Protokoll der Sitzung vom 21.06.2018

Zum Brief der Arbeitsgemeinschaft der Schulelternbeiräte aus Mainz und Umgebung (ARGE-SEB) fragen wir die Landesregierung:

1. Welche Folgerungen bzw. Handlungsaufträge ergeben sich für die Landesregierung aus dem Schreiben der Schulelternbeiräte?

2. Wie beurteilt die Landesregierung die Zweifel der ARGE-SEB, dass der Personalbestand von Sozialarbeitern an Schulen in Rheinland-Pfalz weiterhin unzureichend ist?

3. Hält die Landesregierung die derzeitig zur Verfügung gestellten Mittel für Schulsozialarbeit, zur psychologischen Betreuung sowie für die verstärkte Betreuung von geflüchteten Kindern noch für ausreichend?

4. Inwieweit berücksichtigt die Landesregierung hinsichtlich der Zuteilung von Lehrerwochenstunden und Zuschüssen für Schulsozialarbeit noch die Sozialstruktur der Schülerschaft?

Für die Landesregierung antwortet Bildungsministerin Dr. Hubig.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal ist es so, Schule braucht Schulsozialarbeit. Schule braucht die Kooperation mit Jugendhilfe, und Schule braucht auch die Unterstützung anderer Professionen.

Schulsozialarbeit ist ein Angebot der Kinder- und Jugendhilfe und fällt in den Aufgabenbereich der Kommunen. So regelt es das Sozialgesetzbuch VIII.

Die Kommunen haben in den vergangenen Jahren dankenswerterweise die Schulsozialarbeit an den rheinlandpfälzischen Schulen weiter ausgebaut. Weil Schulsozialarbeit aber wichtig – sehr wichtig – ist, hat sich RheinlandPfalz schon früh bereit erklärt, die Kommunen nicht alleinzulassen, sondern ihnen Fördermittel in erheblichem Umfang bereitzustellen.

Über die Jahre wurden die Mittel für Schulsozialarbeit immer weiter aufgestockt, um mehr und flächendeckend Schulsozialarbeit fördern zu können. Der Haushalt 2017/2018 des Landes sieht nochmals eine Steigerung um 2 Millionen Euro vor.

Heute stehen knapp 10 Millionen Euro zur Verfügung, 7 Millionen Euro für Schulsozialarbeit an allgemeinbildenden Schulen, die den Abschluss der Berufsreife anbieten, und 2,7 Millionen Euro für berufsbildende Schulen.

Das ist aber noch nicht alles. Hinzu kommen weitere 10 Millionen Euro, die für inklusiv-sozialintegrative Aufgaben über § 109 b Schulgesetz vom Land zur Verfügung gestellt und auch für Schulsozialarbeit verwendet werden, zum Beispiel an den Grundschulen oder an den Gymnasien.

Gestatten Sie mir, die Fragen 1 und 2 in einem Zusammenhang zu beantworten: Das Schreiben der Arbeitsgemeinschaft der Schulelternbeiräte an den Gymnasien und Integrierten Gesamtschulen in Mainz und Umgebung zeigt, dass Schulsozialarbeit unverzichtbar ist und der von uns eingeschlagene Weg, Schulsozialarbeit auszubauen, richtig ist.

Mehr Schulsozialarbeit ist wichtig. Genau deshalb haben die Regierungsfraktionen – ich habe es gerade erwähnt – die Mittel für Schulsozialarbeit deutlich erhöht. Wir haben das Landesprogramm gleichmäßig im Land weiterentwickelt. Das ist der richtige Weg. Diesen werden wir weitergehen.

Deshalb machen wir jetzt auch den nächsten Schritt mit Blick auf die Kitas. Mit dem neuen Kita-Zukunftsgesetz, das gerade in die Anhörung geht, fördern wir erstmals Kita-Sozialarbeit.

Zu Frage 3: Neben der Schulsozialarbeit gibt es eine Reihe weiterer Unterstützungsmaßnahmen, die ich kurz skizzieren möchte. Das sind erstens die Schulpsychologinnen und Schulpsychologen des Pädagogischen Landesinstituts. Auch hier haben wir die Stellen in dieser Legislaturperiode ausgebaut, und zwar von 55 auf 62 Stellen. Die 14 Schulpsychologischen Beratungszentren in RheinlandPfalz haben wir auch. Sie stehen Schulen ebenfalls für eine Beratung im Umgang mit besonders belasteten bzw. traumatisierten Schülerinnen und Schülern mit Fluchterfahrung zur Verfügung.

Wir haben drittens die Fortbildung. Das Pädagogische Landesinstitut unterstützt Lehrkräfte auch mit Blick auf Kinder und Jugendliche mit Fluchterfahrung oder herausforderndem Verhalten.

Im Jahr 2017 haben im Bereich Sprachförderung und Integration von Kindern mit Fluchterfahrung 150 Veranstaltungen mit knapp 2.200 Teilnehmerinnen und Teilnehmern stattgefunden.

Im Bereich Kommunikation, Kooperation, Teamarbeit und Beratung gab es 530 Veranstaltungen mit 4.430 Teilnehmenden. Im Hinblick auf die Themen Vielfalt, Heterogenität und Inklusion hat das Pädagogische Landesinstitut 521 Veranstaltungen mit knapp 5.000 Teilnehmenden angeboten sowie für den Bereich Prävention, soziales Lernen und

Gesundheit 248 Veranstaltungen mit 3.200 Teilnehmenden.

Viertens gibt es darüber hinaus ein pädagogisches Beratungssystem, auf das die Schulen zurückgreifen können. Wir haben insgesamt 324 qualifizierte Beratungskräfte. Sie haben fast 1.500 Lehrerwochenstunden als Gesamtkontingent. Allein im vergangenen Jahr haben sich 430 Schulen beraten lassen. Insgesamt haben wir fast 6.500 Beratungseinsätze gezählt.

Wir haben fünftens die 16 Förder- und Beratungszentren. Sie helfen den Schulen zum Beispiel beim Umgang mit Schülerinnen und Schülern mit herausforderndem Verhalten.

Wir haben sechstens Präventionsprogramme. Beispielhaft seien nur das Programm „Ich-du-wir“ und das gesundheitsfördernde Programm „MindMatters“ erwähnt, das Lehrkräfte in ihren Unterricht einbauen können. Bei diesem Programm geht es unter anderem um einen respektvollen Umgang miteinander, um das Bewältigen von persönlichen Krisen oder schwierigen Situationen, und zwar mit Blick auf alle an Schule Beteiligten.

Wir haben siebtens den Ganztag. In Ganztagsschulen findet eine intensive Kooperation mit pädagogischen Partnern statt, zum Beispiel aus Sportvereinen, Musikschulen oder der Jugendhilfe. Sie arbeiten zusammen als multiprofessionelle Teams.

Schließlich haben wir achtens, was die Betreuung geflüchteter Kinder anbelangt, neben den erwähnten Unterstützungsmaßnahmen natürlich auch die Sprachförderung in großem Umfang ausgebaut. Standen im Haushalt 2016 noch 26,2 Millionen Euro für schulische Sprachfördermaßnahmen zur Verfügung, so haben wir diese Mittel in den Haushaltsjahren 2017 und 2018 auf jeweils 31,6 Millionen Euro erhöht.

Um die Sprachfördermaßnahmen dauerhaft an Schulen zu verstetigen, werden im kommenden Schuljahr zusätzlich 40 Planstellen für alle Schularten zur Verfügung gestellt, also auch für die Gymnasien.

Zu Frage 4: Die Verteilung des Budgets für Schulsozialarbeit an den allgemeinbildenden Schulen berücksichtigt selbstverständlich auch die soziale Struktur. Alle Schulen mit dem Abschluss der Berufsreife erhalten zunächst eine Grundzuweisung von einer halben Stelle. Das restliche Budget wird nach der Zahl der 10- bis 16-Jährigen verteilt, die Leistungen nach dem SGB II erhalten.

Darüber hinaus wird die Sozialstruktur auch bei der Stundenzuweisung an die Schulen berücksichtigt. Natürlich wird der größere Anteil der Stunden auf der Grundlage von Schülerzahl und Klassenzahl vergeben. Aber es gibt einen weiteren Anteil von Stunden, die die Schulaufsicht den Grundschulen und den Realschulen plus mit Blick auf besondere Bedarfe zuweist, zum Beispiel mit Blick auf die Zusammensetzung der Schülerschaft.

Hierfür hat die Schulaufsicht in diesem Schuljahr jeweils rund 9.500 Stunden zur Verfügung gestellt. Dies entspricht bei den Realschulen plus ungefähr 350 Stellen und bei

den Grundschulen etwa 380 Stellen.

Natürlich werden auch die zusätzlichen Stunden für die Sprachförderung bedarfsorientiert und damit orientiert an den sozialen Notwendigkeiten verteilt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind in einem sehr guten und regelmäßigen Kontakt mit den Elternvertretungen. Ich bin dankbar für unseren konstruktiven Austausch. Wir nehmen die Sorgen der Eltern ernst. Deshalb haben wir die Schulsozialarbeit, die Schulpsychologie und vor allem auch die Sprachförderung in großem Umfang ausgebaut. Deshalb werden wir auch gemeinsam und weiter daran arbeiten, dass Rheinland-Pfalz ein gutes Bildungsland bleibt.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine Zusatzfrage der Kollegin Schneid.

Vielen Dank. – Frau Ministerin, inwieweit sehen Sie die Notwendigkeit, in Grundschulen generell und verstärkt die Schulsozialarbeit zu etablieren und vom Land zu finanzieren, dies vor dem Hintergrund, dass man sagt, man geht frühzeitig Probleme an, die man dann vielleicht schon für die weiterführenden Schulen regeln kann?

Frau Abgeordnete Schneid, wir haben bereits an mindestens über der Hälfte der Grundschulen Schulsozialarbeit. Wir fördern die Grundschulsozialarbeit an Grundschulen durch diesen Inklusionsfonds, wie er kurz heißt, diese 10 Millionen Euro, die ich schon erwähnt habe für integrativsozialpädagogische Maßnahmen. Das fördern wir.

Wir halten Schulsozialarbeit auch an den Grundschulen für wichtig. Das habe ich eben schon gesagt. Deshalb fördern wir das über diesen Inklusionsfonds.

Eine Zusatzfrage der Kollegin Brück.

Frau Ministerin, ich beziehe mich auf das Schreiben der ARGE-SEB. Darin steht etwas von anderen Bundesländern. Dazu meine Frage: Hat das Land Hessen tatsächlich 700 Stellen für Schulsozialarbeit zur Verfügung gestellt?

Frau Abgeodnete Brück, nein, das hat Hessen nicht. Das ist offenbar ein Missverständnis.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Was? Das gibt es doch nicht!)

Hessen hat 700 Stellen für sozialpädagogische Fachkräfte geschaffen. Das ist etwas anderes als ein Schulsozialarbeiter. Diese sozialpädagogischen Fachkräfte sollen bei der Hausaufgabenbetreuung helfen, beim Lesenlernen und bei der Leseförderung. Sie sollen quasi den Bereich der Unterrichtsversorgung ergänzen. Das ist aber keine Schulsozialarbeit.

Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Frisch.

Frau Ministerin, vielen Dank für Ihre Antwort. – Auf der einen Seite ist es schön, dass das Land immer mehr Geld in diesem Bereich investiert. Auf der anderen Seite muss man sich natürlich fragen, wohin diese Entwicklung führt.

Damit kommen wir zu den Ursachen. Wo würden Sie denn die Ursachen für den stetig wachsenden Bedarf an Schulsozialarbeit und Schulpsychologen sehen? Plant die Landesregierung Maßnahmen, um die eigentlichen Ursachen dieser Problematik anzugehen?

Herr Abgeordneter Frisch, ich glaube, die Ursachen sind vielfältig. Wenn ich in Schulen bin und mit Lehrerinnen und Lehrern sowie Schulleiterinnen und Schulleitern darüber diskutiere, höre ich, dass es vor allem die Heterogenität der Schülerschaft ist. Diese hat verschiedene Ursachen. Sie hat Ursachen im Elternhaus, sie hat Ursachen aufgrund von Zuzug, aufgrund von fehlenden Sprachkenntnissen. Das sind ganz verschiedene Ursachen.

Um aufgrund dieser Ursachen zu einer homogeneren Schülerschaft zu kommen, haben wir alle diese Maßnahmen. Dabei unterstützen wir die Schulen, die Lehrerinnen und Lehrer, denen es ein großes Anliegen ist, allen Schülerinnen und Schülern in Rheinland-Pfalz die gleichen Chancen und die gleichen Möglichkeiten nach ihren Kenntnissen und Fähigkeiten zu eröffnen.

Ich halte es für wichtig und richtig, dass wir in den vergangenen Jahren die Schulsozialarbeit, aber auch die Schulpsychologie so ausgebaut haben. Gerade die Schulpsychologinnen und Schulpsychologen sind in Krisensituationen erforderlich. Da gibt es ganz unterschiedliche Situationen. Wir haben vor zwei Wochen eine Situation an einer Schule in Mainz erlebt. Wir haben Krisensituationen, wenn es auf einmal Bedrohungslagen gibt, die sich vielleicht erst hinterher aufklären.

Wir haben Krisensituationen, wenn irgendwo ein Suizid im Kontext mit der Schule passiert. Gerade dafür sind Schulpsychologinnen und Schulpsychologen wichtig.

Ich glaube, das Verständnis dafür, was Schule an Unterstützung braucht, hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten sehr stark gewandelt. Ich halte es für richtig, dass