Ich darf eine Delegation aus Oppeln begrüßen. Sie steht hier rechts von mir. Ich darf Ihnen sagen, seien Sie herzlich willkommen im Landtag. Ich weiß, Sie sind gleich beim Herrn Präsidenten. Willkommen hier in Mainz!
Meine Damen und Herren! Nach beinahe 18 Jahren nehmen wir heute einen ersten Schritt zur Novellierung des rheinland-pfälzischen Gesetzes zur Umsetzung des Betreuungsrechts vor. Es geht nicht um materielles Recht, es geht um die Gestaltung der Betreuungsvereine. Die Ministerin hat es eben angedeutet, gesagt, nicht angedeutet.
Frau Ministerin, ich habe mir das genau angehört, was Sie eben gesagt haben. Ich habe mir Ihren Gesetzentwurf, vor allem auch die Begründung, sehr genau durchgelesen, weil ich mich für das Thema eigentlich seit vielen Jahren, ich kann schon sagen seit Jahrzehnten, interessiere.
Ich weiß nicht genau, ob Sie sich für das genieren, was in dem Gesetzentwurf steht, oder ob Sie einfach heute nicht wirklich den Daumen in die Wunde legen wollten.
In Ihrem Gesetzentwurf und vor allem in der Begründung stehen ein paar harte Worte, ein paar harte Zahlen und auch Konsequenzen, die Sie zu ziehen gedenken, deswegen passt Ihre schöne nette Rede hier vielleicht nicht ganz zu dem, was wir zu beraten haben werden.
Sie haben im Text zum Beispiel geschrieben, dass ein tief greifender Wechsel im System der Anerkennung und
Förderung der Betreuungsvereine bevorsteht und Sie auch einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung des Landes und damit natürlich auch der Kommunen leisten wollen.
Sie beziehen sich in dem Text ausdrücklich auf ein Benchmark, auf einen Ländervergleich, den Mecklenburg-Vorpommern angestoßen hat, bei dem es darum geht, dass festgestellt worden ist, dass wir in RheinlandPfalz in der Tat einmal wieder eine Spitzenstellung haben, aber bei den Ausgaben in diesem Bereich, und Sie natürlich offensichtlich daraus auch die Konsequenzen ziehen müssen.
Wir werden das auch im Ausschuss ein Stück weit hinterfragen müssen, denke ich. Wo liegen denn genau die Unterschiede zu den anderen Bundesländern? Warum braucht man dort gar keine oder nur eine geringere Förderung für die Betreuungsvereine? Was funktioniert dort nicht, was in Rheinland-Pfalz eventuell funktioniert? Das kann man so jetzt noch nicht ablesen aus dem Gesetzentwurf und aus dem, was Sie gesagt haben.
Aber vor allem auch: Wie können wir uns denn tatsächlich eine Struktur weiter leisten, wenn sie vielleicht über das hinausgeschossen ist, was Sie gesagt haben?
Frau Ministerin, Sie haben jetzt nicht gesagt, die Qualität soll gesteigert werden. Aber in Ihrem Gesetzentwurf heißt es ein bisschen anders. Es geht darum, dass es im Moment für das Landesamt als obere Behörde in dem Bereich keine Handhabe gibt für Betreuungsvereine, diese Qualitätsstandards – wie sie auch jetzt schon im Bürgerlichen Gesetzbuch und im Landesgesetz vorhanden sind – zu überprüfen und vor allem, wie denn daraus Konsequenzen gezogen werden sollen. Genau das wollen Sie mit diesem Gesetzentwurf ändern.
Also stellt sich doch die Frage: Was funktioniert im Augenblick schon nicht in diesem Lande? Wo sind denn da die Schwachstellen? Welche Vereine erfüllen gar keine Standards, oder welche Vereine stellen zum Beispiel nicht genug ehrenamtliche Persönlichkeiten zur Verfügung, um diese tatsächlich wichtige Aufgabe zu erfüllen?
Ich denke, es gibt eine Menge Fragen, die sich aus diesem Gesetzentwurf ergeben, die mit tatsächlichen Umständen zu tun haben und deren Beantwortung wir uns natürlich heute erwünscht hätten, aber vor allem dann im Ausschuss zu hinterfragen haben.
Ich will auch noch einmal sagen, diese Förderung – das haben Sie angedeutet – spielt natürlich in die kommunalen Kassen hinein, weil diese verpflichtet sind, sich hier zu beteiligen. Wenn Sie die 106 Vereine beibehalten wollen, wird es da keine Entlastung geben; denn dann sind die gleichen Zahlen, wie sie jetzt da sind, noch gar nicht aus der Welt, außer, wie gesagt, Sie sehen an vielen Stellen Punkte, wo Sie Anerkennungen nach dem neuen Gesetz aberkennen und damit auch die Fördergrundlage entziehen wollen.
Das ist schon eine interessante Entwicklung, die sich mit diesem Gesetzentwurf auftut. Ich denke, wir sollten noch einmal in die Details einsteigen.
Bei der internen Anhörung – das haben Sie niedergeschrieben in der Begründung – gab es durchaus unterschiedliche Meinungen, auch zu dem Verfahren insgesamt. Uns würde interessieren, wie Sie zum Beispiel beim Vertrauensschutz all diesen Ansprüchen gerecht werden wollen; denn man muss sich, glaube ich, noch einmal vor Augen halten, das Gesetz wird in seinem wesentlichen Teil rückwirkend in Kraft treten, nämlich gerade, was die Förderung und Anerkennung anbelangt. Das geht zurück bis zum 31. Dezember 2007.
Die Vereine, die bis zu diesem Zeitpunkt anerkannt waren und Förderung erhalten haben, haben Vertrauensschutz, außer sie erfüllen nicht, dass sie die Qualitäts- und Leistungsvereinbarung bis zum 31. Dezember 2010 – ein Kunststück, diese ganzen Zahlen zusammenzubringen – mit dem Landesamt unterzeichnet haben.
Fragen über Fragen. Ich denke, wir sollten uns diesen stellen und dann sehen, wie wir mit dem Gesetzentwurf insgesamt umgehen.
Als Gäste auf der Zuschauertribüne begrüße ich Mitglieder des Altenschutzbundes Betzdorf und Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft 60 plus des SPD-Kreisverbandes Trier-Saarburg. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag! (Beifall im Hause)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor 20 Jahren gab es einen Paradigmenwechsel, der einem veränderten Bewusstsein geschuldet war. Man war der Meinung, dass das bisherige Pflegschafts- und Teile des Vormundschaftsrechts nicht mehr dem entsprachen, was die Selbstständigkeit von Menschen sichert. So ist das Betreuungsrecht entstanden, wie wir es heute kennen, und 1991 schließlich auch das Landesgesetz zur Ausführung des Betreuungsgesetzes.
Dieses Bewusstsein hat sich durchgesetzt, eine Erfolgsgeschichte dieses Paradigmenwechsels. Damals herrschte eine Aufbruchstimmung. Das Gesetz hat dazu geführt, dass wir auch in Rheinland-Pfalz – durch die rheinland-pfälzischen Regelungen, nämlich die Betreuungsvereine und deren Förderung – eine Erfolgsgeschichte dieses Gesetzes erlebt haben: eine Stärkung der ehrenamtlichen Betreuung durch die Betreuungsvereine. –
Es hat sich im Laufe der Jahre ein flächendeckendes Netz von anerkannten und geförderten Betreuungsvereinen entwickelt, deren Aufgabe vor allem die Gewinnung ehrenamtlicher Betreuerinnen und Betreuer und die Einführung, Fortbildung und Beratung dieser Betreuerinnen und Betreuer ist. Zurzeit existieren 106 Betreuungsvereine, die anerkannt und gefördert sind und denen insgesamt knapp 2,5 Millionen Euro im Jahr, das heißt 23.430 Euro pro Förderverein, zur Verfügung stehen, jeweils mit einer Kofinanzierung durch die Kommunen, die zumindest nach dem Gesetz vorgesehen ist. Ich bin jedoch nicht sicher, ob dies überall so geschieht.
Frau Kohnle-Gros, die Spitzenstellung des Landes gegenüber anderen Bundesländern bezieht sich nicht nur auf die Ausgaben, sondern auch auf die Wirksamkeit. Ich bin selbst ehrenamtlicher Betreuer und kann dies aus dieser Richtung beurteilen. Allerdings gibt es auch Probleme. Wenn etwas so wächst, kommt man zu einem Punkt, an dem man auch darüber nachdenken muss, wie weit man es noch wachsen lassen möchte. Es gibt sehr allgemein gefasste Regelungen zur Anerkennung, die bisher auch relativ leicht zu erfüllen waren, die aber faktisch keine echte Handhabe sind bei mangelhafter Erfüllung dieser Aufgaben. Zumindest in der Praxis ist dies ein wenig problematisch.
Letztlich ist mit dieser flächendeckenden Versorgung auch ein Punkt erreicht – darin widersprechen uns auch die Verbände und Träger nicht –, an dem eine weitere Ausweitung der Förderung auf keinen Bedarf mehr trifft. Diese Notwendigkeit der Begrenzung und Steuerung, die ich für sehr positiv halte, wenn man sie umsetzt, wenn man sie erkennt, führt dazu, dass der vorliegende Entwurf des Landesgesetzes zunächst auch eine Begrenzung der Anzahl der Fördervereine vorsieht, dies aber ausdrücklich bei gleicher bzw. dynamischer Förderhöhe. Es soll schließlich nicht abgebaut werden, sondern es soll begrenzt werden. Es gibt eine Anhaltszahl von etwa 38.000 Einwohnern pro Betreuungsverein, und es gibt die Vertrauensschutzregelungen, auf die ich aber heute nicht näher eingehen möchte.
Zu der Frage der Anerkennungsvoraussetzungen sehe ich die Qualifikation, die Weiterbildung und die Supervision, also die Qualität der Arbeit dieser Einrichtungen, im Vordergrund sowie auch die räumliche und sachliche Ausstattung, die bereits erwähnt wurde, und – was mir besonders am Herzen liegt – die Mitarbeit in den kommunalen Netzwerken sowie die Einbindung in die Praxis.
Weiterhin werden mit diesem Gesetzentwurf eine Reihe anderer, im Wesentlichen redaktioneller Änderungen umgesetzt, und schließlich sichert der Gesetzentwurf auch die Verbesserung der Gleichstellung von Frauen und Männern durch die Einführung des Reißverschlussverfahrens bei der personellen Besetzung der Arbeitsgemeinschaften, die es auf örtlicher und überörtlicher Ebene gibt und die die Betreuungsangelegenheiten sehr wirkungsvoll regeln.
Er sichert die Kontinuität einer Förderpraxis, die uns dort – wie übrigens auch in vielen anderen Bereichen der Sozialpolitik – an der Spitze in Deutschland sieht, und zwar nicht nur unter Kostengesichtspunkten, sondern auch mit Blick auf die Effizienz.
Dieser Gesetzentwurf fördert durch die Vereinbarkeit von Qualität und Leistung auch eine kompetente und an den Lebensbedürfnissen der Betreuten orientierte Arbeit der ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuer. Ich denke, dass dies in die richtige Richtung führt.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen heute in erster Lesung über den Gesetzentwurf der Landesregierung. Ich glaube, es ist an und für sich ein gutes Zeichen, wenn eine Regierung in der Lage ist, eigenes Handeln auch kritisch zu hinterfragen, auch wenn dies auf der Basis eines Benchmarks erfolgt und man vielleicht erschrocken ist darüber, wozu die SPD-Fraktion soeben Beifall gespendet hat, nämlich zur Kostendynamik, die doch im System steckt.
Aber offensichtlich hat sie auch zu Recht sensibel reagiert, was weitere Aufwächse dieser Kostensituation angeht. Kritischer will ich es gar nicht beschreiben; denn die Landesregierung hat selbst den Stein ins Wasser geworfen, und wir sollten dies entsprechend respektieren.
Herr Kollege Dröscher, ich habe nicht erwartet, dass Sie es ansprechen, dafür habe ich Verständnis. Aber wir wissen doch, dass in den Betreuungsvereinen zum Teil über das notwendige Maß hinaus Betreuer „produziert“ werden. Unabhängig von der Frage der Qualität stellt sich die Frage der Effizienz.
Frau Kohnle-Gros, die Fragen, die Sie soeben aufgeworfen haben, sind ausdrücklich auch unsere Fragen; denn über das hinaus, was der Gesetzentwurf in seiner umfänglichen Begründung ausführt, sind viele Fragen offen geblieben.
Mich würde zum Beispiel im Ausschuss schon interessieren, wie sich das Gender-Verhältnis derzeit darstellt: Ist dieses Reißverschlussverfahren überhaupt nötig,
und – wenn ja – in welche Richtung, Frau KohnleGros? – Darüber scheinen mir doch einige Zweifel angebracht zu sein.