Protokoll der Sitzung vom 22.08.2019

(Beifall bei der CDU)

An die Kollegen der AfD gerichtet: Nur weil Sie das Thema zur Aktuellen Debatte erheben, ist es noch lange nicht „Ihr“ Thema.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Schon seit 2014 – dafür hätte ein Blick in OPAL genügt – hat sich die CDU-Fraktion mit Anfragen und Anträgen dieser Problematik in vielfältiger Weise gewidmet.

Im Jahr 2014 gab es die AfD noch gar nicht.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD – Abg. Joachim Paul, AfD: Wenn Sie an der Regierung sind, hört man davon nichts mehr!)

Wir haben bereits mehrfach deutlich gemacht, dass der integrative Ansatz zur Sprachförderung erst greifen kann, wenn die Schülerinnen und Schüler bereits über grundlegende Deutschkenntnisse verfügen. Den Ansatz, den man im Fremdsprachenunterricht wählt, das heißt das Sprachbad – sofort in die Fremdsprache eintauchen, der Kollege kennt das ja auch –, ist da sinnvoll. Aber nicht dort, wo die deutsche Sprache das zentrale Instrument des Lernens und Lehrens ist. Das mag noch bedingt funktionieren in weniger sprachgebundenen Fächern wie Mathematik, Sport, vielleicht auch Musik.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Unsinn!)

Aber in Sachkunde, den Naturwissenschaften oder Erdkunde sind Grenzen gesetzt. Das ist nun einmal so, meine Damen und Herren.

(Beifall der CDU)

Wir haben deshalb dafür plädiert – Sie haben den Antrag eben zitiert –, die integrative Sprachförderung für neue zugewanderte schulpflichtige Kinder zugunsten von intensiven Deutschvorkursen umzugestalten; denn auch das ist klar, meine Damen und Herren von der AfD: Schulpflicht ist Schulpflicht.

(Beifall bei der CDU)

Schauen wir uns doch einmal die Rahmenbedingungen an, die dieses Land vorgibt, um die Kinder, die den Sprachförderbedarf haben, zu entwickeln. Fangen wir mit den Sprachförderstunden an. Wir haben mit unserer Großen Anfrage gezeigt, dass es bei der Sprachförderung in Rheinland-Pfalz einiges zu bemängeln gibt: dass etwa die Sprachförderung nicht vom individuellen Bedarf der einzelnen Schüler abhängt und in Rheinland-Pfalz kein System erkennbar ist, inwieweit der von der Schule gemeldete Förderbedarf mit den von der ADD zugewiesenen Sprachförderstunden korreliert.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir stellen uns also die Frage: Wo landen denn diese speziellen Stunden? Ich sage Ihnen, wo sie landen: Sie landen im allgemeinen Stundentopf, um Lücken beim Unterrichtsausfall zu stopfen.

(Staatsministerin Dr. Stefanie Hubig: Woher wissen Sie das denn? – Abg. Bettina Brück, SPD: Nein!)

Das heißt, die Förderung kommt überhaupt nicht dort an, wo sie hingehört. Wir fordern deswegen, dass es klare und verbindliche Kriterien für die Zuweisung von Lehrerwochenstunden gibt, die an diese Förderstunden gebunden sind, meine Damen und Herren.

(Beifall der CDU – Abg. Hedi Thelen, CDU: So ist das!)

Stichwort „Lehrerbildung“. Unterschiedliche individuelle Förderbedarfe stellen höchste Ansprüche an die pädagogische Kompetenz. Die Lehrkräfte müssen so geschult werden und auch dauerhaft geschult sein, dass sie pädagogisch angemessen mit sprachlichen und kulturellen Unterschieden in Lerngruppen umgehen können, und zwar nicht nur im Deutschunterricht.

Wie aus dem Policy-Brief „Lehrerbildung in der Einwanderungsgesellschaft“ des Mercator-Instituts für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache hervorgeht, werden Lehrerinnen und Lehrer nach wie vor unzureichend darauf vorbereitet,

(Beifall des Abg. Martin Brandl, CDU)

sei es im Studium, sei es im Referendariat oder in der Lehrerfortbildung. Auch hier zeigt Rheinland-Pfalz interessante Zahlen. Der Anteil der Fortbildung zur sprachlichkulturellen Vielfalt in Rheinland-Pfalz ist gemessen an anderen Bundesländern sehr niedrig und die Dauer von entsprechenden Fortbildungen mit durchschnittlich einem Tag deutlich zu kurz.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Lehrerfortbildung ist zwar gesetzlich verpflichtend – das ist auch gut so –, aber es fehlen weitere Vorgaben zu einem Mindestumfang.

Ich möchte als letztes Stichwort die Kitas nennen. Das ist auch gestern ein Thema gewesen. Auch in diesem Bereich muss mehr investiert werden. Wir hatten in den Haushaltsberatungen bereits die finanzielle Aufstockung der Mittelansätze für den Ausbau der Frühförderung in den Kitas beantragt. Sie haben das abgelehnt. Dass Rheinland-Pfalz zu wenig Geld für die Sprachförderung im Vorschulalter ausgibt, verdeutlicht auch die Kita-Novelle. Künftig sollen keine zusätzlichen expliziten Mittel mehr zur Sprachförderung bereitstehen. Entweder sind Sie in der Wundertüte Sozialraumbudget oder in den personellen Ressourcen enthalten.

(Beifall der CDU – Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, ich komme zum Ende. Zu wenig Mittel für die Sprachförderung in den Kitas, unzureichende verpflichtende Angebote in der Lehreraus- und -fortbildung, willkürliche Zuweisungen von Sprachförderungen in den Schulen.

(Abg. Bettina Brück, SPD: Das stimmt doch nicht!)

Wie soll vor diesem Hintergrund eine bedarfsorientierte und somit erfolgreiche Sprachförderung stattfinden? Das sind keine Voraussetzungen für das Gelingen der Integration.

(Glocke des Präsidenten)

Ich danke Ihnen.

(Beifall der CDU)

Ich erteile der Abgeordneten Lerch für die Fraktion der FDP das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte Sie zunächst auf eine Reise zurück in Ihren eigenen Fremdsprachenunterricht einladen.

(Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Besser nicht!)

Sie alle haben eine Fremdsprache gelernt, vielleicht sogar zwei, manche sogar drei. Herr Weiland sagt zu Recht: „Lieber nicht“. Genau darauf will ich hinaus. Sie saßen damals – wir sind fast der gleiche Jahrgang, Herr Weiland – in einer Klasse in der Mittelstufe mit, wenn es gut ging, 35 bis 40 Kindern. Der Lehrer hat, wenn es gut ging, in der Fremdsprache unterrichtet, aber oftmals nicht.

Sie können sich ausrechnen, wie oft Sie als Schüler Gelegenheit hatten, in der Fremdsprache zu reagieren. Das war pro Stunde, wenn es hoch kam, ein Satz. Aber in der Regel war es so nicht.

Jetzt kommt die ganz kritische und böse Frage: Können Sie nach sieben Jahren Fremdsprachenunterricht die Sprache fließend sprechen? Können es diejenigen, die meine Generation sind? Das „Lieber nicht“ sagt schon deutlich, oh, da gab es Probleme.

Die Frage ist, warum es Probleme gab. Der Lehrer hat möglicherweise Deutsch gesprochen. Ihre Mitschüler saßen um sie herum und haben alle Deutsch gesprochen. Der Anreiz, wirklich in der Fremdsprache zu sprechen, war gering. Folglich haben Sie die Sprache nicht gelernt.

Wir machen einmal einen Sprung und gehen ins Ausland. Wenn Sie als Deutscher oder als Deutsche ins Ausland gehen und wollen dort die Fremdsprache lernen, haben Sie Einflüsse in der Fremdsprache um sich herum. Sie erleben die Intonation. Sie erleben die Flüssigkeit der Sprache. Sie sind visuell angesprochen durch permanente Konfrontation mit der Sprache, und Sie haben in sich auch den Wunsch, das, was um Sie herum passiert, zu erlernen, und lernen so schnell.

(Abg. Hedi Thelen, CDU: Sie vergleichen Äpfel mit Birnen!)

Jetzt komme ich zum eigentlichen Problem. Wenn Sie Kinder separieren,

(Abg. Joachim Paul, AfD: Ach!)

die kein Deutsch können, dann fehlt genau dieser Anreiz, um Deutsch zu lernen. Sie brauchen die entsprechende deutsche Umgebung. Sie brauchen die Mitschüler, die deutsch sprechen. Sie brauchen diesen inneren Antrieb, der sagt, ich will Deutsch lernen. Es gibt viele Beispiele, die belegen, dass unter diesen Umständen die Sprache

sehr viel schneller gelernt wird.

Jetzt zu einigen Anmerkungen, lieber Thomas Barth. Man sollte einmal über den bilingualen Unterricht nachdenken. In diesem wird auch in der Fremdsprache unterrichtet. Da geht es eben nicht nur um die Fremdsprache, sondern es geht um Geschichte oder um andere Fächer. Auch da funktioniert es.

Jetzt ein weiterer Punkt, der dem Kollegen eigentlich bekannt sein müsste. Die Sprachförderstunden werden gesondert im Gliederungsplan der Schule ausgewiesen. Da geht es nicht, dass die Schule von sich aus einfach hingeht und die Sprachförderkräfte einsetzt, um andere fehlende Stunden zu ersetzen. Das funktioniert so nicht.

Zum Schluss möchte ich nicht noch einmal die ganze KitaDebatte aufrollen, aber das Sozialraumbudget und die sogenannte Wundertüte funktionieren so nicht. Wir beide sind in kommunaler Verantwortung. Wir sitzen im gleichen Kreistag und möglicherweise sogar im gleichen Jugendhilfeausschuss. Wir werden schon genau schauen, wohin die Mittel gehen und was die Jugendämter machen.

Ich werde Anfragen stellen und fragen, nach welchen Kriterien das Jugendamt die Gelder vergeben hat. Wo gibt es Kitas, in denen Sprachförderbedarf vorhanden ist? Dann werden wir sehen, was herauskommt. Aber eine Wundertüte ist das nicht.

Meine Damen und Herren von der AfD, Bildungsrealismus sieht anders aus als das, was Sie beschrieben haben.

Vielen Dank.