Protokoll der Sitzung vom 12.11.2008

Wir werden deshalb die Mindestwahlbeteiligung streichen, weil wir der Auffassung sind, dass dieses Quorum allein nicht rechtfertigt, darüber zu entscheiden, ob es einen Beirat gibt oder nicht. Die Voraussetzung, die daran geknüpft ist, ist die Frage, ob es genügend Bewerber gibt, die aktiv mitmachen wollen. Die Schlussfolgerung, nämlich festzustellen, ob es bei genügend Bewerbern auch genügend Menschen gibt, die sich aktiv um die Integration bemühen wollen, müsste tragen. Wir können schon in Nordrhein-Westfalen beobachten, dass es tatsächlich ein guter Weg ist.

Wir verhindern allerdings dann unnötige Wahlen, wenn es nicht genügend Bewerber gibt, und geben gleichwohl den Kommunen den Raum, trotzdem über ihre eigene Gestaltungskraft über Satzungen entsprechende Beiräte einzurichten, die dann in gleicher Weise tätig werden können.

(Beifall des Abg. Dr. Schmitz, FDP)

Danke schön, Herr Kollege Dr. Schmitz.

Wir sind der Überzeugung, dass uns die verbesserten Bestimmungen und Grundlagen gemeinsam helfen werden, die Integration in unserer Gesellschaft für viele Menschen zu verbessern. Wir sind der festen Überzeugung, dass auch unsere kommunalen Kolleginnen und Kollegen dies entsprechend aktiv vor Ort unterstützen werden. Wir hoffen, dass wir in ein paar Jahren von einer Erfolgsstory dieser Gesetzesänderung sprechen können.

Zu den weiteren Änderungen wird Herr Kollege Hörter Stellung nehmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall der CDU)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Peter Schmitz.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch die FDP spricht sich für die Einrichtung von kommunalen Beiräten für Migration und Integration aus. Wir freuen uns über diese gesetzgeberische Maßnahme, weil sie ähnlich wie andere Dinge, beispielsweise die Einrichtung der schon erwähnten Enquete-Kommission, Ausdruck einer neuen Wahrnehmung ist.

Nicht alle Anwesenden, aber die politische Kaste als solche – ich will keine Schuldzuweisungen in einzelne Richtungen machen – muss sich vorwerfen lassen, ein sehr wichtiges Thema über viele Jahre in nicht ausreichendem Maß wahrgenommen zu haben und sich jetzt vergleichsweise spät einem Problem zu widmen, das uns in Zukunft beschäftigen wird und unverzichtbar ist, nämlich die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund.

Diese Menschen mit Migrationshintergrund stellen – der Name bringt es zum Ausdruck; das ist anders als das, was früher im Terminus „Ausländerbeiräte“ zum Ausdruck kam – eine sehr viel größere Bevölkerungsgruppe dar – die Zahl wurde genannt –, nämlich ca. 700.000 Mitbürgerinnen und Mitbürger in Rheinland-Pfalz.

Wir sind, genauso wie es meine Vorredner zum Ausdruck gebracht haben, für die Ausdehnung des aktiven und passiven Wahlrechts. Wir sind für die Ausdehnung auch auf die Bevölkerungsgruppe der so genannten Spätaussiedler und den Wegfall des 10 %-Quorums – Frau Kollegin Thelen, deshalb habe ich auch als einsamer Klatscher in der liberalen Wüste applaudiert –, weil eine unsinnige Verwaltungsvorschrift und Wahlvorschrift wegfiel, die Ausländerbeiratswahlen auch dann notwendig machte, wenn mit einer ausreichenden Beteiligung überhaupt nicht zu rechnen war. Die neuen Regelungen sind dieser Altregelung bei Weitem überlegen.

Meine Damen und Herren, ich freue mich auch, dass wir mit dem Begriff „Beiräte für Migration und Integration“ diese größere Bevölkerungsgruppe ins Augenmerk der Politik nehmen und damit die Differenzierung in dieser Gruppe zum Ausdruck bringen. Es ist auch meine Hoffnung, dass wir trotz dieser großen Bevölkerungsgruppe zukünftig genau hinschauen werden, weil hinsichtlich des Zeitpunkts der Zuwanderung, der Frage Zuwanderer der ersten, zweiten oder dritten Generation, der unterschiedlichen Nationalitäten, der unterschiedlichen Religionszugehörigkeiten und des unterschiedlichen Kulturkreise große Unterschiede bestehen.

Es ist ein großer Unterschied, ob man sich mit der Frage beschäftigt, wie man mit jungen Mädchen und Jungen italienischer Einwanderer aus den fünfziger Jahren, die jetzt in der dritten Generation sind, oder mit Gleichaltrigen umgeht, die noch erhebliche Sprachdefizite haben und denen unsere Kultur – das gilt auch für deren Eltern – leider Gottes noch sehr fremd geblieben ist. Wie schaffe ich es, die Unterschiede in diesen Gruppen vorzunehmen? Deshalb freue ich mich auch über die Enquete-Kommission.

Jetzt komme ich zu den Dingen, die nicht kritisch zu bewerten sind – wir werden diesem Gesetz mit Überzeugung zustimmen –, sie sind aber als Fragen zu bewerten, die uns genauso ernst sind wie der seriöse und wichtige Hintergrund des Gesetzes.

Herr Kollege Hüttner, Sie haben es zwei- oder dreimal in Ihrer Rede zum Ausdruck gebracht. Sie sagen: Wir sind überzeugt, dass … – Für uns Liberale möchte ich das anders formulieren, und zwar: Wir hoffen sehr, dass … – Das ist trotz der guten Nachrichten aus NordrheinWestfalen ein substanzieller Unterschied,

(Beifall der FDP)

beispielsweise bei der Frage der fehlenden Schulqualifikationen. Dieter Klöckner kennt diese Befürchtung, die ich schon im Ausschuss zum Ausdruck gebracht habe. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht dem Versuch unterliegen, Probleme statt zu lösen schönzureden.

Wir hatten eine Quote von ca. 17 % von jungen Menschen ohne Schulabschluss bei der Gruppe der Ausländer. Das ist bedrohlich und zeigt, dass wir sehr viel mehr tun müssen, als in der Vergangenheit getan wurde, ich glaube, auch noch mehr als das, was wir zurzeit tun.

Im Ausschuss hat uns das Bildungsministerium darüber informiert, dass die Gruppe mit Migrationshintergrund, die über keinen Schulabschluss verfügt, bei – ich glaube – 12,8 % liegt. Ich habe das mit dem Begriff „Wunderheilung“ kommentiert. Ich hoffe, dass das nicht so intendiert war. Man muss aber die Unterschiede sehen, und zwar Ausländerhintergrund und Migrationshintergrund.

Frau Ministerin, Sie nicken. Das freut mich. Die Vergleichsgruppe, die hinzugezogen wurde, war die Gruppe aller Jugendlichen. Das ist nicht die richtige Vergleichsgruppe. Wir müssen ausländische mit deutschen Jugendlichen vergleichen. Wir müssen als Hilfsgröße Jugendliche mit Migrationshintergrund hinzuziehen. Wir

müssen auch – deshalb ist die Differenzierung so wichtig – die Unterschiede machen, die ich eben schon in einer Art Differenzierungskataster beschrieben habe.

Natürlich macht es einen riesigen Unterschied, ob man eine Gruppe von Kindern und Jugendlichen mit einem Bildungshintergrund oder mit einem sozialen Hintergrund, der dem der deutschen Vergleichsgruppe entspricht, oder Kinder aus bildungsfernen Familien miteinander vergleicht. Man muss sehr genau hinschauen, sonst zieht man die falschen Schlüsse. Das wäre bei der Bedeutung des Themas schade und für die zukünftige Entwicklung der Betroffenen und aller anderen in unserem Land gefährlich.

Meine Damen und Herren, obwohl ich sage, dass ich es richtig finde, dass das Quorum weggefallen ist, lassen Sie mich auch etwas zur Frage der demokratischen Legitimation sagen. Das Quorum ist weg. Das ist gut so. Ob aber nachher Kommunalbeiratswahlen für Migration und Integration stattfinden, die beispielsweise eine demokratische Legitimation von 2,5 %, 2,6 % oder 2,7 % haben und sich der Wahlaufwand dafür lohnt, weil sowieso in vielen Gemeinden Beiräte eingesetzt werden, werden wir uns irgendwann fragen müssen.

(Zuruf des Abg. Harald Schweitzer, SPD)

Das eine hat mit dem anderen vergleichsweise wenig zu tun. Das ist wieder die Frage der Binnendifferenzierung, der Ausländer und Migrantengruppen offensichtlich nicht angehören. Davon sollten wir derzeit ausgehen. Von daher verstehe ich diesen Hinweis nicht ganz.

Unser Vorschlag lautet ganz einfach: Wir sollten in zwei Jahren schauen, ob das, was wir uns alle versprechen und erhoffen, tatsächlich eingetreten ist. Dazu sollten wir nicht die Vertreter dieser Gruppen – gewählt oder eingesetzt – befragen, sondern die Bevölkerungsgruppe selbst, und zwar statistisch sauber mit einem Frageprofil, das keine Antworten vorwegnimmt. Dann wissen wir wirklich, ob nicht nur die Erfahrungen in NordrheinWestfalen gut sind, sondern auch unsere eigenen Erfahrungen.

Meine Damen und Herren, es gibt weitere Fragen, die sich stellen, Thema „Stichtagregelung“. Ich möchte nicht darauf herumreiten, aber es gab im Ausschuss den Hinweis von Prof. Pietsch, der sagte, die Gruppe der nach dem Zweiten Weltkrieg Heimatvertriebenen hat für diese klare Stichtagregelung vergleichsweise wenig Verständnis. Ich verstehe diese Haltung.

Ich sehe auch ein, dass man eine klare Regelung braucht. Aber man wird mir irgendwann erklären müssen, warum jetzt Menschen, die 16 Jahre bei uns sind, zur Gruppe derer mit aktivem und passivem Wahlrecht zählen, aber Menschen, die 17 oder 18 Jahre bei uns sind, nicht dazu zählen. Wie verhält sich das denn in fünf Jahren? In fünf Jahren haben wir ganz andere Grundbedingungen. Wir müssten, wenn wir es konsequent handhaben wollen, quasi ein fortlaufendes Verfallsdatum organisieren. Das ist nicht zielführend, das ist mir bewusst. Aber ich darf die Frage in den Raum stellen.

Meine Damen und Herren, ein kleines Schmankerl zum Schluss: Besonders gut gefallen hat mir die Einlassung von Herrn Schott von der Evangelischen Kirche der Pfalz, der sagte: Wenn wir die Aufgaben dieses Beirates ernst nehmen würden, dann dürften wir ihn nicht kommunalen Beirat für Migration und Integration nennen, sondern dann müssten wir ihn kommunalen Beirat zur Integration von Migranten nennen. An sich hat er recht.

Ich danke Ihnen.

(Beifall der FDP)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, zunächst begrüße ich Mitglieder der Ausländerbeiräte in Rheinland-Pfalz. Ich begrüße den 1. Stellvertretenden Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte RheinlandPfalz, Herrn Musa Koc, und den Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte RheinlandPfalz, Herrn Miguel Vicente, sowie weitere Mitglieder von Ausländerbeiräten in Rheinland-Pfalz. Herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Hörter das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben uns das Thema etwas aufgeteilt, weil wir noch einen zweiten Punkt kurz ansprechen wollten. Herr Kollege Schmitz, ich teile die Einschätzung dessen, was vom Vertreter der Evangelischen Landeskirche gesagt wurde, dass dieser Beirat in der Tat anders heißen müsste. Aber nichtsdestotrotz, im Zusammenhang mit diesem Landesgesetzt über die Einrichtung von kommunalen Beiräten für Migration und Integration steht auch das Kommunalwahlgesetz an, zuletzt geändert am 28. Mai dieses Jahres.

Es gibt drei Punkte dazu, einmal zwei Regelungen in § 31 und § 39. Sie betreffen das Ersetzen eines Wortes, aus „Wahlumschlag“ wird nun „Stimmzettelumschlag“. In § 38 wird zusätzlich eine Heilungsmöglichkeit für nicht ausgeschöpfte Stimmen eingeführt. Ich möchte auch dazu nichts mehr sagen.

Der aber nach meinem Dafürhalten wesentliche Punkt ist eine Anpassung an das Bundeswahlgesetz und die Bundes- und Europawahlordnung in einer uns in diesem Raum schon beschäftigenden Frage, nämlich die Frage nach den Briefwahlen.

(Beifall des Abg. Dr. Rosenbauer, CDU)

In diesem Zusammenhang bin ich dann sehr dankbar – es scheint sich doch ein bisschen etwas zu bewegen –, dass nun einer Intention unser Fraktion wenigstens ein Stück Rechnung getragen wird, dass nämlich nunmehr zumindest die Angabe und die Glaubhaftmachung von Gründen, warum man einen Wahlschein

beantragt, warum man also die Möglichkeit der Briefwahl nutzen möchte, nunmehr wegfallen.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben uns genau mit dieser Frage hier in diesem Haus öfter beschäftigt, nicht zuletzt, weil wir der Überzeugung sind, dass es nicht richtig sein kann, dass man bei dem doch großen Umfang, den gerade der Kommunalwahlstimmzettel hat, den Wähler, der eigentlich willens ist zu wählen, nun in gewisser Weise zu nicht wahrheitsgemäßen Angaben verleiten muss, damit er die Briefwahlunterlagen nach Hause bekommt, um so in Ruhe seine Wahl vorzunehmen.

Ich bin froh, dass sich in der SPD in diese Richtung langsam die Einsicht durchsetzt. Als Herr Kollege Lewentz noch Mitglied des Parlaments war, hat er gemeint, es würde noch etwa zehn Anläufe bedürfen. Wir sind jetzt am Platz vier. Aber ich habe den Eindruck, wir schaffen es unterhalb dieser zehn Anläufe.

Herzlichen Dank.

(Beifall der CDU – Harald Schweitzer, SPD: Da bin ich mir nicht so sicher!)

Ich erteile Frau Staatsministerin Dreyer das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Herren, meine sehr geehrten Damen! Ich möchte mich den Reden der Herren Kollegen und Kolleginnen anschließen – ich spreche jetzt für den Beirat für Migration und Integration, Herr Hörter –

(Hörter, CDU: Ist schon klar! – Pörksen, SPD: Das andere ist auch unzutreffend!)

dass wir mit der Verabschiedung dieses Gesetzes einen sehr wichtigen Schritt nach vorne gehen in der Frage der Partizipation von Migranten und Migrantinnen oder Menschen mit Migrationshintergrund.