Protokoll der Sitzung vom 15.03.2007

Frau Kollegin Hayn hat darauf hingewiesen, bei 108 von 180 Hauptschulen liegt die durchschnittliche Klassenmesszahl deutlich über 20. Herr Kollege Lang hat eine hervorragende Analyse geliefert. Es fehlt aber das Handlungskonzept. Das ist unser Sofortprogramm. Das wäre die Logik hier gewesen.

Sie tun, als hätten Sie die Situation im Griff, als gäbe es nicht diese mannigfaltigen Hilfeschreie von Betroffenen, ob von Eltern, Lehrern, Schulleitern oder Kammern. Das hat die Hauptschule nicht verdient.

Zum Teil sind es Schüler mit großen Defiziten, zum Teil unverschuldet. Sie sagen immer, Sie wollen niemanden am Wegesrand liegen lassen.

Sie lassen sie am Wegesrand liegen, indem Sie das, was Sie selbst von den anderen fordern, von der Schulart Hauptschule nicht fordern, jede Schule solle individuell fördern. Das kann man in der Hauptschule nicht. Das sagen alle Experten. Wenn Sie es uns nicht glauben, dann glauben Sie doch wenigstens den Betroffenen.

Mit 25 oder 28 können Sie bei der Problematik der Hauptschule, wie sie eben hervorragend vom Herrn Kollegen Lang geschildert worden ist – ich wiederhole mich –, nicht individuell fördern.

(Beifall der CDU)

Das wird uns noch beschäftigen. So einfach, wie Sie es sich machen, kann man es sich mit der Hauptschule nicht machen. Diese Ignoranz, die heute wieder hier von Ihnen zum Ausdruck gekommen ist, hat die Hauptschule nicht verdient. (Beifall der CDU)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Brede-Hoffmann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

(Zuruf des Abg. Keller, CDU)

Herr Keller, ich denke, es ist nicht angemessen, über die Hauptschule in dem Ton zu sprechen, wie Sie es tun.

(Zurufe von der CDU)

Ich glaube, mein Kollege Herr Lang hatte versucht klarzumachen, dass Hauptschulen eben nicht Zusammen

fassungen von Katastrophen sind, es in Hauptschulen eben nicht um Elend pur geht, sondern dort Schülerinnen und Schüler und Lehrerinnen und Lehrer um Zukunft ringen.

Viele sind sogar erfolgreich, viele mit riesigen Problemen belastet, riesigen Probleme – das möchte ich hier noch einmal betonen –, die nicht in der Schule entstehen und nicht ursächlich diesen Jugendlichen anzulasten sind, sondern Probleme, die gesellschaftlicher Natur sind, die wir eigentlich an ganz anderen Stellen und mit ganz anderen Argumenten diskutieren müssten.

Diese Kinder, die um ihre Zukunft ringen, kommen aus einem Umfeld, in dem sie nicht glücklich, zufrieden, ruhig, konzentriert auf die Schule, angeleitet und werteorientiert groß werden, sondern in dem Probleme bestehen, die diese Jugendlichen mal mehr, mal weniger auch schon im jungen Alter aus der Bahn werfen.

Auch darüber sollte man mit Respekt und dem Gedanken nach Hilfe diskutieren und sie nicht so darstellen, als seien es Chaospiloten, die in der Schule dieses Chaos dann auslebten. Herr Kollege, das berührt mich an dieser Diskussion immer am meisten.

Wenn Sie jetzt über Klassen- und Durchschnittsgrößen reden, die Sie nicht akzeptieren, dann werden Sie es aber doch wenigstens akzeptieren hinzuschauen, wie in dieser Landesregierung Veränderungen vorgenommen worden sind, was die Lehrerwochenstundenzuweisung im Besonderen für die Hauptschule angeht.

Zu nennen ist nicht nur die Regelung, von der die Frau Ministerin gesprochen hat, dass Klassengrößen über 26 nicht mehr gebildet werden, sondern auch besonders hohe Förderstundenzuweisungen, die in den Hauptschulen bereits stattfinden, die Tatsache, dass jede Hauptschule künftig Schulsozialarbeiter haben wird, die unterstützend bei Problemen wirken werden, dass Schulen in Problemlagen schon lange das Angebot gemacht bekommen, durch besondere Zuweisung von Lehrerwochenstunden in ganz kleinen Gruppen aufzuteilen.

Wir sind uns sicher einig, dass in dieser Landeshauptstadt Mainz problematische Hauptschulklassen bestehen. Dort gibt es überall Sonderzuweisungen, kleine Gruppen, und es kann zum Teil in Gruppen unter 15 gearbeitet werden.

Herr Kollege, mit großem Bedauern stellen wir fest, dass auch damit nicht alle Probleme gelöst werden können. Was wir alle machen müssen – das müssen wir mit dem Respekt vor der Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer an diesen Schulen machen –, ist, zu versuchen, mit den Beteiligten an den einzelnen Schulen nach Analyse der dort vorliegenden Situation Problemlösungen zu erarbeiten.

Die können in der Schule, in Kooperationen mit anderen Schulen, in der Umgebung oder darin liegen, dass man für einzelne Schülerinnen und Schüler Sonder- und Problemlösungen findet. Sie liegen aber bestimmt nicht darin, dass man pauschal sagt, es werde sowieso nichts getan.

Wir haben eine Situation – das haben Ihre Fachleute, so, wie wir es uns haben berichten lassen, Ihnen auch gesagt –, in der an vielen Hauptschulen das, was die Landesregierung macht, als Hilfe und Unterstützung zu einer Zeit empfunden wird, in der nur darüber gesprochen wird, dass gesellschaftliche Probleme in den Schulen kaum mehr oder gar nicht bewältigt werden können.

(Zuruf des Abg. Dr. Rosenbauer, CDU)

Auch das, was an der Rütli-Schule gesagt worden ist – man konnte es in Filmen sehen –, war eine Zustandsbeschreibung von Gesellschaft und nicht ein Gejammere darüber, was an den Schulen zu schlecht sei. Auch dort waren längst Förderkurse angeboten worden.

(Dr. Rosenbauer, CDU: Dann haben die alle die Unwahrheit gesagt?)

Dort waren längst Teilungen von Gruppen vorgenommen. Das Heil liegt sicherlich nicht in der kleinen Gruppe, sondern in der Analyse und dem Zusammenarbeiten der jeweils aktiven Menschen an der einzelnen Schule. Darin liegt die Lösung eines Problems. Meine Damen und Herren, daran arbeiten wir.

(Beifall der SPD)

Für eine Kurzintervention hat Herr Abgeordneter Keller das Wort.

(Pörksen, SPD: Das ist alles Quatsch! Das brauchen wir nicht mehr zu hören!)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegin Ulla Brede-Hoffmann, die Analyse war eben auch richtig, nur die Schlussfolgerungen sind falsch.

Wenn die Situation so ist, wie Sie sie schildern, und man auf die Ergebnisse schaut, dass es viel zu viele Schulabbrecher trotz dieser großzügigen Hilfe der Landesregierung gibt, zu viele Schülerinnen und Schüler die Hauptschule ohne Hauptschulabschluss verlassen und viel zu viele mit schlechten Abschlüssen gehen, obwohl die Landesregierung ihrer Meinung nach alles mögliche tut – – –

Jetzt kommt die CDU und saugt sich das nicht aus den Fingern, sondern diese Meinung ist nach einer Anhörung mit den Betroffenen zustande gekommen. Ich schlage vor, führen Sie doch auch eine Anhörung mit den Betroffenen durch. Die sagen Ihnen dann konkret, was sie brauchen.

(Beifall der CDU)

Ich habe eben repräsentativ einen Schulleiter zitiert. Das sagt Ihnen jeder Schulleiter und jeder Verband. Sie tun so, als hätten Sie alles Mögliche getan und als wäre die

Hauptschule nicht leider in manchen Bereichen zu einem Brennpunkt geworden.

Uns werden Vorwürfe gemacht, wie das immer kommt, wenn man die Landesregierung kritisiert. Wir unterbreiten aber jetzt einen Vorschlag. Wir wollen weitergehen und blicken nicht zurück.

Sie gehen auf die einzelnen Punkte gar nicht ein. Wie immer sagen Sie, es sei alles paletti.

Wenn wir im Interesse der Schulart Hauptschule die Rahmenbedingungen verbessern wollen, sagen Sie, uns fehle der Respekt vor dieser Schule.

Vor wenigen Wochen, als es um die berufsbildenden Schulen ging, haben Sie das auch wieder gesagt. Wir wollen den berufsbildenden Schulen helfen, aber Sie sagen, wir hätten keinen Respekt vor den Lehrern. Sie haben keinen Respekt vor der schwierigen Aufgabe, die diese Lehrerinnen und Lehrer zu bewältigen haben,

(Beifall der CDU)

denen ich ausdrücklich danke, weil Sie die Rahmenbedingungen, die teilweise so schlecht sind, nicht verbessern und einfach wieder darüber hinweggehen, als wäre die Situation zum Teil nicht so dramatisch, wie sie ist. So viel zu dem Thema „Respekt“.

Danke schön. (Beifall der CDU)

Das Wort hat nun Herr Kollege Dr. Weiland. Sie haben eine Redezeit von sechs Minuten, da alle Fraktionen aufgrund der Redezeit von Staatsministerin Frau Ahnen eine Minute und 30 Sekunden hinzubekommen haben.

Vielen Dank! Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal freue ich mich darüber, dass alle Rednerinnen und Redner vor Verallgemeinerungen gewarnt und darauf hingewiesen haben, dass man sich die Probleme im Einzelnen anschauen müsse. Nur Staatsministerin Frau Ahnen hat auf diese Problembeschreibungen mit Statistiken geantwortet.

Das erleben wir immer wieder: Wir versuchen, Probleme zu beschreiben und zu analysieren, und die Landesregierung erklärt uns die schöne, heile Welt anhand von Statistiken. Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser Umgang mit Statistiken erinnert mich an den, der auf einer glühenden Herdplatte sitzt, seine Füße in einem Eimer mit Eiswasser hat und dann von sich behauptet, dass der Durchschnittswert stimmt. Dies nützt aber weder dem einen noch dem anderen Körperteil, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall der CDU – Ministerpräsident Beck: Das hat er auch schon im Wahlkampf erzählt!)

Der Umgang der Landesregierung mit Statistiken nützt weder der gut funktionierenden Hauptschule im ländlichen Bereich noch der Hauptschule mit großen Problemen in einem Ballungsgebiet, in einem sozialen Brennpunkt, möglicherweise mit einem hohen Migrantenanteil von 70 bis 80 %. Mit Statistiken jedenfalls lösen Sie diese Probleme nicht.

Die Hauptschule hat Probleme, das ist richtig. Aber nennen Sie mir eine Institution in unserer Gesellschaft, die keine Probleme hat.

(Ministerpräsident Beck: Das ist auch wahr!)

Insofern ist dieser Befund noch nichts Besonderes. Die Hauptschule ist jedenfalls besser als ihr Ruf, und nicht jeder mit einem schlechten Ruf kann das von sich behaupten, meine sehr geehrten Damen und Herren!