Protokoll der Sitzung vom 23.06.2016

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die in der Bundesrepublik von vielen Seiten der Polizei geforderte Aus- und Aufrüstung der Einsatzkräfte mit modernen Distanzwirkmitteln ist stets aktuell, insbesondere nach Polizeieinsätzen, die nicht gut verlaufen sind, also vor allem dann, wenn der Einsatz von Schusswaffen zwar gerechtfertigt war, allerdings beim polizeilichen Gegenüber zum Tode geführt hat.

Politiker verweisen dann gerne auf die Vorschriften für Polizeieinsätze und die guten Statistiken, die eindeutig belegen, dass bundesweit der Einsatz der Schusswaffe seitens der Polizei in den letzten Jahren zurückgegangen ist.

Diesen genannten Statistiken stehen allerdings diejenigen gegenüber, meine Damen und Herren, welche die Zunahme der Gewalt widerspiegeln, bei denen die Verletzungen der Einsatzkräfte und der polizeilichen Gegenüber festgehalten und zur Anzeige gebracht werden.

Überall dort, wo diese Statistiken erstellt werden, ist eines festzustellen: Die Vorfälle nehmen zu; dies insbesondere dort, wo Einsatzkräfte Streit schlichten oder Kontrollen durchführen sollen.

Die FDP-Fraktion hält es deshalb für sinnvoll, über neue Einsatzmittel zu diskutieren, und steht diesem Thema für die Beratung im Ausschuss positiv gegenüber. Meine Damen und Herren, welche Einsatzmittel genau sinnvoll sind, ist zu überprüfen und abzuwägen. Wir möchten also die Prüfung neben dem Taser auch auf andere Distanzeinsatzmittel ausdehnen.

(Vizepräsident Hans-Josef Bracht übernimmt den Vorsitz)

Die Überweisung an den Ausschuss und die Durchführung einer Anhörung halten wir in diesem Zusammenhang für sinnvoll und stimmen ihr zu.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Becker von der Fraktion der FDP. – Als Nächste hat sich Frau Abgeordnete Schellhammer von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu Wort gemeldet. Bitte schön, Frau Schellhammer.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Auch für uns Grüne ist es ein besonders wichtiges Anliegen, dass die Polizistinnen und Polizisten in Rheinland-Pfalz gute Arbeitsbedingungen vorfinden, um verantwortungsvoll mit dem staatlichen Gewaltmonopol umgehen zu können. Selbstverständlich hängt damit auch zusammen, welche Möglichkeiten des Selbstschutzes im Einsatz genutzt werden können und inwieweit tatsächlich der Waffengebrauch vermieden werden kann.

Zu diesem polizeipolitischen Ansatz gehört selbstverständlich, dass wir auch in regelmäßigen Abständen die Ausstattung der Polizei überprüfen. Allerdings sind insbesondere die Einsatzmittel, die zur Gewaltanwendung dienen, besonders zurückhaltend und sorgsam zu betrachten. Allein die Forderungen der Polizeigewerkschaften reichen noch nicht aus, um diese Einführung zu fordern, sondern sie müssen Anlass für eine tiefgreifende Abwägung sein.

Wir müssen uns in diesem Zusammenhang genau die Faktenbasis anschauen. Die CDU argumentiert in ihrem Antrag mit Übergriffen gegen die Polizei. Da frage ich: In wie vielen dieser Einsätze hätten tatsächlich Taser dazu geführt, dass kein Schusswaffengebrauch notwendig gewesen wäre? Ist das eine zufällige Häufung oder lässt sich hier ein Trend erkennen?

Sie führen in Ihrem Antrag auch aus, dass es durch die Einführung von Tasern zu einem großen Erfolg in anderen europäischen Ländern gekommen sei. Wie bemessen Sie einen großen Erfolg? Ist der Schusswaffengebrauch und die Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten tatsächlich zurückgegangen? Haben diese Zahlen auch unabhängige Stellen erhoben? Wer also von einem großen Erfolg spricht, muss diesen auch verifizieren können.

Ein weiterer wichtiger Aspekt neben der Forderung der Polizeigewerkschaften ist aber auch die Rückmeldung von Dritten, zum Beispiel von Menschenrechtsorganisationen. Wie bewerten diese den Einsatz von Tasern?

Amnesty International hat sich zum Beispiel intensiv mit der Frage der Taser auseinandergesetzt und dabei auch bemerkenswerte Gegenargumente hervorgebracht, die wir im Zuge der Ausschussberatung sicherlich auch abwägen müssen.

Der Einsatz von Tasern kann zum Tod führen. In den USA sind von 2001 bis 2008 334 Menschen beim Einsatz von Tasern getötet worden. Außerdem besteht durch Widerhaken, die bei bestimmten Elektroimpulsgeräten verwendet werden, die Möglichkeit der Erblindung.

Darüber hinaus muss man auch über die Frage des Missbrauchrisikos und einer niedrigen Hemmschwelle beim Einsatz sprechen. Es ist auch nicht nachweisbar, wann der Taser eingesetzt wurde, wenn diese nicht einmal mit einem Datenchip versehen werden.

Ein besonderes Risiko besteht, wenn der Einsatz bei Herzkranken oder bei Menschen mit Alkohol- und Drogenmissbrauch erfolgt. Dann ist ein erhöhtes Risiko durch die Elektroimpulse zu verzeichnen.

Amnesty International kommt daher zum Schluss, dass ein Taser höchstens anstatt einer Schusswaffe eingesetzt werden könnte. Das heißt tatsächlich, ein Lückenschluss zwischen Pfefferspray und Waffe wird von Amnesty International in seiner Argumentation nicht dargestellt.

Ich komme zu der Schlussfolgerung, die wir daraus ziehen: Wir Grüne stehen der ergebnisoffenen Prüfung offen gegenüber. Ich finde es gut, dass wir uns in aller Sachlichkeit auf der Faktengrundlage damit auseinandersetzen, weil ich finde, es ist ein verantwortungsvoller Umgang, die Ausstattung der Polizei immer wieder zu überprüfen.

Ich finde allerdings die Argumentation, die bislang im Antrag der CDU vorgetragen wurde, etwas dürftig. Ich habe anhand meiner Fragen dargelegt, welche offenen Fragen sich noch stellen.

Wir stehen als Grünen-Fraktion einer Abwägung der Argumente im Ausschuss offen gegenüber. Da kann uns sicherlich auch die Arbeitsgruppe des Innenministeriums hilfreiche Informationen liefern. Für uns ist aber wichtig, dass bei der Abwägung – es geht um eine Waffe – nicht nur die Expertise der Polizistinnen und Polizisten, sondern auch unabhängig erhobene Fakten und Erfahrungsberichte Dritter zum Tragen kommen; denn das staatliche Gewaltmonopol erfordert eine sorgsame und zurückhaltende Abwägung. Wir wollen diesem Rechnung tragen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schellhammer. – Nun hat der Minister das Wort. Herr Minister Lewentz, bitte schön. Sie sprechen für die Landesregierung.

Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben uns im Rahmen der Innenministerkonferenz im Saarland in der vergangenen Woche auch sehr intensiv mit diesem – ich bleibe bei dem landläufigen Begriff – Taser beschäftigt. Es gibt keine großen und breiten Erfahrungen in der deutschen Polizei, aber wir wollen uns alle auf den Weg machen zu prüfen, ob dieses Distanzwirkmittel die Lücke zwischen dem Pfefferspray und dem Schlagstock einerseits und der Pistole andererseits füllen kann.

Da gilt es natürlich, sozusagen beide Seiten zu betrachten, nämlich auf der einen Seite die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten und deren berechtigter Anspruch auf Selbstschutz, aber auch, ein Instrument, eine Waffe in die Hand zu bekommen, um am Schluss nicht einen finalen Todesschuss abgeben zu müssen. Auf der anderen Seite besteht natürlich genauso das Interesse, dass derjenige oder diejenige, der bzw. die gestoppt werden muss, vielleicht mit einem Mittel angegangen werden kann, das genau zwischen Pfefferspray und Schlagstock sowie der Pistole liegt. Deswegen glauben wir, man muss in diesem Sinne, wie Sie alle gesagt haben, liebe Vorrednerinnen und Vorredner, sehr vorurteilsfrei mit einer gründlichen Re

cherche an diese Frage herangehen.

Lieber Matthias Lammert, auch die Gewerkschaften – du weißt, es hat durchaus einen langen Diskussionsprozess gebraucht – sind jetzt bereit, lieber Wolfgang Schwarz, diesen Weg zu gehen und zu sagen, jawohl, lasst uns mal in die Erprobung einsteigen, um diese Erkenntnisgewinne zu bekommen.

Ich bin mit dem Inspekteur der Polizei einig, lieber Herr Schmitt, dass es ein guter Ansatz wäre, diese Erprobung bei der Polizeiinspektion in Trier durchzuführen. Das ist eine innerstädtische Inspektion, die den ganzen innerstädtischen, aber auch den Randbereich abgedeckt, sodass man die verschiedenen Möglichkeiten erproben könnte. Dann müssen wir intensiv miteinander besprechen, was die Auswertung der wissenschaftlichen Erkenntnisse, der gesellschaftspolitischen Dinge, die damit zusammenhängen, ergeben hat und was die Polizei selbst sagt.

Wir werden auf jeden Fall nicht planen, den Taser jedem Streifenbeamten und jeder Streifenbeamtin an die Hand zu geben, sondern eher eine Ausstattung pro Dienststelle vorsehen. Wenn die Voraussetzungen am Schluss erfüllt sind, kann man sagen: Es gibt ein solches Mittel. Es wäre angebracht, das an diesem Freitagabend, an diesem Samstagabend oder bei dieser voraussichtlichen Einsatzlage zum Einsatz zu bringen.

Meine Damen und Herren, ich will an der Stelle ausdrücklich sagen: Wir sehen das auch unter dem Aspekt des Eigenschutzes unserer Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. – Sie wissen, wir haben die Videoaufzeichnung in den Streifenwagen; wir haben die Schutzweste pro Polizeibeamtin und Polizeibeamten. Wir haben jetzt die Bodycam in der Erprobung. Wir werden als Nächstes – das sind die Ergebnisse der schrecklichen Terrorereignisse in Frankreich und Belgien – pro Streifenwagen Schutzwesten der Schutzklasse 4, die auch auf Mitteldistanz einen Waffenbeschuss aushalten, und pro Fahrzeug Schutzhelme einführen. Wir werden eine neue Maschinenpistole einführen müssen, die dann sozusagen für den schrecklichen Begriff der Waffengleichheit sorgt. Auch das tun wir, um die Schutzsituation unserer Beamtinnen und Beamten deutlich zu verbessern.

Die Landesregierung geht also sehr, sehr verantwortlich mit diesen Fragen um, so wie wir jetzt, alle Vorrednerinnen und Vorredner – das nehme ich auch für mich in Anspruch –, verantwortlich über die Frage des Tasereinsatzes gesprochen haben. Ich kann mich der Herangehensweise, die vorgeschlagen wurde, nur anschließen.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. Weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt liegen nicht mehr vor.

Wenn ich die Diskussion richtig verstanden habe, wird Ausschussüberweisung zur vertieften Erörterung beantragt.

Das ist der Fall. Dann darf ich um Abstimmung bitten. Wer der Ausschussüberweisung zustimmen möchte, und zwar federführend an den Innenausschuss, den bitte ich um das Handzeichen! – Das ist einstimmig der Fall. Damit ist der Antrag der Fraktion der CDU „Prüfung der Einführung eines neuen Einsatzmittels für den Streifendienst“ – Drucksache 17/139 – an den Innenausschuss zur vertieften Beratung überwiesen.

Wir kommen zu Punkt 10 der Tagesordnung:

Unsere Kinder müssen schwimmen lernen – Schwimmen können, kann Leben retten Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 17/140 –

Wer wird den Antrag begründen? – Herrn Abgeordneten Herber bitte ich an das Rednerpult. Sie begründen den Antrag für die Fraktion der CDU.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Frau Ministerpräsidentin in Abwesenheit, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sicherlich haben Sie sich alle intensiv mit unserem Antrag beschäftigt. Ich bin auch schon ganz gespannt auf Ihre Einlassungen, die später folgen werden. Lassen Sie mich vorher aber noch ein paar erklärende Worte los werden, um Ihnen unsere Gedanken bei dieser Sache näherzubringen.

Ich denke, es gibt mindestens zwei Kernursachen dafür, dass immer weniger Kinder schwimmen lernen. Als eine erste Tatsache können wir erkennen, dass es in unserem Rheinland-Pfalz immer weniger Schwimmbäder gibt, die für den Schwimmunterricht in Grundschulen überhaupt in einer räumlich zumutbaren Entfernung liegen. Vergleicht man zum Beispiel die vorhandenen Bäder in RheinlandPfalz zwischen der Sportstättenstatistik der Länder 2012 und einer Erhebung der Hochschule Koblenz 2015, dann wird man je nach berücksichtigter Fehlerquote zwischen 1 % und 3 % einen Rückgang von mindestens 9,6 % und im schlimmsten Fall von 21,5 % erkennen. Das bedeutet, dass im schlimmsten Fall zwischen den Jahren 2012 und 2015 83 Schwimmbäder geschlossen wurden.

Es ist übrigens oft nur noch dem Engagement unserer Ehrenamtlichen vor Ort zu verdanken, dass unsere verschuldeten Kommunen überhaupt noch die Schwimmbäder betreiben können und sie die Haushaltsansätze hierfür nicht von den Aufsichtsbehörden aus ihrem Haushalt herausgestrichen bekommen.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei der AfD)

Es ist aber egal, welche Fehlertoleranz man berücksichtigt und welche Zahlen man zugrunde legt, die Fachleute der Sportbünde, der Fachverbände, der DLRG und der Wasserwacht bestätigen, dass diese Rückwärtsentwicklung im Bereich der Infrastruktur einen großen negativen Effekt auf die Schwimmausbildung hat. Das erste Kernproblem ist also die immer schlechter werdende Infrastruktur im Bereich der Schwimmsportstätten. Wenn wir das beheben wollen, muss die Landesregierung den Kommunen im Bereich der

Sanierung und Erhaltung der Schwimmbäder unbedingt deutlicher unter die Arme greifen.

(Beifall der CDU)

Nicht zuletzt muss sie das mit einer spürbar verbesserten kommunalen Finanzausstattung tun.

Die zweite gewichtige Ursache ist, dass sich die Landesregierung auch beim Blick auf das eigentliche Schwimmenlernen entspannt zurücklehnt und die Ausbildung unserer Kinder den Vereinen und Ehrenamtlichen vor Ort überlässt. Lassen Sie mich das an einem Beispiel festmachen.

In einer Kleinen Anfrage aus dem Jahr 2012 wurde festgestellt, dass in zehn Grundschulen im Landkreis Kaiserslautern – das entspricht in etwa einem Drittel – aufgrund von personellen Engpässen im Lehrkörper überhaupt kein Schwimmunterricht stattfinden konnte. Sie werden jetzt vielleicht sagen: Na ja, es sind noch zwei Drittel übrig, die das könnten. – Sie könnten das, wenn sie denn ein Schwimmbad in ihrer Nähe hätten.