Protokoll der Sitzung vom 28.04.2004

Jetzt könnte man denken, es gäbe das Risiko, dass gerade in Randgebieten zu den Benelux-Staaten vielleicht junge Ärztinnen und Ärzte dann eher ins Ausland gehen, um zügiger in Frankreich, Belgien, Holland oder Luxemburg diese Weiterbildung zur Fachärztin oder zum Facharzt für Allgemeinmedizin zu erreichen.

Ich sehe dieses Risiko für gering an, weil die Patienten sehr sensibel sind und schon differenzieren können, ob jemand eine Mindestweiterbildung nach Schema „F“ drei

Jahre hat oder die in Rheinland-Pfalz geltende fünfjährige optimale Weiterbildungszeit durchlaufen hat.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Ebli.

(Pörksen, SPD: Jetzt brennt sie ein Feuerwerk ab!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben in Rheinland-Pfalz ein herausragendes Maß an hoch qualifizierten Ärztinnen und Ärzten. Darauf können wir stolz sein, weil diese Qualität des ärztlichen Berufsstandes genau die Basis ist, die wir für eine gute Versorgung unserer Patientinnen und Patienten brauchen.

Ich füge aus aktuellem Anlass hinzu: Sie ist auch eine Garantie für das von uns favorisierte Hausarztmodell.

Nun werden wir von der Kommission der Europäischen Union aufgefordert, unser Heilberufsgesetz entsprechend der EU-Richtlinien zu ändern. Natürlich müssen wir in Europa dazu kommen, Bildungs- und Weiterbildungsabschlüsse gegenseitig anzuerkennen.

Dem kommen wir mit der Änderung dieses Heilberufsgesetzes nach. Künftig werden Ärztinnen und Ärzte, die eine entsprechende Ausbildung in der Allgemeinmedizin hier oder in einem Mitgliedsstaat der EU oder eines anderen Vertragsstaates des europäischen Wirtschaftsraums absolviert haben, die Bezeichnung „Fachärztin oder Facharzt für Allgemeinmedizin“ führen.

Die Bezeichnung „praktische Ärztin“ oder „praktischer Arzt“, die bislang nach einer Weiterbildung von zwei Jahren geführt werden konnte, wird entfallen.

Für die Bezeichnung „Fachärztin oder Facharzt für Allgemeinmedizin“ war bei uns bisher eine fünfjährige Weiterbildung erforderlich. Dies wird künftig nach drei Jahren möglich sein.

Meine Damen und Herren, dies verdeutlicht noch einmal, dass wir mit unseren Ansprüchen und Anforderungen an den medizinischen Berufsstand über dem europäischen Durchschnitt lagen. Ich will aber auch nicht verhehlen, dass dies durchaus auch mit einer historischen Entwicklung und mit einer gewissen Traditionspflege verbunden ist. Wir müssen in diesem Zusammenhang auch den starken Einfluss der Kammern berücksichtigen, die in diesem Gesetz noch zusätzlich gestärkt werden.

Die im europäischen Ausland erworbenen Zusatzausbildungen sowie fach- und zahnärztliche Weiterbildungen werden ebenfalls in diesem Gesetz geregelt. Für das

Anerkennungsverfahren ist eine Höchstfrist von vier Monaten vorgesehen.

Besonders begrüßenswert ist die Teilzeitausbildung, die von 60 % auf mindestens 50 % der wöchentlichen Ausbildungsdauer in Vollzeit vorgesehen ist.

(Beifall bei der SPD)

Dies wird mit Sicherheit den Anteil der Frauen mit Familien in der medizinischen Weiterbildung erhöhen. Das ist gut so, wie ich meine.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Anhörung ergab eine breite Zustimmung aller Betroffenen, der Kammern, der kommunalen Spitzenverbände und des Fachministeriums. Auch unserem besonderen Anliegen des Gender Mainstreaming wurde entsprechend Rechnung getragen. Frau Ministerin Dreyer hat es soeben erwähnt. Ich halte es aber auch für unser besonderes Anliegen, darauf hinzuweisen, dass qualifizierte Medizinerinnen und Mediziner sowie auch Zahnmedizinerinnen und Zahnmediziner gut und wichtig für die Patientinnen und Patienten in unserem Land sind und darüber hinaus eine wichtige Rolle bei der Prävention, bei der Aufklärung und bei der Vermeidung von Krankheiten spielen. Heute findet die erste Beratung statt. Wir werden im Ausschuss noch ausreichend Gelegenheit haben, uns im Detail mit einzelnen Änderungen zu befassen.

(Pörksen, SPD: Sehr wahr!)

Grundsätzlich wird aber an diesem Gesetz im Sinn eines zusammenwachsenden Europas kein Weg vorbeiführen.

(Zuruf von der SPD: Wunderbar! – Pörksen, SPD: Gute Rede! – Beifall der SPD und der FDP)

Ich darf Gäste im rheinland-pfälzischen Landtag begrüßen. Ich begrüße sehr herzlich die Landfrauen aus Schwarzerden sowie Mitglieder des Obst- und Gartenbauvereins Römerberg-Heiligenstein im rheinlandpfälzischen Landtag. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Ich erteile nun Herrn Abgeordneten Marz für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist schon vieles gesagt worden, aber noch nicht von mir. Es ist viel Richtiges gesagt worden, ich muss es deshalb nicht unbedingt wiederholen, zumal

(Staatsminister Zuber: Niemand von der Fraktion anwesend ist!)

bereits ein Vertragsverletzungsverfahren läuft und ich nicht noch mehr Zeit ins Land gehen lassen will, bis das endlich umgesetzt wird.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Herr Kollege Pörksen, Sie haben aber auch zu jedem Thema einen sehr sinnigen Zwischenruf zu machen. Ich habe Ihnen doch eben eine Ermahnung erteilt.

Im Kern ist es wichtig und richtig. Es führt auch kein Weg daran vorbei, dass es eine gegenseitige Anerkennung innerhalb der EU gibt und die Ausbildung zum Allgemeinmediziner auf eine solide Grundlage gestellt wird. All das ist bereits gesagt worden. Ich will das nicht wiederholen. Herr Kollege Dr. Enders hat deshalb lieber den Referentenentwurf diskutiert, der längst vom Tisch ist, als den vorliegenden Entwurf, der scheinbar ohne Alternative ist.

Was den Kern angeht, haben wir keinen großen Diskussionsbedarf im weiteren Gesetzgebungsverfahren. Ich habe aber einige Fragen zu diesem Thema in diesem Zusammenhang, das mit der EU-Richtlinie überhaupt nichts zu tun hat. Dies betrifft die Frage der zumindest teilweisen disziplinarrechtlichen Unterstellung der verbeamteten Ärzte unter die Kammern. Wenn ich das richtig sehe, muss dies nicht zwangsläufig so gemacht werden. Daher möchte ich wissen – ich stelle Fragen, um noch schlauer zu werden –,

(Staatsminister Zuber: Noch schlauer!)

ob es in dieser Hinsicht Probleme in der Vergangenheit gegeben hat, die nun veranlassen, so zu verfahren.

Es wurde immer wieder davon gesprochen, dass die Betroffenen angehört wurden. Mich würde interessieren, ob auch die verbeamteten Ärzte angehört wurden und was sie dazu gesagt haben. Es kann sein, dass auch sie es positiv beurteilen.

Zum Dritten wäre es schon interessant, sich einmal vergleichbare Regelungen in anderen Bundesländern im laufenden Gesetzgebungsverfahren anzuschauen.

Aber das ist alles nicht schwerwiegend. Ich denke, das lässt sich alles klären. Ich möchte mein Versprechen wahr machen und an dieser Stelle Schluss machen.

Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Dr. Schmitz das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielleicht ist doch noch nicht alles gesagt worden!

(Dr. Gölter, CDU: Das überrascht uns nicht!)

Herr Kollege Dr. Gölter, auch wenn es nicht Ihr Fachbereich ist, ist es in der Tat so, dass dies prima vista sehr eingängig ist. Man hat „EU-Recht“, man hat eine „Weiterbildungsordnung“, man hat ein „Heilberufegesetz“, und dies wird nun zusammengefügt. Die interessanten historischen Reminiszenzen von Herrn Kollegen Dr. Enders beleuchten einige Dinge, die jetzt nicht mehr zur Debatte stehen. Aber das, was noch zur Debatte steht, ist durchaus interessant.

Es wäre auch ein Wunder, wenn Sachen, die im Spannungsfeld zwischen EU, Bund, Land, Fortbildungsordnung, Weiterbildungsordnung, Kammern und ministerialen Zuständigkeiten von zwei Ministerien einen gewissen byzantinischen Überbau präsentieren, wirklich so leicht wären, wie dies beim ersten Durchlesen erscheint.

Ich möchte ein Beispiel nennen. Herr Kollege Enders sagt, es sei wichtig, dass die Patienten beim Facharzt für Allgemeinmedizin unterscheiden könnten zwischen jemandem, der nur einen Schnellkursus von zwei oder drei Jahren gemacht hat, und jemandem, der sich fünf Jahre lang intensiv weitergebildet hat. Das ist für den Patienten in der Tat interessant. Diese Meinung teile ich. Aber wie bekommen wir das hin?

Es besteht beispielsweise der Wunsch, Zusatzbezeichnungen heranzuziehen. Dies sind Dinge, die wir im Ausschuss noch einmal besprechen und überprüfen sollten. Wir kennen das von der Bezeichnung „Ingenieur FH“ und Ähnlichem. Das Gesetz sagt, diese Zusatzbezeichnungen sollen die Kammer der Anerkennung nennen. Wenn sich also jemand aus Spanien in Deutschland niederlässt, in Spanien zwei Ausbildungsjahre absolviert hat und in Deutschland vom Terminus her gleichgestellt wird mit jemandem, der fünf Jahre in Deutschland absolviert hat, steht bei dem Spanier in der Bezeichnung „Salamanca“ und bei dem Deutschen „Heidelberg“. Das entspricht aber nicht dem, was im Gesetz steht. Im Gesetz steht, die Kammer soll genannt werden, die diese Anerkennung durchführt. Die Kammer wäre in jedem Fall beispielsweise die Kammer Koblenz, egal, ob der Betroffene in Salamanca oder in Heidelberg studiert hat. Damit wäre die Transparenz, die Sie wünschen – diesem Wunsch schließe ich mich ausdrücklich an –, nicht hergestellt.

In der Begründung des Gesetzes heißt es, die Herkunft der Bezeichnung sei zu nennen. Aber auch das ist nicht ganz frei von Problemen; denn die Herkunft der Bezeichnung – sagen wir Salamanca oder Heidelberg – kann durchaus heißen, der Facharzt oder die Fachärztin für Allgemeinmedizin hat in Salamanca drei Jahre absolviert, und bei dem Kollegen aus Deutschland handelt es sich um einen ehemaligen praktischen Arzt, der nur zwei Jahre absolviert hat und der im Rahmen dieses Gesetzes das Recht erhält, sich bis Dezember 2005 einfach per Antrag umzubenennen. Dies sind Dinge, die im

Detail in meinen Augen durchaus noch diskussionsbedürftig sind.

Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist wichtig, sich auch vor Augen zu führen, in welchem Umfeld diese Gesetzesänderungen stattfinden. Sie finden in einem Umfeld statt, in dem wir keinen Ärzteüberschuss, sondern einen Ärztemangel für die Zukunft sehen. Diesem potenziellen Ärztemangel muss man natürlich bei adäquater Qualität mit attraktiven Ausbildungszeiten begegnen.