Protokoll der Sitzung vom 11.12.2008

Wenn der Eindruck des Durchpeitschens entstanden sein sollte, dann ist daran die Landesregierung nicht unschuldig. Wer mit großflächigen Plakatkampagnen so tut, als sei ein Gesetz schon beschlossen, das in diesem Hohen Hause noch nicht zur abschließenden Beratung angestanden hat, der erzeugt unbilligen Druck auf die parlamentarische Beratung, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall der CDU und bei der FDP)

Wenn man dieses Geld, das diese großflächige Plakatkampagne gekostet hat, in die Lernmittelfreiheit gesteckt hätte, dann wäre Ihr Argument von der Nichtbezahlbarkeit schon zum großen Teil entkräftet, verehrte Frau Kollegin.

(Beifall der CDU – Zurufe von der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Frau Kollegin Brede-Hoffmann hat eben den Versuch unternommen, nach Ursachen zu suchen, die den Gesetzentwurf, den wir heute beraten, notwendig gemacht hätten. Den entscheidenden Grund hat Frau Kollegin Brede-Hoffmann nicht genannt. Der entscheidende Grund, warum wir heute dieses Gesetz beraten müssen, sind 17 Jahre verfehlte Bildungspolitik in diesem Land.

(Beifall der CDU – Zurufe von der SPD)

Dieser Gesetzentwurf – – –

(Pörksen, SPD: Warum haben neun Länder die Hauptschule abgeschafft?)

Sie haben 17 Jahre lang die Hauptschule verkommen lassen, um sich jetzt als Retter für die Hauptschülerinnen und Hauptschüler darzustellen. Das ist Fakt.

(Beifall der CDU – Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Dieser Gesetzentwurf, den wir heute beraten, erweist sich zunehmend als Teil des Problems, nämlich als Teil Ihrer verfehlten Bildungspolitik, und immer weniger als Lösung dieses Problems.

(Beifall der CDU – Frau Raab, SPD: Andere CDU-Politiker sind klüger als – – –)

Zu einer weiteren Kurzintervention hat Herr Kollege Kuhn das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Brede-Hoffmann, das war doch ein bisschen viel. Es muss einiges korrigiert werden. So geht das nicht.

(Beifall der FDP)

Wenn Sie von Chancengleichheit – wir sprechen von Chancengerechtigkeit – sprechen,

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Ich spreche von Gleichheit!)

dann müssen Sie darauf achten und sehen, inwieweit die individuelle Förderung in diesem neuen System verbessert wird oder weniger gut stattfinden kann. Sie haben dann ein Problem bei der Chancengerechtigkeit. Sie haben dazu keinen Beitrag geleistet.

Sie sagen, wir mögen unsere Grundschulen. Sie sagen, die Grundschule ist die Gemeinschaftsschule. Ich sage Ihnen, es gibt unterschiedliche Grundschulen. Da gibt es katastrophale Unterschiede. Es gibt beispielsweise eine Grundschule in Kaiserslautern, bei der es eine wahre Wonne für die Lehrerin ist, zu unterrichten. Sie legt die Finger auf die Lippen, dann ist Ruhe. Die Kinder schauen sie erwartungsvoll und lernbegierig an. Ein Traum. Die Lehrerin, die Kinder und die Eltern sind glücklich.

(Pörksen, SPD: Herr Kuhn ist glücklich!)

Mein lieber Herr Kollege, warten Sie einmal ab.

(Pörksen, SPD: Ich weiß, was kommt!)

Ein Kind hat Sprachprobleme. Das bekommt man in diesem Zusammenhang in den Griff.

Sie haben eine andere Schule. Zur gleichen Zeit unterrichtet dort eine Lehrerin. Die kleinen Schülerinnen und Schüler gehen über Tische und Bänke. Sie kann nicht die Finger auf die Lippen legen. Sie hat vorne eine Kuhglocke und kann damit den Geräuschpegel etwas minimieren. Der Ausländeranteil liegt bei 60 % mit entsprechenden Sprachproblemen. Der Lernfortschritt ist minimal, wenn er überhaupt nach dieser Stunde registriert werden kann.

Frau Brede-Hoffmann, ich sage Ihnen, auch das müssen wir sehen, wenn man von Chancengerechtigkeit spricht.

(Beifall der FDP)

Auch hier muss man darauf achten, dass man in Zukunft – das ist ein Appell – auch einmal ein differenziertes Angebot macht. Es geht uns darum, dass gerade diejenigen, die in den Grundschulen und den weiterführenden Schulen enorme Probleme haben, von frühauf im Sinne

der Chancengerechtigkeit eine entsprechende Förderung erhalten. Es ist nicht alles so toll, wie Sie es dargestellt haben. Das hat uns schon geärgert.

(Beifall der FDP)

Ich erteile Frau Abgeordneter Dickes das Wort.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie waren es, die seinerzeit die Lernmittelfreiheit in diesem Land abgeschafft haben. Vielleicht sollte ich die Wette eingehen, dass in Ihrem nächsten Wahlprogramm stehen wird, dass Sie die Lernmittelfreiheit wieder einführen werden, weil der Druck auf der Straße zu groß ist.

(Beifall bei der CDU – Keller, CDU: So ist es!)

Das wird genauso wie bei der Einführung der Beitragsfreiheit in den Kindergärten sein. Sie haben uns seinerzeit vorgeworfen, unsere Finanzierung sei unseriös. Sie werfen uns jetzt eine unseriöse Finanzierung vor. Wenn es 2011 so sein wird, tun Sie es einfach.

(Beifall der CDU – Zurufe von der SPD)

Sie sagen, wir brauchen 60 Millionen Euro für ein Ausleihsystem. Ich weiß nicht, woher Sie diese Zahl nehmen. Fakt ist, dass dieses Ausleihsystem kostenneutral ist.

(Pörksen, SPD: Wir haben 600.000 Kinder in den Schulen! Nun rechnen Sie einmal!)

Sie müssen für die Dauer von zwei Jahren zwei Drittel der Kosten vorfinanzieren. Ein Drittel zahlen die Eltern schon im ersten Jahr. Nach drei Jahren hat sich das System komplett amortisiert.

Schauen wir einmal nach Niedersachsen. Niedersachsen hat genau dieses System eingeführt und gleichzeitig den Landeshaushalt konsolidiert. Es funktioniert.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Das ist doch nicht zu glauben!)

Ich komme zur Frage der Unterrichtsversorgung und der Behauptung, wir wären unseriös. Wir haben die zusätzlichen Lehrerstellen komplett gegenfinanziert, zum größten Teil auch aus dem eigenen Haushalt.

(Heiterkeit bei der SPD)

Unseriös ist nicht unsere Finanzierung, sondern die fehlende Bildung. Unseriös ist, den Kindern keine Chance einzuräumen. Jedes Kind hat nur eine Bildungskarriere. Sie versündigen sich an den Kindern, weil Sie keine Lehrer einstellen und die eigenen Vorgaben, nämlich eine 100 %ige Unterrichtsversorgung, nicht einhalten.

(Beifall der CDU)

Zu einer weiteren Kurzintervention erteile ich Herrn Abgeordneten Keller das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Kollegin Frau Brede-Hoffmann hat zu den zentralen Abschlussprüfungen gesagt, dass sie überhaupt nicht notwendig seien. Ihr scheint entgangen zu sein, dass Rheinland-Pfalz in diesem Bereich Letzter ist und die rote Laterne hat. Ich wiederhole mich. Die PISASiegerländer haben alle zentrale Abschlussprüfungen.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Wenn man keine zentralen Abschlussprüfungen will – das sage ich bewusst –, setzt man sich dem Verdacht aus, dass man eigentlich weiß, dass die Abschlüsse in Rheinland-Pfalz vom Inhalt her nicht vergleichbar sind.

Den Verdacht können Sie ausräumen, wenn Sie dafür sind, dass es zentrale Abschlussprüfungen, wie sie die FDP und die CDU fordern, gibt. Wenn Sie es billigend in Kauf nehmen – das tun Sie offenkundig –, dass die Abschlüsse nicht vergleichbar sind, ist das gegenüber den Betroffenen unverantwortlich; denn irgendwann kommt die Stunde der Wahrheit, in der die aufnehmende Wirtschaft oder die weiterführenden Schulen eigene Tests durchführen. Dann sind die Abschlüsse nichts wert.

(Beifall bei der CDU)

Bei der Bemerkung, die Landesregierung sorgt auch für mehr individuelle Förderung an den Gymnasien, habe ich schmunzeln müssen. Wo denn? Im Schulgesetz steht, dass jede Schulart verpflichtet ist, individuell zu fördern. Das war es. Für die Gymnasien gibt es keine Förderstunden, außer für den Migrantenbereich. Ausnahmen sind die bisherigen Hauptschulen und Regionalen Schulen. Auch die Realschulen haben einige Förderstunden erhalten.

Wir fordern konkrete Maßnahmen für die Gymnasien, und zwar drei Stunden pro Klasse in der Orientierungsstufe, und darüber hinaus für diejenigen, die von anderen Schularten nach der Orientierungsstufe ins Gymnasium kommen, für ein halbes Jahr pro Kind zwei Stunden Förderunterricht, damit der Anschluss gelingt.