Protokoll der Sitzung vom 18.10.2001

Gleichwohl hat die Politik in Rheinland-Pfalz, in Deutschland, aber auch international, insbesondere international, mit allen ihr zur Verfügung stehenden legalen Mitteln die Aufgabe, Menschen verachtenden Mördern das Handwerk zu legen. Über diese Instrumente, ihre Tauglichkeit oder auch Nichttauglichkeit, müssen wir reden, nicht in Hysterie, sondern in Verantwortungsbewusstsein, nicht durch neue Bürokratien, sondern durch eine neue Sicherheitsarchitektur, nicht durch eine täglich neue Inflation an Vorschlägen, sondern durch Entschlossenheit und Einsatzbereitschaft und schließlich auch nicht durch kurzatmige Forderungen, sondern durch auf Dauer angelegte Strukturen.

Der Antrag der CDU erfüllt diese Kriterien nicht, weil er zum einen Forderungen stellt, die zum Teil schon längst vor dem 11. September von der Landes- und Bundespolitik umgesetzt sind, und zum anderen, weil wir einen sachlichen und keinen populistischen Dialog mit den Experten führen wollen, der Maßnahmen enthält, die zur Terrorismusbekämpfung keinen Beitrag leisten, zumindest keinen vernünftigen.

Wenn Sie beispielsweise wieder mit der Schleierfahndung als dem so genannten Allheilmittel kommen, dann erreichen Sie das Gegenteil von Sicherheit, weil Sie Polizeistärken binden, die in der gezielten Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus eher benötigt werden.

(Beifall der SPD und der FDP – Pörksen, SPD: Sehr richtig! – Zuruf des Abg. Billen, CDU)

Herr Kollege Billen, als der Experte für Recht und Innere Sicherheit in Rheinland-Pfalz: Terroristen werden Sie ebenso wenig mit der Schleierfahndung finden wie die Nadel im Heuhaufen.

(Zuruf des Abg. Billen, CDU)

Die vom Bund beschlossene und in Rheinland-Pfalz praktizierte Rasterfahndung ist dabei wesentlich Erfolg versprechender, weil sie zielgerichtet und konkret ist. Dies war übrigens auch – manche leiden unter kurzem Gedächtnis – die überwiegende Auffassung der Experten bei der Anhörung im Innenausschuss.

Dann fordern Sie von der CDU die Stärkung des Verfassungsschutzes und eine bessere Bekämpfung der Organisierten Kriminalität.

Ich frage Sie: Haben Sie in den letzten Wochen nicht mitbekommen, dass der Bund zusätzliche Mittel und Leistungen für die Nachrichtendienste, den Bundesgrenzschutz, das Bundeskriminalamt, den Generalbun

desanwalt bereitgestellt hat, die zwar von Ihnen begrüßt, aber die Bereitstellung der Mittel wie immer abgelehnt wurde?

Übrigens gab der Bund schon vor den Terroranschlägen mehr Geld für die Innere Sicherheit aus, als jemals von der CDU in denen von Ihnen zu verantwortenden Haushalten bereitgestellt wurde.

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Dies gilt mit Verlaub auch für die rheinland-pfälzische Polizei und auch für den rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz, die erst von dieser Landesregierung und nicht von Ihnen vernünftig ausgestattet wurden.

Es ist deshalb nur zu begrüßen, dass angesichts der neuen Herausforderungslage, die niemand sich hat noch vor wenigen Wochen vorstellen können, der Innenminister rasch gehandelt und reagiert hat, der die Erweiterung des Verfassungsschutzes mit einem Islam-Experten oder einer Islam-Expertin und weiterer Einstellungen stärken will. Dazu bedurfte es am allerwenigsten des CDU-Antrags, weil dies längst beschlossen war, als die CDU noch vor sich hindämmerte.

Frau Kollegin Grützmacher, wenn Sie sagen, Sie hätten in der Vergangenheit nur Kritik am Verfassungsschutz geübt, so ist das Geschichtsklitterung. Frau Kollegin Grützmacher, sie wollten ihn abschaffen.

(Zurufe aus dem Hause)

Sie wollten ihn abschaffen, Frau Kollegin Grützmacher.

(Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt komme ich auf den Antrag der CDU-Fraktion zurück. Sie sprechen in Ihrem Antrag von einer besseren Bekämpfung der Organisierten Kriminalität. Ich frage mich, in welchem Land Sie eigentlich leben – sicherlich nicht in unserem. Wenn Sie wenigstens – das wäre nicht zu viel verlangt, obwohl sie dick ist – die polizeiliche Kriminalstatistik lesen würden, könnten Sie wissen, was in Rheinland-Pfalz erfolgreich geschieht, dass nämlich das LKA und die Polizeipräsidien eine gute Arbeit leisten, die sich sehen lassen kann und die von allen Seiten Anerkennung verdient. Unsere Anerkennung jedenfalls hat sie.

Falls es erforderlich ist, wird die Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und Polizei so organisiert werden, dass die Verfahrensabläufe eine zügige Krim inalitätsbekämpfung ermöglichen.

Gleiches gilt für Ihre Forderung nach einem besseren Schutz des Luftverkehrs. „Herzlich willkommen“ kann ich Ihnen dazu nur sagen. Während Sie dies in einem Antrag am 1. Oktober 2001 fordern, wurden bereits am 15. September die Maßnahmen beschlossen.

Ich erinnere an die Sicherheits- und Zuverlässigkeitsprüfung von Zivilpersonen, die in sicherheitsrelevanten Bereichen eingesetzt werden, an die schärferen Kon

trollen von Reise- und Handgepäck, an den besseren Schutz des Cockpits, an den Einsatz bewaffneter Sicherheitsflugbegleiter und schließlich an die Offenlegung aller Wohnsitze in den vergangenen zehn Jahren im Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfung. Diese Aufzählung könnte noch fortgesetzt werden, aber ich tue das nicht.

Bei einer Sache springt die CDU-Fraktion wieder einmal zu kurz, indem sie bundeseinheitliche Regelungen – das hat Herr Kollege Schnabel hervorgehoben – fordert. Herr Kollege Schnabel, Terrorismus ist ein internationales Phänomen. Deshalb muss die Flugsicherheit weltweit und nicht bundeseinheitlich geregelt werden.

(Schnabel, CDU: Machen wir doch!)

Deshalb begrüßen wir den Beschluss der EUVerkehrsminister, weil er richtig und notwendig ist, eine verstärkte Zusammenarbeit innerhalb der internationalen Organisationen für die Zivilluftfahrt zu organisieren. Die EU-Verkehrsminister haben diesen Beschluss zu einem Zeitpunkt gefasst, als die CDU-Fraktion noch gar nicht daran dachte.

Wir müssen die neue spezifische Form der Bedrohung, dass Flugzeuge zu Waffen gemacht werden, ausschalten und durch eine Überprüfung aller Sicherheitssysteme ergänzen.

Die CDU-Fraktion spricht in ihrem „Warenhauskatalog“ weiter von einer Initiative zur Bekämpfung der Geldwäsche. Auch in diesem Fall heiße ich Sie herzlich willkommen. Spät kommt ihr, aber ihr kommt. Wir werden Sie künftig als CDU daran messen, wie ernst Ihre verbalen Bekenntnisse zum Thema „Geldwäsche“ zu nehmen sind. In Berlin zeichnet sich jetzt schon ab, dass Ihr Ja immer leiser und Ihr Aber immer lauter wird.

Eine besondere Aufmerksamkeit auf die finanziellen Strukturen der terroristischen Netzwerke ist eine der entscheidenden Grundlagen, um illegale Finanzströme zu erfassen und zu unterbinden. Die vom Bund beabsichtigte Einrichtung einer Zentralstelle zur Bekämpfung der Geldwäsche ist das geeignete Instrument, um unerlaubt betriebene Bankgeschäfte und das Schattenbankwesen leichter zu verfolgen. Auch in diesem Fall gilt: Wirkungsvoll kann Geldwäsche nur in internationalem Maßstab bekämpft werden; denn die Geldströme machen längst nicht mehr an Grenzen halt.

Auch in diesem Fall hätte die CDU-Fraktion wissen können, dass die Finanzminister der G 7-Staaten und Russland sich auf einen umfassenden Aktionsplan zur Austrocknung von kriminellen und terroristischen Geldquellen längst geeinigt haben. Dies haben sie auch ohne die Forderung der CDU-Landtagsfraktion in RheinlandPfalz getan. Sie haben vor allen Dingen nicht darauf gewartet.

In den Nummern 8 und 9 gehen Sie auf die Problematik der Fingerabdrücke in Pässen ein. Neu ist das auch nicht, Herr Kollege Schnabel. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, weise ich darauf hin, dass ich durchaus Auffassungen respektiere, die sich mit dieser Maßnahme schwer tun. Ich stelle aber auch klar,

dass ich diese Bedenken nicht teile und auch nicht der überwiegende Teil der SPD und der SPD-Fraktion.

Jeder, der einen Pass beantragt, ist damit einverstanden, dass seine persönlichen Daten, wie Geburtstag, Geburtsort, Lichtbild und Unterschrift, zur Identifikation seiner Person erfasst werden. Ich habe noch nicht gehört, dass sich ein Einziger dagegen jemals gewehrt hat. Alle diese Merkmale haben jedoch ein Manko; sie sind nämlich fälschbar. Der Fingerabdruck ist aber nicht fälschbar. Deshalb muss es möglich sein, moderne Identifizierungsmethoden anzuwenden, um durch die Vernetzung von Daten Aufklärungsmöglichkeiten zu verbessern.

(Beifall bei SPD und FDP)

Wenn man den Antrag der CDU-Fraktion bewertet, wird man unschwer zu dem Ergebnis kommen, dass er weder originell ist noch uns in der Sache einen Millimeter weiterbringt. Sie täuschen Aktionismus vor und wollen nicht zum ersten Mal beim Thema „Innere Sicherheit“ ein Stück Verunsicherung der Menschen betreiben. Ich weise deutlich darauf hin, dass die Innere Sicherheit und die Kriminalitätsbekämpfung bei diesem Innenminister, bei dieser Landesregierung und bei den sie tragenden Fraktionen in den besten Händen sind.

(Beifall bei SPD und FDP)

Gestatten Sie mir zum Schluss eine ergänzende und persönliche Bemerkung. Alle Maßnahmen zu einer wirkungsvollen Bekämpfung des Terrorismus sind es wert, sorgfältig geprüft zu werden. Allerdings erscheint es mir noch notwendiger, die tieferen Ursachen des Terrorismus zu erkennen und an deren Beseitigung zu arbeiten. Hunger, Perspektivlosigkeit, Analphabetismus, Kindersterblichkeit, Armut, ungerechte Ressourcenverteilung und der Eindruck, zu den Globalisierungsverlierern zu gehören, sind der Nährboden, auf dem Gewalt und Hass entstehen.

Lassen Sie uns über die Tagesaktualitäten hinaus auch darüber reden, wie wir diesen Ländern helfen können, sich zu gleichberechtigten Partnern unserer Gesellschaft zu entwickeln.

Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD und der FDP)

Zu einer Kurzintervention erteile ich der Abgeordneten Frau Kohnle-Gros das Wort.

Ich will mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen, nachdem der Angriff so gekommen ist, wie er gekommen ist, noch ein paar Dinge zu sagen.

Meine Damen und Herren, ich bin inzwischen gewohnt, dass das, was ich sage, und das, was wir als CDU

Fraktion sagen, nicht als objektiv bzw. als der Wahrheit entsprechend angesehen wird. Ich brauche nicht auf die Pappkameraden usw. hinzuweisen, die Sie im Wahlkampf entsprechend geärgert haben.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Lassen Sie mich noch einen Blick auf andere Bundesländer werfen. Nehmen wir einmal Nordrhein-Westfalen – das Land ist nicht CDU-regiert –, damit Sie nicht den Verdacht hegen, dass wir das dort abschauen würden. Der Zeitung ist zu entnehmen, dass die nordrheinwestfälische Landesregierung 900 Polizisten aus dem Alltagsgeschäft zur Objektsicherung abgezogen hat. Es muss noch nicht einmal Mehrarbeit angeordnet werden. So sind sie mit ihrer Polizei ausgestattet.

(Staatsminister Zuber: Und was passiert mit dem Alltagsgeschäft?)

Wir sind zu gar nichts mehr in der Lage. Wir haben keinerlei Reserven. Wir müssen unseren Leuten jede Stunde abpressen. Es gibt keinen Urlaub und keine Freizeit mehr. Es gibt nur noch Überstunden.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wenn das kein objektiver Beleg dafür ist, dass in Rheinland-Pfalz keine anständige Politik in diesem Bereich betrieben worden ist, dann weiß ich es auch nicht mehr.

Die Bayern haben ihre Landesreserve einberufen. Haben Sie so etwas in diesem Land schon einmal gehört? Eine Landesreserve bei der Bereitschaftspolizei, mit der sie jetzt in den Einsatzdienst gehen und ihre Mannschaften vor Ort unterstützen können?