Protokoll der Sitzung vom 24.05.2016

(Beifall von der CDU)

Wir würden gerne ein Signal aus Nordrhein-Westfalen geben, dass manches, was vor zwei Jahren auf Bundesebene verabschiedet worden ist, in der Praxis Probleme macht, welche die Kolleginnen und Kollegen in Berlin damals offensichtlich so nicht erkannt haben. Wenn man das weiß und die Rückmeldungen bei Ihnen genauso sind wie die bei uns, dann ist es die Aufgabe eines Gesetzgebers und Aufgabe guter Politik, die Korrekturen durchzuführen, bei denen man sieht, dass man sie durchführen kann.

(Michael Hübner [SPD]: Bundesratsinitiative!)

Und die Öffnungsklauseln, die Sie eben genannt haben, sind genau diejenigen, die beispielsweise Österreich angewendet hat. Genau darum geht es in Nordrhein-Westfalen. Es geht darum, dass wir ein Signal nach Berlin geben: Das, was die EU vorgegeben hat, ermöglicht euch das. Bitte, macht es auch!

(Beifall von der CDU)

Zurück zu dem Ziel der Regelung. Der Innenminister hat das genauso dargestellt wie die Kollegin Freimuth. Ein gemeinsamer europäischer Datenschutzstandard ist etwas Sinnvolles, etwas Gutes. Er dient – auch gerade in Zeiten von Facebook, Amazon, Google und Big Data – natürlich dem Schutz individueller Rechte, auch unserer eigenen Daten. Deshalb ist eine solche Rechtsvereinheitlichung ein guter Beitrag Europas dazu, die Menschen und die Unternehmen hier in Europa zu schützen.

Es geht auch darum, dass wir einen verantwortlichen Umgang mit Digitalisierung lernen und dass andere ihn auch wahrnehmen müssen. Denn Datenschutz soll das Recht der Menschen an ihren eigenen Daten sichern.

Wir wollen aber nicht nur einen verantwortungsvollen Umgang mit diesen Daten, sondern auch einen verhältnismäßigen. Eine Regelung ist aber dann unverhältnismäßig, wenn sie zum Beispiel indirekt zum Ausbau einer regelrechten Abmahnindustrie beiträgt. Niemand sollte Sorgen haben, dass die Homepage seines Vereins bzw. seiner kleinen Firma möglicherweise ein Anknüpfungspunkt dafür ist, dass sich ein Abmahnanwalt damit schön die Taschen vollmacht.

Wenn wir das wollen, dann ist es unsere Aufgabe, Datenschutz nicht zu diskreditieren, indem wir so etwas zulassen, sondern vielmehr die Öffnungsklauseln, die uns Europa gibt, anzuwenden und auch gerade in Berlin darauf hinzuwirken.

(Beifall von der CDU – Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Aber das wissen Sie doch nicht erst seit heute! – Zuruf von der SPD: In Berlin regiert ihr!)

Sie sprechen diesen Punkt vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes an. Wir wissen aber, dass es möglich ist, dieses Bundesgesetz zu ändern. Sie tun aber die ganze Zeit so, als wäre das ein riesengroßer Popanz.

(Michael Hübner [SPD]: Nein!)

Damit vergehen Sie sich an denjenigen, die nachher die Leidtragenden dieser Regelungen sind.

Natürlich hätte mancher in Berlin und Brüssel und vielleicht auch in Düsseldorf das früher sehen können. Dann hätte man auch die Frage stellen können, ob Ihre frühere Landesregierung über die Bundesratsbeteiligung nicht auch hätte sorgfältiger hätte hingucken können. Es gab damals einen Justiz- und einen Verbraucherschutzminister, die dafür zuständig waren.

(Beifall von der CDU)

Die haben das offensichtlich nicht getan. Wir tun das jetzt hier mit dem Signal, das wir auch unserer Lan

desregierung mitgeben, sich im Bundesrat entsprechend zu engagieren. Das ist übrigens der Unterschied zwischen Ihnen und uns.

Am Schluss möchte ich noch einer Legende den Boden entziehen: Diejenigen, die – wie das eben Herr Hübner und Herr Bolte getan haben – behaupten, die EVP-Fraktion sei dafür gewesen, diese Verordnung so zu verabschieden, der sollte sich einmal die Protokolle anschauen. Die EVP-Fraktion war nicht dafür. Es ist mit Stimmen anderer eine Parlamentsmehrheit herbeigeführt worden. Die EVP-Fraktion hat einen Teil der Bedenken – gerade was die kleinen und mittleren Unternehmen angeht – im Europäischen Parlament vorgetragen. Sie tun jetzt aber so, als hätte alle die gleiche Meinung vertreten und hätten das nicht gesehen. Das ist nicht der Fall.

Bleiben Sie bitte redlich und bilden Sie keinen Legenden! Wir sollten den Menschen helfen und sie nicht verhohnepipeln. – Danke schön.

(Beifall von der CDU)

Für die Grünen hat noch einmal Herr Bolte das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Optendrenk, Sie haben jetzt gerade noch einmal die Frage aufgeworfen: Wie ist das denn eigentlich alles entstanden?

Ich glaube, das, was uns an dieser Stelle definitiv trennt, betrifft die Frage, ob man neun Tage vor Inkrafttreten einer solchen Regelung – von der wir seit zwei Jahren wissen, dass sie in Kraft treten wird – hier mit großem Brimborium diese Plenardebatte führen muss. Darum geht es uns. Sie hätten Ihre Hausaufgaben längst machen können.

Wir haben Ihnen im Oktober letzten Jahres dazu sogar Hinweise gegeben, wie Sie diese hätten machen können. Das ist der Punkt, weshalb wir uns hier definitiv nicht einig sind.

Was das Differenzieren angeht: Sie haben gerade zwischen Bundesdatenschutzgesetz und Datenschutzgesetz NRW differenziert. Das stimmt so weit. Es ist aber – man muss das fairerweise sagen – in der Anhörung auch nicht allen Kolleginnen und Kollegen gelungen.

Jetzt zu der Frage, meine Damen und Herren, wie strittig oder unstrittig eigentlich im Europäischen Parlament diskutiert wurde. Ich habe mir gerade noch einmal das Abstimmungsergebnis aus dem Ausschuss rausgesucht. Es lautet 51 zu eins bei drei Enthaltungen. Viel einmütiger geht es im Europäischen Parlament nicht.

Herr Minister Reul, Sie hatten an einer Stelle – das will ich ganz deutlich sagen –, nämlich da, wo Sie Ihren Fraktionen widersprochen haben, recht: Vieles gab es schon. Viele der Regelungen, die jetzt mit der Datenschutz-Grundverordnung eingeführt werden, gab es schon in Deutschland. Daten dürfen zum Beispiel – das haben Sie herausgehoben – nicht allgemein zugänglich gelagert werden.

In diesem Zusammenhang widersprechen Sie eindeutig dem, was der Kollege Lehne vorhin erzählt hat und was in dem Antrag der regierungstragenden Fraktionen steht. Dort wird genau das behauptet: Es handele sich um eine neue Verpflichtung, eine jetzt dazugekommene Drangsalierung aus Europa. Darüber sollten Sie sich möglicherweise einmal unterhalten und Ihren Fraktionen ein bisschen Nachhilfe geben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben es durchaus mit einer sehr komplexen rechtlichen Materie zu tun. An diesem Beispiel zeigt sich, dass sich die Begrifflichkeiten verändert haben, womit möglicherweise jetzt neue Fragestellungen einhergehen. Was bisher im deutschen Recht „Verbot mit Erlaubnisvorbehalt“ hieß, heißt jetzt „informierte Einwilligung“. Und es gibt ja auch einzelne Angebote – das will ich an dieser Stelle durchaus einmal hervorheben.

Deswegen zitiere ich jetzt etwas zu dieser Frage. Auf Ihrer Internetplattform „engagiert in NRW“ heißt es:

„Vorhandene Strukturen und Prozesse in Vereinen, die sich an dem geltenden Datenschutzrecht ausrichten, machen sich jetzt also bezahlt. … Vereine hingegen, die das Thema Datenschutz bislang vernachlässigt haben, haben viel nachzuholen um ihre Organisation datenschutzgerecht zu gestalten.“

Ja, das stimmt. Ich will an dieser Stelle – es ist mir wichtig, das zu sagen – den Engagierten und Ehrenamtlichen keinen Vorwurf machen, wenn bisher nicht alles datenschutzkonform gelaufen ist. Wenn sie sich jetzt Gedanken machen, wie sie zu einem hohen Datenschutzstandard kommen, dann ist das ein großer Fortschritt. – Aber ich sage Ihnen von CDU und FDP noch einmal: Tun Sie nicht so, als sei Europa jetzt an allem schuld.

(Beifall von den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist an dieser Stelle ganz wichtig, noch einmal genau hinzuschauen, welche neuen Verpflichtungen es gibt und wo möglicherweise auch etwas in die DatenschutzGrundverordnung hineininterpretiert wird, was offensichtlich nicht zutreffend ist.

Ich erwähne jetzt einfach mal als Beispiel – auch in den Reden der regierungstragenden Fraktionen ist es gefallen – die Frage nach Fotos von größeren Menschenmengen.

Natürlich sind Fotos von größeren Menschenmengen auch in Zukunft zulässig. Das ist selbstverständlich. Da besteht ein bereichsspezifischer Datenschutz im KUG. Er ging bisher dem BDSG vor, und er wird auch in Zukunft dem BDSG vorgehen. Das haben alle, die sich mit dieser Rechtsmaterie beschäftigen, inzwischen klargestellt, inklusive der Datenschutzaufsichtsbehörden.

Es wird auch kein Blog-Sterben geben. Auch dazu gibt es genügend rechtliche Einschätzungen, die ganz klar aufzeigen, warum dieser Vorwurf gegenüber der europäischen Verordnung unzutreffend ist.

Und es gibt auch klare Ankündigungen der Aufsichtsbehörden, mit Augenmaß vorzugehen. Gerade in dem Umstellungszeitraum ist das wichtig, weil wir natürlich die Engagierten fördern und unterstützen wollen und weil wir hier die Verantwortung tragen, nicht alles nachzuplappern, was es an Polemik gibt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir brauchen, liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt konkrete Hilfestellungen. Wir brauchen keine Polemik und auch keine Signale gegen den Datenschutz, so wie Sie das eingefordert haben, sondern wir brauchen hier von diesem Ort aus ein Signal für den Datenschutz.

Die Redezeit.

Wir brauchen ein eindeutiges Signal, dass wir die Ehrenamtlichen, die Zivilgesellschaft und die Unternehmen und die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen bei der Umsetzung dieses wichtigen Fortschritts, also bei der Einführung von mehr Datenschutz in Europa, unterstützen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Bolte-Richter. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Abgeordneter Bombis.

Guten Morgen, Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen, sehr geehrte Herren! Lieber Michael Hübner, direkt zum Einstieg hatten Sie gesagt, dass wir vielleicht vor anderthalb bzw. einem Jahr alle gemeinsam nicht aufmerksam gewesen sind, dass wir alle gemeinsam sowohl im Bund – meine Partei hat zu dem Zeitpunkt in Berlin bekanntermaßen noch eine gewisse Denkpause eingelegt – als auch im Land vielleicht hätten aufmerksamer sein und stärker darauf einwirken müssen und dass übrigens auch – und das gehört zur Wahrheit dazu – Vereine und Verbände sowie Unternehmen nicht das Problembewusstsein hatten.

Bei diesem Einstieg habe ich noch gedacht: Jetzt kann daraus etwas werden, jetzt kann hier von diesem Tag und diesem Landtag aus ein gutes Signal auf andere Ebenen, nach Berlin und auch in Richtung EU gehen. – Aber dass es Ihnen dann wirklich gelingt, hier einen solchen Dissens zu konstruieren, dass dieses Signal schon jetzt völlig ad absurdum geführt wird, das hätte ich wirklich nicht erwartet, lieber Kollege Michael Hübner.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Es stellt doch niemand infrage, dass es natürlich auch der NRW-Koalition und den sie tragenden Parteien – insbesondere auch meiner Partei, den Freien Demokraten – hier Nordrhein-Westfalen um die Wichtigkeit des Datenschutzes geht, und dass, Matti Bolte-Richter, die Datenhoheit grundsätzlich bei den Bürgern liegen muss. Es stellt auch niemand infrage, dass es gut ist, dass datenschutzrechtliche Bestimmungen in der ganzen EU angepasst werden.

Aber wir müssen uns nun einmal mit den Fakten auseinandersetzen. Und die Fakten sind, dass diese Datenschutzverordnung in ihrer konkreten Ausgestaltung leider eine Belastung insbesondere auch für die kleinen und mittleren Betriebe in unserem Land zu werden droht. Drei Punkte werden von ihnen immer wieder genannt.

Erstens beklagen viele Betriebe jetzt schon die sehr umfassende und hohe Regelungsdichte. Die Einhaltung der Pflichten wird sich sehr aufwendig ausgestalten. Es kommt neue Bürokratie hinzu, und hier müssen wir reagieren.

Zweitens sind schon bei kleinen Verstößen erhebliche Bußgelder möglich, und zwar nicht bei gewollten, sondern eben auch bei versehentlichen Verstößen gegen den Datenschutz.