Protokoll der Sitzung vom 23.08.2018

Fragestunde – Drucksache 17/7050 –

Ich rufe die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Tanja Machalet, Kathrin Anklam-Trapp und Nico Steinbach (SPD), Ärztegenossenschaften in Rheinland-Pfalz – Nummer 1 der Drucksache 17/7050 – betreffend, auf.

Herr Kollege Steinbach trägt die Fragen vor.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Welche Rolle spielt die Genossenschaftsidee nach Ansicht der Landesregierung für die Sicherung der ärztlichen Versorgung?

2. Mit welchen Maßnahmen hat sich die Landesregierung für das Anliegen der MEDICUS Eifler Ärzte eG eingesetzt?

3. Mit welchen Maßnahmen wird die Landesregierung zukünftig die Neugründung von Ärztegenossenschaften unterstützen?

Für die Landesregierung antwortet Frau Gesundheitsministerin Bätzing-Lichtenthäler.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Tanja Machalet, Kathrin Anklam-Trapp und Nico Steinbach beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: In den ländlichen Regionen wird es zunehmend schwieriger, für altersbedingt ausscheidende Ärztinnen und Ärzte eine Nachfolge zu finden. Durch das Modell der Ärztegenossenschaften erhalten ältere Ärztinnen und Ärzte die Möglichkeit, ihre Praxen in die Genossenschaft

einzubringen und damit die Weiterbetreuung ihrer Patientinnen und Patienten zu sichern. Die Genossenschaft kann dann junge Ärztinnen und Ärzte anstellen.

Die Vorstellungen der Ärztinnen und Ärzte, die heute ihr Studium abschließen, unterscheiden sich grundlegend von denen früherer Ärztegenerationen. Die junge Ärztegeneration möchte nicht mehr als Einzelkämpfer in der eigenen Praxis arbeiten und sich für Jahrzehnte an einen Ort binden. Gefragt ist heute kooperative Berufsausübung, die einen kollegialen Austausch ermöglicht, eine Tätigkeit im Angestelltenverhältnis und die Möglichkeit, auch in Teilzeit arbeiten zu können.

Jungen Ärztinnen und Ärzten stehen heute neben der Niederlassung in der klassischen Einzel- oder Gemeinschaftspraxis vielfältige andere Beschäftigungsmöglichkeiten offen. Um sie für die ambulante Versorgung und hier insbesondere für eine Tätigkeit in ländlichen Regionen zu gewinnen, müssen wir stärker auf deren Bedürfnisse eingehen.

Medizinische Versorgungszentren entsprechen diesen Vorstellungen in besonderer Weise; allerdings mussten sich die Ärztinnen und Ärzte bisher entscheiden, ob sie dort als Angestellte arbeiten möchten und damit keine Möglichkeit der Mitgestaltung haben oder als Mitgesellschafter in eine MVZ GbR oder MVZ GmbH eintreten, was einen erheblichen Kapitaleinsatz und die Klärung zahlreicher rechtlicher Fragen erfordert. Das genossenschaftliche Prinzip bietet hier einen optimalen Kompromiss zwischen Freiberuflichkeit und Angestelltendasein. Durch den Kauf von Genossenschaftsanteilen können angestellte Ärztinnen und Ärzte Teilhaber des genossenschaftlichen Medizinischen Versorgungszentrums werden, bei den grundlegenden Entscheidungen ihres Medizinischen Versorgungszentrums mitbestimmen und vom wirtschaftlichen Erfolg ihrer Tätigkeit profitieren.

Junge und alte Ärztinnen und Ärzte können sich gleichermaßen beteiligen, aber auch Dritte wie Kommunen oder Krankenhäuser haben die Möglichkeit, Anteile zu zeichnen. Durch gleiche Stimmrechte, unabhängig von der Zahl der gezeichneten Genossenschaftsanteile, wird die dominierende Stellung Einzelner vermieden. Dies ist wichtig, um beispielsweise spätere Übernahmen gegen den Willen der Mehrheit der Mitglieder zu verhindern.

Ausscheidenden Genossenschaftsmitgliedern wird in der Regel lediglich das Geschäftsguthaben erstattet. Somit wird beim Ausscheiden einzelner Mitglieder die wirtschaftliche Stabilität der Genossenschaft nicht durch eine Bewertung der Anteile in Relation zu einer möglichen Unternehmenswertsteigerung gefährdet. Für die Aufnahme und das Ausscheiden von Mitgliedern ist keine notarielle Beurkundung erforderlich, was das Verfahren deutlich vereinfacht.

Zu Frage 2: Das größte Hindernis bei der Zulassung des Medizinischen Versorgungszentrums der MEDICUS Eifler Ärzte eG war bisher die ungeklärte Rechtsfrage, ob ein genossenschaftliches Medizinisches Versorgungszentrum eine selbstschuldnerische Bürgschaft oder andere Sicherheiten im Sinne des § 232 BGB nachweisen muss. Die Formulierungen im Fünften Buch Sozialgesetzbuch lassen hier Raum für verschiedene Auslegungen.

Ich habe daher das Bundesministerium für Gesundheit um Auskunft gebeten, ob und gegebenenfalls welche Sicherheiten ein Medizinisches Versorgungszentrum in der Rechtsform der Genossenschaft nach dem Willen des Bundesgesetzgebers vorzulegen hat. Durch die eindeutige Antwort, dass der Bundesgesetzgeber dies bei genossenschaftlichen Medizinischen Versorgungszentren nicht für notwendig erachtet, besteht jetzt Klarheit.

Darüber hinaus hat die Landesregierung angeboten, bei Gesprächen zwischen den Akteuren zu moderieren. So hat der Staatssekretär des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie am 14. Juni 2018 an einem klärenden Gespräch zwischen der MEDICUS Ärztegenossenschaft, der Kassenärztlichen Vereinigung und den Vertretern der Region teilgenommen.

Mit der Ärztegenossenschaft MEDICUS Eifler Ärzte eG steht das erste genossenschaftlich geführte Medizinische Versorgungszentrum in Rheinland-Pfalz und sogar eines der ersten bundesweit kurz vor einer erfolgreichen Zulassung. Signale stimmen uns hier zuversichtlich. Die Landesregierung hat sich für dieses Gelingen immer starkgemacht. Wir haben die Beteiligten bei der Klärung rechtlicher Fragen unterstützt. Es ist nun vorgesehen und vereinbart, dass durch die Ärztegenossenschaft eine Regressversicherung abgeschlossen wird. Die Landesverbände der Krankenkassen und Ersatzkassen werden sich hierzu noch in ihren Häusern abstimmen. Die Zulassung des ersten genossenschaftlich geführten Medizinischen Versorgungszentrums soll dann durch den Zulassungsausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung voraussichtlich noch im September 2018 erfolgen.

Zu Frage 3: Von Ärztegenossenschaften geführte Medizinische Versorgungszentren können einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der ärztlichen Versorgung insbesondere in ländlichen Regionen leisten. Die Landesregierung wird daher die Gründung von genossenschaftlichen Medizinischen Versorgungszentren in Rheinland-Pfalz auch künftig besonders unterstützen. Hierzu wird die Landesförderung von bis zu 15.000 Euro zur Gründung hausärztlicher Praxen in ländlichen Regionen auf die Ärztegenossenschaften ausgeweitet. Außerdem werden wir einen Genossenschaftslotsen bei der Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e. V. einrichten. Die Landeszentrale für Gesundheitsförderung verfügt im Bereich der Gründung von Genossenschaften bereits über Kompetenzen.

Darüber hinaus werden wir auf die Landesärztekammer, die Kassenärztliche Vereinigung und die Kommunen zugehen, um im Herbst ein Viererbündnis zum Austausch und zur besseren Abstimmung sowie zur Begleitung der Ärztegenossenschaften zu gründen.

Herzlichen Dank.

Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Anklam-Trapp.

Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie haben den Bundesgesundheitsminister Jens Spahn angeschrieben. Wie wichtig und wie entscheidend in diesem Prozess war Ihr Anschreiben und die Antwort von Jens Spahn, um in RheinlandPfalz die Gründung eines genossenschaftlich geführten Medizinischen Versorgungszentrums im Einklang mit den Voraussetzungen des SGB V zu ermöglichen?

Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ministerin für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie

Frau Abgeordnete Anklam-Trapp, vielen Dank für Ihre Frage. In der Tat bestand eine große Rechtsunsicherheit dahin gehend – dies war auch der Grund dafür, dass es sich in diesem Prozess so schwierig gestaltet hat –, ob nach den Formulierungen des Bundesgesetzgebers in den einschlägigen Regelungen ein MVZ in der Rechtsform einer Genossenschaft keiner Bürgschaft bedarf oder ob es nicht vielleicht eine Regelungslücke gibt und möglicherweise doch eine Bürgschaft vorzulegen ist. Hierzu gab es unterschiedliche Auffassungen der Beteiligten, was dazu geführt hat, dass der Zulassungsausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung, an dem auch die Krankenkassen beteiligt sind, zunächst das Ansinnen der MEDICUS Eifler Ärzte eG abgelehnt hat.

Wir haben uns sodann in diesen Prozess eingeschaltet. Ich habe den Bundesgesundheitsminister mit der Bitte um Klärung dieses Sachverhalts angeschrieben. Die Antwort aus dem BMG von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn war eindeutig und besagte, dass es für das Medizinische Versorgungszentrum in der Rechtsform einer Genossenschaft keiner Bürgschaft bedarf.

Des Weiteren waren wir sehr froh, als Gesundheitsministerium auch weiterhin in der moderierenden Rolle tätig sein zu können und die Beteiligten wieder an einen Tisch zu holen, den Dialog wieder aufzunehmen, und dass es dann auch gelungen ist, einen Kompromiss zu finden, der sich nun in der Form der Versicherung als Bürgschaft widerspiegelt und damit der Weg freigemacht wurde für die erste Ärztegenossenschaft in Rheinland-Pfalz.

Eine Zusatzfrage der Frau Kollegin Thelen.

Sehr geehrte Frau Ministerin, nachdem wir das Problem der abgelehnten Genossenschaftsidee im Gesundheitsausschuss im Juni thematisiert hatten und nachdem wir uns im Ausschuss darüber einig waren, dass es eigentlich eine gute Idee ist, freut es uns, dass sie jetzt doch durchgeführt werden kann. Wie schätzen Sie das Bedürfnis darüber hinaus in Rheinland-Pfalz ein? Haben Sie eventuell schon Mitteilungen, ob auch in anderen Regionen entsprechende Überlegungen angestellt werden?

Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ministerin für Soziales,

Arbeit, Gesundheit und Demografie:

Frau Thelen, vielen Dank für die Frage. Dies ist in der Tat die erste Genossenschaft, die an uns herangetreten ist, die erste Ärztevereinigung, die gern ein MVZ in der Rechtsform einer Genossenschaft gründen wollte. Aber wenn man sich das Prinzip der Genossenschaft anschaut, das von der Selbsthilfe herrührt, ist es eigentlich optimal geeignet, gerade im Bereich der ärztlichen Versorgung tätig zu werden; denn es ermöglicht den ausscheidenden Ärzten, immer noch dabeizubleiben und mitzubestimmen. Es ermöglicht aber auch den jungen Ärzten, die sich dort einkaufen und Teil der Genossenschaft werden, nicht nur im Angestelltenverhältnis tätig zu sein, sondern mitzubestimmen, aber gleichzeitig auch nicht das ganze Risiko einer Freiberuflichkeit zu tragen.

Darüber hinaus hat – wie ich es vorhin bereits sagte – jeder dasselbe Stimmrecht. Es braucht kein Mindestkapital, und, wie gesagt, die Genossenschaft bietet ihren Mitgliedern eine hohe wirtschaftliche Sicherheit. Ich denke, dies alles sind Aspekte, die dazu führen werden, dass sich noch mehr für dieses Modell interessieren, wenn nun das erste MVZ in Genossenschaftsform im September zugelassen wird, wovon wir einmal ausgehen.

Ich denke, es passt auch zu Rheinland-Pfalz als Raiffeisenland, als das Land, in dem Raiffeisen vor 200 Jahren geboren wurde. Es ist eine Idee „Made in Rheinland-Pfalz“, und deswegen haben wir uns entschieden, diese Art der Genossenschaft im medizinisch-ärztlichen Bereich zu unterstützen und auch jetzt schon die Angebote zu installieren. Wir werden einen Genossenschaftslotsen bei der LZG einrichten, damit man sich bei weiteren Fragen und Interessensbekundungen direkt dorthin wenden kann und eine gute Begleitung und Unterstützung erfährt.

Auch das Viererbündnis bestehend aus Landesärztekammer, Kassenärztlicher Vereinigung und vor allen Dingen aus kommunalen Vertretern gemeinsam mit dem Land soll das Ziel verfolgen, für die Ärztegenossenschaft als Idee, als eine weitere Option zu werben. Es hat auch die Aufgabe, diesen Prozess der Implementierung und der Anlaufphase zu begleiten, und es wird dies auch sicherlich konstruktiv tun, sodass ich zuversichtlich bin, dass dies durchaus ein Modell ist, welches wir in Rheinland-Pfalz noch häufiger vorfinden werden.

Lassen Sie mich abschließend noch sagen, auch in Hessen hat sich jüngst die erste Ärztegenossenschaft gegründet. Wir werden damit die zweite sein, und, wie gesagt, dies wird sicherlich ein Modell für die Zukunft.

Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Dr. Groß.

Ich möchte noch einmal auf die Frage von Frau Thelen eingehen. Das Modell der genossenschaftlichen Rechtsform hat in der Tat Charme. Frau Ministerin, wie sehen Sie das? Wenn ich in der Zukunft mittels einer Versicherung für Regressansprüche hafte, dann gibt es dazu doch

eigentlich keine Alternative. Kann es sein, dass dieses Modell künftig vorrangig bis beinahe ausschließlich favorisiert wird? Schließlich kann ich doch dadurch mein Eigenkapital schonen. – Danke.

Vielen Dank, Frau Dr. Groß. Wir sehen darin eine weitere Option. Wir sehen nicht, dass dadurch eine andere Option ausgestochen wird. Ich denke, Sie spielen auf die Medizinischen Versorgungszentren in Form der GmbHs an, die wir auch haben und im SGB V zugelassen werden. Aber, wie gesagt, diese Konkurrenz sehe ich nicht. Ich sehe auch keine unzulässige Bevorzugung der Medizinischen Versorgungszentren im Bereich der Genossenschaften.

Es gibt durchaus Ärztinnen und Ärzte, die sagen, nein, ich möchte nicht mitbestimmen, ich möchte in einem Medizinischen Versorgungszentrum wirklich nur angestellt sein, ich möchte mich nicht noch mit den anderen Aufgaben beschäftigen, die auf einen zukommen, wenn man in einer Genossenschaft tätig ist. – Da trägt man mehr Verantwortung, als wenn man sich in einem reinen Angestelltenverhältnis befindet. So sehe ich in dieser Rechtsform eine weitere Option.

Wir haben die Freiberufler, die sagen, das ist mein Ziel, ich will freiberuflich mit allen Chancen und allen Risiken tätig sein. – Wir haben die GmbHs als Medizinische Versorgungszentren, die Ärzte anstellen, bei denen die Ärzte im klassischen Angestelltenverhältnis sind. Diese können nicht mitbestimmen, sondern üben angestellt ihren Beruf aus. Schließlich haben wir die Medizinischen Versorgungszentren als Rechtsform der Genossenschaft, bei der man zwar in der Ärztegenossenschaft angestellt ist, aber auch Verantwortung für die Weiterentwicklung, die Ausgestaltung und die eigene Genossenschaft trägt. Von daher sehe ich darin eine wunderbare Ergänzung.

Wir dürfen Gäste im Landtag begrüßen, und zwar Schülerinnen und Schüler der 10. Jahrgangsstufe des Carl-BoschGymnasiums aus Ludwigshafen. Herzlich willkommen bei uns!

(Beifall im Hause)

Mir liegen noch fünf weitere Zusatzfragen vor. Danach betrachte ich die Anfrage als beantwortet. – Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Anklam-Trapp.

Frau Ministerin, welche Position hat bzw. unterstützt die Landesärztekammer Rheinland-Pfalz bei der neuen Option der genossenschaftlichen Ärztebündnisse?

Vielen Dank für die Frage, Frau Anklam-Trapp. Auch die Landesärztekammer hat immer das Bestreben, die Siche

rung der ärztlichen Versorgung voranzubringen. Das ist auf verschiedenen Feldern mit verschiedenen Maßnahmen der Fall. Deswegen ist die Landesärztekammer ein starker Partner von uns im Rahmen der Weiterentwicklung und Sicherung der ärztlichen Versorgung und ist verantwortlich für einzelne Handlungsfelder und Maßnahmen, beispielsweise die Quereinsteigerprogramme, die Weiterbildungsverbünde, bei denen sie mit aktiv ist, die Wiedereinstiegskurse etc.

Bei diesem neuen Weg der Ärztegenossenschaft sieht die Ärztekammer eine Option, dass dies für Ärztinnen und Ärzte eine attraktive Möglichkeit ist, sich auf dem Land niederzulassen. Von daher wird darin eine Option und keine Konkurrenz oder kein bevorzugtes Mittel gesehen. Es ist eine weitere Option, um den Bedürfnissen der jungen Ärztegeneration gerecht zu werden.