6. Arbeit, die die Gesundheit, die Sicherheit oder die Sittlichkeit gefährdet – beispielsweise Arbeit in Steinbrüchen, das Tragen schwerer Lasten oder sehr lange Arbeitszeiten und Nachtarbeit –.
Dabei gilt als schlimmste Form der Kinderarbeit „Bounded Labour“. Dies bedeutet, dass Kinder von ihren Eltern als Pfand für geliehenes Geld an den Arbeitgeber abgegeben werden, um so die Schulden der Eltern abzuarbeiten. In den meisten Fällen heißt dies lebenslange Knechtschaft, weil die Eltern die horrenden Zinsen nicht bezahlen können.
Ich habe selbst vor 30 Jahren einen solchen Fall hautnah miterlebt. Nicht weit vom Anwesen meiner Schwiegermutter wurde eine Ziegelei errichtet. Lehm wurde gegraben, per Handarbeit in Formen gefüllt, die Quader gestapelt, und in einem sogenannten Einmal-Brennofen wurden dann die Ziegel gebrannt. Dies ist eine sehr anstrengende und äußerst schmutzige Arbeit.
Der Vater eines 10- bis 11-jährigen Mädchens hatte seine Tochter dort zur Arbeit gezwungen. Der Ziegeleibesitzer kam gegen Schuldschein für die Verbindlichkeiten des Mannes auf und zahlte ihm sogar noch einen Vorschuss auf die Arbeit des Mädchens.
Durch Einschalten der Behörden konnte dieses rechtswidrige Treiben schnell beendet werden, und mit einem für mich als Europäer fast lächerlichen Betrag war auch das finanzielle Problem lösbar. Dieses Ereignis wird mir wie so viele andere ähnlicher Art, die ich in Indien erlebt habe, nie aus dem Kopf gehen.
Aber dieser Fall war – so zynisch dies auch klingen mag – eher harmlos gegen das, was sich tagtäglich rund um den Globus ereignet. Kinder im Alter von vier bis 15 Jahren arbeiten in Feuerwerks- und Streichholzfabriken 15 Stunden ohne Pausen. Sie atmen giftige Dämpfe ein, müssen immense Hitze ertragen, erleiden Feuerunfälle.
Eine gerade einmal 10-Jährige hockt in einem stinkenden Kellerloch und verziert Blusen mit Pailletten und stickt sich 14 Stunden lang die kleinen Finger wund.
Ein Halbwüchsiger arbeitet mit einem 40 Kilogramm schweren Schlagbohrer ohne Schutzkleidung im Steinbruch, um Grabsteine oder Pflastersteine für den Export zu produzieren. – Durchschnittliche Lebenserwartung wegen Silikose: 35 bis 38 Jahre. –
Das Schicksal dieser Armen hat in beeindruckender Weise Benjamin Pütter von Misereor aufgedeckt. Einige Städte, so auch Andernach und Lahnstein, haben aufgrund dieser aufrüttelnden Dokumentation ihre Friedhofssatzung dahin gehend geändert, nur noch zertifizierte Grabsteine zuzulassen. Dieser gut gemeinte, jedoch juristisch nicht haltbare Vorstoß gegen ausbeuterische Kinderarbeit hatte vor Gericht keinen Bestand.
An dieser Stelle sage ich allen Organisationen und Einzelpersonen – von beiden gibt es recht viele – Dank für ihr unermüdliches Engagement.
Mir ist natürlich bewusst, dass jeder Einzelne von uns leider nicht die Ausbeutung von Kindern verhindern kann. Mit dem vorliegenden Antrag wird das Parlament durch seine Selbstverpflichtung jedoch einen wichtigen Beitrag in diesem Kampf leisten. Durch die entsprechende Ergänzung der Verwaltungsvorschrift zum öffentlichen Auftragswesen wird die Landesregierung einen wichtigen Schritt zur Bekämpfung sklavereiähnlicher Praktiken tun. Es fördert zudem die Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung und unterstützt die Forderungen der Vereinten Nationen auf Umsetzung der Millenniumsziele zur Halbierung der Armut bis 2015. Wir erhoffen uns damit auch eine Signalwirkung und Ermutigung für die Kreise und Kommunen.
In diesem Antrag sehen wir einen ersten wichtigen Schritt auf dem Weg zur Umsetzung der IAOKernarbeitsnormen. In diesem Zusammenhang begrüße ich ausdrücklich die Initiative des entwicklungspolitischen Landesnetzwerkes ELAN, das zusammen mit der Leitstelle „Bürgergesellschaft und Ehrenamt“ der Staatskanzlei sowie dem Städtetag Rheinland-Pfalz ein Fachgespräch über Sozial- und Umweltstandards im Beschaffungswesen durchführt. ELAN wird sich mit Sicherheit auch in diesem Antrag widergespiegelt finden. Sie kämpfen seit Jahren um eine Humanisierung der Arbeitswelt und gegen Kinderarbeit. Diese ursprünglich für den 8. Juli geplante Veranstaltung findet nunmehr im Herbst statt und wird sicherlich Beispiele praktischer Anwendung der Vergaberichtlinien aufzeigen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Kinder sind keine Ware. Lassen Sie uns mit der Zustimmung zu diesem Antrag gemeinsam ein deutliches Zeichen gegen die ausbeuterische Kinderarbeit setzen!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die CDU Landtagsfraktion begrüßt den Antrag der SPD, ausbeuterische Kinderarbeit in der Weise zu bekämpfen, dass sich der Landtag eine Selbstverpflichtung auferlegt und die Bitte und die Erwartung an die Landesregierung formuliert, dies in gleicher Weise zu tun, eine Selbstverpflichtung, die darauf abzielt, bei all den Produkten, die wir beschaffen – es sind durchaus erhebliche Summen, die dafür verausgabt werden –, darauf zu achten, dass sie nicht durch ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt worden sind.
Ich hatte vor Jahren das – ich sage einmal – zweifelhafte Vergnügen, bei dem Vortrag anwesend zu sein, den der CDU-Stadtverband Andernach organisiert hatte und bei dem der Kinderrechtsexperte von Misereor, Herr Benjamin Pütter, die dramatischen Situationen in indischen Steinbrüchen geschildert und mit Videos und Dias belegt hat.
Ich kann Ihnen sagen, wir waren wirklich erschüttert. Es ist ein Leid von Kindern, das wirklich kaum vorstellbar ist. Es sind Bedingungen, die wirklich entsetzlich sind und bei denen sich jeder Christ, jeder zivilisierte Mensch sagen muss, es kann nicht sein, dass wir auch als Abnehmer von Produkten, die dort hergestellt werden, im Prinzip diesen Markt in Gang halten. Ich glaube deshalb, dass es ein guter Ansatzpunkt ist, den Markt auch als Mittel zu nutzen, diese Art der Herstellung zu verändern.
Uns geht es vor allen Dingen darum, natürlich auch mithilfe von Zertifikaten dafür zu sorgen, dass den Kindern statt der Steinbrucharbeit, statt des Herstellens von Fußbällen, statt Teppiche zu knüpfen – Herr Kollege Klöckner hat eben einige Beispiele genannt – ein Schulbesuch ermöglicht wird. Nur so werden auch diese Familien aus diesen Teufelskreisen herauskommen und irgendwann in der Lage sein, für sich besser zu sorgen, ohne ihre Kinder in dieser Art und Weise im Prinzip ihres Lebens, ihrer Jugend und ihrer Kindheit ein Stück zu berauben.
Wir haben damals versucht, es in Andernach über die Änderung der Friedhofssatzung zu bewerkstelligen. Das ist nicht gelungen, weil die Ermächtigung für diese Satzungen nur gestalterische Einflussnahmen für die Kommune ermöglicht. Auch da könnte man sicherlich überlegen, ob wir uns nicht als Landesgesetzgeber des Themas noch einmal annehmen. Mein Eindruck ist, dass diese Diskussion, die von vielen geführt wird, nicht zuletzt von den Kirchen, von denen wir alle auch Briefe erhalten haben – da bin ich ausgesprochen dankbar, dass mit einer breiten gesellschaftlichen Gruppe versucht wird, das Thema auch in das Bewusstsein von uns Menschen als Kunden zu bringen –, dazu beitragen wird, zum Beispiel auch die Produzenten von Grabsteinen dazu zu bewegen, aus eigenem Interesse und eigener Überzeugung dafür zu sorgen, dass ihre Produkte, die sie anbieten, nicht aus ausbeuterischer Kinderarbeit stammen, sondern von zertifizierten Bergwerken, die es gibt, also Steinbruchbetrieben, die ihre Zertifikate haben. Wenn sie die Zertifikate haben, gibt es in der Regel für die Kinder auch bessere alternative Angebote.
Unsere Hoffung ist, dass es ein weiterer Schritt auf dem Weg ist, diese fürchterliche Situation für viele Kinder auf der Welt zu verbessern. Wir hoffen auf weitere Kommunen, die mitgehen, auf weitere Betriebe und weitere Branchen, die bereit sind mitzumachen. Es gibt auch bei großen Firmen positive Entwicklungen. Es stand kürzlich in der Zeitung. Nicht nur das Thema „Kinderarbeit“ treibt die Unternehmen um. Es ist aber ein sehr schönes Beispiel, deshalb möchte ich es nennen. Die Firma Pelikan hat es auch ein Stück verstanden. Sie hat die Produktion ihrer Bleistifte, die in Millionenmengen produziert werden, umgestellt und benutzt hierfür nicht mehr Tropenholz. Ich denke, so werden wir mit vielen kleinen Beispielen dazu beitragen können, die Situation von Kin
dern insgesamt auf unserer Welt ein Stück zu verbessern. Wir sind gerne bereit, diesem Antrag zuzustimmen.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen heute über ein konkretes Feld dessen, was gestern als Global Marshall Plan von uns ohne Aussprache begrüßt wurde.
Wenn wir uns jetzt der großen weiten Welt zuwenden, was gut ist, Herr Kollege Klöckner, dann müssen wir wissen, dass es auch bei uns noch nicht lange her ist, dass Kinder vor allem in der Landwirtschaft in einer Art und Weise eingesetzt wurden, die im Großen und Ganzen dem entspricht, was Herr Kollege Klöckner eben vorgetragen hat.
Ich erinnere mich an unseren Nachbarn zu Hause. Sie hatten keinen großen Grundbesitz und mussten eine sehr kleine karge Landwirtschaft betreiben. Er erzählte mir aus seiner Kindheit. An St. Martin wurden in Cochem die älteren Kinder und Jugendlichen für ein geringes Entgelt an größere Höfe ausgeliehen, wo sie ein halbes Jahr lang blieben und dann erst wieder nach Hause zurück durften. Das ist nicht weit von dem entfernt, was hier noch in die Nähe des Sklaventums gebracht wird.
Meine Damen und Herren, es ist ein Weg, den wir gemeinsam gehen müssen. Wir unterstützen diesen Antrag nachdrücklich. Wir möchten aber auch ein Stück Realität hineintragen. Ganz so einfach, wie es meine Vorredner vorgetragen haben, wird es am Ende leider Gottes nicht sein. Frau Kollegin Thelen, das Beispiel des Grabsteins ist ein gutes Beispiel für einen Weg, den man gehen kann, auch wenn es in Andernach aus juristischen Gründen nicht geklappt hat.
Aber die Realität, die Masse der Produkte, ist sehr viel komplexer. Da ist der Händler zertifiziert, da ist der Endproduzent zertifiziert, da ist aber die 15. Subunternehmerstufe nach unten nicht zertifiziert. Am Ende sitzt dann doch wieder das Kind Pailletten stickend im Kellerloch. Das ist unser Problem. Das darf uns nicht davon abhalten, diesen Weg zu beschreiten, aber man muss wissen, worüber man spricht.
Meine Damen und Herren, ich erlaube mir eine weitere – das sei ausdrücklich gesagt – nicht relativierende Anmerkung, die auch wichtig ist. Hinter solchen, von uns unterstützten gut gemeinten und richtigen Schritten darf sich kein subtiler Protektionismus verbergen, weil auch diese Gefahr besteht.
Dann wird nämlich am Schluss – Frau Kollegin Thelen, um in Ihrem Beispiel zu bleiben – nicht nur der nicht zertifizierte Grabstein imagemäßig diskreditiert, sondern auch der Grabstein, der einfach in unangenehmer Konkurrenz zu einheimischen Produkten steht. Ich verstehe alle Betroffenen, dass sie diese unheimliche Konkurrenz auch der zertifizierten Betriebe, die zu ganz anderen Grundbedingungen arbeiten, nicht schätzen. Das verstehe ich sehr gut.
Ich kann mich auch in die Seele eines Mittelständlers hineinversetzen, der plötzlich einen Kampf führt, den er nicht gewinnen kann und in dritter und vierter Generation seinen Betrieb aufgeben muss, weil andere Produkte deutlich preiswerter sind. Aber wir müssen achtgeben, dass auf diesem Weg nicht als trojanisches Pferd ein Protektionismus Eingang hält, den wir als Vorwurf in der Europäischen Union sowieso haben. Aber das sind nur Dinge am Rande.
Wir gehen diesen Weg mit, auch wenn wir davon überzeugt sind, dass er steinig ist und lange dauern wird. Aber der Ansatz ist gut. Wir unterstützen diesen Antrag nachdrücklich.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Globalisierung hat viele Vorteile. Auch profitiert das Land Rheinland-Pfalz von offenen Märkten, von einer globalen Weltwirtschaft. Globalisierung hat auch Nachteile. Einer der großen Nachteile, die durch die Globalisierung ausgelöst wurden, ist die gestiegene Zahl von ausbeuterischer Kinderarbeit. Wir reden über ein Volumen – je nach Statistik – von 158 Millionen bis – nach anderen Statistiken – weit über 200 Millionen Kinder, die ausgebeutet werden, denen ihre Kindheit geraubt wird.
Wenn man sich die einzelnen Beispiele anschaut, dann macht dies mehr als betroffen, zum Beispiel den 10jährigen Jungen aus Ecuador, der 14 Stunden tagtäglich unter unglaublichem Gestank auf einer Müllkippe arbeiten muss. Vollkommen klar ist, dass dieses Kind keine Kindheit hatte und eine sehr geringe Lebenserwartung aufgrund der Gesundheitsschäden haben wird.
Betroffen müssen einen auch die Bilder aus Steinbrüchen machen, in denen 8- und 9-Jährige große Lasten schleppen und auch diese einen 12- bis 14-Stunden Arbeitstag zum Teil unter unglaublichen Bedingungen haben. Hier werden leider in steigendem Maße Kinder ausgebeutet, auch verstärkt, um mit billigen Produkten auf den Weltmärkten konkurrenzfähig zu sein.
Es gibt das Übereinkommen 182 der Internationalen Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen, denen es darum geht, die schlimmsten Formen von Kinderarbeit zu beseitigen. Die Länder sind aufgefordert – auch Deutschland hat dies ratifiziert –, wirksame Maßnahmen zu ergreifen. Bei dem Schicksal von Kindern dürfen wir es nicht bei reinen Appellen belassen. Deswegen begrüße ich den Antrag der SPD, zu sagen, es muss zu ganz konkreten Taten kommen. Hier sind die reinen Appelle nicht ausreichend.
Es wäre zu einfach, auf die Schwierigkeiten hinzuweisen. Natürlich ist es schwierig, dagegen wirksam vorzugehen. Wir können in Deutschland nicht die Gesetze in Afrika, Asien oder Lateinamerika ändern. Aber wir können eines ändern. Wir können verhindern, dass solche Produkte bei uns in lukrativen Märkten gekauft werden, um damit Anreize zu nehmen, junge Menschen auszubeuten, um Profite zu erzielen.
Hier hat die öffentliche Hand eine Vorbildfunktion. Für mich ist es unerträglich, dass Ausschreibungen dazu führen, dass der Mittelständler, der unter Beachtung des Mindestmaßes an Anstand davon Abstand nimmt, solche Produkte auch als Vorprodukte einzukaufen, nicht mehr gegenüber dem konkurrenzfähig ist, dem das vollkommen egal ist, woher die Produkte kommen. Deswegen werden wir auch auf Anregung des Antragstellers zukünftig in den Vergaberichtlinien des Landes Rheinland-Pfalz eine Maßgabe vorsehen, dass in den Bereichen, in denen der Verdacht besteht, es könnte Kinderarbeit angewandt worden sein, von denjenigen, die ein Angebot abgeben, eine Eigenerklärung abgegeben werden muss, dass Kinderarbeit nicht vorliegt. In den Bereichen, in denen Vorprodukte weltweit erworben werden müssen, muss dargelegt werden, dass alles getan worden ist, um zu recherchieren, ob bei den Produkten Kinderarbeit angewandt wurde.