Protokoll der Sitzung vom 12.06.2019

Wenn wir das ernst nehmen – es ist von Tiertransporten gesprochen worden –, dann müssen wir darauf achten, dass diese Tiertransporte tiergerecht vonstatten gehen, Ruhezeiten eingehalten werden, die Transportwege mit Pausen unterlegt werden und die Tiere die Möglichkeit haben, diese Strecken zu überwinden.

Wir haben bereits über die Initiativen im Bundesrat und darüber gesprochen, dass Bayern und Hessen initiativ geworden sind. Es hat sich auch bei unserer Recherche die Frage gestellt, ob es rechtlich überhaupt möglich ist, Tiertransporte grundsätzlich zu verbieten. Diese Aufgabe muss noch einmal aufgearbeitet werden.

Wenn wir den anderen Ländern die Möglichkeit geben wollen, am technischen Fortschritt und am Fortschritt der Ernährungssicherheit teilzuhaben, dann müssen wir dieser Aufgabe gerecht werden und uns ansehen, ob wir unsere Zuchttiere in diese Länder transportieren. Wir als FDP-Fraktion sagen: Ja, ein Teil dieser Tiertransporte ist notwendig, um diesen Ländern diese Tiere als Zuchtmaterial zur Verfügung zu stellen. Ob es in diesem Ausmaß, mit diesen Tierzahlen erfolgen muss, sei dahingestellt. Es muss noch einmal mit den Zuchtunternehmen und Landwirten bei uns vor Ort untersucht werden, ob es in diesem Umfang gerecht bzw. notwendig ist.

Insofern hat der Kollege Billen zu Recht gesagt, dass es ein fortlaufendes Thema ist, das uns in unserer parlamentarischen Arbeit sowohl auf Landes- wie auf Bundesebene begleitet. Tierschutz ist Schutz am Tier. Das sollten wir als Politiker ernst nehmen.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Michael Billen und Martin Brandl, CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Kollege Hartenfels.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema „Tiertransport“ wird immer wieder von den Medien aufgegriffen und treibt zu Recht viele Bürgerinnen und Bürger um, weil die Zustände, die dabei aufgezeigt

und dokumentiert werden, in der Tat sehr erschreckend sind.

Wir müssen tatsächlich darüber reden, wie wir die Tiertransporte anders organisieren oder – ich will den Bogen bewusst etwas weiter spannen – wie wir unsere Landwirtschaftspolitik anders organisieren als in den vergangenen drei bis vier Jahrzehnten, weil es ein Stück weit System hat und aus unserer grünen Sicht mit falschen Weichenstellungen in der Vergangenheit zu tun hat.

Was meine ich damit? Wir haben in den letzten Jahrzehnten eine Landwirtschaftspolitik erlebt, die auf der einen Seite vor allem dem Prinzip „Wachsen oder Weichen“ und auf der anderen Seite der Ideologie gefolgt ist, dass Weltmärkte bedient werden sollen und nicht mehr regionale Märkte, die immer mehr aus dem Blick geraten sind. Man kann das sehr gut an den Strukturen der Schlachthöfe verdeutlichen. In den letzten Jahren und Jahrzehnten mussten wir erleben, dass das Schlachten auf dem Hof einerseits mit immer mehr Auflagen erschwert worden ist,

(Abg. Michael Billen, CDU: Wer hat die denn gemacht, Herr Kollege? Wer hat die Auflagen denn gemacht?)

damit es möglichst tiernah wird und auf der anderen Seite Schlachthöfe geschlossen haben, weil der ökonomische Druck immer größer wurde, weil wir immer stärker auf den Weltmarkt und die Tatsache gesetzt haben, dass es vor allem um billige Rohstoffe gehen sollte und weniger um das, was wir unter Tierwohl oder Tiergesundheit verstehen.

Wenn wir uns die Zuchtziele der letzten Jahre und Jahrzehnte ansehen, müssen wir zudem feststellen, dass vor allen Dingen die Hochleistungskuh und das Hochleistungsschwein im Blick waren. Was meine ich mit der Hochleistungskuh? Wir sind weit jenseits der 10.000-Liter-Grenze im Jahr. Wir reden über 12.000 bis 15.000 Liter.

(Abg. Marco Weber, FDP: 7.000 Liter sind der Schnitt in Rheinland-Pfalz!)

Ich spreche von dem bundesweiten Trend. In RheinlandPfalz haben wir andere Zahlen, lieber Marco Weber. Darauf kann man zu Recht hinweisen, es geht aber um die Strukturen. Wir reden bei Tiertransporten nicht nur über die in Rheinland-Pfalz, sondern über jene, die europaweit und über die Grenzen hinausgehen. Dort haben wir höchst problematische Strukturen geschaffen.

Davon müssen wir weg und müssten daher bei diesem Thema auch über Landwirtschaftspolitik reden, wenn es um Tiertransporte geht, und wo wir gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern hinwollen. Deswegen ist das für uns Grüne schon lange ein Thema, mit dem wir uns auseinandersetzen.

Ich will zwei Beispiele nennen. Die Grünen-Bundestagsfraktion hat Anfang des Jahres 2018 gefordert, ein Moratorium – noch kein Verbot – für Tiertransporte außerhalb der Europäischen Union einzuführen. Warum haben wir das getan? Weil es eine Anhörung im Bundesagrarausschuss mit Expertinnen und Experten zu diesem Thema gab, die unisono gesagt haben, dass die Zustände von der Streckenlänge, der Nahrungsmittel- und Trinkwasser

versorgung dieser Tiere, von den dort stattfindenden Kontrollen bis zu den fehlenden Sanktionsmöglichkeiten ein Fiasko sind und es höchste Zeit wäre, dass der Bund und die Europäische Union die Reißleine ziehen und sagen: So kann und darf es nicht weitergehen, hier muss ein Moratorium greifen. Leider wurde dieser Antrag im Bundestag mit der Mehrheit der regierungstragenden Fraktionen abgelehnt.

Ein anderes Beispiel aus der Europäischen Union: Sven Giegold hat im Jahr 2018 einen Antrag für einen Untersuchungsausschuss zum Thema „Tiertransporte“ gestellt, weil offensichtlich war, dass dort vieles im Argen liegt und es wichtig ist, dass die Politik den Finger in die Wunde legt. Es haben zwar – Sie können es sich vorstellen – weit über 200 Kolleginnen und Kollegen diesen Antrag mitgetragen, aber die Mehrheit im Europäischen Parlament hat es verweigert, einen Untersuchungsausschuss ins Leben zu rufen, um zu prüfen, warum es nicht funktioniert und was wir tun können, um bei den Tiertransporten im Sinne der Tiere für mehr Sicherheit zu sorgen.

An dieser Stelle sieht man, dass die Politik leider ihre Hausaufgaben nicht macht. Wir haben mit Julia Klöckner leider eine Bundesagrarministerin, die dann – wenn sie überhaupt aktiv wird und nicht gerade mit Werbevideos beschäftigt ist, in denen sie insbesondere Konzerne ins Rampenlicht setzt,

(Abg. Alexander Fuhr, SPD: „Produkte, die wir alle mögen“!)

die wie Nestlé als weltumspannender Konzern genau für diese Art der Agrarpolitik stehen, bei der es um billige Rohstoffe geht, die von den Landwirten geliefert werden, bei der es nur noch billiger und billiger werden soll und gar nicht mehr um Lebensmittel geht, sondern um billige Rohstoffe, mit denen Lebensmittel erzeugt werden, die mit Gesundheit nicht mehr viel zu tun haben –, wenn sie also nicht gerade mit Videobotschaften beschäftigt ist, auf die Länder zeigt. Ich nehme an, dass die Landesregierung darauf noch eingehen wird.

Die Länder sind angesichts des bestehenden juristischen Rahmens sehr begrenzt in ihren Möglichkeiten, tätig zu werden. Deswegen werden wir über den Bundesrat tätig. Dort gehört das Thema hin; es gehört auf die nationale und auf die Ebene der Europäischen Union. Wenn wir in den nächsten Jahren wirklich zu Verbesserungen kommen wollen, wird das ein weiter Weg sein. Vor diesem Hintergrund sollten wir auch über kurzfristige Maßnahmen nachdenken.

Dazu sind wir Grüne gerne bereit. Das Moratorium habe ich bereits angesprochen. Wir wollen maximal vier Stunden lange Transporte für Tiere zulassen. Wir wollen eine regionalere Vermarktung unserer landwirtschaftlichen Produkte. Dafür hat die Landesregierung bereits viel auf den Weg gebracht.

In der zweiten Runde werde ich ganz kurz auf die Schaufensterpolitik der AfD zu diesem Thema eingehen, weil Sie im Plenum und bei den Anträgen, die wir dazu gestellt haben, deutlich gemacht haben, dass Sie mit Tierschutz eigentlich nichts am Hut haben. Dazu dann in der zweiten

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP)

Wir dürfen zunächst Gäste im Landtag begrüßen. Das ist zum einen die Gewinnerin unserer Wanderausstellung, Frau Hannah Müller. Herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Zum anderen begrüßen wir Schülerinnen und Schüler der 6. Klasse des Wilhelm-Remy-Gymnasiums Bendorf. Herzlich willkommen bei uns!

(Beifall im Hause)

Für die Landesregierung spricht Staatssekretär Dr. Griese.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich begrüße es sehr, dass das Thema „Tierschutz im Tiertransportsektor“ heute auf der Tagesordnung steht. Es ist insgesamt begrüßenswert, dass dieses dreitägige Plenum drei Tagesordnungspunkte zum Thema „Tierschutz“ enthalten wird. Die Aufmerksamkeit für dieses Thema ist berechtigt. Ich freue mich, dass wir diese Themenfelder bearbeiten können.

Ich will aber gerade im Hinblick auf den Beitrag der Vertreterin der AfD die Sach- und Rechtslage schildern, um deutlich zu machen, wie der aktuelle Stand ist. Es werden jährlich – ja, das stimmt – mehrere Millionen Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen von der EU aus in Drittländer transportiert. Ja, dabei kommt es zu tierschutzrechtlichen Verstößen, die wir nicht länger tolerieren können. Es muss unser Ziel sein, die Belastungen von Tieren beim Transport auf ein Minimum zu reduzieren.

Der Abgeordnete Billen hat recht, wenn er sagt, der Transport von Schlachttieren ergibt eigentlich gar keinen Sinn. Dem möchte ich ausdrücklich zustimmen. Wenn überhaupt, können wir über Zuchttiere reden, und auch da – das muss man sagen – können wir zum Teil die notwendigen genetischen Ressourcen durch Samen- bzw. Embryonentransport sicherstellen. Wie gesagt, beim Schlachtvieh funktioniert das auch, sobald wir eine entsprechende Kühlkette haben. Deswegen müssen wir alle Anstrengungen unternehmen, und auch die Wirtschaftsbeteiligten müssen Anstrengungen unternehmen, um Tiertransporte zu reduzieren.

Nun würden viele gerne – wir haben das eben gehört – auf die aktuelle Lage und die Bedenken, die bezüglich einer Reihe von Empfängerländern bestehen, mit einem Pauschalverbot reagieren. Wir haben eben auch gehört, wie angeführt wurde, dass drei Bundesländer ein solches Pauschalverbot erlassen haben. Genauer gesagt muss ich aber sagen, dass sie es nur versucht haben und gerichtlich gescheitert sind.

(Abg. Michael Billen, CDU: So ist das!)

Die gerichtlichen Entscheidungen – zuletzt übrigens auch die des Oberverwaltungsgerichts in Koblenz vom 9. Mai 2019 – besagen allesamt: Pauschalexportverbote sind unzulässig. Das dürfen die Länder nicht. Deswegen sind inzwischen alle drei Bundesländer, die das gemacht haben – Bayern, Hessen und Schleswig-Holstein –, von ihrer ursprünglichen Position wieder abgerückt. Sie mussten von ihr abrücken, weil die Rechtsprechung zu diesem Ergebnis gekommen ist.

Sie besagt, dass tierseuchenrechtliche Vorlaufatteste – das wäre der Hebel gewesen – nicht einfach pauschal und generell für bestimmte Empfängerländer verweigert werden dürfen, sondern es muss jeweils eine Einzelfallprüfung stattfinden. Pauschalverbote gehen nicht. Das ist im Übrigen auch aus einem ganz anderen Grund überhaupt nicht verwunderlich; denn es geht real um Exportrecht. Es kann schließlich nicht sein, dass das Exportrecht in die Hand von 16 Bundesländern gelegt wird und jedes Bundesland sein eigenes Exportrecht schafft.

Damit sind wir bei der Frage, wer eigentlich verantwortlich ist: nämlich der Bund. Es geht um Exportrecht und damit um Bundesrecht. Wahr ist allerdings, dass sich der Bund und vor allem das Bundeslandwirtschaftsministerium immer vor dieser Verantwortung drücken. Das ist auch die Erklärung dafür, dass in der eben zitierten Antwort der Bundesregierung versucht wird, alles auf die Länder abzuschieben. Das geht aber nicht, und das können wir nicht länger hinnehmen.

Weil das so ist, hat das Land Rheinland-Pfalz eine Bundesratsinitiative ergriffen. Das war die erste Initiative, noch vor dem niedersächsischen Entwurf, mit dem sie zusammengelegt worden ist. Sie ist am vergangenen Freitag im Bundesrat beschlossen worden. Ich will die vier wichtigsten Punkte daraus nennen, die als Aufforderung an den Bund, endlich tätig zu werden, beschlossen worden sind.

Erstens: die Aufnahme von Anforderungen an den Tierschutz in die Exportveterinärbescheinigungen, sowohl in jene, die bereits mit den Exportländern abgestimmt sind, als auch in jene, die sich in der Abstimmung befinden.

Zweitens: die Schaffung von Möglichkeiten für eine zentrale Sammlung und Auswertung von Informationen über die Gegebenheiten auf den Transportrouten und in den Zielorten der Drittländer. Das können die Länder überhaupt nicht leisten. Das ist ebenfalls Sache des Bundes, der über Botschaftspersonal verfügt und die Verhältnisse in den Drittländern ermitteln kann. Es ist geradezu aberwitzig zu glauben, dass Bundesländer das leisten könnten oder sollten. Das kann nur der Bund.

Drittens: Wir fordern von der Bundesregierung den Einsatz auf EU-Ebene für eine Überarbeitung und Verschärfung der EU-Tiertransportverordnung. Das ist der entscheidende rechtliche Hebel, den man ergreifen muss.

Viertens: eine Forderung nach Verstärkung von EU-Audits in Drittländern.

Wir müssen als Länder am Ball bleiben, damit der Bund

endlich tätig wird und sich nicht weiter vor seiner Verantwortung drückt. Wir halten unsere Veterinärbehörden ständig auf dem aktuellen Stand, versorgen sie mit regelmäßigen Informationen und stellen den entsprechenden fachlichen Austausch her, um den Veterinären Argumente an die Hand zu geben, mit denen sie im Einzelfall eine Transportgenehmigung verweigern können. Das tun wir, zuletzt übrigens mit Vollzugshinweisen, die vor wenigen Tagen herausgegangen sind.

Das hat einen Effekt, den ich an dieser Stelle durchaus nennen will. Dadurch, dass wir unseren Amtsveterinären entsprechende Möglichkeiten an die Hand geben, im Einzelfall ablehnen zu können, hat sich insgesamt eine erhebliche Veränderung ergeben. Das noch einmal zu dem Vorwurf, es passiere nichts. Wir hatten im vergangenen Jahr noch insgesamt 247 Transporte mit 8.809 Rindern aus Rheinland-Pfalz. In diesem Jahr hatten wir bislang – das Jahr ist etwa zur Hälfte herum – nur noch elf Transporte mit 446 Rindern, weil wir eben auf eine verschärfte Einzelfallprüfung setzen und das entsprechende Auswirkungen hat.

Meine Damen und Herren, die Amtsveterinärinnen und -veterinäre können sicher sein, dass wir ihnen bei den Einzelfallentscheidungen den Rücken stärken. Wir dürfen keine Pauschalverbote aussprechen, das habe ich gesagt. Ich möchte noch sagen, dass wir den Tierschutz nicht erst bei den Empfängerländern und den Transporten entdecken dürfen, sondern es bereits darum geht, dass er hier realisiert wird.

Da ist auch noch einiges zu tun, wenn ich an die betäubungslose Ferkelkastration, das Kükenschreddern, das Schwanzkupieren bei den Schweinen denke. Da ist noch viel zu tun, und das wird sicher bei der Beratung über den Tierschutzbericht noch einmal eine Rolle spielen.