Protokoll der Sitzung vom 30.08.2012

Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Herren, meine sehr geehrten Damen! Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Benedikt Oster, Kathrin Anklam-Trapp und Dr. Tanja Machalet beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt:

Zunächst eine kurze Vorbemerkung. Um den Vergleich mit den anderen europäischen Staaten zu ermöglichen,

bezieht sich die Antwort auf die Mündliche Anfrage auf Zahlen der europäischen Statistikbehörde Eurostat. Da die Statistik der Bundesagentur für Arbeit aktueller ist und eine Differenzierung zwischen den Bundesländern erlaubt, verwendet die Landesregierung in dieser Antwort die Daten der Bundesagentur für Arbeit.

Zu Frage 1: Im Juni 2012 waren in keinem anderen EULand weniger junge Menschen ohne Job als in Deutschland. Nur in zwei anderen Ländern in Deutschland waren weniger junge Menschen arbeitslos als in RheinlandPfalz, nämlich in Bayern und in Baden-Württemberg.

In Rheinland-Pfalz lag die Arbeitslosenquote der unter 25-Jährigen im Juli 2012 bei 6 %. Noch im Juni 2012 betrug diese Quote nur 4,7 %. Auf der Bundesebene lag die Quote der arbeitslosen Jugendlichen im Juli 2012 bei 6,5 % und im Juni 2012 bei 5,5 %. Der für diese Jahreszeit typische Anstieg ist vor allem darauf zurückzuführen, dass in den Sommerferien viele Jugendliche vor dem Übergang von Schule in Ausbildung oder Studium stehen. Daher ist der deutliche Anstieg saisonbedingt auch in anderen Ländern feststellbar und muss nicht beunruhigen. So ist auch im vergangenen Jahr in Rheinland-Pfalz die Quote im Juli von 4,8 % auf 6 % angestiegen und dann wieder zurückgegangen.

Zu Frage 2: Die Jugendarbeitslosigkeit hat sich in den vergangenen Jahren genauso wie die Arbeitslosigkeit insgesamt erfreulicherweise verringert. Noch im Jahr 2005 waren 10,8 % der jungen Menschen in Rheinland-Pfalz arbeitslos. Seitdem ist die Arbeitslosenquote kontinuierlich zurückgegangen. Im Jahresmittel betrug sie 2009 noch 6,6 %, ein Jahr später 5,5 % und 2011 schließlich 4,8 %.

Zu Frage 3: Rheinland-Pfalz nimmt im Bundesvergleich bereits seit vielen Jahren eine sehr gute Position nach Bayern und Baden-Württemberg ein, die im Jahresmittel 2011 Quoten von 3,0 % bzw. 2,7 % aufwiesen. Die meisten jugendlichen Arbeitslosen gibt es in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern mit einer Quote von 13,4 % bzw. 11,2 %. Bundesweit lag die Quote der jugendlichen Arbeitslosen im Jahresmittel 2011 bei 5,9 %.

Zu Frage 4: Die geringe Jugendarbeitslosigkeit in Rheinland-Pfalz ist nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass die rheinland-pfälzische Landesregierung der Jugendarbeitsmarktpolitik bekanntlich schon lange einen hohen Stellenwert einräumt. Ministerpräsident Kurt Beck hat diese zur Chefsache erklärt und bereits 1995 den ovalen Tisch mitbegründet, dem er auch vorsitzt.

Zusammen mit den Vertretern der Wirtschaftsverbände, der Gewerkschaften und der Kammern hat die Landesregierung die Vereinbarung „Rheinland-Pfalz für Ausbildung und Fachkräftesicherung“ geschlossen. Unter anderem wurde vereinbart, jährlich 2.400 neue Ausbildungsstellen zu schaffen. Dieses Ziel wurde im Jahr 2011 mit 4.740 neuen Ausbildungsstellen sogar deutlich übertroffen.

Vor allem eine qualitativ hochwertige und damit erfolgreiche Berufswahlvorbereitung von jungen Menschen ist ein zentrales Anliegen der Landesregierung. Die Sicherung der Ausbildungsfähigkeit sowie eine umfassende

Berufswahlvorbereitung von Schülern und Schülerinnen im rheinland-pfälzischen Schulsystem wurden im Rahmen der Schulstrukturreform mit einer Vielzahl von Maßnahmen optimiert und in einer Rahmenvereinbarung verankert.

Um die Zahl der jugendlichen Arbeitslosen weiter zu verringern, hat die Landesregierung zielgerichtete Angebote entwickelt, deren gemeinsames Ziel es ist, Jugendliche rechtzeitig fit für den Arbeitsmarkt zu machen, sie bei der Suche nach einer Ausbildungsstelle bzw. Arbeitsstelle zu unterstützen und ihnen fehlende oder ergänzende Qualifikationen und Kompetenzen zu vermitteln. Dabei holen wir die Jugendlichen mit unseren bewährten und bekannten Förderansätzen, wie beispielsweise den Jobfüxen, der vertieften Berufsorientierung oder den Jugendscouts immer genau da ab, wo sie jeweils stehen.

Gleichzeitig passen wir unsere Angebote aber auch den veränderten Rahmenbedingungen an. So hat die verbesserte Ausbildungsmarktsituation den positiven Effekt, dass zum Teil auch solche Bewerber und Bewerberinnen eine Chance auf betriebliche Ausbildung bekommen, die unter ungünstigeren Rahmenbedingungen abgelehnt worden wären. Die demografische Entwicklung und die rückläufigen Schulabgangszahlen werden diesen positiven Trend perspektivisch noch verstärken.

Um eine Spaltung auf dem Ausbildungsmarkt zu vermeiden, bei der auf der einen Seite Jugendliche von Betrieben umworben werden und auf der anderen Seite sogenannte benachteiligte Jugendliche trotz aller Bemühungen keinen Einstieg finden, gilt es, die Unterstützung für diese Gruppe zu intensivieren. Dementsprechend haben wir beispielsweise unseren Förderansatz „Fit für den Job“ inhaltlich und von den Zugangsbedingungen her so verändert, dass er noch stärker den Bedürfnissen von Jugendlichen mit besonders großen Problemen gerecht werden kann.

Für jeden Jugendlichen wird nun ein individueller Förderplan entwickelt, der in flexiblen Modulen umgesetzt wird. Auf diese Weise vermitteln wir den jungen Menschen die notwendigen Basiskenntnisse und sozialen Kompetenzen. Zugleich ermöglichen wir ihnen erste berufliche Erfahrungen, damit sie möglichst bald eine für sie passende Ausbildung beginnen können.

Daneben gibt es weitere zielgerichtete Projekte. Ich nenne die Namen nur beispielhaft und gehe gerne auf Nachfrage darauf ein. Als Beispiel nenne ich das Projekt „SKA PLUS“, bei dem es darum geht, in berufsbildenden Schulen Akzente zu setzen. Ich nenne das Projekt „Stellwerk“ in der Stadt und im Kreis Bad Kreuznach, bei dem es um Jugendliche geht, die sogenannte Schulverweigerer sind. Ich nenne das Projekt „MuT“, bei dem es um junge Migranten und Migrantinnen in der Berufsfindung und bei der Arbeitsplatzsuche geht.

Vor dem Hintergrund werden wir unsere Anstrengungen, keinen Jugendlichen zurückzulassen, auch künftig beibehalten. Das ist übrigens ein Ziel, dem wir uns vor allem, aber nicht nur um der jungen Menschen selbst willen, verpflichtet sehen, sondern auch, weil diese als

die Fachkräfte von morgen für unsere Gesellschaft unverzichtbar sind.

So weit die Antwort der Landesregierung.

Gibt es Zusatzfragen? – Herr Kollege Oster.

Sehr geehrte Ministerin, ich habe eine konkrete Nachfrage: Können Sie schon etwas zu den Zahlen, die jetzt im August erschienen sind, sagen? Das würde mich persönlich sehr interessieren.

Herr Abgeordneter, die Zahlen für August liegen seit gestern vor. Der Trend lässt sich genauso ablesen, wie wir das vorausgesehen haben. Im Juli – ich habe Ihnen die Quote genannt – hatten wir noch 17.199 junge Menschen unter 25 Jahren, die arbeitslos waren.

Im August sind es ein paar weniger. Insofern glauben wir, dass wir nach dem August, im September, wenn die Schulferien zu Ende sind und die Ausbildungszeiten beginnen, wieder davon ausgehen können, dass sich das positiv entwickelt.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Die Jahrgänge waren diesmal sehr schwach!)

Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Anklam-Trapp.

Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie haben unter Punkt 4 die Bemühungen des Landes beschrieben. Dennoch möchte ich Sie an dieser Stelle fragen, welche Dinge möglich sind, wie intensiv die Anstrengungen sind und wie sehr die alten Mittel, die wir zur Förderung von jungen Arbeitslosen hatten, fehlen angesichts der Auswirkungen der Instrumentenreform und der Bemühungen des Landes Rheinland-Pfalz.

Die Auswirkungen der Instrumentenreform, aber vor allem die Auswirkungen der Sparreformen, treffen Rheinland-Pfalz ganz erheblich. Ich habe die Zahl ungefähr im Kopf. Ich glaube 2010 und 2011 waren es 60 Millionen im ganzen Land. Die Instrumentenreform hat die Rahmenbedingungen verengt, was die individuelle Herangehensweise von jungen Menschen betrifft.

Man muss sagen, es gibt eine Offenheit seitens der Regionaldirektion, mit uns trotzdem gute Konzepte weiterzuentwickeln. Aber selbstverständlich sind die Spielräume extrem eingeengt.

Man kann natürlich argumentieren, es gebe auch weniger arbeitslose Jugendliche, aber ich habe es schon versucht, in der Anfrage zu beantworten, dass wir es jetzt mit einem Teil von Jugendlichen zu tun haben, die eine ganz besondere Förderung und Unterstützung brauchen, damit sie für den Arbeitsmarkt nicht verloren gehen.

Insofern wird man sehr viel kreativer und individueller damit umgehen müssen. Das lässt die Instrumentenreform aber eigentlich nicht zu. Wir sind in guten Gesprächen, nichtsdestotrotz hat die Reform dazu geführt, dass wir weniger Geld und Möglichkeiten haben, auf diese Jugendlichen einzugehen.

Eine Zusatzfrage der Kollegin Frau Dr. Machalet.

Sie haben davon gesprochen, dass die Jugendarbeitslosenquote in Deutschland im Verhältnis zu allen anderen EU-Ländern sehr niedrig ist. Was ist für Sie die Hauptursache, dass dies in Deutschland so ist? Wie bewerten Sie vor dem Hintergrund die Möglichkeit, Jugendliche aus anderen EU-Ländern nach Deutschland zu holen und hier zu qualifizieren?

Es hat mit der Gesamtwirtschaftssituation unseres Landes zu tun. Was wir an der Jugendarbeitslosigkeit ablesen können, können wir an der gesamten Arbeitslosenquote ablesen. Natürlich stehen wir im Vergleich zu vielen anderen europäischen Staaten wirtschaftlich sehr gut da. Das wirkt sich auch auf den Arbeitsmarkt aus. Das ist ganz klar. Das betrifft auch die Jugendlichen.

Natürlich sind wir offen, junge Menschen aus anderen Staaten bei uns willkommen zu heißen, um ihnen Ausbildung und Qualifizierung zu gewähren. Wir sind jetzt im Gespräch mit der Regionaldirektion, um zu überlegen, wo wir vor allem in unseren sogenannten Mangelberufen sinnvoll organisieren können, dass junge Menschen sich bei uns qualifizieren lassen und vielleicht für einige Jahre für unseren Arbeitsmarkt gewonnen werden können.

Das ist eine zwiespältige Sache, aber ich denke, es ist trotzdem in Ordnung, dass man jungen Menschen dort, wo der Wirtschaftsmarkt boomt, eine Chance und eine Möglichkeit gibt, zudem junge Menschen innerhalb von Europa heutzutage so mobil geworden und global orientiert sind, dass es für sie auch in der Ausbildung eine Selbstverständlichkeit ist, eine Zeitlang im sogenannten Ausland zu sein.

Insofern konzentrieren wir uns in Gesprächen mit der Regionaldirektion im Moment vor allem auf die Bereiche des Gesundheitswesens, weil wir davon ausgehen, dass es sehr positiv wäre, wenn wir dort im Moment schon gut ausgebildeten jungen Menschen, die keinen Job haben, aber auch jungen Menschen, die keine gute Aussicht auf eine Ausbildung haben, Möglichkeiten in unserem Land schaffen.

Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Ramsauer.

(Zuruf der Abg. Frau Thelen, CDU)

Frau Thelen, Sie kommen als Nächstes dran. Ich rufe die Fragesteller auf, wie sie gemeldet sind. Es sind noch zwei weitere Kollegen von der SPD-Fraktion da. Das tut mir leid.

Diese Intervention war überflüssig. Glauben Sie mir, es sind noch zwei Kollegen von der SPD hinter Ihnen. Sie werden aufgerufen, wie Ihre Meldungen eingegangen sind. Der Kollege Biebricher wird Ihnen vielleicht persönlich nachher bestätigen können, wann Sie sich gemeldet haben.

Bitte schön, Herr Kollege Ramsauer.

Frau Ministerin, können Sie sagen, in welchen Agenturbezirken die Jugendarbeitslosigkeit besonders hoch ist?

Ich habe die Zahlen nicht vorliegen, aber es entspricht der sonstigen Lage auf dem Arbeitsmarkt. Wir haben immer die Bereiche um Pirmasens herum, in denen wir eine eher höhere Arbeitslosenquote haben, keine hohe, aber eine eher höhere, gemessen an dem Gesamtdurchschnitt in Rheinland-Pfalz.

Ich bin aber gern bereit, diese Einzeldaten – es sind ganz neue Zahlen; seit zwei Tagen liegen sie für August vor – dem Parlament mit einer differenzierten Darstellung nachzureichen.

Frau Kollegin Thelen, bitte.

Sehr geehrte Frau Ministerin, die Situation ist wirklich gut im Vergleich zu anderen Ländern. Aber vor dem Hintergrund der deutlich zurückgehenden Stärke der Schulabgängerjahrgänge und der noch offenen Lehrstellen könnte meines Erachtens die Situation besser aussehen.

Ich bekomme Informationen von Lehrstellenbörsen, dass sich Arbeitgeber, die händeringend Auszubildende suchen, immer noch über mangelnde Ausbildungsreife und mangelnde Fähigkeiten beklagen. Welche Rückmeldungen haben Sie am ovalen Tisch? Wie planen Sie, damit umzugehen?

Am ovalen Tisch wird dieses Thema schon seit vielen Jahren diskutiert und immer wieder relativiert. Es gibt Argumente in die eine und die andere Richtung. Aber ich glaube nicht, dass dieses allgemeine „Klagen“, dass Schulabgänger nicht die Ausbildungsreife im Vergleich zu vor zehn oder 15 Jahren hätten, zutreffend ist.

(Baldauf, CDU: Doch!)

Junge Menschen von heute erwerben andere Qualifikationen und Fähigkeiten in der Schule. Ich glaube, dass Arbeitgeber und -geberinnen teilweise eine Haltung haben, dass sie diesen Fähigkeiten gegenüber nicht offen sind, aber gleichzeitig verlangen, dass andere Dinge eingehalten werden, die Schüler und Schülerinnen vielleicht nicht in dem geforderten Maß haben.