Protokoll der Sitzung vom 15.09.2016

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Besucherinnen und Besucher! Herr Kollege Köbler hat es schon ausgeführt. Wir haben eine starke Wirtschaft in Deutschland, eine niedrige Arbeitslosenquote, hohe Exporte, aber unsere Bevölkerung schrumpft.

Wir haben oft gehört, in vielen Debatten auch, der demografische Wandel ist nicht nur eine Worthülse, sondern in vielen Teilen von Rheinland-Pfalz schon Realität. Deswegen wird es in Zukunft wichtig sein, heute schon die Fachkräfte der Zukunft zu gewinnen. Auch heute schon.

Wir sehen immer wieder die Reporte, es bleiben viele Ausbildungsstellen unbesetzt. Es kann so gemeinsam nicht unser Ziel sein. Deshalb müssen wir uns gemeinsam anstrengen und dafür sorgen, dass auch in Zukunft genügend Arbeitskräfte vorhanden sind. Auch Herr Kessel hat es schon erwähnt. Es sind verschiedene Bausteine, die wir dazu benötigen. Es ist erst einmal wichtig, das inländische Fachkräftepotenzial so hervorzubringen, wie es da ist.

Es gibt viele Frauen – die haben Sie nicht genannt –, die mehr arbeiten wollen, die gut ausgebildet sind. Da sind wir dabei, die Betreuung so zu gestalten, dass das auch möglich ist.

Es gibt viele junge Menschen, die leider keine Ausbildung bekommen, keine Ausbildung machen. Es gibt verschiedene Gründe dafür. Da ist es wichtig, dass wir uns darum bemühen, dass diese noch eine Ausbildung erlangen und auch so einen guten Weg in den Arbeitsmarkt und in die Rente finden.

Aber auch ältere Arbeitnehmer, Arbeitslose gehören zu diesen Bausteinen dazu.

Aber das Puzzle ist noch nicht fertig, weil auch die, die wir dadurch akquirieren können, nicht reichen, um die Lücke zu schließen. Deswegen ist es wichtig, das zu machen, was wir heute schon tun, auch viele aus dem EU-Ausland anzuwerben. Freizügigkeit gibt uns da gute Möglichkeiten. Aber wir brauchen eben auch die Einwanderinnen und Einwanderer aus Drittstaaten. Es gibt heute schon Regelungen, allerdings ziemlich unübersichtlich.

In vielen Gesprächen mit auch kleineren Unternehmern, aber auch Krankenhäusern und Pflege wurde deutlich, dass gar nicht so ganz genau klar ist, wie man das Ganze angeht. Es gibt viele Verwirrungen, 50 verschiedene Aufenthaltstitel. Von daher fände ich es wichtig – das finden auch viele Betroffene wichtig, sowohl die, die kommen wollen, als auch die Unternehmen, die Menschen integrieren wollen –, dass diese verschiedenen Regelungen in einem Einwanderungsgesetz gebündelt werden.

Wir haben das Integrationsgesetz. Es ist ein Baustein, aber der andere Baustein wäre eben ein Einwanderungsgesetz, das klarmacht, wir sind weltoffen, wir sind schon ein Einwanderungsland, aber wir möchten uns bemühen – im Moment haben wir nach OECD Platz 2 der Zuwanderung –, auch noch besser zu werden, weil wir es eben brauchen, nicht nur, um für die Unternehmen Fachkräfte zu gewinnen, sondern auch die Sozialsicherungssysteme so auszustatten, dass auch unsere Kinder noch gut versorgt sind.

Herr Kessel, Sie haben es gesagt, dass noch kein Konzept vorliegt. Aber ich glaube, damals gab es auch die Süssmuth-Kommission. Es wird wichtig sein, lange und breit darüber zu sprechen.

Die Zuwanderung braucht einen gesellschaftlichen Konsens. Wir müssen darüber reden, wie man die Menschen nicht nur in den Betrieb holen kann. Wir haben im Betrieb gute Möglichkeiten zu integrieren. Wie kriegt man die Menschen auch in die Gesellschaft? Wie schafft man eine Zukunftsperspektive? – Es ist natürlich auch mit einem Aufwand für Unternehmen verbunden, die Menschen hierher zu holen. Deswegen wird es erst einmal wichtig sein, die Weichen zu stellen und mit Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften, Kammern ins Gespräch zu kommen und erst einmal Eckpunkte zu formulieren, was die Betroffenen möchten, was die Erfahrungen sind, die wir haben, und die können wir dann gemeinsam in einen Entwurf münden lassen.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr guter Vorschlag!)

Ich glaube, es ist wichtig, dass wir so vorgehen und natürlich nicht schnell, schnell, auch wenn wir es schon dringend bräuchten.

(Beifall des Abg. Alexander Schweitzer, SPD)

Aber ich glaube, es ist Umsicht dabei geboten, weil es eben auch viele Ängste in der Bevölkerung gibt: Es kommen Menschen zu uns, kommen zu viele Menschen zu uns. Aber ich glaube, wenn wir gemeinsam daran arbeiten und zeigen, wie bunt unsere Gesellschaft jetzt schon ist, und dass es auch gut ist und es eine Bereicherung ist, dann können wir gemeinsam ein gutes, nachhaltiges und fortschrittliches Einwanderungsgesetz vorlegen.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr guter Beitrag!)

Ich möchte auch noch einmal formulieren, dass es wichtig sein wird, Gesetze oder Regelungen wie Mindestlohn, Tarifbindung darin einfließen zu lassen, damit eben die, die zu uns kommen, dann nicht unter schlechteren Bedingungen arbeiten müssen und so das gesamte System ausgehöhlt wird. Das wird ein Wichtiges sein, aber auch Zukunftsperspektiven für die ganze Familie. Die Menschen, die zu kommen, bleiben im Idealfall auch länger hier, und da brauchen die Familien Zukunftschancen, Kita-Plätze, Jobs für Partnerinnen und Partner, aber auch klare Zuzugskriterien, die sozial verträglich sind.

Wichtig ist sicherlich auch, in diesem Zuge endlich einmal die Anerkennung ausländischer Abschlüsse zu vereinfachen. Es gibt viele Menschen in Deutschland, die weit unter ihrer Qualifikation arbeiten, weil es schwierig ist, sie anzuerkennen. Das muss im Zuge eines solchen Gesetzes auch möglich sein.

Außerdem ist es wichtig, auch ausländische Studierende zu akquirieren. Ich denke, es gibt viele weitere Beispiele und Regelungen, die in ein Einwanderungsgesetz fließen können.

Wir begrüßen die Bundesratsinitiative und finden, Einwanderung kann deutlich einen Gewinn darstellen.

(Glocke des Präsidenten)

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat nun Herr Dr. Bollinger von der Fraktion der AfD.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kollegen, liebe Gäste! Die Initiative der Landesregierung, sich über den Bundesrat für ein Einwanderungsgesetz einzusetzen, ist bemerkenswert. Da ist zunächst die Begründung, dass Arbeitsmigranten ins Asylsystem ausweichen müssten. Damit wird eigentlich schon eingestanden, dass ein großer Teil der sogenannten Flüchtlinge eigentlich keinen Anspruch auf Asyl nach unserem Grundgesetz hat und unser Asylsystem für Einwanderung aus wirtschaftlichen Gründen missbraucht wird.

(Beifall der AfD)

Asyl als Schutz vor politischer Verfolgung, die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen und Einwanderung aus wirtschaftlichen Gründen sind aber grundverschiedene Tatbestände, die auch unterschiedlich zu behandeln sind, eine richtige und sehr verspätete Einsicht der Landesregierung, die wir schon vertraten, bevor die Flüchtlingskrise eskalierte. Dafür wurden wir als Fremdenfeinde, Rassisten etc. gebrandmarkt, besonders von den Günen.

Nach dem Chaos, das uns die illegale Zuwanderung der letzten Jahre gebracht hat, fordert Frau Spiegel jetzt ein Einwanderungsgesetz. Wir als AfD fordern das, ein Einwanderungsgesetz, schon seit der Gründung der AfD im Frühjahr 2013,

(Zuruf von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und zwar als Einwanderungsgesetz nach dem kanadischen Vorbild, das über ein Punktesystem die Zuwanderung von Arbeitskräften am hiesigen Bedarf ausrichtet. Und auch dafür sind wir natürlich attackiert worden.

Wie dringend erforderlich das ist, also eine solche Steuerung der Zuwanderung, zeigt die Antwort der Landesregierung auf unsere Anfrage zum Bezug von Arbeitslosengeld II, Hartz IV, durch ausländische Staatsbürger in RheinlandPfalz.

Demnach waren im April 2016 mehr als 28 % der erwerbsfähigen ALG-II-Bezieher in Rheinland-Pfalz ausländische Staatsbürger, das heißt, der Anteil an den Sozialleistungsbeziehern ist dreimal so hoch wie an der Bevölkerung insgesamt. Nur 5 % der ausländischen SGB-II-Bezieher hatten vorher ALG I bezogen, waren also erwerbstätig, bevor sie arbeitslos wurden. Die anderen lebten schon länger von Hartz IV.

Und die Millioneneinwanderung nach Merkels Grenzöffnungsdirektive im Spätsommer 2015 spiegelt sich in diesen Zahlen noch gar nicht wider; denn bis zum April 2016 waren die meisten der im Herbst und Winter 2015/16 ins Land geströmten Migranten noch im Asylaufnahmesystem. Erst nach und nach rutschen diese Einwanderer aus dem Asylbewerberleistungssystem ins reguläre Sozialsystem.

Die Einschätzungen zu den Arbeitsmarktchancen der betreffenden Personen sind mittlerweile pessimistisch, nachdem man sie der Öffentlichkeit zunächst als Lösung unserer wirtschaftlichen und demografischen Probleme verkaufen wollte.

(Beifall der AfD)

So musste die Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, SPD, schon im September 2015 zugestehen, dass weniger als 10 % dieser Migranten über entsprechende Qualifikationen verfügen, um sie kurzfristig auf dem Arbeitsmarkt einsetzen zu können, und die anderen in die Sozialsysteme fallen werden. Da war Frau Nahles weiter als ihre Kollegin in Rheinland-Pfalz. Entsprechend hat sich kürzlich auch Frank Weise, der Chef der Bundesagentur für Arbeit, geäußert.

Und auch unsere demografischen Probleme können wir nicht auf diesem Weg lösen. Das Arbeitskräftepotenzial lässt sich nicht dauerhaft durch Zuwanderung erhalten, wie das Statistische Landesamt für Rheinland-Pfalz erst kürzlich dargestellt hat.

Eine klare Trennung von Asyl und Einwanderung sowie eine Begrenzung und Steuerung der Einwanderung nach deutschen Interessen sind also notwendig im Interesse des Gemeinwohls und lange überfällig.

(Beifall der AfD)

Eine Regelung, die sich in diesem Sinne am kanadischen Modell orientiert, würde unsere Zustimmung finden.

Angesichts der Rede des Herrn Kollegen Köbler und der bisherigen Verlautbarungen der Landesregierung habe ich allerdings die dringende Befürchtung, dass Sie mit Ihrer Bundesratsinitiative im Sinne Ihrer Ideologie vom multikulturell bereicherten Einwanderungsland Deutschland einfach nur illegale Einwanderung legalisieren und dem Kind somit einen anderen Namen geben wollen.

(Beifall der AfD – Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Haben Sie es gelesen?)

Liebe Kollegen, dafür sind wir natürlich nicht zu haben. Wir werden die Thematik in diesem Sinne kritisch und konstruktiv begleiten und uns weiter für eine gesetzliche Regelung zur Steuerung der Einwanderung nach deutschen Interessen einsetzen.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Als Nächste hat Frau Abgeordnete Becker von der Fraktion der FDP das Wort. – Bitte schön, Frau Becker.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste! Also manchmal bin ich schon wirklich erschrocken, Herr Dr. Bollinger, das muss ich wirklich sagen.

(Abg. Joachim Paul, AfD: Wieder einmal! – Weitere Zurufe von der AfD)

Sie sollten sich eigentlich einmal auf die Themen konzentrieren, um die es hier geht, und nicht immer eine Möglichkeit der Abweichung in Ihnen genehme und absolut unglaublich dargestellt – – –

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Genau darum geht es! Die Realität ist hart!)