Protokoll der Sitzung vom 15.06.2018

wir eine Gesamtstrategie bräuchten –, ist dieser Antrag heute eine einzige Enttäuschung.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ganz unabhängig von dieser Tatenlosigkeit fehlen bei diesem Antrag aber auch ganz wichtige Aspekte, die bei der Bekämpfung des Extremismus nicht fehlen dürfen.

Sie haben gerade das Thema „Frauen“ angesprochen. In dem Antrag finde ich dazu aber nichts.

(Sven Wolf [SPD]: Vielleicht haben sie es ja vergessen!)

Sie haben gerade darüber gesprochen, wie wichtig es ist, insbesondere die Mütter und die Frauen in den Blick zu nehmen. In dem Antrag ist nichts darüber zu finden.

Allerdings hat der Bericht der Landesregierung im Ausschuss für Gleichstellung und Frauen gezeigt, wie wichtig dieses Thema ist. Übrigens betonen auch ganz viele andere Expertinnen und Experten immer wieder, dass es ganz wichtig ist, bei den Müttern anzusetzen.

Als SPD-Fraktion sind wir von dem Dreiklang bei der Extremismusbekämpfung überzeugt. Prävention, repressive Maßnahmen – zum Beispiel Vereinsverbote – sowie Ausstiegsmaßnahmen müssen vorhanden sein und sind wichtig.

Das, was die Mitte-rechts-Koalition heute vorgelegt hat, bringt uns da kein Stück mehr an Sicherheit; denn wir sind bereits viel weiter.

(Marc Lürbke [FDP]: Immer dieses Mitte- rechts-Gedöns!)

Ganz deutlich möchte ich gegenüber den Kollegen der Mitte-rechts-Koalition aber die große Bedeutung des Kampfes gegen den Salafismus und gegen die Extreme betonen. Wir haben noch gestern gesehen, wie wichtig es ist, dass wir da beieinanderbleiben.

Wir wissen alle, dass es eine Fraktion gibt, die wir bei diesem Thema nicht dabeihaben wollen, weil sie uns nicht weiterbringt. Gerade nach der Debatte von gestern muss man das sehr deutlich sagen.

(Zuruf von Helmut Seifen [AfD] – Zurufe von der AfD: Spalter!)

Ich rede jetzt gerade. Hören Sie mir am besten zu. Dann lernen Sie vielleicht auch noch etwas.

Sie haben gestern sehr deutlich gezeigt, wo Sie stehen und dass Sie zu denjenigen gehören, die wir als demokratische Parteien bzw. Fraktionen ganz deutlich bekämpfen wollen.

(Andreas Keith [AfD]: Das hat nichts mit De- mokratie zu tun!)

Liebe Kollegen der Mitte-rechts-Koalition, ich glaube, dass wir beim Kampf gegen den Salafismus und den Extremismus beieinanderbleiben sollten.

(Zuruf von Dr. Martin Vincentz [AfD])

Vielleicht schaffen wir es, diesen Antrag noch einmal gemeinsam zu überarbeiten und auch die Ideen, die Rot-Grün dazu hat, einzubauen. Ich glaube, dass wir dann zu einer Position kommen können, die dieses Land noch ein Stück weit sicherer macht, als es bereits ist. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Yetim. – Für die Grünen erteile ich nun der Kollegin Schäffer das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, gerade bei diesem wichtigen Thema den konstruktiven Austausch mit Ihnen zu suchen. Das habe ich anhand des Antrags der Grünen ja auch getan. Ehrlich gesagt, machen mich Ihr Antrag und diese Debatte aber einfach fassungslos und sprachlos.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wie sagte meine Mitarbeiterin so schön in der Vorbesprechung, als sie den Antrag gelesen hatte? Das ist der Diskussionsstand von 2012!

Wir sind aber im Jahr 2018 angekommen. Wir sind sechs Jahre weiter. Es gibt ganz viele Debatten und Fachbeiträge darüber. Das, was Sie in dem Antrag produziert haben, ist alles nichts Neues. Das wissen wir seit Jahren. Wir sind doch in der Diskussion eigentlich schon viel weiter. Deshalb macht mich das sprachlos.

Das einzige Thema, das in dem Antrag vielleicht neu aufgeführt wird, ist die Kindeswohlgefährdung. Darüber muss man diskutieren. Dazu komme ich später auch noch. Der Punkt ist aber, dass Sie keine einzige konkrete Antwort auf diese Frage liefern.

(Beifall von den GRÜNEN – Beifall von Marc Herter [SPD] und Sarah Philipp [SPD])

Sie bringen hier eine Problembeschreibung ohne Antworten ein. Ich muss ehrlich sagen, dass ich das für eine Regierungskoalition sehr schwach finde.

Sie hätten es so einfach haben können. Wir haben doch einen Antrag hier eingebracht. Nach einer sehr guten Anhörung – Herr Lübke hat im Plenum im März dieses Jahres ebenfalls bestätigt, dass die Anhörung sehr gut war – bin ich auf Sie zugekommen und habe gesagt: Lassen Sie uns gemeinsam einen Entschließungsantrag stellen. Ich bin bereit, viele Teile unse

res Antrags herauszustreichen; Hauptsache, wir bekommen bei diesem wichtigen Thema der Präventionsarbeit gegen Salafismus einen Konsens hin. – Nein, das wollten Sie nicht.

Stattdessen schreiben Sie weniger als drei Monate später einen dermaßen dünnen Antrag. Ich finde es beschämend, dass Sie hier nicht mehr vorlegen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Herr Panske, ich würde Sie gerne zitieren. In der Debatte im März 2018, als Sie unseren Antrag abgelehnt haben, haben Sie hier im Plenum gesagt:

„Ein intelligentes, abgestimmtes Zusammenspiel von Aufklärung, von Ermittlung von Strafverfolgung, von Prävention und verlässlicher und nachhaltiger Ausstiegshilfe orientiert an praktischer Arbeit: Genau das ist der Ansatz der CDU, und das sind die Ziele der NRW-Koalition.“

Da würde ich Ihnen sogar zustimmen. Nur: Warum schreiben Sie das nicht auch in Ihren Antrag hinein?

(Beifall von den GRÜNEN und Sarah Philipp [SPD])

Sie schreiben fett über Ihren Antrag: „Prävention und Repression … Gesamtstrategie“. Das, was Sie hier vorlegen, ist aber keine Gesamtstrategie.

Im Übrigen steht in dem Antrag auch nichts zum Thema „Repression“. Das Einzige, was darin zur Repression steht, sind die Gefährderansprachen seitens der Polizei. Die gibt es doch schon längst. Es ist Aufgabe der Polizei, Gefährderansprachen durchzuführen.

Wenn Sie dies als Gesamtstrategie bezeichnen, ist das – Entschuldigung – wirklich ein schlechter Witz.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ich schwanke im Hinblick auf diesen Antrag zwischen Resignation und Fassungslosigkeit. Das tue ich auch deshalb – und deshalb rege ich mich so auf –, weil mir dieses Thema immens wichtig ist; denn wir haben eine Bedrohungslage durch den Salafismus und wissen alle, dass wir mehr Präventionsarbeit brauchen. Aber dann muss man eben auch etwas dafür tun und darf nicht solche Anträge schreiben.

Ich gehe gerne auf die einzelnen Inhalte ein, um meine Meinung zu verdeutlichen.

Zum Thema „Frauen“: Ja, es stimmt, Herr Lürbke; das ist ein wichtiges Thema. Sie sprechen es in dem Antrag sogar an. Sie reduzieren aber hier die Rolle der Frauen komplett auf die Mutterrolle und stellen sie als diejenigen dar, die für die Erziehung zuständig sind. Das stimmt auch. Aber es stimmt eben nur zum Teil.

Wir wissen, dass der Anteil der Frauen an den Gefährdern zwar nur bei 4 % liegt. Das ist total wenig. Aber an den relevanten Personen, also denjenigen, die zum Umfeld der Gefährder gehören, haben sie einen Anteil von 25 %. Jede vierte in Bezug auf die Salafisten relevante Person ist in Nordrhein-Westfalen eine Frau.

Angesichts dessen muss man sich doch Gedanken darüber machen, wie man diese Frauen ansprechen und aus der Szene herausholen kann. Es handelt sich immerhin um diejenigen, die rekrutieren und netzwerken. Also muss man doch gezielt Maßnahmen auf Frauen und Mädchen zuschneiden.

Davon ist in Ihrem Antrag überhaupt nicht die Rede. So weit denken Sie überhaupt nicht. Das finde ich fatal.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Nun zum Thema „ Kindeswohlgefährdung“: Ich finde es begrüßenswert, dass wir hier nicht darüber diskutieren, ob wir die Altersgrenze im Verfassungsschutzgesetz, ab der der Verfassungsschutz Personen beobachten darf, auf null absenken sollte. Immerhin führen wir die Diskussion darüber parallel zu dieser Debatte bereits. Ich finde es schon einmal gut, dass das in diesem Antrag nicht vorkommt und wir jetzt über die Frage der Kindeswohlgefährdung sprechen.

Wir als Grüne sehen auch, dass dahin gehend Handlungsbedarf besteht. Man muss aber wissen, dass es in Deutschland sehr schwierig ist, Kinder aus Familien herauszuholen, wenn nicht Gewalt oder Missbrauch im Spiel ist, sondern es – ich sage das wirklich in Anführungsstrichen – „nur“ um die Ideologie geht. Es hat in Deutschland historische Gründe, warum das schwierig ist.

Ich bin offen dafür, diese Diskussion zu führen. Der Punkt ist aber, dass Sie lediglich eine Problembeschreibung vornehmen, ohne eine konkrete Antwort darauf zu geben. Sie sagen nur, dass wir die Jugendamtsmitarbeiter schulen müssen. Das ist sicherlich richtig, aber was heißt das denn in Bezug auf die Kindeswohlgefährdung?

Man muss noch einen Schritt weitergehen. Es geht nicht nur um den Salafismus. Eine Frage ist zum Beispiel auch: Wie geht man mit Kindern aus rechtsextremistischen Familien um? – Auch diese Debatte führen wir seit Jahren, im Prinzip seit Jahrzehnten.