Protokoll der Sitzung vom 12.11.2020

Meine Damen und Herren, wir geben unsere Kultur nicht auf, wir geben unsere Werte nicht auf, wir geben Europa nicht auf, und wir geben Deutschland nicht auf.

(Beifall von der AfD)

Wir geben Frauen die Hand und verhüllen sie nicht in Burkas. Wir lachen über Karikaturen oder ärgern uns. Aber wir bringen deswegen keine unschuldigen Menschen um.

(Zuruf von Armin Laschet, Ministerpräsident)

Gerade wenn wir offen sein wollen – und das wollen wir –, bedarf es dafür einer selbstbewussten Haltung; nicht überspannt, nicht radikal oder gar aggressiv, sondern tatsächlich selbstbewusst und souverän. Wir haben alles Recht, auf unser Land auf eine entspannte Weise stolz zu sein. Genau deswegen wollen doch so viele zu uns, eben weil es hier besser ist. Und genau deswegen will ich nicht, dass wir das abschaffen, dass wir uns abschaffen, meine Damen und Herren.

Wenn wir nicht schleichend unsere Freiheitsrechte aus Angst vor Terror aufgeben wollen, durch mehr Überwachung, mehr Merkel-Poller, mehr Wachleute, wenn wir nicht schleichend unsere Freiheit verlieren wollen, weil wir zu bestimmten Uhrzeiten bestimmte Wege nicht mehr nutzen, weil da – grün-verschämt – junge Männer oder – noch perfider gelogen – Partyszene herumhängt, dann müssen wir jetzt handeln; ruhig und souverän, aber klar, entschlossen und eindeutig.

Wenn es um das Handeln geht, frage ich Sie: Was hat die SPD heute dazu? Nichts. Keinen Antrag, keinen Gesetzentwurf, nichts. Die Grünen haben zu diesem Thema sowieso nie etwas. CDU und FDP haben wenigstens eine Aktuelle Stunde beantragt, um zu reden. Aber einen Antrag, eine Gesetzesinitiative? Fehlanzeige.

Reden, meine Damen und Herren, ist zu wenig. Daher haben wir unsere Hausaufgaben gemacht und einen sechsseitigen Antrag mit umfassenden Maßnahmen vorgelegt.

Klar ist: Wir müssen die Bedrohung zahlenmäßig einschränken. Laut Verfassungsschutz haben wir bereits 28.000 Islamisten im Land, davon alleine 2.060 mit terroristischem Potenzial.

Was ist ursächlich für Islamisten in unserem Land? Das, was Sie nicht hören wollen; das, was Sie nicht sehen wollen; das, worüber Sie nicht reden wollen: Es ist natürlich die Migration aus diesen Ländern.

Das heißt erstens: Wir müssen unsere Grenzen endlich wieder so schützen, wie das für zivilisierte Staaten normal ist. Schließlich hängen wir zu Hause auch nicht die Wohnungstür aus und lassen einfach jeden hinein. Wir müssen also den Zufluss von Gefährdern stoppen.

Das heißt zweitens: So, wie wir den Zufluss stoppen müssen, müssen wir auch den Abfluss erhöhen, also abschieben.

Ich sage für uns als AfD-Fraktion: Jeder ausländische Staatsbürger, der hier durch schwere Straf

taten, Extremismus oder Terrorgefahr auffällt, hat sein Gastrecht verwirkt. Der muss gehen, und zwar ausnahmslos, meine Damen und Herren.

(Beifall von der AfD)

Dass wir in Nordrhein-Westfalen unter Armin Laschet 375 islamistisch-terroristische Gefährder und relevante Personen unter uns haben und davon in diesem Jahr ganze sechs – in Worten: sechs – abgeschoben wurden, ist ein skandalöses Abschiebeversagen.

(Zuruf von Marc Lürbke [FDP])

Wir haben hier Leute im Land, die angeblich vor den Zuständen bei sich zu Hause geflohen sind und nun hier ihre krude Weltsicht durchsetzen wollen – die einen, wie viele Muslimverbände, ohne Gewalt, die anderen mit Terror.

Ich sage: Nein, das wollen wir nicht. Das will ich nicht.

Was ich hingegen will, ist, dass unter Ihrer falschen Politik nicht die Menschen leiden, mit denen wir uns verbunden fühlen. Ich rede von den hier gut assimiliert lebenden Menschen ausländischer Herkunft. Das sind unsere Kollegen und Freunde. Deren guter Ruf leidet, weil Sie die Kriminellen nicht rauswerfen. Ich rede von den aufgeklärten oder ehemaligen Muslimen, die darunter leiden, dass von Grünen bis in die Reihen der CDU Kritik am Islam als Islamophobie oder Rassismus bezeichnet oder mit anderen Totschlagvokabeln denunziert wird.

Sie lassen diese Menschen wie Hamed Abdel-Samad im Stich. Ihre Politik gefährdet die Freiheit und das Leben dieser mutigen Männer und Frauen, die die Werte Europas tatsächlich noch ernst nehmen.

(Beifall von der AfD – Berivan Aymaz [GRÜNE]: Hören Sie auf, über Freiheit zu re- den!)

Und wo wir gerade bei dem linksgrünen Modewort „Islamophobie“ sind: Fragen Sie einmal persische oder iranische Freunde, sofern Sie diese haben.

(Zuruf von Berivan Aymaz [GRÜNE])

Schon Steinzeit-Islamist Ayatollah Khomeini verunglimpfte unverschleierte Frauen als islamophob.

Ich frage Sie: Welche Agenda haben Sie eigentlich, wenn Sie Islamskeptiker als islamophob betiteln? Ist das einfach nur islamisch grün hinter den Ohren, oder ist das einfach nur dämlich, meine Damen und Herren?

(Beifall von der AfD)

Wir müssen jetzt endlich damit aufhören, dass die Agenda der Islamisten von innen, aus unserem eigenen Land, begünstigt wird – begünstigt durch eine vulgäre Form der Toleranz, begünstigt durch Selbstverleugnung und Verharmlosung.

Wenn wir Grenzschutz, Abschiebung und souveränes Auftreten umsetzen, können wir das schaffen. Wenn wir regieren, werden wir es schaffen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Abgeordneter Yetim.

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Das war wieder einmal eine Rede, die mich an „Deutschland den Deutschen“ erinnert hat. Herr Wagner, ich frage mich: Was haben Lichterketten und Weihnachtsmärkte mit dem Thema zu tun, mit dem wir uns gerade beschäftigen? Dafür ist es viel zu ernst.

(Beifall von der SPD, Berivan Aymaz [GRÜNE] und Verena Schäffer [GRÜNE])

Sie haben die Karikaturen erwähnt. Es gibt solche Karikaturen. Ich kann mich sehr gut daran erinnern. Ich weiß gar nicht, wie ich darauf reagiert hätte. An der Stelle muss ich sagen: Das war nicht besser als das andere, was wir an Karikaturen gesehen haben. Auch da sollten Sie sich einmal fragen, ob das wirklich etwas ist, was Sie hier ins Feld führen können, wenn wir über das Thema „Gefährder in Deutschland“ sprechen.

(Beifall von Lisa-Kristin Kapteinat [SPD])

Kolleginnen und Kollegen, wer meinte, dass Hass und Terror in der Coronazeit zum Erliegen gekommen sind, der wurde auf schreckliche Art und Weise auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Die mediale Aufmerksamkeit wurde ja durch Corona bestimmt.

Ich will noch einmal daran erinnern, was alles passiert ist: Im April wurde im bayerischen Waldkraiburg durch einen Anhänger des „Islamischen Staates“ ein Brandanschlag auf ein türkisches Geschäft verübt. Es gab dabei sechs Verletzte. Im August rammte ein Mann auf der Berliner Autobahn mit seinem Wagen Motorräder und Autos. Auch hier gab es sechs teils Schwerverletzte. Der Generalstaatsanwalt geht von einer islamistischen Tat aus. Im Oktober wurden in Dresden zwei Männer mit einem Messer angegriffen. Es gab ein Todesopfer, das andere Opfer überlebte schwerverletzt. Der Tatverdächtige wird als Gefährder geführt.

Wir haben in den vergangenen Wochen, Kolleginnen und Kollegen, weitere Anschläge erleben müssen: Wien, Nizza, Paris. – Die Gefahr des islamistischen Terrors ist nah, und all diese Anschläge sind durch Hass motiviert. All diese Anschläge wollen Angst und Schrecken verbreiten.

Unser Mitgefühl gilt deswegen allen Menschen in Frankreich und in Österreich, es gilt allen Angehörigen der Opfer. Diese Anschläge sind nicht nur Anschläge auf einzelne Menschen, es sind Anschläge gegen uns alle, gegen unsere freie, demokratische und vielfältige Gesellschaft. Ihr Ziel ist dabei immer die Spaltung unserer Gesellschaft, die Spaltung nach Herkunft, die Spaltung nach Religion oder Lebensweise. Deshalb erinnern sie mich auch so an den Anschlag auf die Synagoge in Halle mit zwei Todesopfern oder an den Anschlag in Hanau mit zehn Opfern.

Ob Rechtsextreme oder Islamisten: Ziel ist immer, das Gesellschaftssystem, so wie wir es kennen, zu stürzen und Angst und Schrecken zu verbreiten.

Die Frage ist berechtigt: Warum schiebt man Gefährder nicht einfach ab, wenn sie als Gefährder eingestuft werden? Ich kann das nachvollziehen. Klar ist für uns als SPD: Wer sein Aufenthaltsrecht, sein Asyl missbraucht, um erhebliche Straftaten zu begehen, der verwirkt sein Recht, hier sein zu dürfen, und muss unser Land verlassen.

Ein Blick auf die Gefährder zeigt jedoch, dass das Problem des islamistischen Terrors nicht alleine auf diesem Weg zu lösen ist. Von den derzeit 600 Gefährdern in Deutschland sind allein 217 deutsche Staatsbürger, und 119 weitere haben die doppelte Staatsbürgerschaft.

Die AfD fordert hier eine Verschärfung des Staatsangehörigkeitsrechts für Terroristen. Das hat die Große Koalition 2019 bereits umgesetzt. Wer im Ausland für eine Terrormiliz kämpft, muss nunmehr mit dem Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft rechnen, wenn er eine weitere Staatsangehörigkeit besitzt. Da ist der Anfang getan.

Bei denjenigen, die abgeschoben werden können – darauf ist der Kollege von der FDP gerade eingegangen –, weigern sich die Herkunftsländer oftmals, Abkommen über die Rücknahme abzuschließen. Hier muss noch mehr Druck auf die Bundesregierung ausgeübt werden. Das ist übrigens seit vielen Jahren gemeinsame Position hier in Nordrhein-Westfalen. Ich hoffe, dass sich die europäischen Innenminister, die sich morgen treffen, nicht nur darauf verständigen, sondern auch Maßnahmen zur Prävention von Radikalisierung und was die Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung betrifft, verabreden.

Kolleginnen und Kollegen, die Eindämmung des islamistischen Terrors werden wir nicht alleine durch Abschiebungen und härtere Strafen oder durch den Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit lösen. Neben den repressiven Maßnahmen sind auch präventive Maßnahmen Voraussetzung für eine Eindämmung der islamistischen Gefahr. Wir müssen verhindern, dass sich junge Männer und Frauen den Islamisten anschließen. Wir müssen die Strategien der Anwerbung bekämpfen. Oftmals ist es so, dass die Islamisten Jugendliche persönlich ansprechen

und ihnen vermeintlich Freundschaft und Unterstützung anbieten. Sie bieten ihnen oft ein Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gruppe an. Unsere Aufgabe muss es sein, diese perfiden Strategien zu erkennen und zu verhindern.

Darum ist es gut – es wurde gerade von den Kollegen der CDU angesprochen –, dass die jetzige Landesregierung das von Rot-Grün eingeführte Präventionsprogramm „Wegweiser“ oder auch das Aussteigerprogramm Islamismus genauso wie die Interministerielle Arbeitsgruppe „Salafismusprävention“ als gesamtgesellschaftliche Aufgabe fortführen wird. Das zeigt, dass wir gemeinsam die Bedeutung von Prävention erkannt haben.

Ich bin überzeugt davon, dass wir in der Jugendsozialarbeit die Bedürfnisse, Probleme und Erfahrungen der Jugendlichen viel ernster nehmen und ihnen Wege und auch Perspektiven aufzeigen müssen. Wir müssen dem Auftritt der Islamisten im Netz, mit dem sie viele junge Menschen erreichen, noch mehr entgegensetzen, als wir es tun. Denn hier ist meiner Meinung nach die erste Rekrutierungsquelle der Islamisten.

Auch die Arbeit in Gefängnissen und die Seelsorge sind eng verbunden mit der Ausbildung von Imamen auf der Grundlage unserer Gesellschaftsordnung. Das müssen wir viel stärker fördern. Imame sollten grundsätzlich bei uns ausgebildet sein.

Lassen Sie mich noch einige Bemerkungen zum Antrag der AfD machen. „Gefährder abschieben“, so lautet der Titel. Diese einfache Lösungsformel klingt gut und leicht. Damit hetzen Sie aber die Menschen auf, ohne ernsthaft die Probleme aufzuzeigen. Das ist Ihr politischer Stil, das ist Ihre Politik.

Dort, wo es möglich ist, Gefährder abzuschieben, tun es unsere Sicherheitsbehörden im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten. Die Frage, was gegen Extremismus hilft, muss viel stärker in das Zentrum der Debatte rücken. Es beginnt meines Erachtens damit, dass wir uns viel stärker bewusst machen müssen, dass Extremismus eine große Herausforderung für unsere Gesellschaft ist. Extremistische Anschläge dürfen uns nicht nur während der „tagesschau“ beschäftigen, den Hass, der hinter solchen Anschlägen steckt, müssen wir früher erkennen und ihm im Alltag entgegentreten.