Drittens: Das Land unterstützt die Kommunen freiwillig jedes Jahr mit ca. 50 Millionen Euro sowie besonders sozial belastete Kommunen über den kommunalen Finanzausgleich in der Säule C 3.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, der Bericht zeigt, die Fallzahlen stiegen in den ersten Jahren des Berichts massiv an und bewegen sich in den letzten Jahren auf einem hohen Niveau weiter. Bei genauerem Hinsehen erkennen wir, dass vor allem bei den ambulanten Hilfen große Zuwächse zu verzeichnen sind und diese mehr als die Hälfte aller Fälle ausmachen. Das bedeutet aber für uns auch, das Jugendamt unterstützt die Familien frühzeitig beratend, um eine Wegnahme aus der Familie zu verhindern. Wo dies nicht möglich war, wurden verstärkt Pflegefamilien eingesetzt, sodass eine Heimunterbringung, die die einschneidendste Form ist, verhindert werden konnte.
Hier gilt unser besonderer Dank allen Pflegefamilien, die diese nicht einfache Aufgaben annehmen. Wir haben eben gerade ausführlich darüber diskutiert. Natürlich haben die öffentlichen Diskussionen um Kindesmissbrauch oder Gewalt in der Familie alle sensibilisiert, sodass Hinweise aus der weiteren Familie, der Nachbarschaft, den Kitas, Schulen und Ärzten nicht nur ernst genommen, sondern auch dokumentiert werden und sich daran natürlich auch die Hilfen ausrichten.
Wir begrüßen, dass die Jugendhilfe hier mit einem sehr ausdifferenzierten Angebot reagiert hat. Uns liegt die Beratung und die Unterstützung der Familien sehr am Herzen; gleichwohl muss immer der Blick vor allem auf das Kindeswohl gerichtet werden. Das Land unterstützt die Kommunen bei der Prävention, zum Beispiel auch durch die frühen Hilfen, mit dem Programm „Guter Start ins Kinderleben“, und daher, denke ich, kommen auch die höheren Zahlen der unter Dreijährigen zustande sowie auch durch den konsequenten Ausbau der Kitas, sodass ein genaueres Hinsehen stattfindet und auch früher gehandelt wird.
Des Weiteren haben wir uns die Ursachen an sich näher angeschaut und begrüßen es, dass auch im Sozialministerium die Bekämpfung der Kinderarmut, die auch Elternarmut ist, in Angriff genommen wurde.
Zum Schluss möchte ich mich sehr herzlich bei den Jugendämtern, beim ism, dem Institut für Sozialpädagogi
sche Forschung Mainz, und bei dem zuständigen Ministerium für die Erstellung des fundierten Berichts bedanken. Es ist bestimmt auch für die Beteiligten ein gutes Instrument der Qualitätsentwicklung und für uns Parlamentarier eine Steuerungshilfe. Am Ende steht für uns das Kindeswohl und die Unterstützung der Familien an erster Stelle.
(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr gut!)
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Uns liegt der 6. Landesbericht über die Hilfen zur Erziehung für Rheinland-Pfalz vor. Auf den über 300 Seiten ist tatsächlich vieles detailliert erfasst, vieles verglichen und einiges gefordert.
Dass dieser Bericht vorliegt, ist gut so. Es ist gut, weil wir darin Strukturen und Entwicklungen erkennen können. Es ist gut für einen profunden Vergleich über mehrere Jahre hinweg, und es ist gut zum Benchmark der 51 Jugendamtsbezirke.
Daran haben viele mitgewirkt: das Land, die Jugendämter, die Fachwelt. Ihnen allen gebührt ein Dank, insbesondere dem federführenden Institut für Sozialpädagogische Forschung in Mainz, das sich bundesweit einen Namen gemacht hat.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, was machen wir jetzt mit diesem Bericht? – Ich denke, es ist wichtig, genau auf die gewonnenen Erkenntnisse zu schauen. Aber Erkenntnisse allein bewirken noch nichts. Es ist erforderlich, Folgerungen daraus zu ziehen, und zwar die richtigen Folgerungen; ansonsten ist es wie ein Arzt, der eine zutreffende Diagnose stellt und die Therapie abbricht.
Kommen wir schlaglichtartig zu den Erkenntnissen. Die Kollegin hat es teilweise schon gesagt: Die Eckwerte der erzieherischen Hilfen, die Ausgaben für die Hilfen pro 1.000 Jugendliche unter 21 Jahren, haben sich seit 2002 verdoppelt. Durch den massiven, über 300 %igen Ausbau der ambulanten Hilfen wurden Effekte erzielt: Zum einen kann mit geringeren Finanzmitteln pädagogisch sinnvoll niederschwellig geholfen werden, und damit ist letztendlich allen gedient.
Bei den Eingliederungshilfen stellen wir eine sehr dynamische Entwicklung fest. Diese haben sich verdreifacht. Allein die Anzahl der Integrationshelfer in den Schulen wuchs in den letzten drei Jahren um 23 %. Der sonderpädagogische Förderbedarf in Regelschulen wuchs in den letzten sechs Jahren um 87 %.
len wir fest, dass zum einen der Ausbau der Plätze für die unter Dreijährigen stagniert, aber gleichzeitig die Anzahl der Geburten um 20 % zugenommen hat. Wir stellen aus diesem Bericht fest, dass die Anzahl der Ganztagsplätze 44 % umfasst. Ich erinnere daran, es wurde ein Gesetz beschlossen, welches einen Rechtsanspruch auf Ganztagsplätze vorsieht. Letztendlich stellen wir fest, dass die Tagespflege von zunehmender Bedeutung sein wird, wobei an dieser Stelle der Landesregierung gesagt werden muss, dass die Tagespflege nach dem Gesetz gleichberechtigt ist neben der Kita. – Weshalb die Kita gebührenfrei ist und die Tagespflege gebührenbehaftet ist, muss die Landesregierung erklären,
Kommen wir zur Schulsozialarbeit. In den letzten Jahren ist die Schulsozialarbeit massiv ausgebaut worden, sie ist zu einem integralen Bestandteil des schulischen Lebens geworden. Wir haben inzwischen 415 Stellen in der Schulsozialarbeit.
Nicht zu vergessen: Das Thema „Armutsrisiko“ nimmt trotz 25 Jahren sozialdemokratischer Regierung zu.
Wir haben 35 % Migranten, bei den Hilfen allerdings nur mit 25 % vertreten. Weitere Zuwächse sind zu erwarten. Bei den UMA, den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, haben wir multifunktionale Problemlagen.
Wenn wir zu einem Resümee kommen, müssen wir feststellen – die Ministerin hat es vorhin schon gesagt –, nach dem KJHG, dem Kinder- und Jugendhilfegesetz, ist die Förderung der Entwicklung junger Menschen und deren Erziehung zu einer eigenverantwortlichen, gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit gefordert. Das ist so wichtig wie noch nie.
In einer Zeit, in der familiäre und gesellschaftliche Bindungsstrukturen zunehmend schwinden, gewinnt die Kinder- und Jugendhilfe eine entscheidende gesamtgesellschaftliche Bedeutung.
Sie entwickelt sich neben Familie und Schule zur dritten tragenden Säule bei der Entwicklung junger Menschen, und das ist kein „Gedöns“, wie es einmal ein sozialdemokratischer Bundeskanzler nannte.
Aus den Darstellungen der Kollegin Simon könnte man den Eindruck gewinnen, dass die Botschaft angekommen ist; aber auch schon in der Bibel steht: An ihren Taten sollt ihr sie erkennen.
Kommen wir zu den Regierungstaten. Bei den Hilfen zur Erziehung sind die Landeszuwendungen seit 15 Jahren gedeckelt, sie sind nicht mehr erhöht worden. Dies bedeutet, dass das Land jedes Jahr die Zuwendungen preisbereinigt um 2 % kürzt. Dies führt dazu, dass den kreisfreien Städten und Landkreisen 80 Millionen Euro, pro Jugendamtsbezirk ca. 2 Millionen Euro, vorenthalten werden, und das pro Jahr.
(Beifall der CDU – Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist eine freiwillige Leistung, oder? Andere Länder zahlen gar nichts!)
Das gleiche Modell ist bei der Schulsozialarbeit festzustellen. Vor 15 Jahren mit großer Unterstützung des Landes eingeführt, 30.600 Euro pro Vollzeitstelle gewährt, seitdem gedeckelt. – Das scheint eine Lieblingsform dieser Landesregierung zu sein, etwas einzuführen und die Kostenbeiträge zu deckeln.
Und dann natürlich der Ausbau der Kitas: Wir haben eine Zunahme der Geburten um 20 %, und das Land hat in seinem Doppelhaushalt keinen müden Euro für den Ausbau von Kitas eingestellt.
(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das hat doch mit diesem Thema nichts zu tun! Das ist Ihr Lieblingsthema!)
(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist doch gar nicht das Thema! – Abg. Hedi Thelen, CDU: Das sind die Schlussfolgerungen!)
Das ist darin ein Thema. Ich weiß schon, was Sie mir sagen wollen. Das sind freiwillige Leistungen und keine gesetzlichen Pflichtleistungen, aber Fakt ist: Wenn das Land die Kommune so ausstattet wie andere Bundesländer, dann brauchen sie nicht einzelne Zuschüsse zu beantragen, sondern dann können sie letztendlich hingehen und selbst diese Leistungen erbringen und versorgen.
Die Ebene, auf der die Sozial- und Jugendhilfeleistungen angesiedelt sind, ist in letzter Konsequenz die Ebene, auf der die Kommunen am stärksten verschuldet sind. Deshalb ist dort dringend Abhilfe geboten. Ich weiß, dass diese Botschaft bei Ihnen kaum Gehör finden wird. Darum ist es gut und richtig, dass sich nach Anrufen durch das Verwaltungsgericht Neustadt nun sowohl das Landes- als auch das Bundesverfassungsgericht damit befassen.
Jenseits der juristischen Bewertung muss dies auch politisch aufgearbeitet werden. Wir vertrauen darauf, dass sich der Wähler an den Taten orientiert. Wahltag ist Zahltag.