Protokoll der Sitzung vom 28.06.2007

Von Frau Ministerin von der Leyen wurde auf Bundesebene eine Initiative zur Hilfe zum Ausstieg aus der Prostitution gestartet. Wir haben uns informiert, welche Projekte andere Bundesländer für Ausstiegshilfen entwickelt haben. Wir denken, dass dies ein wichtiger Ansatz auch in Rheinland-Pfalz sein muss. Wir begrüßen daher den Antrag der SPD-Fraktion, Ausstiegshilfen für Prostituierte nun auch in Rheinland-Pfalz zu entwickeln. Wir regen an, dass die Erfahrungen anderer Bundesländer, die dieses Thema schon früher aufgegriffen haben, in ein rheinland-pfälzisches Modell einfließen.

Im Übrigen gehen wir davon aus, dass es richtig ist, dieses Modell vor der Implementierung im zuständigen Ausschuss zu besprechen.

Ich möchte ein Wort noch zu den Kosten sagen. In Ihrer Statistik ist zu lesen, dass ein Großteil der Prostituierten aus Osteuropa stammt. Versuchen Sie, Mittel aus Brüssel zu akquirieren. Im Übrigen darf dieses Programm

nicht zulasten anderer wichtiger Projekte des Haushalts für Gleichstellung und Frauenförderung gehen.

Vielleicht sollte man die Notwendigkeit des einen oder anderen Hochglanzprospektes der Landesregierung in anderen Bereichen überprüfen. Sicher könnte dort Geld gespart werden, das hier wesentlich sinnvoller eingesetzt werden könnte.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Wopperer.

Ich erteile Frau Abgeordneter Sahler-Fesel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ausstiegsberatung für Prostituierte – das ist für uns wahrlich kein neues Thema. Der Ausschuss für Gleichstellung und Frauenförderung hat sich auf Antrag der SPD-Fraktion bereits am 6. März dieses Jahres mit dem Bericht der Bundesregierung zu den Auswirkungen des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten befasst. Erklärtes Ziel dieses Gesetzes war die Beseitigung der bestehenden rechtlichen Benachteiligungen von Prostituierten.

Durch die Abschaffung der Sittenwidrigkeit sollten die rechtliche und soziale Lage von Prostituierten verbessert, der Zugang zum sozialen Sicherungssystem geschaffen, die gesundheitliche Gefährdung abgebaut und – unser Thema – der Ausstieg aus der Prostitution erleichtert werden.

Die Berichterstattung der Landesregierung im Ausschuss im März dieses Jahres machte deutlich, wie weit Anspruch und Wirklichkeit auseinander liegen. Als Beispiel möchte ich nur den Zugang zur Sozialversicherung anführen. Im Rahmen einer Befragung gaben nur ca. 87 % der Prostituierten an, in unterschiedlicher Art krankenversichert zu sein, allerdings im Allgemeinen unter Pseudonymen wie „Bardamen“ oder Ähnliches. Nur 1 % von ihnen hatte einen Arbeitsvertrag als Prostituierte abgeschlossen.

Sehr geehrte Damen und Herren, der Weg in die Prostitution kann viele Ursachen haben. Es ist heute nicht unsere Aufgabe, Ursachenforschung zu betreiben. Es gibt aber einige sehr interessante Studien, die ich nur empfehlen kann.

Die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der CDU-Fraktion vom 12. März 2007 macht deutlich, dass die Verbesserung der rechtlichen und sozialen Situation der Prostituierten nur in Teilen bzw. in Einzelfällen erreicht werden konnte. Im Bereich der Begleitkriminalität ist die erhoffte größere Transparenz des Rotlichtmilieus bisher ausgeblieben.

Der Umfang der angebotenen Prostitution, die hohe Nutznießerzahl und der auf die Bundesrepublik Deutschland geschätzte Tagesumsatz – ich muss es einfach noch einmal wiederholen, es sind 15 Millionen Euro Tagesumsatz in diesem Geschäft – haben mich persönlich sehr betroffen gemacht.

Die Reaktion gerade von Herrn Günther – er ist jetzt nicht mehr zu sehen – auf die 88 % Anteil der männlichen Bevölkerung, die als Freier auftreten, kann mich ein klein bisschen trösten. Die Studien sind nicht so ganz verlässlich, je nach Methoden und Stichprobenauswahl spricht man von 10 % bis 88 % Freier. Daher kommen wir auf den Durchschnitt von ungefähr 50 %. Aber man soll sich das noch einmal vor Augen führen, dass statistisch gesehen jeder zweite Mann die Dienste einer Prostituierten in Anspruch nimmt und bezahlt. Ich möchte das hier einfach so stehen lassen.

Meine sehr geehrten Herren und Damen, ein Ausstieg aus der Prostitution und damit der Wiedereinstieg in eine gesellschaftlich anerkannte Form der Berufsausübung ist in den meisten Fällen mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Eine unzureichende Berufsausbildung, eine lückenhafte Erwerbsbiografie sowie weitere soziale und psychische Problemkonstellationen können hier eine Rolle spielen. An dieser Stelle wollen wir Hilfe anbieten. Deshalb fordern wir die Landesregierung mit unsrem Antrag auf, eine gezielte Ausstiegsberatung für Prostituierte einzurichten.

Dabei geht es uns nicht um die Schaffung von neuen Strukturen. Wir sind sicher, dass an vorhandene Strukturen angedockt werden kann und so der Aufbau einer Selbsthilfe organisiert werden kann. Unser Ziel ist es, niemanden zu verlieren, der aus dem Milieu aussteigen will.

Meine Damen und Herren, ich komme zu den Anträgen der SPD-Fraktion und der CDU-Fraktion. Der Entschließungsantrag der CDU-Fraktion ist in den Kernaussagen bezüglich Berufsausbildung und Ausstiegsberatung mit unserem fast wortgleich. Die Forderung im Antrag, den Blick über die Landesgrenzen zu richten, sehen wir als Selbstverständlichkeit an. Das können wir nur unterstreichen. Wir wollen das Rad natürlich nicht neu erfinden. Unseres Wissens gibt es Beratungsstellen in Frankfurt, Saarbrücken, Nürnberg, Berlin, Bremen, Potsdam, Hamburg, Hannover und an drei Standorten in Nordrhein-Westfalen.

Auch die Arbeit von SOLWODI begrüßen und unterstützen wir ausdrücklich. Wir haben mit dem Arbeitskreis der SPD „Gleichstellung und Frauenförderung“ vor etwa drei Wochen in Boppard die Einrichtung besucht und uns über die erfolgreiche Arbeit berichten lassen. Wir haben uns auch über die Probleme berichten lassen, die sich bei der Finanzierung der Arbeit ergeben. Das sollte man auch nicht verschweigen.

Das von Ihnen angeführte Modellprojekt in NordrheinWestfalen „profrida“ unterstützt Prostituierte und von Gewalt bedrohte Frauen bei der Integration in den Arbeitsmarkt. Die Koordination erfolgt durch das Diakonische Werk Westfalens. Das Projekt, das bei Beginn im Januar 2006 für 50 Teilnehmerinnen angelegt wurde,

wurde wegen der großen Nachfrage auf 74 Teilnehmerinnen erweitert. Auch wenn der Abschlussbericht noch nicht vorliegt, kann jetzt schon gesagt werden, dass im Zeitraum dieses Projektes acht Frauen den Weg in die Arbeit oder in die Selbstständigkeit geschafft haben und zwei Frauen in ein Ausbildungsverhältnis vermittelt werden konnten.

(Beifall bei der SPD)

Nach Abschluss des Projektes im August diesen Jahres wird „profrida“ die Anforderungen an berufsunterstützende Maßnahmen für den betroffenen Personenkreis systematisch erfassen und aufarbeiten. Diese Erfahrungen werden wir sicherlich auch in Rheinland-Pfalz nutzen können.

Da wir uns auf Überweisung der Anträge an den Ausschuss geeinigt haben, steht einer intensiven Beratung mit einem einvernehmlichen Ergebnis unseres Erachtens nichts im Weg. Ich würde mich freuen, wenn wir im Ausschuss, wie eben schon einmal bei dem Kindeswohl praktiziert, zu einem gemeinsamen Antrag kommen könnten. Ich bin mir sicher, dass wir das hinbekommen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der SPD)

Vielen Dank.

Herr Kollege Dr. Schmitz hat das Wort.

Frau Präsidentin, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Große Anfrage der CDU vom 12. März 2007 wirft viel Licht auf einen Bereich, der einerseits auf großes Interesse trifft, andererseits sich einer transparenten Aufklärung weitgehend entzieht. Das gilt besonders für den legalen Teil der Prostitution, über den wir zu sprechen haben.

In der Herangehensweise empfiehlt es sich, diese beiden Bereiche, legale Prostitution und Prostitution in der Illegalität, sehr scharf zu trennen, weil die Anforderungen an die Politik in beiden Bereichen sehr unterschiedlich sind.

Meine Damen und Herren, von der Datenlage her haben wir vergleichsweise wenig klare Vorstellungen von der legalen Prostitution. Die im Raum stehenden Prozentwerte zwischen 10 % und 88 % des Nutzerverhaltens darf man, glaube ich, nicht so einfach auf die Mittellage zusammenfassen. Diese Zahlen zeigen, wie unterschiedlich daran herangegangen wird und wie von daher gesehen die Ergebnisse unterschiedlich sind.

Ich glaube, wir alle haben nicht die Vorstellung, dass das Prostituiertengesetz etwas ist, was man im Nachhinein in Frage stellen sollte. Das freut mich auch. Wenn das, was durch das Prostituiertengesetz herbeigeführt wer

den sollte, nämlich eine verbesserte rechtliche und soziale Stellung der Betroffenen, nicht in dem Maße erreicht wurde, dann liegt das in erster Linie nicht an dem Gesetz, sondern an dem Milieu, dass sich traditionell etwas staatsfern organisiert hat und den Zugang zu solchen Hilfsangeboten nicht unbedingt mit Begeisterung aufgreift. Es ist eine andere Frage, dass das nicht im Sinne des Gesetzgebers ist.

Meine Damen und Herren, wir müssen deshalb in diesem Bereich aufklären. Es gilt, darüber aufzuklären, welche rechtlichen und sozialversicherungstechnischen Möglichkeiten bestehen. Ich finde es gut, dass ein Bereich, der früher in der moralischen Schmuddelecke war, aus dieser Ecke insbesondere im Sinne der betroffenen Prostituierten herausgebracht wurde; denn mit langen Fingern immer nur auf Prostituierte zu zeigen und die entsprechenden Kunden bzw. Freier außen vor zu lassen, war ein Teil gesellschaftlicher Doppelzüngigkeit, die man dauerhaft nicht hinnehmen konnte.

(Beifall der FDP)

Eine ganz andere Situation stellt sich im Bereich der illegalen Prostitution. Aufgrund staatsanwaltschaftlicher und polizeilicher Ermittlung wissen wir in diesem Bereich sehr viel mehr. Dazu gehört auch die internationale Datenlage. Das, was vor allem aus Osteuropa, Westafrika und auch Südamerika als minderjährige Zwangsprostituierte in Deutschland diesem Beruf nachgeht, sind Menschen an der Elendsgrenze, deren Ausbeutung nur schwer zu beschreiben ist, weil die Chancenlosigkeit zu Hause dazu führte, dass sie hier in einem kriminellen Milieu einer Tätigkeit nachgehen müssen, die sie nicht freiwillig ausüben.

Dass sie keine Chance haben, diesem Milieu zu entkommen, liegt an der Konstruktion dieses kriminellen Umfelds. Sie haben keinen Personalausweis. Sie müssen damit rechnen, mit brutaler Gewalt behandelt zu werden. Sie sehen auch aufgrund sprachlicher Probleme überhaupt keine Chance zum Ausstieg. Sie fühlen sich komplett in den Händen ihrer Zuhälter und der mafiösen Strukturen, in deren Gewalt sie sich befinden. In dem Bereich gilt es, Beratungsangebote zu machen.

Frau Sahler-Fesel, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie darauf hingewiesen haben, dass es kein staatliches Amt für Ausstiegsberatung sein kann. Wir sind uns alle einig, es muss sehr niederschwellig angesiedelt sein. Das muss vom Know-how jemand machen, der sich in diesem Milieu zurechtfindet und der das Vertrauen derer genießt, die er ansprechen soll. Er benötigt die sprachliche Kompetenz, um das hinzubekommen. Wenn wir in dem Zusammenhang die segensreiche Tätigkeit – das ist ein großes Wort, ich nehme es bewusst in den Mund – von SOLWODI herausstellen, dann unterstützen auch wir von der FDP dies. Wir sind offen für die weitere Diskussion im Ausschuss. Auf die Diskussion freuen wir uns. Nicole Morsblech wird diese Diskussion für uns führen und begleiten, glaube ich.

Danke sehr.

(Beifall der FDP)

Vielen Dank.

Für die Landesregierung spricht Frau Staatsministerin Dreyer.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Herren und Damen! Man kann eigentlich sagen, es ist alles gesagt worden. Es war sehr wichtig, dass das Prostitutionsgesetz noch einmal betont wurde. Das Gesetz hatte die Funktion, die rechtliche und soziale Lage der Prostituierten zu verbessern. Es ist 2002 in Kraft getreten. Man kann natürlich nicht sagen, dass dieses Gesetz nicht seine Wirkung entfaltet hat. Nicht das Gesetz ist kritikwürdig, sondern dass wir nach wie vor die Situation haben, dass viele Prostituierte gar keinen Zugang zu diesen rechtlichen Möglichkeiten haben. Das hat Herr Abgeordneter Dr. Schmitz treffend dargelegt. Sie haben aufgrund mangelnder Information auf der einen Seite keinen Zugang zu den rechtlichen Situationen, was eindeutig mit dem Milieu zu tun hat, andererseits haben Sie gar nicht das Gefühl, dass Sie den Weg heraus packen können.

Wir wissen trotzdem, dass viele Menschen bzw. viele Frauen in die Prostitution gelangen, weil sie glauben, ihren Lebensunterhalt gut bestreiten zu können.

Sie merken aber, dass es gar nicht geht, und trotzdem verharren Sie in dieser Situation. Das heißt, natürlich brauchen diese Frauen Unterstützung. Sie brauchen auch entsprechende Begleitung; denn der Weg aus der Prostitution in ein „ganz normales Leben“ ist ein sehr schwieriger Schritt.

Das Prostitutionsgesetz – so habe ich es auch vernommen – wird zwar immer wieder erwähnt, aber nicht wirklich kritisiert. Insofern bin ich sehr froh, das hier festhalten zu können, weil ich glaube, dass das Prostitutionsgesetz ein wichtiges Gesetz war, und die „Schmuddelecke“, die Herr Abgeordneter Dr. Schmitz genannt hat, ist auch der richtige Begriff dafür. Man wollte klarmachen, dass es nicht um eine Sittenwidrigkeit geht. Man wollte Prostituierten die soziale und rechtliche Situation absichern. Das ist natürlich der richtige Weg gewesen.

Ich möchte dazu noch zwei Sachen sagen. Es gab viele Befürchtungen zum Prostitutionsgesetz, zum Beispiel, dass es dazu führen könnte, weil es dann letztendlich kein illegaler Beruf mehr ist, sondern ein anerkannter Beruf ist, dass zum Beispiel im Rahmen der Arbeitsvermittlung solche Absurditäten entstehen könnten – das ist auch in unserem Ausschuss noch einmal seitens der CDU gefragt worden –, dass in den Beruf der Prostitution vermittelt wird. Das ist natürlich absurd. Das hat sich auch nicht bestätigt. Es gibt keinerlei Hinweise dazu, dass so etwas gemacht wird.

Der zweite wichtige Punkt ist, dass man sagt, durch das Prostitutionsgesetz wäre die Zwangsprostitution angestiegen. Auch dafür gibt es überhaupt keine Indizien. Es

gibt keine Hinweise dazu, auch nicht von den Strafverfolgungsbehörden, dass sich im Zusammenhang mit dem Prostitutionsgesetz irgendetwas negativ in diesem Sinne verändert hätte.