Protokoll der Sitzung vom 22.05.2019

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die AfD hat nun Herr Abgeordneter Strotebeck das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn die ständigen Mahnungen zu einer sich verschlechternden Konjunktur, die bereits seit Mitte des letzten Jahres zu hören waren, trotz fallender Indizes wie dem ifo-Geschäftsklimaindex oder dem GfK-Konsumklimaindex ignoriert werden, muss man sich über tatsächlich sinkende Steuermehreinnahmen nicht wundern.

Der zu verteilende Kuchen ist etwas kleiner geworden, und Unsicherheitsfaktoren gibt es auch noch zur Genüge angesichts globaler Risiken wie dem Handelsstreit zwischen den USA und China sowie der Unsicherheit bezüglich des Handelsstreits zwischen den USA und Europa, auch wenn dieser um ein halbes Jahr vertagt wurde, was nichts anderes als andere Unsicherheiten für die nächsten Monate bedeutet. Herr Moritz hatte auch schon darauf hingewiesen.

Hinzu kommen noch das latent vorhandene Risiko eines steigenden Ölpreises aufgrund der explosiven Lage im Nahen Osten und – nicht zu vergessen – das Dauerproblem um den Brexit. Experten rechnen für 2019 nur noch mit einem Wirtschaftswachstum von 0,5 % im Gegensatz zu 1,4 % im Jahre 2018.

Insofern ist es keine Überraschung, dass die jüngste Steuerschätzung erwartungsgemäß zeigt, dass die Einnahmen zurückgehen.

Es ist bedauerlich, dass wir erst aus der Presse von der aktuellen Einnahmesituation erfahren durften. Eine Woche zuvor hatten wir doch mit Ihnen, Herr Finanzminister, eine Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses. An diesem Tag stellte der Bundesfinanzminister die Zahlen für die gesamte Bundesrepublik vor, und zwar mit einer Information zu den Einnahmeverlusten in den Ländern. Von Ihnen war hiervon nichts zu hören.

Bereits im Februar, als erste Presseberichte über eine Finanzierungslücke des Bundes bekannt wurden, hat die AfD-Fraktion im HFA angefragt, wie

denn die Situation für den Landeshaushalt aussehe. Zu jenem Zeitpunkt war die Äußerung der Landesregierung von einem gewissen Optimismus geprägt. Interessant wäre es aber zu wissen, seit wann Sie, Herr Finanzminister, von den Steuermindereinnahmen Kenntnis haben.

Für 2018 wird unter Berücksichtigung der geringeren Bundeszuweisungen eine Mindereinnahme von 831 Millionen Euro erwartet und für 2020 in Höhe von 841 Millionen Euro, also insgesamt knapp 1,7 Milliarden Euro. Diese Mindereinnahmen gilt es auszugleichen oder ganz konkret einzusparen. Hieraus ergibt sich für uns die Frage: Wie wollen Sie die niedrigen Einnahmen wettmachen?

Wir begrüßen sehr die Ankündigung, ohne neue Schulden auskommen zu wollen, und wir begrüßen auch sehr – das sagte Herr Witzel gerade –, dass die Legislaturperiode unter dem Motto steht, mit den Einnahmen auszukommen und Schulden abzubauen. Schließlich ist der vorhandene Schuldenberg bereits hoch genug. Unsere Kinder und Enkelkinder erwartet damit ein kaum zu bewältigendes Erbe, das allerdings – dies sei aus Gründen der Fairness auch gesagt – nicht von der amtierenden Regierung hinterlassen wurde.

Wie sollen die Mindereinnahmen kompensiert werden? Werden wir einen Nachtragshaushalt für 2019 bekommen? Selbst wenn die bisher nicht verplanten Rücklagen aus dem Jahre 2018 in Höhe von noch 215 Millionen Euro aufgelöst werden, ist das Problem nicht gelöst. In diesem Zusammenhang stellt sich übrigens die Frage, warum Sie überhaupt die Rücklagen mit den ungeplanten Überschüssen im Nachtragshaushalt 2018 gebildet haben. Wussten Sie da etwa schon, dass es in diesem und im kommenden Jahr knapper werden könnte? Eigentlich hätte im Sinne der Wahrheit und Klarheit doch ein größerer Haushaltsüberschuss für 2018 ausgewiesen werden müssen.

Wie gut, dass wir ab 2020 auch in Nordrhein-Westfalen die Schuldenbremse haben und dass dann wirkliche Einsparungen gefordert sind. Aber es gibt ja noch den Ausnahmetatbestand der Wirtschaftskrise, sodass immer noch eine Hintertür bleibt. So weit sind wir aber Gott sei Dank noch nicht.

Am 19. Mai dieses Jahres schrieb die „Rheinische Post“ ganz zutreffend – ich zitiere –:

„Geld ausgeben kann jeder. Die echte Bewährungsprobe für den Finanzminister beginnt erst jetzt.“

Wir, die AfD, haben schon im letzten Jahr mehrfach und auch im laufenden Jahr einen Statusbericht angefordert und nicht bekommen. Auch aktuell ist es aufgrund der Einnahmesituation und der Einnahmeaussichten wichtig, zu wissen, wo wir mit unseren

Ausgaben stehen und welche Einsparmöglichkeiten zur Verfügung stehen.

Es gibt immer Möglichkeiten, die primäre Voraussetzung dafür ist aber der Wille, es wirklich festzustellen und auch etwas gegen den Missstand unternehmen zu wollen. Eine Möglichkeit sind zum Beispiel Einsparungen bei der Refinanzierung von fälligen Altschulden aufgrund tatsächlich niedrigerer Zinsen als die geplanten Zinssätze, die im Haushalt stehen, und zwar dank der EZB-Politik.

Wir alle wissen um den positiven Effekt für den Landeshaushalt. 2008 hat das Land durchschnittlich 4,25 % Zinsen auf seine Schulden gezahlt. Aktuell sind es weit weniger als 2 %. Auf unsere Anfrage hierzu haben wir keine klare Antwort erhalten. Diese ersparten Zinsen werden zwar nicht die erwarteten Lücken schließen, aber das ändert alles nichts daran, dass unser Landeshaushalt eigentlich tiefrot wäre, wenn wir ein normales Zinsniveau hätten. Wir sanieren uns auch und vor allem auf Kosten der Sparer.

Ich will Sie nicht mit meinen Erfahrungen aus der Wirtschaft langweilen, aber ich hatte über 30 Jahre lang Budgetverantwortung, wenn auch in einer ganz anderen Größenordnung. Ich kenne die guten alten 80er-Jahre und die jüngere Vergangenheit. Konnte in den 80er-Jahren durchaus noch eine Reserve einkalkuliert werden, so war das ab den 90er-Jahren schon nicht mehr möglich. Jedes Jahr, spätestens im Spätsommer, kam die alljährliche Forderung, das Budget zu unterschreiten, teilweise sogar mit Vorgaben. Ein Überziehen gab es sowieso nicht. Der Betrag wurde dann direkt vom Budget des nächsten Jahres in Abzug gebracht.

Meine Damen, meine Herren, wo ein Wille ist, ist auch ein Weg! – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Strotebeck. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Lienenkämper das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin Düker, lieber Herr Kollege Zimkeit, das war gerade ein Potpourri aus der rotgrünen Finanzpolitik. Die Ratschläge an uns lauten, gleichzeitig mehr Geld auszugeben, mehr Schulden zu tilgen und mehr zu sparen.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Das haben Sie doch versprochen!)

Genauso sind wir auf 144 Milliarden Euro Schulden in diesem Land gekommen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Obwohl diese Politik so war, haben wir ein Land vorgefunden, das dringenden Aufholbedarf in wichtigsten Politikfeldern hatte: Bildung, innere Sicherheit und vieles mehr. Ich denke, Sie sind im Moment nicht die allerbesten Ratgeber für eine nachhaltige, generationengerechte Finanzpolitik.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich will aber gerne diese Aktuelle Stunde nutzen, einige weiterführende Informationen und Zusammenhänge zur regionalisierten Steuerschätzung zu geben. Das Gesamtergebnis ist, dass für die Jahre 2019 und 2020 Mindereinnahmen in Höhe von insgesamt 1,7 Milliarden Euro gegenüber den aktuellen Haushaltsplanungen zu erwarten sind. Dieser Betrag setzt sich aus Steuermindereinnahmen für 2019 von 611 Millionen Euro und für 2020 von 892 Millionen Euro und aus geringeren Zuweisungen im bundesstaatlichen Finanzausgleich zusammen.

Eigentlich ist es erfreulich, dass die Steuerkraft unseres Landes im Verhältnis zu anderen Ländern gestärkt wurde. Das ist nach zwei Jahren in der Regierung ein schönes Ergebnis. Nicht so schön ist es für den Haushalt, dass das zu geringeren Zuweisungen im Rahmen des Länderfinanzausgleichs und der Bundesergänzungszuweisungen führt. Für 2019 sind das 192 Millionen Euro weniger beim Länderfinanzausgleich und weitere 135 Millionen Euro weniger bei den Bundesergänzungszuweisungen. Das macht für das Land für das Jahr 2020 ein Minus von 30 Millionen Euro im Länderfinanzausgleich und ein Minus von 132 Millionen Euro bei den Bundesergänzungszuweisungen aus.

Das bedeutet, dass für Nordrhein-Westfalen im Jahr 2019 insgesamt 938 Millionen Euro weniger zur Verfügung stehen als erwartet, und im Jahr 2020 sind es 1.054 Millionen Euro weniger.

Jetzt werden die Zahlen wieder etwas relativiert, denn das Gute-KiTa-Gesetz des Bundes ist in diesen Zahlen nicht einkalkuliert. Das müssen wir fairerweise natürlich tun. Im Jahr 2019 sind das 107 Millionen Euro und 213 Millionen Euro für 2020 jeweils zusätzlich vom Bund. Daraus ergibt sich dann dieses Gesamtergebnis von rund 1,7 Milliarden Euro, das ich Ihnen am Anfang mitgeteilt habe.

Dem Antragstext habe ich entnommen, dass ein Missverständnis auszuräumen ist. Auf den ersten Blick überraschen diese Zahlen für 2019 natürlich schon; denn für die Ländergesamtheit sind Mehreinnahmen von 2 Milliarden Euro in der Steuerschätzung enthalten. Das will ich erklären, damit sich dieses Missverständnis gar nicht tiefer festsetzt.

In der damaligen Oktober-Steuerschätzung, auf die diese Zahlen bezogen sind, waren verschiedene gesetzliche Regelungen nicht berücksichtigt, die dann aber gekommen sind, namentlich die Kindergelder

höhung ab 01.07.2019, Tarifanpassungen im Rahmen der Einkommensteuer, die Steuerfreistellung des Existenzminimums, die vorzeitige Abfinanzierung des Fonds Deutsche Einheit, die Integrationspauschale für 2019 und die weitere Bundesbeteiligung an den flüchtlingsbedingten Ausgaben im Jahr 2019.

(Monika Düker [GRÜNE]: Und das ist NRW- speziell?)

Das war damals alles noch nicht Bestandteil der Steuerschätzung. Jetzt kommt das dazu. Deshalb kommt es zu diesen Aufwüchsen. In unseren Haushaltsansätzen 2019, die hier im Dezember beschlossen wurden – wir waren bekanntlich mit dem Haushalt später –, sind diese Gesetze aber alle eingerechnet, sodass der Teil der Steuerschätzung für den Haushalt Nordrhein-Westfalens nicht mehr relevant ist. Vielleicht konnte diese Erläuterung das Missverständnis ein wenig auflösen.

Insgesamt können wir für den Haushalt 2019 davon ausgehen, dass die Mindereinnahmen im Haushaltsvollzug durch entsprechende Verbesserungen kompensiert werden. Im Vollzug 2018 haben sich Verbesserungen von insgesamt mehr als 1,4 Milliarden Euro ergeben, übrigens nur 380 Millionen Euro durch zusätzliche Steuereinnahmen und 1,1 Milliarden Euro in anderen Bereichen. Das entspricht auch den Erfahrungen der vergangenen Haushalte.

2014 wurde im Haushaltsvollzug eine Verbesserung von 920 Millionen Euro erreicht, in 2015 waren es 126 Millionen Euro, 2 Milliarden Euro in 2016 und im Jahr 2017 trotz Nachtragshaushalt noch fast 500 Millionen Euro, sodass im Durchschnitt der vergangenen Haushaltsjahre das, was jetzt an Mindereinnahmen für 2019 zu erwarten ist, kompensiert werden kann.

Wir sehen uns trotzdem sehr genau das Steuer-Ist an und untersuchen, wie sich die tatsächlichen Einnahmen entwickeln. Wir sind natürlich darauf vorbereitet, nachsteuern zu können, wenn wir nachsteuern müssen, denn wir haben ja Vorsorge getroffen. Das ist etwas, das vielleicht von besonderer Bedeutung ist.

Wir sind eben nicht dem Versuch der Opposition erlegen, uns den einen oder anderen teuren Vorschlag schmackhaft machen zu lassen und noch mehr Geld auszugeben. Wir sind nicht der Versuchung erlegen, Einnahmen in Konsum und in immer wiederkehrende Ausgabepositionen zu übersetzen. Wir haben in den Jahren, in denen es gute Steuereinnahmen gab, weniger Geld ausgegeben, als wir eingenommen haben, und haben stattdessen in ganz erheblichem Umfang Vorsorge für die Zukunft getroffen.

Ich erinnere daran, dass wir bereits im Jahr 2017 dem Pensionsfonds 800 Millionen Euro zusätzlich zugeführt haben. Das bezahlt die Verpflichtungen

gesetzlicher Art für fast die gesamte Legislaturperiode. Wir haben mit dem Haushalt 2018 fast 1,3 Milliarden Euro dem Sondervermögen Risikoabschirmung WestLB zugeführt und haben damit alle normalerweise in dieser Legislaturperiode zu erwartenden Risiken bereits abgedeckt. Und wir haben eine allgemeine Rücklage geschaffen, deren Bestand rund 432 Millionen Euro beträgt.

Meine Damen und Herren, genau das war die Politik, für die diese Regierung gewählt worden ist. Wir müssen dieses Land wieder nach vorne bringen. Wir müssen die wichtigen Politikfelder Bildung, innere Sicherheit, Wissenschaft, Digitalisierung und Entfesselung vorantreiben, damit die Kräfte in diesem Land geweckt werden. Die Steuerstärke ist gewachsen. Gleichzeitig können wir nicht alles Geld ausgeben, das wir haben, sondern wir schaffen Rücklagen für die Zukunft.

Jetzt wird es schwieriger. Jetzt wird man für 2020 im anstehenden Haushalt die geringeren Einnahmen einbeziehen müssen. Das werden wir machen, das werden wir schaffen. Denn es bleibt bei einer Aussage, und das ist glasklar: Wir werden in dieser Legislaturperiode keine neuen Schulden aufnehmen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Finanzminister. – Für die SPD erteile ich dem Abgeordneten Herrn Hübner das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was ich befürchtet hatte, ist eingetreten. Herr Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen stellt sich nicht mit Gestaltungsanforderungen – wie er sich vorstellt, mit weniger umzugehen – hierhin, sondern er beantwortet die Frage, die zu Recht aufgeworfen wurde, damit, dass er das zu einem späteren Zeitpunkt aus dem Haushaltsvollzug erledigen will.

Zu Recht führt er dazu an, dass der Haushaltsvollzug in den vergangenen Jahren regelmäßig dazu geführt hat, dass wir im Land Nordrhein-Westfalen Milliardensummen übrig hatten aufgrund dessen, dass Sie beispielsweise Ihren Bildungsansprüchen überhaupt nicht entsprochen haben, weil Sie die Stellen, die Sie ausgewiesen haben, nicht besetzt haben. Das sind ganz maßgebliche Punkte, warum der Haushaltsvollzug dazu führen kann, mit der aufgetretenen Mindererwartung umzugehen.

Ich will das hier konstruktiv machen, will aber auch das eine oder andere, was im Verlauf der Debatte zum Wirtschaftswachstum gesagt worden ist, einfangen.

Natürlich haben die Kommentatoren völlig recht, wenn sie sagen, dass es an der Zeit gewesen wäre, Herr Minister, die Stunde der Wahrheit zu nutzen,