Protokoll der Sitzung vom 28.02.2013

Ein starker Handel sorgt als verantwortungsvoller Akteur für Wachstum, Wohlstand und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Deswegen müssen wir die aktuellen Herausforderungen anpacken und nachhaltige Lösungen gestalten. Mit den bereits angestoßenen Initiativen und Maßnahmen sind wir auf einem guten Weg zur Stärkung unserer Innenstädte und Zentren. Damit sie uns aber auch weiterhin echte Einkaufserlebnisse bescheren und wichtiger Teil unserer Freizeitgestaltung bleiben, müssen wir nun die

Weichen für die Zukunft stellen und brauchen daher diesen kraftvollen Neustart. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion der FDP spricht nun der Abgeordnete Herr Bombis.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, sehr geehrte Herren! Die Gastronomie, die kulturellen Einrichtungen wie Museen und Theater, auch Sportstätten und vor allem aber auch der stationäre Einzelhandel bilden das Herz unserer Innenstädte. Dieses Herz steht seit Monaten durch die coronabedingten Schließungen still. Eine dauerhafte Verödung droht, wenn wir jetzt keinen Neustart ermöglichen.

Wenn wir über die Probleme unserer Innenstädte und des dortigen Einzelhandels sprechen, haben wir doch alle das gleiche Bild vor Augen. Zunehmende Leerstände in den Ladenlokalen, geschlossene Kaufhäuser und die Konkurrenz durch den Onlinehandel haben ja schon vor der Coronakrise dem Einzelhandel in unseren Innenstädten erheblich zugesetzt. War der Einzelhandel vor der Krise noch der größte Frequenzbringer in den Städten, droht jetzt 50.000 Geschäften mit über 250.000 Beschäftigten die Insolvenz. Die Bedrohung ist real.

Wichtig sind – ich habe es eingangs gesagt – für die Innenstädte die Gastronomieszene und die Kulturszene. Aber kulturelle Einrichtungen und die Gastronomie alleine reichen eben nicht. Stirbt der stationäre Einzelhandel, sterben unsere Innenstädte.

(Beifall von Matthias Kerkhoff [CDU] – Verein- zelt Beifall von der FDP)

Um das zu verhindern, muss unsere erste Priorität sein, an die Wirtschaftsförderung in unseren Städten zu denken. Mit den sinkenden Infektionszahlen bieten sich hier Öffnungsperspektiven. Uns bietet sich die Chance, unsere Innenstädte wiederzubeleben. Wir brauchen jetzt Strategien für einen Neustart und für zukunftssichere Städte.

Diesen Neustart stoßen wir als regierungstragende Fraktionen mit unserem Antrag aktiv an. Und wir gestalten ihn. Für uns ist Innenstadtpolitik auch und besonders Wirtschaftspolitik. Eine gute Innenstadtpolitik ist eben aktive Wirtschaftsförderung.

(Beifall von der FDP und Matthias Kerkhoff [CDU])

Die innovative Gestaltung unserer Innenstädte muss genauso wichtig sein wie die Firmenansiedlung zum Beispiel in Gewerbegebieten. Eine attraktive Innenstadt und ein zukunftssicherer Einzelhandel bedingen sich gegenseitig und müssen auch zusammen

gedacht werden. Gute Innenstadtpolitik braucht mehr Ressourcen, braucht Budget und braucht auch Personal. Dafür tragen wir Sorge.

Mit dem „Sofortprogramm Innenstadt 2020“ haben wir insgesamt 70 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um dem Leerstand von Immobilien in den Innenstädten zu begegnen. Wir haben die Fördermittel für unser Programm zur Förderung der Digitalisierung des stationären Einzelhandels verzwanzigfacht. Wir stellen mehr Digitalcoaches ein, um die Digitalisierungsoffensive im stationären Einzelhandel mit mehr Expertise zu unterstützen.

Wir werden aber auch weiterhin dafür sorgen, dass der Strukturwandel in unseren Innenstädten gelingt und dass sie zukunftsfähig werden. Dafür werden wir auf der beschlossenen Innenstadtoffensive in Nordrhein-Westfalen aufbauen und die Beschlüsse des Bündnisses aus Land, Kommunen, Handel, Gastronomie und Immobilienwirtschaft verstetigen.

Wir wollen die Innenstädte zu Innovationsräumen machen, indem wir mit den Kommunen ein strategisches Leerstandsmanagement aufbauen. Wir werden die Kommunen dabei unterstützen, die kommunale Wirtschaftsförderung zu stärken und Citymanager einzusetzen, die Gewerbetreibende, Immobilieninteressenten und Immobilieneigentümer miteinander vernetzen. Wir wollen die Gründung von Immobilien- und Standortgemeinschaften erleichtern. Gleichzeitig gilt es, alle Förderprogramme darauf zu prüfen, inwiefern diese vereinfacht werden können, etwa durch ein entsprechendes Gutscheinsystem.

Meine Damen und Herren, wir wollen den Einzelhandel stärken – nicht aus Selbstzweck, sondern um das Herz unserer Innenstädte dauerhaft und stark wieder zum Schlagen zu bringen. Wir brauchen darüber hinaus für die 20er-Jahre einen vitalen Einzelhandel, Gastronomie und ein vielfältiges kulturelles Angebot, die unsere Innenstädte wieder mit Leben füllen, damit wir nicht nur in den kommenden Jahren nach der Coronapandemie, sondern auch in die weitere Zukunft hinein starke Innenstädte haben.

Ich freue mich deshalb auf die weiteren Beratungen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Kollege Bombis. – Für die SPD spricht nun der Abgeordnete Herr Dahm.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich Ihren Antrag anschaut, Herr Kehrl und Herr Bombis, den ich sehr eingehend und interessiert gelesen habe, muss man erst einmal die Lobhudeleien auf die Landesregierung ausblenden. Ich habe mich

zunächst gefragt: Ist das eigentlich ein Antrag der Landesregierung, der hier ins Plenum eingebracht wird?

Aber wenn man den Jubelpart einmal weglässt, finde ich – das sage ich ganz ehrlich – in Ihrem Antrag überhaupt nichts Falsches. Einiges ist nicht aufgeführt. Anderes, was Sie niedergeschrieben haben, ist etwas oberflächlich gehalten. Aber es ist nichts Falsches.

Allgemein muss man feststellen – davon bin ich auch überzeugt; das zeigen auch die Beratungen im Ausschuss –, dass wir deutliche Gemeinsamkeiten bei der Innenstadtförderung mit CDU und FDP, aber auch viele Schnittmengen mit den Grünen haben. Insofern sage ich auch in Richtung FDP: Ja, hier wird der Markt nicht alles alleine regeln; denn dann sind die Innenstädte kaputt und tot.

Ich will hier aber auch sehr deutlich sagen, dass wir mehrfach das Gespräch gesucht haben, auch vor einem halben Jahr, und dass Sie angeboten haben, in diese Richtung etwas Gemeinsames zu machen. Wir haben mehrfach darüber gesprochen. Jedes Mal ist klar geworden, dass wir uns in der Analyse, in der Zielsetzung und in der Zielbeschreibung einig sind. Darauf sollten wir bei diesem Punkt Wert legen, glaube ich.

Meine Damen und Herren, schauen wir uns doch die inhaltlichen Punkte noch etwas genauer an.

Ich möchte zunächst einmal vorab feststellen, dass Sie sich unsere Forderung nach einer Weiterentwicklung des Gesetzes über die Immobilien- und Standortgemeinschaften – Sie haben das eben angesprochen; auch Herr Bombis hat es hier erwähnt – zu eigen gemacht haben. Ich bin gespannt, wo wir uns annähern und wo wir hier Gemeinsamkeiten haben. Besonders gespannt bin ich, wie weit die FDP hier gehen wird. Die Analyse der Probleme und Herausforderungen unserer Innenstädte ist nämlich nicht neu und wird seit Wochen und Monaten in zahlreichen Forenveranstaltungen immer wieder deutlich.

Auch bei der Zielbeschreibung – ich habe es eben gesagt – ist man sich über die Parteigrenzen hinweg einig. Denn wir alle – ich glaube, hier kann ich niemanden ausnehmen – wollen vitale und attraktive Innenstädte in unseren Städten und Gemeinden haben, also Orte, die eine Anziehungskraft ausüben und in denen Menschen gerne verweilen. Wir alle wollen Innenstädte, die Kern von vitalen Gemeinden sind. Wir wollen Innenstädte, Stadtteilzentren und ländliche Ortskerne, die Wirtschaftsorte sind, aber auch Freizeit-, Kultur-, Erlebnis- und Begegnungsraum sind. Das sind die Visitenkarten unserer Städte und Gemeinden. Denn die Zentren beinhalten baukulturelles Erbe und prägen das Stadtbild und das Image. Kurz gesagt: Sie stiften Identität.

In Frankreich spricht man nicht umsonst von dem „cœur des villes“, dem Herzen der Städte. Dazu braucht es einen guten Mix aus attraktivem Einzelhandel – Sie haben es angesprochen, Herr Bombis: Frequenzbringer –, gastronomischen, kulturellen und kulinarischen Angeboten, aber auch den entsprechenden Freizeitangeboten. Auch Wohnen – das ist mir wichtig –, Arbeit und Handwerk müssen zunehmend eine Rolle in unseren Innenstädten spielen. Das Paradigma der Funktionstrennung ist eindeutig überholt. Und um all das müssen wir die Klammer von Sicherheit und Sauberkeit machen.

So viel zur Zielbeschreibung, bei der wir uns – da bin ich mir ziemlich sicher – hier einig sind.

Meine Damen und Herren, wie kommen wir dahin? – Hier sind wir wieder ganz schnell im Bereich der angesprochenen Immobilien- und Standortgemeinschaften, die, wie ich finde, ein wichtiges und hilfreiches Mittel sein können.

Auch die von Ihnen aufgelegte Innenstadtförderung ist hilfreich; das will ich an dieser Stelle sehr deutlich ansprechen. Allerdings brauchen wir hier eine Verstetigung der Mittel. Das fordern unsere Gemeinden schließlich auch ein, ebenso die kommunalen Spitzenverbände. Städte und Gemeinden müssen dauerhaft in die Lage versetzt werden, selbst zu Akteuren zu werden. Sie dürfen nicht nur zum Zugucken verdammt sein.

Ein Stichwort ist „Nachhaltigkeit“, ein weiteres „Vereinfachung von Förderprogrammen“. Ich bin Ihnen dankbar, Herr Bombis, dass Sie das hier sehr deutlich angesprochen haben. Bei der Vereinfachung von Förderprogrammen haben Sie uns ganz schnell an Ihrer Seite. Auch da sehe ich eine weitere Zusammenarbeit. „Nachhaltigkeit der Förderung“ – das ist für mich ein weiteres Stichwort – heißt nicht nur, dass wir Steine und Straßen fördern. Ich glaube, dazu gehört mehr; denn die Städtebauförderung muss eine nachhaltige Umgestaltung von Innenstädten ermöglichen.

Für wirklichen Erfolg ist aber entscheidend, was vor Ort umgesetzt wird. Hier muss Innenstadtförderung Chef- und Chefinnensache werden. Ich denke, das ist die Lösung für die Innenstädte. Das muss erklärtes Ziel der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in Nordrhein-Westfalen sein.

Ich freue mich genauso wie Sie auf die weitere Beratung im Fachausschuss und würde mich freuen, wenn wir hier weiterhin eine Gemeinsamkeit suchen würden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Dahm. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun der Abgeordnete Herr Remmel.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich könnte ich an dieser Stelle so weitermachen und die friedliche Stimmung hier noch etwas ausbreiten. Im Grunde sind wir uns alle einig. Die Analysesätze, die die Kollegen der Regierungsfraktionen hier vorgetragen haben, stehen auch in unseren Papieren.

In der Tat ist die Pandemie das Brennglas einer Entwicklung, die unsere Innenstädte ohnehin schon betroffen hat.

Aber eine solche parlamentarische Debatte – gut, dass Sie einen erneuten Aufschlag gemacht haben – ist auch Anlass, über Unterschiede zu reden – oder möglicherweise Ergänzungen, wenn Sie bereit sind, sich mit uns zusammen Gedanken darüber zu machen.

Ich habe überlegt, was das für ein Bild ist, das dieser Antrag vermittelt. Sie haben ja schon mehrfach in diese Richtung agiert, wie Sie gesagt haben. Mir fielen Cheerleader ein, ohne diesen zu nahe treten zu wollen.

(Heiterkeit von Christian Dahm [SPD])

Dann habe ich einmal im Wörterbuch nachgeguckt, was das eigentlich übersetzt heißt. Übersetzt sind das die Anfeuererinnen, und es wird darauf hingewiesen, das sei ein emotionaler Tanz zur Selbstdarstellung.

Das trifft auf Ihren Antrag zu. Sie befeuern damit das, was die Landesregierung ohnehin schon macht. Viel Schlechtes ist nicht dabei. Insofern kann man sagen: Okay. Manche Programme sind sogar bundesweit führend. Also ist das gar keine schlechte Initiative. Wir müssten mehr davon machen.

Aber warum sollen wir hier im Parlament noch einmal das anfeuern, was die Landesregierung ohnehin schon tut? – Zwei Antworten auf diese Frage: Zum einen, weil Sie selbst als Fraktion nicht mehr zu präsentieren haben. Deshalb greifen Sie einfach das auf, was die Landesregierung schon vorgelegt hat, und unterstützen das noch. Zum anderen könnte ein Grund sein, dadurch ein wenig das zu verdecken, was die Landesregierung und die Koalitionsfraktionen eben nicht ansprechen.

Das möchte ich ein wenig ausleuchten, weil ich glaube, dass das dazugehört. Wenn man sehr genau zugehört hat, Herr Kehrl, kann man einen wesentlichen Unterschied festhalten. Sie haben davon gesprochen, vor allem die Strukturen und die Handelszentrierung zu erhalten; zwei-, dreimal ist das in Ihrer Rede vorgekommen. Sie möchten erhalten. Das ist ja auch ein guter konservativer Grundsatz. Meines Erachtens müsste man aber aufgrund der Entwicklung und der Situation und auch der Analyse eigentlich der Meinung sein, dass wir Veränderung gestalten müssen. Sonst wird es kein Erhalten der klassischen Idee der europäischen Stadt der kurzen Wege

und der gebündelten Möglichkeiten, Kultur und Begegnung im Zentrum einer Stadt zu ermöglichen, geben.

Ich will die Punkte ausleuchten, die fehlen. Wenn die Kommunen in der Lage sein sollen, Innenstädte zukünftig besser zu gestalten, dann brauchen sie vor allem eine solide finanzielle Grundlage. Und da haben die Koalitionsfraktionen bis heute nicht geliefert. Was ist mit einer Altschuldenregelung? Was ist mit einer besseren kommunalen Finanzausstattung?

(Zuruf von Matthias Kerkhoff [CDU])

Zu einer Innenstadtpolitik gehört, eine vorsorgende Immobilienpolitik machen zu können. Das heißt, Immobilien vorsorgend zu erwerben, und zwar langfristig. Dafür braucht man Geld. Dieses Geld fehlt den Kommunen. Insofern sind die Förderprogramme zwar schön, reichen aber als finanzielle Grundlage nicht aus.

Dann erwähnen Sie richtigerweise das Gutachten von Simon-Kucher & Partners, das auf die Aufenthaltsqualität aufmerksam macht, also auf die zurückgehende Bedeutung des Handels und darauf, dass die Menschen von den Innenstädten erwarten, dass man sich dort gut begegnen und aufhalten kann. Aber Sie ziehen daraus keine Schlüsse. Was heißt das denn konkret? Das heißt, dass wir uns Gedanken über die Gestaltung des öffentlichen Raums in den Innenstädten machen müssen. Daraus ziehen Sie keine Konsequenzen. Vielmehr geht es bei Ihnen nach wie vor handelszentriert, immobilienzentriert um Gebäude. Es geht hier aber um Begegnung, um Menschen, um Kultur. Wie kriegen wir das hin? Das beantworten Sie leider nicht.