Protokoll der Sitzung vom 30.08.2002

Man sollte dies nicht schlechtreden.

Zwei Bemerkungen zu „Hartz“. Es gibt auch bei mir das eine oder andere, wo ich sagen könnte, das gefällt mir nicht. „Hartz“ ist ein Gesamtkonzept. Wer nach dem 22. September oder jetzt versucht, dieses Papier als Steinbruch zu benutzen, um sich das Beste herauszupicken, muss wiederum Schiffbruch erleiden.

Verehrter Herr Dr. Gölter, es wird nur im Konsens gehen. (Zuruf des Abg. Dr. Gölter, CDU)

Es trifft nicht zu, was Sie gesagt haben. „Hartz“ will nicht 2 Millionen in diese Beschäftigungsgesellschaft bringen. „Hartz“ will bis zum Jahr 2005 2 Millionen mehr in Arbeit haben. Das ist das Konzept von „Hartz“. Er will auch – das haben Sie zuletzt angesprochen; das hat auch Herr Rürup gestern betont – eine Entkrampfung des Arbeitsmarkts. Das wird in vielen Fällen eine Menge Schmerzen machen. Diese Schmerzen sind nur erträglich, wenn es uns gelingt, das gemeinsam in Angriff zu nehmen.

Lassen Sie uns dabei bleiben, dass es notwendig ist, Reformen auf dem Arbeitsmarkt durchzusetzen. Gehen Sie mit; denn in dieser Hartz-Kommission waren auch Leute, die durchaus Verständnis für Ihre Position haben, die Sie vortragen. Trotzdem haben sie eingesehen, dass es nur geht, wenn wir uns gemeinsam auf den Weg machen.

Ich halte sehr viel davon, wenn Sie deutlich machen, dass Sie mit dem 22. September nichts am Hut haben.

(Dr. Gölter, CDU: Nein, das habe ich so nicht gesagt!)

Als Sie den Abgang gemacht haben, haben Sie den 22. September ganz besonders herausgestellt.

Herr Dr. Gölter, ich glaube, dass die Debatten, die wir führen, dazu beitragen, dass der 22. September ein Beweis dafür sein muss und wird, dass die Konzepte stimmen und die derzeit amtierende Bundesregierung weitermachen wird.

(Beifall der SPD)

Ich erteile Herrn Kollegen Creutzmann das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Gölter, Sie sollten sich einmal angewöhnen, hinsichtlich der Statistiken auch ein bisschen den

Verstand mit hineinzubringen. Wenn Sie die Steuerkraft anziehen, müssen Sie wissen, dass diese Zahl überhaupt nichts mehr aussagt, weil über Gewinnabführungsverträge und Strukturveränderungen dieses Aufkommen für das Land Rheinland-Pfalz überhaupt nichts besagt. Wenn ein großes Unternehmen keine Steuern mehr bezahlt, schlägt sich das nieder. Das hat mit der Wirtschaftskraft dieses Landes überhaupt nichts zu tun. Das will ich Ihnen einmal sagen.

Ich komme dann zu den Auspendlern. Sind wir doch froh, dass die Menschen hierher kommen, hier leben wollen, aber die Mobilität besitzen – es sind auch sehr viele Selbstständige dabei –, in anderen Bundesländern zu arbeiten, aber hier – das müssten Sie auch begrüßen –, weil die Einkommenssteuerverteilung für die Kommunen gilt, die Kommunen mit Ihrem Einkommen beglücken. Herr Kollege Gölter, ich würde mir wünschen, wir könnten diesen Anteil auf 30 % oder 40 % erhöhen. Die rheinland-pfälzischen Kommunen würden aufblühen. Herr Kollege Schnabel müsste nicht immer jammern, dass alles so schlecht ist. Das ist doch die Konsequenz.

Nun will ich noch einen Grund sagen. Das kann man alles seriös abhandeln. Wir haben natürlich einen Nachteil in Rheinland-Pfalz, weil die neuen Bundesländer – das will ich gar nicht beklagen – steuerlich immer noch begünstigt werden. Jetzt ist es notwendiger denn je, aber das erschwert natürlich dieser Landesregierung, spektakuläre Ansiedlungen nach Rheinland-Pfalz mit der Schaffung neuer Arbeitsplätze zu schaffen, weil sie hier natürlich nicht mithalten kann.

Wir haben in Rheinland-Pfalz, was an Landespolitik zu machen ist, unsere Hausaufgaben gemacht. Wir besitzen beispielsweise mit der Investions- und Strukturbank ein ausgezeichnetes Instrument für Unternehmensneugründungen.

(Vereinzelt Beifall bei FDP und SPD)

Herr Kollege Braun, damit Sie wieder etwas zu schim pfen haben, es ist völlig kontraproduktiv, wenn Ihre Fraktion in der Presseerklärung mitteilt, sie wolle die Förderung für Neugründungen – Sie nennen das Subventionen; 42 Millionen – aus dem Wirtschaftsministerium herausstreichen. Ich kann Ihnen nur sagen, jeder weiß, dass Neugründungen – dies wird in jedem Bundesland gemacht – ohne Förderungen durch den Staat schwerlich gerade bei Jungunternehmern machbar sind. Sie wissen, jede Neugründung schafft im Schnitt drei bis vier Arbeitsplätze.

(Glocke des Präsidenten)

Deswegen ist diese Strukturpolitik, die diese Landesregierung betreibt, richtig. Fazit: Was Rheinland-Pfalz für diesen Arbeitsmarkt hat tun können – das war das Thema –, haben wir getan. Die Rahmenbedingungen müssen natürlich verändert werden. Das ist aber kein Thema für dieses Haus. Das muss der Wähler am 22. September entscheiden.

Vielen Dank. (Vereinzelt Beifall bei der FDP)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Braun das Wort.

Es bleibt die Frage zu beantworten: Was kann Rheinland-Pfalz vielleicht doch zusätzlich machen, und welche Ideen kann man zusätzlich einbringen, um Arbeitsplätze zu schaffen, Herr Creutzmann? Sie werden sich nicht wundern, dass ich auch auf unser bekanntes Thema zurückkomme. Im Mittelstand können wir Arbeitsplätze schaffen, indem wir beispielsweise den Klimaschutz fördern. Wenn wir neue Ideen haben und umsetzen wollen, dann können wir nicht nur sagen, wir brauchen Förderung egal für welche Existenzgründungen – ich will keine Lenkung des Staates haben –, sondern dann brauchen wir auch neue Ideen, was wir sinnvoll machen können, was wir auch für die Volkswirtschaft Sinnvolles tun können.

Es geht nicht allein darum, dass es neue Existenzgründungen gibt. Wir wollen auch volkswirtschaftlich gut dastehen, um etwas einsparen zu können. Im Konkurrenzkampf zu anderen Volkswirtschaften als Exportnation müssen wir Vorteile erringen. Wir brauchen technologische Vorteile. Die haben wir in einer Spitzentechnologie wie die erneuerbaren Energien.

Wir brauchen aber auch die Vorteile, die in unserem Land selbst umsetzbar sind. Da ist die Sanierung des Gebäudebestandes ein wichtiger Punkt. Die rotgrüne Regierung hat anders als andere Regierungen vorher entsprechende Fördertöpfe aufgemacht. Jetzt können Sie sagen, das sind schon wieder staatliche Förderungen, und es gehen schon wieder Gelder hinein. Das sind Marktanreizprogramme. Damit schaffen wir Arbeitsplätze auch in dem Bereich, in dem es Ausbildungsplätze gibt. Es geht uns nicht allein um die Produktion. Es geht uns um die sinnvolle Verknüpfung von sinnvoller Produktion und Arbeitsplätzen, also auch um sozialen Frieden und vor allem mit einer ökologischen und nachhaltigen Wirtschaft.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese nachhaltige Wirtschaft zu fördern, das ist eine der Zukunftsaufgaben auch für Rheinland-Pfalz. Wir haben im Land Rheinland-Pfalz im Gebäudebestand – ich kann das jetzt nicht genau beziffern – mehrere Milliarden Euro an Investionsvolumen, wenn wir allein nur die Wärmedämmung umsetzen würden, wenn wir in die Gebäudesanierung gehen würden und nicht allein in den Neubau. Wenn wir das fördern, was sinnvoll ist, alten Bestand zu erhalten, dann haben wir in Rheinland-Pfalz auch eine Chance, das Handwerk entsprechend zu fördern. Dafür muss es finanzielle Förderung von der Landesregierung geben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Einen Satz noch zu den Bekenntnissen des Wirtschaftsministers Bauckhage. Wir als Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – vielleicht können Sie, Herr

Creutzmann, sich das auch einmal merken – wollen keine Staatswirtschaft. Da diskutieren Sie, ich weiß nicht welche Diskussion, die Sie früher vielleicht in der eigenen Partei geführt haben. Es wäre uns recht, wenn wir nicht lenkend eingreifen müssten. Wir wollen, dass es Ausbildungsplätze gibt, beispielsweise in der Wirtschaft. Es wäre keiner böse, wenn die freie Wirtschaft so viele Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen würde, dass der Staat nicht eingreifen müsste.

(Glocke des Präsidenten)

Wenn die freie Wirtschaft das aber nicht kann, muss der Staat, die Gemeinschaft, helfen. Diese Hilfe bieten wir immer an. Diese Hilfe wollen wir auch in Zukunft leisten. Das hat nichts mit Lenkung zu tun. Das hat mit Sozialpolitik und mit Hilfe zu tun.

Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Staatsminister Mittler das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will nur eine knappe Anmerkung zu Ihnen, Herr Abgeordneter Dr. Gölter machen, was die Steuerkraft angeht.

Was Sie sagen, trifft nicht zu. Wir liegen, was die Steuerkraft angeht, nicht an 13. Stelle, sondern wir liegen, auf die alten Länder bezogen, an fünfter Stelle im Wettbewerb mit Schleswig-Holstein. Was alle Länder angeht, unter Einbeziehung der Stadtstaaten, liegen wir an siebter bzw. an achter Stelle.

Ich bin gern bereit, Ihnen auch die Unterlagen dazu nicht nur zur Verfügung zu stellen, sonder sie auch gemeinsam mit Ihnen zu erörtern. Ich sage das nicht nur aus Freundlichkeit, um Sie vor falscher Argumentation zu schützen, sondern auch zu dem Zweck und insbesondere zu dem Zweck, dass nicht falsche Argumente durch Wiederholung Nachahmer und neue Botschafter finden und sich irgendwann verselbstständigen und man sie dann ins Land hinausträgt.

Alles könnte noch viel besser sein – ohne Zweifel. Das gilt nicht nur für die Steuerkraft, sondern das gilt auch für viele sonstige Bereiche. Nur muss es auch nicht sein, dass man das eigene Land schlechter redet, als es tatsächlich ist. Wie gesagt, das ist ein Angebot.

Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende der Besprechung des ersten Themas.

Ich rufe nun das zweite Thema der

AKTUELLEN STUNDE

auf: „World Summit 2002 in Johannesburg, zehn Jahre nach Rio: nachhaltige Entwicklung in Rheinland-Pfalz?“ auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 14/1361 –

Für die Antrag stellende Fraktion erteile ich Frau Abgeordneter Thomas das Wort.

Meine Damen und Herren, es schließt sich eigentlich gut an das an, was mein Kollege Bernhard Braun bei der abschließenden Diskussion des ersten Teils der Aktuellen Stunde gesagt hat: Es gibt für uns zwei aktuelle Anlässe, kritisch nachzufragen, wo wir in RheinlandPfalz auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung stehen. Wir wollen Rheinland-Pfalz nicht irgendwie entwickeln, sondern wir wollen uns in diesem Land der zentralen Herausforderung stellen, nämlich eine nachhaltige Entwicklung zu betreiben, die im ökologischen Sinn zukunftsfähig ist, die sozial und generationengerecht ist und die dabei auch ökonomische Aspekte berücksichtigt.

Zwei Anlässe: Über einen haben wir gestern gesprochen, nämlich die Unwetterhäufung, die katastrophalen Folgen in Sachsen, aber auch in China und in Rußland; das ist kein nationales, sondern ein internationales Problem, das deutlich macht, wie notwendig es ist, sich verstärkt im Klimaschutz zu engagieren, und zum anderen der aktuell stattfindenende Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg, der seit dem 26. August tagt.

Meine Damen und Herren, von diesem Gipfel erwarten wir nicht nur eine Bestandsaufnahme, was seit Rio in zehn Jahren an nachhaltiger Entwicklung für unsere Erde erreicht wurde, sondern wir sind der Meinung, dass dieser Gipfel auch die Gelegenheit bietet, der globalen Umweltpolitik und dem gesamten Politikfeld „Nachhaltigkeit“ neue Impulse zu geben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will dabei anmerken, dass die Zähigkeit internationaler Verhandlungen die Politik nicht entm utigen darf.

Ich erinnere nur daran, wie lang es gedauert hat, das Kyoto-Protokoll auf den Weg zu bringen; es ist noch nicht überall ratifiziert. Die Blockadehaltung der USA beim Kyoto-Protokoll oder auch jetzt ihre selbst gewählte Isolation mit den Positionen, mit denen sie nach Johannesburg gehen, darf kein Anlass sein oder dazu führen, zu resignieren oder in diesen Anstrengungen zu ermüden.

Viel mehr muss gerade das Ansporn sein, mit Ausdauer und vor allem mit politischem Nachdruck dieses Ziel zu verfolgen.