Protokoll der Sitzung vom 29.03.2019

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge ist vor Ort – in den Ortsgemeinden, Verbandsgemeinden und Städten unseres Landes – längst zu einer überparteilichen, vom gemeinsamen Willen der betroffenen Kommunalpolitiker und der betroffenen Bürgerinnen und Bürger getragenen Bewegung geworden.

(Beifall bei der CDU)

Immer mehr Räte fassen unabhängig von ihrer parteipolitischen Zusammensetzung oft einstimmige Beschlüsse, in denen die Landesregierung und der Landtag, also wir, aufgefordert werden, die Straßenausbaubeiträge abzuschaffen.

Um es gleich vorweg zu sagen: Wer die Forderung nach Abschaffung der Straßenausbaubeiträge mit der Begründung abzulehnen versucht, das System habe sich doch bewährt, der ist nur noch zynisch, meine sehr geehrten Damen und Herren. Er verkennt den Problemdruck vor Ort.

Die Problematik und der Problemdruck vor Ort sind mittlerweile so groß, dass sich der Petitionsausschuss und die

Bürgerbeauftragte mit der Problematik zunehmend befassen müssen;

(Beifall bei der CDU)

denn in der kommunalen Realität führen die Straßenausbaubeiträge immer wieder und immer mehr zu Auseinandersetzungen und Belastungen zwischen Bürgern und Verwaltung, zwischen Bürgern und Ratsmitgliedern und in den Räten selbst. Hauptleidtragende sind oft die kleinen ehrenamtlichen Ortsbürgermeister, die man mit dem Problem alleinlässt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wer schon einmal in einer Anliegerversammlung den Ratsbeschluss zum Ausbau einer Straße vertreten und verteidigt hat, weiß, wovon die Rede ist.

(Beifall bei der CDU)

Die erste Frage in der Anliegerversammlung ist: Was muss ich bezahlen? – Meine sehr geehrten Damen und Herren, schon diese erste Frage kann der beste Beitragssachbearbeiter nicht mehr genau beantworten, weil das Beitragsrecht mittlerweile ein überwiegend von Einzelfallentscheidungen geprägtes Richterrecht ist. Es ist intransparent, kaum nachvollziehbar und deshalb nicht mehr begründbar.

(Beifall bei der CDU)

Um auch das gleich vorweg zu sagen: Der Versuch, den Problemdruck durch die Einführung wiederkehrender Beiträge wegzunehmen, gelingt in der Praxis nicht.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Das ist falsch! – Unruhe bei der SPD)

Wo Rechtsunsicherheiten vermieden werden sollten, kommen neue hinzu. Hoffnungen, wiederkehrende Beiträge würden zu einer Akzeptanzsteigerung oder zu einer größeren Transparenz bei der Beitragserhebung führen, erfüllen sich in der Realität nicht.

(Zuruf des Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Abgrenzung von Berechnungseinheiten und die Undurchsichtigkeit der Beitragsberechnung sind oft nicht nachvollziehbar und führen zu Misstrauen, Unverständnis und Ablehnung. Meine sehr geehrten Damen und Herren, dann landen sie wieder vor Gericht.

(Beifall bei der CDU)

Die Lebenswirklichkeit und das Lebensgefühl haben sich in den vergangenen 30 Jahren grundlegend gewandelt. Die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau von Gemeindestraßen im Unterschied zu Bundes-, Landes- und Kreisstraßen ist aus Sicht der Bürgerschaft unfair und muss abgeschafft werden. Auch Gemeindestraßen werden – völlig zu Recht – als Bestandteil der allgemeinen öffentlichen Straßeninfrastruktur verstanden und sind deshalb als Gemeinschaftsaufgabe zu finanzieren.

(Beifall bei der CDU)

Durch die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge wird der ohnehin hohe Kostendruck auf Wohneigentum gemindert. Das hilft insbesondere jungen Familien mit Kindern und älteren, oft alleinstehenden Menschen mit niedrigen Renten. Der Erwerb und die Renovierung von Altimmobilien in unseren Ortskernen werden erleichtert, wenn die Unsicherheit über zukünftig zu zahlende Ausbaubeiträge wegfällt.

Die belastende Auseinandersetzung über Einmal- oder wiederkehrende Beiträge in den kommunalen Gremien entfällt. Der Streit zwischen Bürgern und Verwaltung über die Höhe der Beiträge, ihre Berechtigung und die Art ihrer Berechnung entfällt. Dadurch verbessert sich das Verhältnis der Bürger zu ihrer Verwaltung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, aus allen diesen Gründen bringen wir heute das Straßenausbaubeitragsabschaffungsgesetz ein.

(Beifall bei der CDU)

Die bisher auf die Anlieger entfallenden Beiträge sollen künftig aus dem originären Landeshaushalt, also von der Gemeinschaft der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, bezahlt werden. Am finanziellen Anteil der Gemeinden und an ihrer Entscheidungs- und Planungshoheit ändert sich nichts.

(Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Umverteilung von unten nach oben!)

Für die wegfallenden Einnahmen aus den Anliegerbeiträgen erhalten die Gemeinden zweckgebundene Zuweisungen aus dem Landeshaushalt. Diese erfolgen außerhalb des kommunalen Finanzausgleichs.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Weiteres in der zweiten Runde.

(Beifall der CDU)

Nächster Redner ist Abgeordneter Noss für die Fraktion der SPD.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn meiner Ausführungen möchte ich zunächst auf die Plenarsitzung vom 24. August des vergangenen Jahres hinweisen und einen Redebeitrag des allseits geschätzten Kollegen Christof Reichert, CDU, in Erinnerung rufen:

„Für die CDU wäre der Verzicht auf Straßenausbaubeiträge das absolut falsche Signal. Das Land wird nicht in der Lage sein, die dadurch fehlenden Einnahmen zu kompensieren. Es wäre auch falsch, bei dieser Frage in die kommunale Selbstverwaltungshoheit der Städte und Gemeinden einzugreifen.“

(Abg. Martin Haller, SPD: Recht hat der Mann!)

Und weiter: „Letztendlich – und das muss jedem klar sein – werden auch zukünftig die Bürgerinnen und Bürger die Straßen finanzieren, egal, nach welchem Weg. Die Forderung nach einer Abschaffung der Straßenausbaubeiträge ist hingegen reiner Populismus.“

(Beifall der SPD, vereinzelt bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Martin Brandl, CDU)

Das Protokoll vermerkt anschließend Beifall der CDUFraktion. Der Kollege Reichert hat recht, aber all das, was dieser in seiner damaligen Rede kritisiert und anprangert, findet sich heute im Gesetzentwurf der CDU wieder. Man könnte sich wundern. Seit einem halben Jahr hat sich nämlich an der generellen Situation, die diesen Meinungsumschwung der CDU begründen könnte, nichts geändert. Es wird aber deutlich, bei dem vorliegenden Gesetzentwurf haben wohl die anstehenden Kommunalwahlen und eine gehörige Menge Populismus Pate gestanden.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Kommen wir aber zum vorliegenden Gesetzentwurf der CDU-Fraktion.

(Unruhe im Hause)

Etwas mehr Ruhe im Saal, bitte.

Ein paar Punkte: Zum 1. Januar 2020 sollen die Straßenausbaubeiträge abgeschafft und durch eine entsprechende Zuweisung des Landes ersetzt werden. Das heißt, die Bürger werden zumindest scheinbar entlastet. Der Staat soll bezahlen. Ich glaube, im juristischen Sprachgebrauch nennt man so etwas Vertrag zulasten Dritter.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Nein, das nennt man so nicht, aber macht nichts!)

Die CDU hat bereits angemerkt, dieser Betrag von 75 Millionen Euro muss eventuell angepasst werden, und betont, man musste auf Vergleichswerte zurückgreifen, weil keine verlässlichen Zahlen vorliegen. Die gleiche Situation gab es aber auch im Zusammenhang mit dem AfD-Antrag und wurde seitens der CDU mit als Grund herangezogen, deren Antrag abzulehnen.

(Zuruf des Abg. Christian Baldauf, CDU)

Herr Schnieder, machen Sie sich ehrlich. Bezüglich der Vorgehensweise zur Errechnung der erforderlichen Zuweisungen des Landes gibt es bei den beiden Gesetzentwürfen keinen Unterschied,

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: So ist es, da komme ich auch noch drauf!)

obwohl Sie belastbare Zahlen angekündigt hatten, aber offensichtlich nicht liefern können. Es ist also nichts mit Gründlichkeit vor Schnelligkeit.

Die CDU fordert, dass die Gemeinden allerdings im Rahmen des Selbstverwaltungsrechts wie bisher die Planungsund Entscheidungshoheit über den Straßenausbau behalten. Trotz der Vielzahl von Beitragsbescheiden, die jährlich erlassen werden, sind in den Jahren 2015 bis 2017 im Durchschnitt jährlich jeweils ca. 55 erstinstanzliche Verfahren bei Einmal- als auch bei wiederkehrenden Beiträgen zu verzeichnen. Beim Oberverwaltungsgericht lagen die Zahlen in den drei Jahren bei lediglich zwölf bzw. elf Verfahren. Es kann also keine Rede von der von Ihnen so dargestellten Klagewelle sein.

Für die Behauptung eines unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwands bei der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen ergeben sich aus einer Großen Anfrage, die gestellt wurde, keinerlei Anhaltspunkte.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Natürlich, 17 %, teilweise 100 %!)

Viele Bürgermeister verschiedener Couleur, ähnlich wie auch aus anderen Richtungen, wie auch der Städtetag und der Gemeinde- und Städtebund haben sich deutlich – sehr deutlich sogar – für die Beibehaltung des jetzigen Systems ausgesprochen.