Protokoll der Sitzung vom 28.03.2019

Ich will fünf Themengebiete nennen, mit denen wir uns schwerpunktmäßig beschäftigt haben: zum einen mit dem Brexit in vielen Runden mit Michel Barnier und anderen Verantwortlichen, auch des Europäischen Parlaments, wie Guy Verhofstadt, Jo Leinen und vielen anderen. Das große Thema der Finanzen der EU hängt eng mit dem Brexit zusammen; denn wir wissen alle – meine Damen und Herren Abgeordnete, Sie wissen das ganz besonders –, der Finanzgürtel muss enger geschnürt werden, wenn Großbritannien die EU verlässt.

(Vizepräsident Hans-Josef Bracht übernimmt den Vorsitz)

Das Thema des Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) und der Kohäsionspolitik hat nicht nur in den Gesprächen mit dem Haushaltskommissar Günther Oettinger, sondern auch mit vielen anderen Gesprächspartnern eine sehr große Rolle eingenommen. Das Thema des MFR, das wahrscheinlich in dieser Legislatur nicht mehr abgeschlossen werden kann, wird uns im kommenden Jahr beschäftigen, wenn Deutschland in der zweiten Jahreshälfte die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt.

Die Cohesion Alliance war ein besonderes Thema. Rheinland-Pfalz ist Mitglied dieser Allianz geworden. Es geht um die Zusammenarbeit der europäischen Vereinigungen der Städte und Regionen und des europäischen Ausschusses der Regionen. Es geht darum, Kohäsionspo

litik stärker, effizienter, sichtbarer und verfügbarer zu machen. Wir haben dort den Oberbegriff „weniger ist mehr“: weniger an Bürokratie, und es soll mehr bei den Menschen und den Projekten ankommen.

Der Weißbuchprozess, den Jean-Claude Juncker angestoßen hat, und damit einhergehend die Frage der Subsidiarität waren ein sehr großes Thema. Bei den Überlegungen und Szenarien spielte immer die Zukunft der EU eine ganz große Rolle.

Die Taskforce Subsidiarität, die ihren Abschlussbericht im Jahr 2018 vorgelegt hat, hat eine neue Arbeitsweise in Bezug auf Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit unter die Lupe genommen. Hier standen die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften im Fokus: wie ihre Arbeit und ihre Überlegungen stärker in die nationalen Parlamente eingebunden werden können und wie wir Entscheidungswege aufzeigen können, damit das, was sich Bürgerinnen und Bürger von der EU wünschen, gehört werden kann.

Da ich im Ausschuss für Europafragen und Eine Welt im Landtag regelmäßig berichten kann und darf, will ich an dieser Stelle schließen. Sie haben den Gesamtbericht vor sich liegen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Staatssekretärin, vielen Dank. Wir kommen zur Aussprache über den Bericht. Ich darf als Erstes dem Abgeordneten Barth von der Fraktion der CDU das Wort erteilen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es gehört zum parlamentarischen Ritual, dass wir mit Regelmäßigkeit den Bericht der Arbeit des Ausschusses der Regionen besprechen. Ebenso zu diesem Ritual gehört unser regelmäßiger Hinweis, dass seit der ersten Sitzung dieses Ausschusses im Jahr 1994 noch kein einziges Mitglied der CDU-Fraktion in diesem Gremium vertreten war. Wer in einem Gremium nicht vertreten ist, kann über dessen Arbeit schwerlich berichten, aber wir können den Bericht zur Kenntnis nehmen und kommentieren.

Ich persönlich, auch als überzeugter Europäer, halte den AdR für ein ganz entscheidendes und wichtiges Gremium und möchte deswegen die Gelegenheit nutzen, ein paar grundsätzliche Bemerkungen zu diesem Ausschuss zu machen. Ich denke, Kollege Höfer – Sie sind selbst Mitglied in dem Ausschuss der Regionen – wird gleich noch etwas zu den Arbeitsergebnissen sagen und noch einmal die Themenschwerpunkte darstellen.

Es sind wichtige Themen benannt worden: natürlich der Brexit und das 60. Jubiläum der Römischen Verträge, das große Thema „Jugendarbeitslosigkeit“ – an anderen Orten sicherlich präsenter und prägnanter als bei uns –, ganz wichtig das Finanzpaket 2014 bis 2020 und die Kohäsionspolitik. Das sind alles nicht ohne Grund wichtige Themen;

denn der mit dem Vertrag von Maastricht gegründete Ausschuss der Regionen hat in der Tat in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen.

Als Stimme der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften Europas verleiht er den Regionen Europas in den politischen Entscheidungsprozessen der Europäischen Union Gehör. Diese Unmittelbarkeit ist etwas Einzigartiges und sozusagen die DNA dieses Ausschusses der Regionen.

Doch bleibt kritisch zu fragen: Findet die verdienstvolle Arbeit des Ausschusses der Regionen durch einen halbstündigen Tagesordnungspunkt in diesem Hause eine angemessene Berücksichtigung und Anerkennung? Wird der Ausschuss der Regionen überhaupt in der Bevölkerung wahrgenommen? Wäre es nicht zielführender, wenn der Ausschuss seine Arbeit stärker und aktueller in der Öffentlichkeit kommunizieren würde? Die letzte Frage: Ist es in unserer heutigen schnelllebigen Zeit nachvollziehbar, über Arbeitsergebnisse zu sprechen, die zwei Jahre zurückliegen?

In seiner Entschließung vom Februar 2017 schreibt der Ausschuss der Regionen, die EU müsse in der Lage sein, „das Vertrauen seiner Bürger zu stärken, den Schwierigkeiten, die auf Europa und die Welt zukommen, besser zu begegnen und Entscheidungen über gemeinsame Maßnahmen im Geiste der Solidarität und unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips zu treffen“.

Meine Damen und Herren, das ist ein Schlüsselsatz; denn er beinhaltet alles, was den Wesenskern der Europäischen Union ausmacht: Vertrauen, Solidarität und Subsidiarität.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, aber was nutzen die allerbesten Worte und die allerschönsten Ideen auf dem Papier, wenn diese nicht entsprechend wahrgenommen werden? Ist denn wirklich flächendeckend bekannt, dass viele Gelder für kommunale Projekte vor Ort von der EU kommen? Gerade wir als Volksvertreter müssen den Menschen noch viel stärker in unserem Land ins Bewusstsein rufen, dass sie als EU-Bürger in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld von einer Reihe von Maßnahmen aus Brüssel profitieren.

Wenn wir daher Europa stärker am Willen der Bürger ausrichten und gemäß dem Subsidiaritätsprinzip mehr Europa im Großen und weniger Europa im Kleinen wollen – das heißt, Europa im Großen gleich Europa vor Ort und Europa direkt –, dann müssen wir dies auch vor Ort und direkt besser kommunizieren und den Bürgerinnen und Bürgern vor Augen führen, wie stark Europa durch den Ausschuss der Regionen in die Regionen hineinwirkt und welchen Mehrwert er darstellt.

Gerade dieser europäische Mehrwert, den die Menschen landauf landab in der Eifel, im Hunsrück, im Westerwald, in Rheinhessen und in der Pfalz dank der Arbeit des Ausschusses der Regionen mit Händen greifen können, bedarf einer exponierten Vermittlung, etwa dass in der EUFörderperiode 2014 bis 2020 allein rund 600 Millionen Euro kommunale Fördermittel für den ländlichen Raum nach Rheinland-Pfalz fließen, darunter 186 Millionen Euro aus

dem Fonds für regionale Entwicklung, 109 Millionen Euro aus dem Europäischen Sozialfonds und nicht zu vergessen die knapp 300 Millionen Euro aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums.

Das alles sind Förderinstrumente, die es den Regionen ermöglichen, über die Zukunftsgestaltung ihres Lebensumfelds selbst zu entscheiden. Das ist echte Hilfe zur Selbsthilfe. Hier werden regionale Projekte europäisch und erst durch und dank Europa möglich. Erst durch eine stärkere Fokussierung auf die unmittelbaren Bedürfnisse der Menschen vor Ort wird die Idee Europa zur gelebten Wirklichkeit.

Meine Damen und Herren, der Ausschuss der Regionen ist die Institution, in der das Erfordernis, Europa stärker am Willen der Bürger auszurichten, am nachhaltigsten zum Ausdruck kommt. Verdient dieses Gremium nicht eine viel stärkere Außenwahrnehmung, um den Bürgerinnen und Bürgern die unmittelbaren Auswirkungen von dessen Arbeit auf das tägliche Leben vor Ort näherzubringen? Ist der Bericht des rheinland-pfälzischen Mitglieds des Ausschusses der Regionen der Europäischen Union dafür das geeignete Format?

Gerade vor den Europawahlen sollten wir den Menschen im Land viel stärker ins Bewusstsein rufen, wie sehr sie von der Arbeit des Ausschusses der Regionen profitieren.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Das ist die beste Werbung gegen Populismus und Euroskeptizismus. Mit maximal jährlichen Berichterstattungen im Plenum allein erreichen wir dieses Ziel jedenfalls leider nicht.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Nächster Redner ist für die Fraktion der SPD Abgeordneter Höfer.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Sitzung des europäischen Ausschusses der Regionen in Brüssel ist die Begegnung von Himmel und Erde oder, weil Brüssel angeblich ein Raumschiff ist, die Reise ins Weltall. Die Astronauten sind Kommunalpolitiker und Regionalvertreter unterschiedlichster Prägung. Sie sind in diesem Moment auf ihrer Reise fast alle ehrenamtlich unterwegs. Wenn also unsere Staatssekretärin Heike Raab oder die Landtagsabgeordnete Heike Scharfenberger oder der Altenkirchener Stadtbürgermeister Heijo Höfer in Brüssel oder an auswärtigen Tagungsorten wie Palermo tätig sind, tun sie dies meist ehrenamtlich.

Dennoch geschieht etwas Wunderbares. Die Astronauten vermitteln den Menschen oben in der Raumstation etwas vom wirklichen Leben unten auf der Erde. Sie reden

mit, und sie reden herein, wenn Weltraumkost auf der Erde gegessen werden soll. Sie würzen nach, sie machen bekömmlicher, und manchmal verweigern sie sogar die Nahrung.

Was sind das für Menschen? Neben den drei Genannten zum Beispiel die schwedische Gemeinderätin aus einem 200-Einwohner-Dorf oder der leicht verrückte Psychiater aus Lappland oder – das hat mich am meisten beeindruckt – der unscheinbare Mann aus dem Stadtrat von Catania, der ein Jahr, bevor er abgewählt wurde, noch der Bürgermeister dieser Stadt und vor 20 Jahren der Innenminister Italiens war und uns bedrückend und immer wieder das Elend der auf Sizilien angelandeten Flüchtlinge erzählt hat. Kaum tut er das, melden sich die Kollegen aus Griechenland und Zypern und verstärken die Klage.

Manchmal wird es skurril, wenn der Rumäne mit ungarischer Abstammung über die Bärenplage in den Karpaten erzählt und ähnlich Edmund Stoiber verlangt, dass die EU doch endlich etwas gegen diese Problembären unternimmt. Aber natürlich sind auch die Regionalpräsidenten aus Frankreich, Italien, Polen und Spanien, die Ministerinnen und Minister, die Staatssekretärinnen und Staatssekretäre, Landtagsabgeordnete, Oberbürgermeister, Landräte oder sogar einfache Bürgermeister aus Deutschland und viele andere dabei.

Frau Staatssekretärin hat es gesagt, 350 Mitglieder sind in diesem Ausschuss. Jedes Land ist entsprechend seiner Einwohnerzahl vertreten, allerdings mit der Besonderheit, dass Malta fünf Mitglieder und Nordrhein-Westfalen ein Mitglied hat.

Der vorliegende Bericht des rheinland-pfälzischen Mitglieds des Ausschusses der Regionen der Europäischen Union – so heißt er übrigens seit Neuestem richtig – fasst die Arbeit und Arbeitsergebnisse des AdR in den zwölf Monaten von Juli 2016 bis Juli 2017 hervorragend zusammen. Er vermittelt uns die wichtigsten Beratungsgegenstände und Beschlüsse. Wir sind aber jetzt zwei Jahre später, und dann mutet mancher Diskussionsgegenstand seltsam an. Denken Sie an den Brexit. Er hat sich seitdem doch schon gewaltig verändert.

Aus meiner Sicht ist das Weißbuch zur Zukunft der EU wichtig. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat es angestoßen. Er hat aber meines Erachtens außer Handlungsempfehlungen und Handlungsalternativen keine Handlungsziele herausarbeiten können. Hier fehlt es an der europäischen Einigkeit, vielleicht liegt es aber auch an der Schwäche der europäischen Gremien, sich gern auf Minimalkompromisse zu verständigen.

Es ging dem Präsidenten bei der europäischen Säule sozialer Rechte ähnlich: große Diskussionen europaweit, eine enorme Beteiligung und anschließend ein Sozialgipfel in Göteborg mit wenigen konkreten Vereinbarungen. Diese Stellungnahme ist in der Liste im Bericht auf Seite 6 der Drucksache die vierte von oben. In der 119. Plenartagung wurde diese Stellungnahme mehrheitlich angenommen. Genauer gesagt, es waren sieben Gegenstimmen. Sie kamen alle aus dem euroskeptischen Lager und waren also überschaubar. Ich hatte im Vorfeld als Berichterstatter mehr Mühe mit den eigenen Parteifreunden aus Dänemark

und Schweden als mit den Konservativen und Wirtschaftsliberalen. Es war sehr interessant, das alles zu erleben.

Ich bin froh, dass unsere Staatssekretärin und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Landtagsverwaltung und in der Staatskanzlei eine solch hervorragende Arbeit leisten.

(Glocke des Präsidenten)

Ich bedanke mich für diese Arbeit und wünsche dem Ausschuss der Regionen auch für die Zukunft alles Gute.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächster Redner ist der Abgeordnete Lohr von der Fraktion der AfD.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich noch kurz eine persönliche Anmerkung machen. Der Herr Schweitzer – jetzt ist er nicht anwesend – hat vorhin über meine krankheitsbedingte Abwesenheit hier im Plenum Sprüche gemacht. Das ist einfach unanständig, wenn jemand krankheitsbedingt fehlt. Das ist menschlich verwerflich.

(Abg. Alexander Fuhr, SPD: Oh!)

Dafür verlange ich eine Entschuldigung.