Protokoll der Sitzung vom 23.11.2017

Für die Landesregierung hat Frau Staatsministerin BätzingLichtenthäler das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nun liegt er also vor, der von der CDU angekündigte Gesetzentwurf zur LHO.

Meine Damen und Herren von der CDU, ich muss Ihnen leider sagen, dass ich Ihren Entwurf für in sich nicht schlüssig halte, mit Bundesrecht nicht vereinbar, und er ist aus sozialpolitischer Sicht in die völlig falsche Richtung gehend. Außerdem kommt der Gesetzentwurf schlicht zu spät; denn die Debatte ist bereits viel weiter fortgeschritten, als Sie hier suggerieren.

Ich komme zunächst zur Schlüssigkeit Ihres Gesetzentwurfs. Sie haben angekündigt, dass Sie ein Prüfrecht für den Landesrechnungshof bei den Werkstätten erreichen wollen.

Lieber Herr Weiland, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, das erreichen Sie mit diesem Gesetzentwurf nicht; denn Sie formulieren – ich darf mit Genehmigung des Präsidenten zitieren –: „Soweit dem Land auf Grund von Rechtsvorschriften oder Verträgen im Zusammenhang mit dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch sowie dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch Prüfungsrechte gegenüber Dritten zustehen, können diese durch den Rechnungshof (...) wahrgenommen werden.“

Das heißt also, dass Sie immer dort, wo es Prüfrechte aus Gesetz oder Vertrag gibt, dem Landesrechnungshof die Prüfungsmöglichkeit einräumen möchten. Was bedeutet das dann in der Praxis?

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Keine Ahnung! – Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Ich bin gleich noch einmal dran!)

Nach aktueller Rechtslage gibt es für die Werkstätten ein in einer Rechtsverordnung geregeltes anlassbezogenes Prüfrecht und nicht ein Recht auf anlassunabhängige Prüfung. Das war schon häufig Gegenstand der Debatte. Somit stünde dem Landesrechnungshof nach aktueller Rechtslage nur ein anlassbezogenes Prüfrecht gegenüber den Werkstätten zu.

Meine Damen und Herren, mit Verlaub, im Lichte Ihrer mehrfach geäußerten Kritik am Vorgehen der Landesregierung halte ich dann diesen Entwurf für inkonsequent. Ja, Ihr Gesetzentwurf widerspricht Ihren öffentlich gemachten Forderungen.

Aber auch mit Blick auf die künftige Rechtslage ab 2018 und die dann geltenden bundesgesetzlichen Regelungen ergeben sich bei Ihrem Gesetzentwurf weitere Fragen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich bin mir sicher, Sie kennen den § 128 SGB IX neue Fassung. Dieser normiert das bundesgesetzlich anlassbezogene Prüfrecht für den Träger der Eingliederungshilfe.

Für Ihren Gesetzentwurf, der die Prüfrechte des Landesrechnungshofs an bestehende Rechtsvorschriften koppelt, bedeutet das, dass Sie dem Landesrechnungshof ab 1. Januar 2018 nicht nur für die 36 Werkstätten ein Prüfrecht einräumen, sondern für die gesamte Eingliederungshilfe.

Ein Blick in den § 128 SGB IX zeigt, dass er für alle Leistungsangebote gilt. Damit entstehen allein aus dieser Regelung 500 Prüfmöglichkeiten: über 400 Wohnangebote, integrative Kitas, Förderkitas, Tagesstätten und natürlich die Werkstätten, die Sie künftig alle vom Landesrechnungshof geprüft haben wollen.

(Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Können!)

Meine Damen und Herren, mit Ihrem Gesetzentwurf, der angeblich nur das Prüfrecht für die Werkstätten regeln sollte, öffnen Sie hier die Tür für die Prüfung der gesamten Eingliederungshilfe.

(Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Ja und?)

Das führt mich dann schon zu der Frage: Ist Ihnen hier nur ein Fehler mit weitreichenden Folgen unterlaufen, weil Sie vielleicht das Bundesrecht nicht kannten, oder wollen Sie nicht vielleicht in Wirklichkeit doch durch die Hintertür dem Landesrechnungshof ein Prüfrecht für die gesamte Eingliederungshilfe einräumen?

(Abg. Hedi Thelen, CDU: Sie sollten den Paragrafen lesen!)

Ja, ich habe ihn gut gelesen, sehr geehrte Frau Thelen. Wir haben heute schon häufiger Paragrafenauslegung betrieben.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Heiterkeit des Abg. Alexander Schweitzer, SPD)

Meine Damen und Herren, Sie sehen, Ihr Gesetzentwurf ist in sich nicht schlüssig und verfehlt auch Ihre eigenen selbst genannten Ziele. Der Gesetzentwurf verwundert auch, insbesondere dort, wo es eine Aussage zu den Kosten gibt, meine Damen und Herren. Weil Herr Weiland vorhin so gelacht hat an der Stelle,

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Eine Frohnatur!)

möchte ich sagen, ich kann mir nicht vorstellen, dass der Landesrechnungshof diese Prüfung zum Nulltarif durchführt. Sie haben auf Schleswig-Holstein verwiesen. Dann fragen Sie einmal nach, wie viele Stellen der Landesrechnungshof allein dort aufgebaut hat.

(Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Die spart man dann beim Landesamt für Soziales ein! – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Was war das denn? Sie schreien so laut, dass jetzt die Bundeswehr kommt!)

Das sind Kosten, die entstehen.

Meine Damen und Herren, hinzu kommt noch, dass Ihr Gesetzentwurf zu spät kommt; denn die Debatte ist längst weiter, als Sie das suggerieren. Ich habe vorhin den § 128 SGB IX erwähnt. Dieser § 128 ermächtigt die Länder, ein über die Bundesregelung hinausgehendes anlassunabhängiges Prüfrecht zu formulieren. Ich habe bereits im Sommer deutlich gemacht, dass wir in Rheinland-Pfalz von dieser Ermächtigung als eines der ersten Bundesländer Gebrauch machen werden. Sie können das nachlesen in Berichten des Südwestrundfunks vom 23. August, in der Allgemeinen Zeitung vom 24. August oder 2. September.

Das heißt, wir werden im Rahmen des sich derzeit in der Erarbeitung befindlichen Ausführungsgesetzes zum Bundesteilhabegesetz einen Regelungsvorschlag erarbeiten und dabei nicht nur ein Prüfrecht, sondern im Sinne der Regelprüfung sogar eine Prüfpflicht des Trägers der Eingliederungshilfe formulieren. Wir werden in Rheinland-Pfalz ein anlassbezogenes und anlassunabhängiges Prüfrecht bzw. eine Prüfpflicht des Trägers der Eingliederungshilfe für die gesamte Eingliederungshilfe formulieren und es auch umsetzen.

(Beifall der SPD, bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir nehmen dabei auch die Interessen der Werkstätten wahr, räumen Missverständnisse aus und lassen erweiterte Prüfmöglichkeiten zu. Trotz aller Notwendigkeiten der erweiterten Prüfmöglichkeiten müssen wir alle in dieser Debatte aufpassen, dass dadurch in der Öffentlichkeit nicht der Eindruck erweckt wird, dass die Werkstätten Steuermittel verschwendeten oder diese nicht zielführend bei den Menschen mit Behinderung ankämen. Hier haben wir alle eine Verantwortung in dieser Debatte.

(Beifall der SPD, vereinzelt bei der FDP und des Abg. Andreas Hartenfels, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich stelle Konsens an der Stelle fest, dass wir uns einig sind, die Prüfmöglichkeiten erweitern zu müssen. Das wird auf jeden Fall im Rahmen des Ausführungsgesetzes zum Bundesteilhabegesetz erfolgen, natürlich im Hinblick auf die bundesgesetzlichen Vorgaben; denn diese sehen die Rahmenvereinbarung vor oder eine entsprechende Rechtsverordnung, die die Grundsätze, die Inhalte und das Verfahren der Prüfung definieren.

Meine Damen und Herren, ich gehe heute davon aus, dass Anfang 2018 das förmliche Gesetzgebungsverfahren zum Ausführungsgesetz BTHG erfolgen wird. Hier wird – das habe ich angekündigt – ein Vorschlag zum anlassunabhängigen Prüfrecht enthalten sein. Von daher erscheint es mir sinnvoll, dass wir im Rahmen unserer Beratung zum AG BTHG ihren Gesetzentwurf mit in den Blick nehmen.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aufgrund der längeren Redezeit der Landesregierung steht allen Fraktionen noch eine zusätzliche Redezeit von drei Minuten zur Verfügung. Die CDU-Fraktion hatte noch knapp zwei Minuten restliche Redezeit, also insgesamt noch fünf Minuten, die AfD-Fraktion hatte auch noch knapp zwei Minuten Restredezeit, somit auch noch knapp fünf Minuten Redezeit.

Ich erteile dem Abgeordnetenkollegen Herrn Dr. Weiland von der CDU-Fraktion das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Einer der Vorredner hatte im Zusammenhang mit der Einbringung unseres Gesetzentwurfs von „Schnellschuss“ gesprochen. Wenn von der ersten Diskussion eines solchen Vorhabens bis zur Einbringung hier zwei bis zweieinhalb Jahre vergehen und man dann über diese zweieinhalb Jahre als Schnellschuss spricht, hat man entweder eine etwas merkwürdige Zeitvorstellung oder vom Sachverhalt keine Ahnung.

(Beifall der CDU)

Einige Vorredner fühlten sich bemüßigt, aus taktischen Gründen so zu tun, als müssten sie den Rechnungshof vor unserem Gesetzentwurf in Schutz nehmen. Denen sage ich, der Text dieses Gesetzentwurfs ist kein Text der CDU-Fraktion, sondern ein Text aller Fraktionen in diesem Haus, der auf Bitten aller Fraktionen in diesem Haus vom Rechnungshof so formuliert wurde, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU – Abg. Martin Brandl, CDU: Aha!)

Der vorliegende Gesetzentwurf ist kein Gesetzentwurf der

CDU, die CDU hat sich aber gezwungen gefühlt, diesen Gesetzentwurf mit diesem Text aller Fraktionen hier einzubringen, weil sich die SPD-Fraktion plötzlich der Vereinbarung entzogen hat, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da das Ganze auf eine Formulierung und einen Wunsch des Rechnungshofs in der Rechnungsprüfungskommission zurückgeht, der von allen Fraktionen dieses Hauses mit Zustimmung entgegengenommen worden ist, braucht hier niemand den Rechnungshof vor sich selbst in Schutz zu nehmen, meine Damen und Herren.

(Beifall der CDU – Heiterkeit des Abg. Uwe Junge, AfD)

Was die Ministerin hier vorgetragen hat – die Ministerin war nie in der Rechnungsprüfungskommission zu diesem Punkt; das sind Ministerinnen und Minister üblicherweise nicht, weil sie dort, wie das in Ordnung ist, von ihren Staatssekretärinnen und Staatssekretären vertreten werden –, deckt sich mit dem, was das Ministerium in der Rechnungsprüfungskommission seit mindestens zwei Jahren vorträgt, nämlich mauern, vernebeln und ablenken, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall der CDU)

Ablenken von dem Sachverhalt, dass das Ministerium bisher eine eigene Kontrolle nicht auf die Beine stellen konnte. Das, was Sie sagen, ist wie in vielen anderen Bereichen bei dieser Landesregierung.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Wie beim MDK!)

Warum soll sich das hier unterscheiden?

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Genau! Kontinuität!)

Nur hier geht es um 200 bis 250 Millionen Euro. Da ist es doch eine schiere Selbstverständlichkeit, dass wir als Parlament den Rechnungshof, der uns als Parlamentarier bei der Haushaltskontrolle unterstützen soll, bitten, hier Prüfmöglichkeiten, die wir ihm einräumen, auch wahrzunehmen. Das ist doch eine schiere Selbstverständlichkeit, auch in der Verantwortung vor den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern.