Protokoll der Sitzung vom 11.07.2019

Genau so sehe ich auch die vorgelegten Gutachten in dieser Frage: als Beitrag zur aktuellen Sachlage, nicht jedoch als Endpunkt der Diskussion. In diese Diskussion müssen noch andere, noch nicht vorliegende Gutachten einfließen, etwa das Sondergutachten zur CO2-Bepreisung, das der Sachverständigenrat Wirtschaft noch vorlegen wird. Alle Wirtschaftsminister in Deutschland haben ausdrücklich erklärt – auch von SPD und Grünen –, dass man das doch bitte erst einmal abwarten solle.

Denn es gilt nun, zeitnah das Für und Wider der verschiedenen Vorschläge zu einer CO2-Bepreisung abzuwägen und dann eine wissenschaftlich begründete und nachhaltige politische Entscheidung für einen gangbaren Weg zu treffen.

Der Vorschlag einer Erhöhung der energiebezogenen Steuern hat mit dem Problem zu kämpfen, dass auch nach Vorstellung der Gutachter damit keinesfalls eine vollständige Lösung der befürchteten Zielverfehlung 2030 erreicht werden kann. Alleine die drei Gutachten von Frau Schulze gehen mit Zielen von 17 Millionen t bis 73 Millionen t CO2-Einsparung sehr weit auseinander. Die Wirkung scheint also auch den Wissenschaftlern in ihren Vorschlägen noch nicht hinreichend geklärt zu sein.

Hier passen hingegen Optionen, die eine Mengensteuerung über den Markt favorisieren, aus meiner Sicht schon vom Ansatz her besser.

(Beifall von der FDP)

Ich muss an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich der Behauptung widersprechen, dass die Landesregierung sich mit der Frage einer sozialverträglichen CO2-Bepreisung noch nicht befasst habe. Dies ist schlicht und ergreifend falsch.

Unsere in dieser Woche vorgestellte Energieversorgungsstrategie stellt klar, dass die CO2-Bepreisung sinnvoll sein kann, dass sie aber nicht zur finanziellen Mehrbelastung der Verbraucherinnen und Verbraucher führen darf und daher aufkommensneutral auszugestalten ist, insbesondere was die Sektoren Mobilität und Wärme betrifft. Aufkommensneutralität soll dabei durch den Wegfall von sektorspezifischen Steuern und Abgaben erreicht werden.

Wir denken insbesondere an die Senkung der Stromsteuer – ich habe das gestern hier an derselben Stelle für die Landesregierung vortragen dürfen –, aber natürlich auch an die Senkung anderer Belastungen wie etwa der EEG-Umlage, die in Bezug auf das Einkommen regressiv sind.

Hier möchte ich gerade in Anbetracht des heutigen Geburtstags von Herrn Laumann Folgendes sagen und dabei auch die Grünen ansprechen: Herr Trittin hat im Juli 2014 noch erklärt, kein Haushalt – und das bleibe so – werde mit mehr als 1 Euro pro Monat belastet werden; das entspreche einer Kugel Eis. Schauen Sie sich bitte einmal in der RWI-Studie des

vergangenen Jahres an, wie die Haushalte mit der EEG-Umlage und den anderen Abgaben im Stromsystem belastet werden. Durch diese Abgaben werden insbesondere die Bezieher von kleinen Einkommen, also Rentner usw., massiv belastet.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Jetzt zu fordern, man müsse sie mal entlasten, ist ja ganz niedlich. Aber vergleichen Sie die von Frau Schulze in Aussicht gestellten 80 Euro pro Jahr und Bürger mit den Verteuerungen, die sich allein in den letzten zehn Jahren für die kleinen Leute ergeben haben. Das wird also nur ein Bruchteil dessen sein, was an Mehrbelastungen dort angekommen ist.

Auch hier sollten wir ein bisschen mehr Rationalität einkehren lassen und die Menschen mitnehmen, anstatt sie nur zu umsäuseln, um es einmal freundlich zu formulieren.

Das heißt für uns ganz klar: Die CO2-Bepreisung darf in der Summe nicht zum Vehikel einer Mehrbelastung der Bürger werden. Sie sollte auch bitte nicht die Bürokratie weiter ausufern lassen.

Wichtig ist uns dabei zugleich, dass der Ansatz für die Bepreisung marktbasiert sein sollte. Eine entsprechende Lösung ist sowohl innerhalb des ETS als auch durch eine CO2-Bepreisung außerhalb des ETS in Form vergleichbarer Anreize grundsätzlich bei einer CO2-Einsparung in Betracht zu nehmen. „Marktbasiert“ heißt auch, dass sich das gewählte System in Bezug auf Höhe und Erhebungsmethode möglichst weitgehend am EU-weiten Emissionshandel orientieren könnte.

Die Landesregierung hat damit in der anstehenden Diskussion schon klare Wegmarken gesetzt. Sie hat sich jedoch nicht abschließend in eine ganz konkrete Richtung im Detail festgelegt. Dies wäre zum jetzigen Zeitpunkt, wie ich meine, auch nicht sachgerecht.

Auch die Bundesumweltministerin hat kein abschließendes Konzept für eine Rückverteilung der Einnahmen vorgelegt, sondern nur verschiedene Alternativen, darunter neben dem eben genannten Pauschalbetrag auch die hier angesprochene Senkung der Stromkosten.

Fest steht jedoch nach wie vor, dass eine klimagerechte, versorgungssichere und bezahlbare Energiepolitik in unser aller Interesse sein muss. Von Stillstand im Klimaschutz kann gerade in NordrheinWestfalen in keiner Weise die Rede sein. Das möchte ich hier noch einmal ausdrücklich festhalten.

Die Landesregierung hat in letzter Zeit bereits zahlreiche Initiativen zum Klimaschutz auf den Weg gebracht, etwa die Förderung der klimagerechten Mobilität, die Unterstützung der Industrie auf dem Weg zur treibhausgasneutralen Produktion im Zuge von IN4climate und die Förderung der Klimaschutzaktivi

täten der Kommunen. Insgesamt sind die Klimaausgaben im Vergleich zu Ihrer Regierungszeit vervierfacht worden.

Die aktive Unterstützung und Umsetzung der WSBKBeschlüsse durch den Ministerpräsidenten und die Mitglieder der Landesregierung nehme ich hier ausdrücklich für die Landesregierung in Anspruch. Ohne Nordrhein-Westfalen wären wir nicht so weit, wie wir heute sind. Wir machen Tempo in Berlin und setzen uns dafür ein, dass das Ganze auch eins zu eins umgesetzt wird.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Insofern freuen wir uns über jede Anregung der SPD, wenn sie uns wirklich hinreichend weiterbringt. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Sundermann das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind uns sehr einig, dass es sich bei der Organisation der Energiewende und der damit verbundenen Senkung der Treibhausgasemissionen zur Verminderung des Klimawandels um eine gesamtgesellschaftliche Fragestellung handelt.

Ich schließe mich hier ausdrücklich den Worten von Herrn Hovenjürgen an, und auch dem Herrn Ministerpräsidenten, der in einer Regierungserklärung schon einmal gesagt hat, dass das eine generationsübergreifende Fragestellung ist, die, wenn sie generationsübergreifend ist, natürlich auch legislaturübergreifend ist.

Insofern möchte ich – zumindest für die Mehrheit in diesem Haus – feststellen, dass wir das auch so sehen. Für die Sozialdemokraten kann ich es auf jeden Fall deutlich bestätigen.

Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass der Kollege Hovenjürgen wiederholt die Einladung ausgesprochen hat, diese Fragestellung gemeinsam anzugehen. Auch bei dem einen oder anderen klang das durch. Aber Herr Hovenjürgen hat es hier sehr deutlich formuliert. Das hat uns gefreut.

Wir würden diese Einladung annehmen, wollen ihr aber auch mit einem konkreten Vorschlag begegnen. Sie haben gestern hier die Energieversorgungsstrategie der Landesregierung vorgelegt. Wir würden uns wünschen, im weiteren Prozess gemeinsam darüber zu diskutieren – wir werden mit den entsprechenden Vorschlägen auf Sie zukommen –, wie wir diese Energieversorgungsstrategie der Landesregierung zu einer Energieversorgungsstrategie des Landtags

machen können, damit sie dem Anspruch einer generationsübergreifenden Wirkung gerecht wird.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Zusätzlich zu dem einen oder anderen Punkt, der hier schon diskutiert wurde, möchte ich noch einige Gedanken einbringen.

Ja, es wird häufig gesagt, gerade von den Kollegen der Grünen, dass wir aufs Tempo drücken müssen. Das sehen wir auch so. Aber Tempo an sich ist kein Wert.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Ein Wert besteht darin, dass die vereinbarten Dinge über eine Legislaturperiode hinaus halten. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich warte lieber ein halbes Jahr länger und habe dann einen Kompromiss, der mindestens 20 Jahre hält, als jetzt nach drei Monaten einen Kompromiss zu schließen, der nach drei Jahren wieder vom Tisch ist.

(Beifall von der SPD)

Wir sind nicht diejenigen, die sagen, man müsse immer Tempo herausnehmen. Wir haben schon den Eindruck, dass mit dem Verweis auf das ETSSystem genau dieses Ziel verfolgt wird. Seit 2003 gibt es das ETS. Es hat die ersten Jahre nicht funktioniert. Erst seit 2018 greift es wirklich, nämlich nachdem festgelegt wurde, wie das in der 4. Handelsperiode organisiert wird.

(Henning Höne [FDP]: Wie hat sich das entwi- ckelt?)

Das ist eine gute Entwicklung, Herr Höne; vielen Dank für den Zuruf. Aber wir haben für diese Entwicklung 15 Jahre gebraucht. Wenn das die Blaupause ist, dann bin ich eindeutig der Meinung, dass wir eine CO2-Bepreisung brauchen, wie sie Svenja Schulze vorgeschlagen hat.

(Beifall von der SPD)

Tempo ist also kein Wert. Aber Organisation ist ein Wert, meine Damen und Herren.

Der Minister hat eben darauf verwiesen, dass wir aktuell in der Bundesregierung einen sehr heterogenen Diskussionszustand haben. Das stellen wir gemeinsam so fest. Aber wir sind der Meinung: Das heißt nicht, dass wir darauf warten sollten, was aus Berlin kommt. Vielmehr sollten wir mit breiter Brust als Nordrhein-Westfalen, als Energieland Nummer eins, sagen: Wir setzen die Maßstäbe. Wir setzen die Rahmenbedingungen. So stellen wir uns das vor.

Eindeutig noch einmal die ausgestreckte Hand an die CDU, an die FDP, an die Landesregierung und natürlich auch an die Grünen, daran gemeinsam zu arbeiten, damit die Stimme von Nordrhein-Westfalen in Berlin sehr laut erklingt! – Vielen Dank

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Vielen Dank. – Für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter Brockes das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde die heutige Debatte sehr gut und hilfreich. Man sieht, dass sich die demokratischen Parteien einig sind, was das Ob angeht, also die Tatsache, dass wir etwas machen müssen. Aber wir müssen jetzt die Frage nach dem Wie stellen.

Ich finde den Vorschlag der CDU-Bundesvorsitzenden Frau Kramp-Karrenbauer sehr gut, die angeboten hat, gemeinsam einen Klimakonsens zu suchen. Frau Brems, insofern kann ich nicht verstehen, dass Ihr Parteikollege Herr Hofreiter dieses Gesprächsangebot ausschlägt und auf Paris verweist. Paris gibt nur das Ziel vor, sagt aber nicht, wie wir dieses Ziel erreichen. Es muss doch gerade den Grünen darum gehen, über das Wie zu sprechen.

Viele andere Länder setzen bei der Energieversorgung wieder auf die Kernenergie, um die Ziele zu erreichen. Frau Brems, ich glaube nicht, dass Sie es für Deutschland übernehmen würden, wieder stärker auf die Kernenergie zu setzen. Deshalb ist doch wichtig, über das Wie zu sprechen, und darum sollte das Gesprächsangebot angenommen werden.

Herr Sundermann, Sie haben die Energieversorgungsstrategie angesprochen. Auch wenn ich mich mit unserem Koalitionspartner und der Landesregierung nicht abgestimmt habe,

(Frank Sundermann [SPD]: Machst du sonst immer!)