Antragsteller, das Wahlalter ist in NordrheinWestfalen in der Verfassung geregelt. Sie haben selber schon darauf hingewiesen, was man für die Verfassungsänderung braucht: eine Zweidrittelmehrheit. Wir können es ja wiederholt diskutieren. Ich sehe diese Zweidrittelmehrheit in dieser Legislaturperiode in diesem Parlament nicht.
Vielleicht wird das in der nächsten Legislaturperiode anders. Bislang haben wir, die wir für die Absenkung des Wahlalters werben, die Kolleginnen und Kollegen insbesondere der CDU noch nicht überzeugen können. Die vorgetragenen Bedenken sollten wir doch trotzdem respektvoll ernst nehmen und uns damit auseinandersetzen.
Tun wir doch bitte nicht so – Kollege Schick hat ja schon darauf hingewiesen –, als seien alle von jeher für die Absenkung des Wahlalters gewesen. Es ist ja schon angesprochen worden, wie Ihre sozialdemokratischen Genossen in Berlin das mit der Mündigkeit von Jugendlichen sehen.
Wenn wir jungen Menschen insgesamt zutrauen, dass sie mündig sind, dass sie ihre Entscheidungen auch selber bilden können, dann können und müssen wir das an der Stelle diskutieren.
Lassen Sie uns doch gemeinsam die politische Bildung nicht nur an den Schulen, sondern auch in der Zivilgesellschaft stärken. Stärken wir die Verbrauchermündigkeit durch Vermittlung wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Kompetenzen. Stärken wir die Medienkompetenz und die Medienmündigkeit, damit junge Menschen zwischen Tatsachen und Fake News, zwischen Nachricht und Meinung unterscheiden können und eine eigene, unabhängige Überzeugung und Haltung bilden können.
„Wir wollen junge Menschen in Nordrhein-Westfalen ermutigen, sich in die Gesellschaft einzubringen und ihre Anliegen selbstbewusst zu vertreten. Sie sollen für Teilhabe an der parlamentarischen Demokratie befähigt und begeistert werden. Wir werden daher ein unabhängiges und direkt gewähltes Landes-Jugendparlament Nordrhein-Westfalen schaffen, welches über ein Antragsrecht gegenüber dem Landtag verfügen soll.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin zuversichtlich, dass wir mit dem Rückenwind aus diesem Landes-Jugendparlament und den vielen anderen Maßnahmen, die wir auf den Weg bringen werden, hier auch die Überzeugungskraft für eine verfassungsändernde Mehrheit hinbekommen. Und mehr noch, dass die Bürgerinnen und Bürger für aktives Engagement in und für unsere Demokratie zumindest in Form der Wahlbeteiligung gewonnen werden können.