Die beiden Standpunkte verdeutlichen, wie kompliziert diese ganze Geschichte ist. Wir – ich komme in der zweiten Runde noch einmal dazu – halten den Vorschlag, den Wissenschaftlichen Dienst – ich werde das noch erläutern – zu beauftragen, für wohlüberlegt.
Es gibt keine einfache Lösung; denn eine Grundgesetzänderung muss wohlüberlegt sein und darf nicht übers Knie gebrochen werden.
Lassen Sie mich zum Abschluss der ersten Runde eines sagen – ich relativiere dann auch, ich bin selbst Jurist –: Die Verfassung ist ein hohes Gut, aber eines sollten wir
alle machen. Wir alle sollten Rassismus überall dort entgegentreten und bekämpfen, wo er uns begegnet. Die CDUFraktion wird dies tun.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Der beklagenswerte Tod von George Floyd in den USA wird in Deutschland auf unangemessene Weise instrumentalisiert.
Weil die Lage in den USA der Anlass für diese Debatte zu sein scheint, will ich gleich zu Beginn meiner Rede drei Dinge klarstellen.
Erstens: Die sozialen und gesellschaftlichen Spannungen in den USA sind in keiner Weise auf Deutschland oder Rheinland-Pfalz übertragbar.
Zweitens: Die amerikanische Polizeiausbildung entspricht bei Weitem nicht dem hohen deutschen Ausbildungsstandard. Bei der Sicherheitslage allerdings bin ich mir nach Stuttgart nicht mehr so sicher. Sie beginnt, sich anzugleichen.
Drittens: Die Menschen in Rheinland-Pfalz, unsere Polizisten, Soldaten, Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst haben es nicht verdient, unter einen diffamierenden und allgemeinen Rassismusverdacht gestellt zu werden.
Meine Damen und Herren, die FDP folgt mit ihrem Debattenbeitrag der populistischen Agenda der Grünen, den Begriff der Rasse in der Landesverfassung durch ein inhaltsgleiches Merkmal ersetzen zu wollen. Justizminister Mertin brachte den Begriff der ethnischen Zugehörigkeit oder Herkunft ins Spiel.
Ist der Begriff der Rasse aber wirklich inhaltsgleich ersetzbar? Welche waren die Beweggründe, ihn genau so in die Verfassungsdokumente zu schreiben? Ich sage es Ihnen:
Man wollte der irren Ideologie der Nazis, wonach Rassen unterschiedliche Wertigkeit haben sollten bis hin zur Aberkennung ihres Existenzrechts, etwas Unmissverständliches entgegensetzen und hat ganz bewusst diesen Rassebegriff für jedermann erkennbar und noch gut aus jüngster Vergangenheit bekannt verwendet.
Auch die Europäische Menschenrechtskonvention, die UNAnti-Rassismus-Konvention und die EU-Rasse-Richtlinie aus dem Jahr 2000 verzichten gerade nicht auf „Rasse“ als Rechtsbegriff, sondern verwenden ihn im Gegenteil als klares Bekenntnis gegen jede Form von Rassismus.
Mit dem Begriff „Rasse“ wird Rassismus benennbar und adressierbar, und er ist damit ein notwendiges Instrument, um Rassismus antidiskriminierungsrechtlich überhaupt angehen zu können.
Wolfgang Thierse, SPD, Germanist und ehemaliger Bundestagspräsident, sagte zum Thema im Deutschlandfunk – ich zitiere –: Man soll sich nichts vormachen. Die Tilgung eines Begriffs erledigt nicht die Aufgabe. –
Meine Damen und Herren, wir sollten uns dringend davor hüten, die politische Diskussion auf diskriminierende Kampfbegriffe zu reduzieren. Nicht jeder, der das Fehlverhalten von Minderheiten kritisiert, ist ein Rassist. Nicht jeder, der den politischen Islam kritisiert, ist ein antiislamischer Rassist. Nicht jeder, der nicht bedingungslos der Energiewende folgt, ist ein Klimaleugner. Nicht jeder, der linke Ideologiepolitik kritisiert, ist ein Nazi, meine Damen und Herren.
Wir verlieren zunehmend die Fähigkeit, zu differenzieren, und führen hochbrisante Diskussionen kaum noch inhaltlich, sondern nur noch mit Totschlagbegriffen. Es stellt sich doch heute die Frage, ob man nun bei jeder sich bietenden Gelegenheit den Wortlaut der Verfassung aus Gründen des Zeitgeists oder als Zeichen einer wie auch immer gearteten Haltung ändern möchte oder ob daraus eine permanente Verfassungsdebatte entstehen soll.
Die Landesschülervertretung fordert bereits weitere Eingriffe, weil es sich bei unserer Landesverfassung angeblich um einen „verstaubten Gesetzestext“ handelt.
Unsere Auffassung wird auch von Professor Dr. Gregor Thüsing von der Universität Bonn gestützt, der im Juni 2020 in der WELT wie folgt zitiert wird: „Wer nur den Wortlaut ändern will und nichts in der Sache, der betreibt bloße Gesetzgebungskosmetik. (...) Es ist also gerade das klare Bekenntnis des Grundgesetzes gegen den Rassismus, das droht, verloren zu gehen. Wichtiger, als die Rasse aus der Verfassung zu entfernen, ist es, den Rassismus aus unserer Gesellschaft zu entfernen.“
(Abg. Giorgina Kazungu-Haß, SPD: Fangen Sie bei sich an! – Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oder aus der AfD!)
Meine Damen und Herren, Rassismus liegt zum Beispiel dann vor, wenn ein Mensch mit einer anderen Hautfarbe als „Abkömmling eines Gorillas“ oder als „jüdischer Nigger“ bezeichnet wird. Wer so etwas behauptet, ist in der Tat
Wir haben damals den unreflektierten Marx-Kult kritisiert, der in der Aufstellung einer riesigen Marx-Statue in Trier gipfelte.
Die Debatte um die Änderung der Verfassung ist vollständig unnötig und wird selbst bei einer Änderung des Texts keinen einzigen Fall von Diskriminierung verhindern, meine Damen und Herren. Sie ist eine ideologische Symboldebatte ohne jede Wirkung.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Sprache kann ausgrenzen, verletzen, diskriminieren und rassistisch sein. Sprache ist Macht. Sie bestimmt unser Denken, sie bestimmt unser Handeln. Deshalb müssen wir unsere Worte verantwortungsvoll wählen und immer wieder unsere Sprache hinterfragen, erst recht, wenn diese Worte in unserer Verfassung stehen.
Das Wort „Rasse“ steht gleich zweimal in der rheinlandpfälzischen Landesverfassung. Dieser Begriff ist ein Überbleibsel aus Zeiten des Kolonialismus und der NSRassenideologie. Das Konzept der Rasse wurde konstruiert, um die Rechtfertigung für Rassismus zu schaffen. Es wurde genutzt, um eine angebliche Überlegenheit der Weißen zu konstruieren. Der Begriff „Rasse“ ist also in sich durchweg diskriminierend und wissenschaftlich nicht begründet. Umso schlimmer ist es, dass dieser Begriff gleich zweimal in unserer Landesverfassung steht.
Wir müssen nicht in die USA blicken, um zu erkennen, dass wir auch ein Problem mit strukturellem Rassismus haben. Noch mehr: Wir haben auch ein Problem mit Rechtsterrorismus, weil wir natürlich auch die Entwicklung der letzten Jahre in Deutschland in den Blick nehmen müssen.
Was haben wir nämlich erlebt? Wir haben brennende Flüchtlingsheime erlebt, den Mord an Regierungspräsident Dr. Walter Lübcke, Anschläge gegen Synagogen, rechtsex
Was hat das mit Rassismus zu tun? Rassismus ist dem Rechtsterrorismus immanent. Der extremen rechten Ideologie ist er das Kernelement. Deswegen müssen wir auch aufgrund der Entwicklung, die wir hier erleben, ein gemeinsames Zeichen gegen Rassismus setzen. Deswegen muss der Begriff der Rasse aus der Verfassung verschwinden.
Deshalb haben wir als Grüne diese Debatte angestoßen. Wir wollen darüber diskutieren, und das machen wir, und wir freuen uns sehr, dass wir einen Austausch mit den anderen demokratischen Fraktionen finden und wirklich konstruktiv darüber sprechen wollen, wie wir diesen Begriff nicht nur verschwinden lassen, sondern auch klug ersetzen können.
Noch einmal zum Mitschreiben: Niemand hat die ersatzlose Streichung des Begriffs gefordert. Gemeinsam mit dem Wissenschaftlichen Dienst des Landtags können wir auf dieser Grundlage dann befinden, welche neuen Worte wir wählen können.
Ich finde, die grüne Bundestagsfraktion hat hier schon einen hervorragenden Vorschlag für das Grundgesetz gemacht. Da wird nicht nur der Begriff der Rasse durch neue Worte ersetzt, sondern darin wird auch der Staat aktiv verpflichtet, sich gegen Diskriminierung einzusetzen. Es wird also ein aktives Handeln eingefordert. Solch eine Formulierung zu finden, wäre auch sinnvoll für die rheinlandpfälzische Landesverfassung.
Wenn das Wort „Rasse“ aus der Verfassung verschwindet, verschwindet aber noch nicht der Rassismus. Ich wollte, es wäre so einfach. Nein, Rassismus ist ein strukturelles Problem unserer Gesellschaft. Wir alle haben Vorurteile im Kopf. Wir alle haben Vorurteile und Bilder im Kopf. Niemand ist davon frei. Wir müssen Rassismus aktiv verlernen.