Protokoll der Sitzung vom 28.06.2007

Dann kommen wir zu den nächsten Fakten.

Herr Ministerpräsident, wir haben auch Probleme, diese Überschüsse der privaten Pflegeversicherung in das System der gesetzlichen hineinzubringen. Sie reden sehr viel von Solidarität, und das verfängt natürlich auch gerne; denn wir wollen uns alle nicht einer unsolidarischen Verhaltensweise zeihen. Wir wollen natürlich auch solidarisch sein. Wer aber solidarisch sein will, muss es in jedem Fall sein wollen, wenn es in die eine oder andere Richtung geht.

(Zuruf des Abg. Licht, CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, ich habe große Zweifel, dass Ihre Solidarität dann auch Bestand hätte. Würde nämlich, um das Gedankenspielchen ein

mal durchzuspielen, tatsächlich die gesetzliche Pflegeversicherung eine bessere Struktur haben, sodass dort Überschüsse entstanden wären – – – Ich denke mir die private Pflegeversicherung 20 Jahre weiter, und alle Beamten, die jetzt ins Rentenalter kommen, sind dann in einem pflegebedürftigen Alter und bei der privaten Pflegeversicherung. Dort gäbe es dann die Defizite. Dann möchte ich wissen, ob Sie auch sagen würden, hier muss ganz solidarisch der Überschuss aus der gesetzlichen Pflegeversicherung selbstverständlich zur Abdeckung dieses Defizits in die private Pflegeversicherung geschickt werden.

(Ministerpräsident Beck: Ja, natürlich!)

Das glaube ich Ihnen nicht. Sie würden selbstverständlich sagen, das ist eine private Pflegeversicherung, natürlich müssen dann die privaten Beiträge erhöht werden. Genauso einseitig wäre Ihre Solidarität.

(Beifall der CDU)

Deshalb bauen Sie hier einen Mumpitz, eine Begründung auf, an der Sie sich festklammern und mit der Sie uns unsolidarisches Verhalten vorwerfen lassen. Das lassen wir an dieser Stelle nicht zu. Das ist der Knackpunkt, über den wir im Prinzip streiten.

(Zuruf der Abg. Frau Mohr, SPD)

Ansonsten sind wir bei vielen Dingen wirklich auf einem gemeinsamen Weg, auch in der Großen Koalition. Ich bin froh, dass diese Reform so zustande gekommen ist.

(Hartloff, SPD: Das hörte sich bei Herrn Kollegen Rüddel nicht so an!)

Sie hätte weitergehen können. Ich hätte mich sehr über die Riester-Pflegerente gefreut. Ich hätte sie für eine sinnvolle Ergänzung des Systems gehalten. Ich hoffe deshalb, dass dieser Knackpunkt dieser einseitigen Solidarität vielleicht noch irgendwann gelöst werden kann. Dann hätten wir die Chance, eine richtige Reform zu machen, die auch zukunftssicher ist. Ich denke, das hätten die Menschen verdient.

(Beifall der CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dröscher das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Thelen, Sie machen es mir relativ leicht, auf die Frage nach der solidarischen Versicherung zu antworten. Natürlich gehen wir davon aus, dass es so und so herum funktioniert, wenn es Solidarität bedeutet. Wir wollen die Einbindung aller in ein solidarisches System. Ich will den Begriff Bürgerversicherung nicht näher erläutern, aber das, was der Ministerpräsident mit dem Hintergrund gesagt hat, dass eine Kapitalunterstützung aufgebaut

werden soll, wird in den Vereinbarungen vom 19. Juni sehr deutlich. Demnach dürfen auch die gesetzlichen Versicherungen private Pflegezusatzversicherungen vermitteln. Das wird in die Richtung einer Riester-Rente gehen. Selbst der Arbeitgeberpräsident Hundt hat vor kurzem gesagt, eine auf reiner Kapitalabdeckung basierende Sozialversicherung hat noch nie funktioniert. Dafür gibt es ausreichend Beispiele.

500 Millionen Euro Defizit – das wissen wir seit Jahren. Die Entwicklung war am Anfang folgendermaßen: Nachdem die stationären Einrichtungen erst ein Jahr später einbezogen wurden, die Beiträge aber schon kassiert worden waren, gab es zunächst einen großen Überhang. Seit langem war klar, dass sich dies verändern würde und es in ein Defizit hineinläuft. Die Ministerin hat vorhin gesagt, bis wann der jetzt ausgehandelte Kompromiss wohl tragfähig ist. Es wurden die Jahre 2014 und 2015 genannt. Ich glaube, man muss ganz nüchtern damit umgehen. Dass eine Reform notwendig war, darüber herrscht nun wirklich Konsens.

Ich will auf einige der Dinge eingehen, die belegen, was ich vorhin schon sagte. Es ist eine Öffnung zu einer Entwicklung, die noch nicht zu Ende ist, sondern noch weiterhin dynamisch geschehen wird. Wir haben in dieser Vereinbarung die Stärkung der ambulanten Versorgung, indem wir integrierte, wohnortnahe Versorgung vorsehen. Die Pflegestützpunkte wurden erwähnt. Die Basis in Rheinland-Pfalz ist hervorragend. Diese wurde übrigens in einer Zeit, bevor wir regiert haben, begonnen.

Was mir besonders wichtig erscheint, ist das FallManagement. Noch deutlicher als bisher sollen die Versorgungsmöglichkeiten angepasst werden. Jeder soll das bekommen, was er benötigt. Weiterhin geht es um die betreuten Wohnformen: neue Wohneinrichtungen und Wohngemeinschaften. Das ist eine ganz wichtige Sache. Aus der Praxis kommt die Möglichkeit, leichtere und bessere Verträge mit Einzelpflegekräften abzuschließen, was bisher sehr schwierig war.

Eine weitere wichtige Sache, die uns auch noch beschäftigen wird, sind die Maßnahmen zum Abbau von Schwarzarbeit in der Pflege. Ich will nun nicht auf die Ausgestaltung der finanziellen Leistungen eingehen. Hier will ich nur sagen, ganz besonders wichtig ist die Ausweitung für die demenziell Erkrankten und ihre Familien sowie die Einbeziehung der Pflegestufe 0. Das andere sind schrittweise Erhöhungen, die 2015 in eine Dynamisierung münden sollen, die immer wieder gefordert wurde. Die Dynamisierung ist ein ganz wichtiger Schritt.

Die Einführung der Pflegezeit für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist ebenfalls ein wichtiger Punkt. Hier haben wir noch das Problem mit den Kleinbetrieben. Ich bin aber sicher, dass auch dieses Problem gelöst werden kann.

Nicht so deutlich im Vordergrund, aber ganz wichtig für eine Zukunftsentwicklung sind die bessere Ausgestaltung von Prävention und Reha in der Pflege sowie der Ausbau der Qualitätssicherung. Besonders wichtig ist die Unterstützung generationsübergreifenden, bürger

schaftlichen Engagements. Die kleinen sozialen Netze werden in Zukunft die professionellen Dienste erheblich mehr ergänzen müssen. Was wir vor zwei Jahren mit dem Gesetz über die ambulanten Dienste getan haben, ist ein erster Schritt in diese Richtung gewesen. Hier haben wir ganz besonders betont, dass das bürgerschaftliche Engagement in diesem Bereich gefördert wird.

Für mich selbst als jemand, der aus der Praxis kommt, ist die Schnittstellenproblematik zumindest ansatzweise gelöst. Die Kooperation wird gefördert, das Versorgungsmanagement soll nahtlosere Übergänge gehen. Damit soll die Trennung zwischen einzelnen Bereichen überwunden werden, wie ich es vorhin schon erwähnte.

Meine Damen und Herren, ich bin sicher, dass sich hier ausreichend Möglichkeiten bieten, die wir nutzen und in weiteren Schritten auch umsetzen müssen. Sie zeigen, dass der Pflegekompromiss, zumindest was die Inhalte angeht, eine hervorragende Basis ist. Wir sind uns alle einig, dass die Pflegeversicherung vor zwölf Jahren ein Schritt in die richtige Richtung war. Damals hat man in vollem Bewusstsein auf das eine oder andere verzichtet, da man sie umsetzen wollte. Diese Pflegeversicherung ist nicht mehr wegzudenken. Die Weiterentwicklung geht in die richtige Richtung. Die politische Auseinandersetzung wird natürlich über die Art der Finanzierung laufen. Wir haben deutlich gespürt, dass es in diesem Haus dazu unterschiedliche Meinungen gibt. –

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der SPD)

Ich begrüße auf der Zuschauertribüne Seniorinnen und Senioren aus Frankenthal im rheinland-pfälzischen Landtag. Herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schmitz von der FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die dritte Runde in solchen Diskussionen ist immer die Runde der großen Konsens-Suche. Das finde ich menschlich an sich sehr angenehm. Dafür, dass ich mich als jemand, der für die FDP spricht, die an diesem Kompromiss nicht beteiligt war, an dieser Konsensrunde nicht beteiligen möchte, bitte ich um Verständnis.

Herr Ministerpräsident, ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, dass Sie sich dermaßen aufregen. Die Gefechtslage ist doch klar. Ich danke Frau Thelen, dass sie es noch einmal herausgearbeitet hat. Wir sind in ganz vielen Dingen einer Meinung. Wir sehen das Problem der Alterspflege und der demografischen Entwicklung. Wir sehen das Problem der Finanzierung. Sie haben im Koalitionsvertrag einen Lösungsweg als Kom

promiss beschrieben. Diesen Lösungsweg konnten Sie nicht gehen. Die CDU sagt, es liegt an der SPD, die SPD hingegen sagt, es liegt an der CDU. Das ist der Stand der Dinge. Jetzt kommen Ihre Erfahrungen aus der Gesundheitsreform ins Spiel, bei der Sie neben einer Reform, die ich jetzt nicht bewerten möchte, weil das andere schon ausreichend getan haben, auch die politische Kommunikation als Problem erkannt haben. Deshalb sagen Sie und auch andere Redner der SPD einschließlich der Ministerin, dies sei eine großartige Reform.

(Ministerpräsident Beck: Das ist sie auch!)

Das sei die beste Reform der letzten zehn Jahre. Sie sei sensationell. Sie bauen einen Popanz auf, den man wirklich nicht nachvollziehen kann, und unterstellen, andere wollten die Pflegeproblematik nicht nachhaltig lösen, sie wollten das Problem nicht solidarisch und sozial lösen. Sie behaupten, eine Kapitaldeckung, auf die Sie sich als Teildeckung in der Koalitionsvereinbarung durchaus verständigt haben, sei unsolidarisch. Die Frage, woher das Geld kommt, hat aber mit dem Versicherungsgedanken überhaupt nichts zu tun.

(Beifall der FDP – Zuruf des Ministerpräsidenten Beck)

Wenn Sie es nicht besser wüssten, könnten Sie formulieren, dass CDU und FDP mit ihren Vorschlägen unsozial seien, weil auch Menschen, die das Geld nicht haben, diese Kapitaldeckung mit ihren Beiträgen zahlen müssen. Aber Sie wissen so gut wie wir alle, dass es keine Partei gibt, die nicht nach unten einen Sozialpuffer in dieses Beitragssystem einbaut. Die Sozialkomponente wird also von allen betont, genauso wie die Nachhaltigkeitskomponente. Ich habe versucht herauszuarbeiten, dass diese Reform nicht nachhaltig ist. Sie wird es auch mit allen Jubel-Arien nicht werden.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP)

Es ist ein Betrug an den jungen Leuten und an den Menschen im mittleren Alter. Sie versuchen, mit Dingen zu kaschieren, die auch wir durchaus als positiv bewerten. Das führt aber an der Sache vorbei. Die Bevölkerung und die Journalisten werden es erkennen. Insofern bin ich dankbar für die Klarstellung hinsichtlich des Zugriffs auf das Geld anderer Leute. Mir wurde von jemandem aus der SPD, dessen Namen ich nicht nennen will, der jedoch kenntnisreich ist und den man als durchaus wahrnehmbaren Vertreter der Sozialdemokratischen Partei bezeichnen kann, gesagt, es handele sich um Geld aus Finanzakrobatik und unseriöser Übertragung von der PKV in die GKV.

1999 wurde die Tür für dieses Wechseln von der PKV in die GKV ja zugemacht. Es sei sozusagen schmutziges Geld, das auch noch über Spekulationen gemehrt sei. Es sei also selbstverständlich, dass dieses Geld nun solidarisch eingesetzt werden müsse. Ich habe dann eine Frage gestellt, die auch Frau Thelen gestellt hat. Ich fragte, ob das umgekehrt auch der Fall sei. Diese Frage wurde verneint. Deshalb habe ich nachgefragt. Sie hatten Gelegenheit, dies klarzustellen. Dafür bin ich dankbar. Es bleibt ein Dissens bei der Frage der Bürger

versicherung. Nur diese wurde von den Rednern als marode bezeichnet. Auch diesen Popanz haben Sie aufgebaut.

(Ministerpräsident Beck: Nein! – Abg. Pörksen, SPD: Nein!)

Wir haben alle von einer defizitären Pflegeversicherung gesprochen, und das zu Recht. Dann spreche ich nicht für Herrn Rüddel, sondern ich spreche für mich.

(Ministerpräsident Beck: Er hat das gesagt! Auf ihn habe ich das bezogen!)

Okay, ich kann jetzt kein Wortprotokoll vorlegen.

Für meinen Teil möchte ich deutlich machen, marode ist für uns der Finanzierungsvorschlag Bürgerversicherung. Die Pflegeversicherung ist defizitär und nicht nachhaltig. Eine Pflegeversicherung, wie wir sie anstreben, muss diese Kriterien erfüllen.

(Beifall der FDP)

Sie muss solidarisch sein, sie muss sozial sein, und sie muss nachhaltig sein.