Protokoll der Sitzung vom 08.10.2020

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

… es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage des Abgeordneten Mostofizadeh.

Ich bin durch.

(Heiterkeit)

Gut, alles klar.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank. – Als nächste Rednerin rufe ich für die Fraktion der Grünen Frau Kollegin Paul auf.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In der Tat diskutieren wir die Frage des Wahlalters in diesem Haus fast in regelmäßigen Abständen. Wir haben das in der letzten Legislaturperiode im Rahmen der Verfassungskommission getan, wir haben das Anfang dieses Jahres bei der Vorlage des Gesetzentwurfs durch die SPD getan, und wir tun das heute erneut, weil das Thema wieder einen gewissen öffentlichen Drive bekommen hat, nicht zuletzt wegen des Parteitagsbeschlusses der FDP, aber eben auch aufgrund anderer gesellschaftlicher Debatten.

Ganz ehrlich, Herr Schick, wenn sich die CDU ein bisschen mehr mit den Inhalten auseinandersetzen würde und Sie sich in Ihrem Diskussionsbeitrag gerade ein bisschen mehr mit den Inhalten auseinandergesetzt hätten und sich weniger an der SPD abgearbeitet hätten,

(Sven Wolf [SPD]: Oder an Energydrinks!)

dann wäre auch irgendwie etwas für die Debatte gewonnen gewesen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vor 50 Jahren trat die letzte Wahlalterabsenkung im Grundgesetz in Kraft, und auch damals fielen Wahlalter und Volljährigkeit für eine bestimmte Zeit tatsächlich auseinander. Im Übrigen fielen da auch das aktive und das passive Wahlrecht auseinander. Das zeigt so ein bisschen, dass das Argument „Auseinanderfallen“ bei den Vorschlägen zum Wahlalter 16 nicht so richtig Hand und Fuß hat.

Mittlerweile fallen die landesrechtlichen Regelungen in den einzelnen Bundesländern auch auseinander. Ich würde jetzt einmal ganz mutig die These in den Raum stellen, dass die „Reife“ von Jugendlichen in Brandenburg, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein nicht größer ist als in Nordrhein-Westfalen, nur dass die Jugendlichen da bereits wählen dürfen und hier nicht.

Schaut man sich einmal die Erfahrungen dieser Länder an, so wird deutlich, dass die Wahlbeteiligung beispielsweise bei den Bürgerschaftswahlen in Bremen in dieser Altersgruppe durchaus über dem Durchschnitt liegt.

Das zeigt für mich zweierlei Dinge: zum einen ihr hohes Interesse gerade an landespolitischen Themen,

weil diese Themen sie originär betreffen – beispielsweise Schulpolitik und Jugendpolitik, aber auch Politikfelder wie Verkehrs- und Mobilitätspolitik etc., also all die Dinge, an denen Jugendliche ein sehr originäres Interesse haben –, und zum anderen, dass sie ein hohes Verantwortungsgefühl für dieses elementare demokratische Grundrecht haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Freimuth hat gerade auf die Ausschlüsse und die Frage von Mündigkeit etc. hingewiesen. Ich habe das in der letzten Debatte schon gesagt; aber offensichtlich muss man es immer wieder sagen: Im Wahlrecht müssen die Wahlrechtsausschlüsse begründet werden – und nicht andersherum.

(Beifall von den GRÜNEN und Prof. Dr. Rai- ner Bovermann [SPD])

Sie müssen begründen, warum manche Menschen nicht wählen dürfen – und nicht andersherum. Das ist auch in der Anhörung zum Gesetzentwurf deutlich geworden.

Dementsprechend ist es ein hanebüchenes Argument – das ist auch schon vielfach zurückgewiesen worden –, dass junge Menschen ihre Mündigkeit und dergleichen begründen müssten. Das ist im Wahlrecht nicht vorgesehen.

Sie müssen das Wahlalter erreicht haben, sie müssen die Staatsangehörigkeit haben, und sie müssen hier leben. Das sind die einzigen drei Bedingungen. Es gibt keine Gesinnungstests, es gibt keine Intelligenztests, und es gibt keine Wissensprüfung. Das ist auch genau richtig so.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Sehr geehrte Damen und Herren, die Argumente sind hinlänglich ausgetauscht. Allerdings müssen wir feststellen, dass wir trotzdem immer noch nicht auf einen grünen Zweig oder auf einen gemeinsamen Nenner gekommen sind, was ich sehr schade finde.

Denn im Grunde genommen geht es doch um die Frage von Generationengerechtigkeit, um die Stärkung unserer Demokratie und um die Umsetzung tatsächlicher politischer Teilhabe.

Wenn Sie mich fragen: Ich sehe bei den Argumenten, die eigentlich nur noch die CDU im demokratischen Spektrum vorträgt, kein Argument, das ernsthaft gegen eine Absenkung des Wahlalters sprechen würde.

(Beifall von den GRÜNEN)

Weil die CDU trotzdem weiterhin dagegenspricht, wird es allerdings recht einsam um sie. Das hat Gründe.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Offensichtlich ist Ihr politisches Gesellschaftsbild, das Sie weiterhin verfolgen und an dem Sie festhalten, eines, das nicht mehr ganz der Realität entspricht. Das können Sie jeden Freitag auf den Straßen und den Plätzen überall in Deutschland und auf der Welt sehen. Junge Menschen fühlen sich in ihren Interessen nicht gesehen. Sie fühlen sich nicht wahrgenommen. Sie fühlen sich nicht ernst genommen. Und was machen sie dann? Sie gehen auf die Straße, um laut und deutlich zu artikulieren, was ihre Interessen sind.

Das ist übrigens in einer Demokratie ein hohes Gut. Es ist ihr gutes Recht, dass sie das tun. Das sollen sie auch weiterhin tun, auch wenn sie endlich das Wahlrecht bekommen.

Aber es zeigt doch, dass unser politisches System an diesen Stellen angepasst werden muss. Wir müssen es weiterentwickeln, weil es eben nicht mehr den derzeitigen Realitäten und dem gesellschaftlichen Bedarf und Bedürfnis nach Partizipation gerecht wird.

Ich will noch kurz aus dem FDP-Parteitagsbeschluss zitieren, weil ich ihn, was das angeht, wirklich gut finde. Darin steht nämlich:

„Die Ausweitung des Wahlrechts war stets Zeichen des gesellschaftlichen Fortschritts. Dafür stehen die Durchsetzung des Frauenwahlrechts, die Beseitigung von rassistischer Diskriminierung etwa im Wahlrecht der USA sowie in jüngster Zeit die vom Bundesverfassungsgericht verfügte Aufhebung des pauschalen Ausschlusses behinderter Menschen, die in allen Angelegenheiten unter Betreuung stehen.“

Wenn wir uns das einmal zum Vorbild nehmen, dann würde ich im Anschluss daran sagen: Lassen Sie uns doch gemeinsam diesen gesellschaftlichen Fortschritt weiter vorantreiben. Geben Sie endlich Ihre Blockadehaltung auf, und lassen Sie junge Menschen mitbestimmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Fraktion der AfD hat nun der Abgeordnete Herr Strotebeck das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

„Alter Wein in neuen Schläuchen – so lässt sich Ihr Antrag kurz und knapp zusammenfassen.“

Mit diesem Satz hat meine Kollegin Frau DworeckDanielowski im April 2019 ihre Rede begonnen, als ebenfalls die SPD-Forderung „Wahlalter auf 16 absenken“ im Plenum debattiert wurde. Damals handelte es sich wenigstens noch um einen

Gesetzentwurf. Heute legen Sie nur einen knapp anderthalb Seiten kurzen Antrag vor. Also alter Wein in einem alten Schlauch!

Was hat die ehemalige Volkspartei SPD dazu bewogen, ihre alte Forderung erneut einzubringen? Ein Twitter-Beitrag von Herrn Minister Dr. Stamp, in welchem er sich positiv über ein Wahlrecht ab 16 äußert, ist die gesamte Grundlage für den neuerlichen Antrag.

Die SPD-Argumente für ein Wählen ab 16 werden allerdings auch durch den Twitter-Text eines FDPMinisters nicht stichhaltiger. Dass Wahlrecht und politisches Interesse nicht Hand in Hand gehen, wie in dem SPD-Antrag behauptet, beweist die Wahlbeteiligung.

Das Alter für die Wahlberechtigung und für die Wählbarkeit bei Bundestagswahlen ist seit 1949 in mehreren Schritten herabgesetzt worden. Die Wahlbeteiligung lag bei der Bundestagswahl 1953 bei 86 % und bei der Bundestagswahl 1957 bei 87 %; das Wahlalter lag damals bei 21 Jahren und das passive Wahlrecht bei 25 Jahren. Bei der Bundestagswahl 2017, bei der ab 18 abgestimmt werden konnte, lag die Wahlbeteiligung hingegen nur bei 76 %; 2013 und 2009 waren es lediglich rund 70 %.

Interesse für Politik wecken Sie nicht damit, dass immer jüngere Menschen wählen können. Bei der Kommunalwahl in Mannheim durften bereits 16- bis 18Jährige wählen. Die Wahlbeteiligung bei dieser Altersgruppe betrug sage und schreibe 1 %. Dass ein gesenktes Wahlalter das Interesse an Politik weckt, ist eine infantile Sichtweise.

2004 fand die letzte Kommunalwahl in NordrheinWestfalen mit einem Wahlalter ab 18 statt. Das war das letzte Mal, dass eine Wahlbeteiligung von über 54 % erreicht wurde.

Interesse an der Politik kann und muss über die Schule und das Elternhaus geweckt werden.

Warum tritt die SPD so vehement für das Wählen ab 16 ein? Die Wahrheit ist: Immer weniger Deutsche ab 18 wählen die SPD. Bei der letzten Bundestagswahl waren es gerade noch 20 %. Also versucht die SPD offensichtlich, Minderjährigen und Ausländern die Wahl zu ermöglichen,

(Zuruf von Lisa-Kristin Kapteinat [SPD])

um neue Wählerstimmen

(Lachen von der SPD)