Protokoll der Sitzung vom 13.06.2019

Wenn Sie an die Zeit des Nationalsozialismus denken, hieß es zunächst einmal, die deutsche Frau habe bestimmte Pflichten zu erfüllen als Mutter, als Ehefrau. Dann kam der Krieg, und die Männer waren an der Front, und die Frauen

gingen in die Fabriken und waren auf einmal willkommen; denn die Industrie brauchte diese Kräfte.

(Zuruf von der AfD: Genau!)

Unmittelbar nach dem Krieg waren die Männer noch nicht zu Hause, und dann brauchte man die Frauen wieder. Als „Trümmerfrauen“ haben sie Geschichte geschrieben.

Dann kam die Adenauer-Ära, und die Frauen waren wieder zu Hause am Herd und bei den Kindern. Wenn Sie sich die Werbeanzeigen aus dieser Zeit anschauen, wird da das idealisierte Frauenbild, das wir heute aus einer anderen Ecke gehört haben, geradezu sprichwörtlich nach vorne getrieben. Die Frau verabschiedet ihren Ehemann und freut sich darauf, ihm abends ein schönes Essen bereiten zu können.

(Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD)

Die Wohnung ist sauber, alles ist geputzt, und wenn der nette Ehemann nach Hause kommt, dann blitzt und blinkt alles.

(Abg. Uwe Junge, AfD: Ich finde das sehr schön, wenn meine Frau das macht! – Abg. Michael Frisch, AfD: Überlassen Sie das doch den Menschen selbst!)

Das waren die Werbeanzeigen aus den 50er- und Anfang der 60er-Jahre.

(Abg. Uwe Junge, AfD: Das will keiner zurück!)

Dann kam die Pille, und mit der Pille kam eine sexuelle Revolution und damit auch ein Stück Freiheit für die Frauen. Diese Freiheit war wichtig.

Wenn wir heute diese Debatte führen und uns die geschichtliche Entwicklung noch einmal vor Augen halten, dann können wir nur sagen, dass es richtig war, dass wir für Frauenrechte eingetreten sind. Wir werden das auch in Zukunft tun; denn die Geschichte ist noch nicht zu Ende geschrieben.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Ellen Demuth, CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Dann sind wir am Ende dieses zweiten Themas der Aktuellen Debatte.

Wir kommen zum dritten Thema der

AKTUELLEN DEBATTE

Notwendige Plätze in rheinland-pfälzischen Frauenhäusern schaffen – Frauen in Not nicht länger im Stich lassen

auf Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 17/9410 –

Für die CDU-Fraktion spricht die Kollegin Demuth.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben das Platzangebot in den Frauenhäusern auf die heutige Tagesordnung gesetzt, weil es aus unserer Sicht akuten Handlungsbedarf gibt. Das soeben besprochene Thema „Sexismus gegenüber Frauen und Mädchen“ ist auch ein wichtiger Dauerbrenner, aber richtig Feuer unterm Dach und dringenden Handlungsbedarf erfordert der Platzmangel in den rheinland-pfälzischen Frauenhäusern.

(Beifall bei der CDU, des Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, und des Abg. Manfred Geis, SPD)

1.288 Frauen. So viele mussten im Jahr 2018 von den Frauenhäusern aufgrund von Platzmangel abgewiesen werden. Ständig erhalten wir Briefe von Mitarbeiterinnen der Frauenhäuser, die Medien berichten regelmäßig über die prekäre Situation, und letzte Woche haben die Mitarbeiterinnen und betroffenen Frauen vor der Konferenz der Gleichstellungsministerinnen und -minister in Deidesheim demonstriert. Die Not ist groß.

Die Zahl der Gewaltdelikte gegen Frauen und Kinder in engen sozialen Beziehungen ist laut der Polizeilichen Kriminalstatistik in Rheinland-Pfalz so hoch wie seit zehn Jahren nicht mehr. 8.410 Opferdelikte, und da sind die 2.000, die eben im Rahmen sexueller Belästigung genannt wurden, nicht eingeschlossen. Von diesen 8.000 Fällen von Gewalt in engen sozialen Beziehungen betrafen im Jahr 2018 2.837 Fälle Kinder. Damit kam es zu einem Anstieg um 787 Fälle, und in jedem dritten bis vierten Fall waren ein oder mehrere Kinder betroffen.

In engen sozialen Beziehungen gab es in Rheinland-Pfalz sechs Morde, 16 Totschläge, 197 angezeigte Vergewaltigungen, 6.300 Körperverletzungen und davon 937 Körperverletzungen im schweren Bereich. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind jeden Monat in Rheinland-Pfalz zwei getötete Frauen, 16 Vergewaltigungen, 525 Körperverletzungen, davon 87 schwer.

Das sind Zahlen, die ich unerträglich finde und die in dieser Höhe ein Grund zu großer Besorgnis und akutem Handeln sind.

(Beifall der CDU)

Denn den Morden, Vergewaltigungen und schweren Körperverletzungen geht meist ein langes Martyrium voraus. Monate, Jahre, in denen Frauen noch hätten fliehen können. Nur wohin? Es gibt beschämend wenige Zufluchtsorte auch hier bei uns. In Rheinland-Pfalz haben wir 17 Frauenhäuser mit 283 Plätzen für betroffene Frauen und Kinder.

(Präsident Hendrik Hering übernimmt den Vorsitz)

Liebe Frau Ministerin Spiegel, ein 18. Frauenhaus ist seit über einem Jahr bei Ihrem Ministerium in Planung. Zunächst mussten wir ewig im Rahmen der Haushaltsaufstellung auf die Finanzierung warten, und jetzt geht es nur in sehr langsamen, kleinen Schritten voran. Unklar ist immer noch, wann das Haus mit welchem Träger endlich eröffnet wird.

Das Schneckentempo der letzten Monate ist aufgrund der akuten Bedarfe viel, viel zu langsam, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Frau Ministerin Spiegel, wir fordern Sie inständig auf: Machen Sie die Frauenhäuser zur Priorität und zu Ihrer Chefsache, und handeln Sie endlich!

(Beifall bei der CDU)

Als Abgeordnete war Ihnen das Thema im Parlament immer sehr wichtig. Nun ist es Zeit zu zeigen, dass Sie auch als grüne Ministerin Regierungsverantwortung bei diesem Thema übernehmen und das Thema nicht nur besprechen und diskutieren, sondern zügig handeln.

Sicher hören wir gleich von Ihnen, warum alles so langsam voran geht und was der Bund tun sollte in dieser Angelegenheit. Ja, da mögen Sie recht haben. Frau Ministerin Giffey auf Bundesebene hat auch eine lange To-do-Liste zu diesem Thema.

Der Runde Tisch „Häusliche Gewalt“ auf Bundesebene hat ganze zweimal getagt und zähe Unterarbeitsgruppen gebildet.

(Zuruf des Abg. Christian Baldauf, CDU)

Das angekündigte Geld zur Unterstützung der Frauenhäuser fließt bislang nicht und wäre ohnehin auch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Ja, auch Frau Giffey handelt nicht, dabei wäre das ein Thema, das einer SPD-Frauenministerin auf Bundesebene gut zu Gesicht stünde. Aber wissen Sie was: Ich kann diese gegenseitigen Schuldzuweisungen in dieser Debatte nicht mehr hören.

(Zuruf von der SPD: Ja! Genau!)

Sie helfen Frauen und Kindern, die heute Nacht verzweifelt Schutz suchen, keinen Schritt weiter.

(Beifall der CDU)

Laut der von Deutschland ratifizierten Istanbul-Konvention soll es pro 10.000 Einwohner 2,5 Plätze für Frauen und Kinder geben. Das sind in Rheinland-Pfalz bei 4 Millionen Einwohnern genau 1.000 Plätze. Aktuell haben wir 283 Plätze, fehlen also rund 700 Plätze bei uns im Land.

Der Zugang zu einem Frauenhaus kann lebensrettend sein, wie ich bereits gesagt habe. Es handelt sich hier nicht um ein Add-on oder eine Schön-zu-haben-Infrastruktur, sondern um essenzielle Grundbedürfnisse, die absolute menschliche und gesellschaftliche Bedürfnisse sind, die

bei uns erfüllt werden sollten. Es ist beschämend, dass ein wohlhabendes Land wie Rheinland-Pfalz einen solch großen Platzmangel aufweist, meine Damen und Herren.

(Beifall der CDU)

Wenn das Finanzierungsmodell auf diesem Vier-SäulenSystem nicht mehr richtig funktioniert oder nicht mehr praktikabel und zeitgemäß ist, dann bitte, Frau Ministerin, entwickeln Sie ein neues Finanzierungskonzept. Handeln Sie als Ministerin in diesem Bereich; denn es liegt in Ihrer Verantwortung, dass der Schutz und ein Zufluchtsort in den Frauenhäusern für diese Frauen und Kinder bereitgestellt werden.

(Beifall bei der CDU)

Auch heute werden wieder drei bis vier Frauen in den Frauenhäusern abgewiesen, heute an diesem Tag. Wir werden es uns nicht mehr länger ansehen, wie diese Frauen dann vielleicht zurück zum Partner gehen,

(Glocke des Präsidenten)