Protokoll der Sitzung vom 13.12.2019

Meine Damen und Herren, alle Kinder haben das Recht, ordentlich lesen und schreiben zu lernen. Dafür haben wir als Land die Rahmenbedingungen zu schaffen, und dafür muss das Land ohne Wenn und Aber Sorge tragen. Das geht aber nur, wenn wir die Probleme frühzeitig erkennen und diese zielgerichteter und frühzeitiger als jetzt – ich sage nicht, dass nichts getan wird – angehen. Ein einfaches „Weiter so“ reicht nicht. Wir als CDU machen uns stark für neue Standards; denn das haben unsere Kinder verdient, nicht mehr und nicht weniger.

Erlauben Sie mir am Ende einen kleinen Schlenker. Die allereinfachste Sprachförderung, die keinen einzigen Cent kostet, aber für große Sicherheit, Nachhaltigkeit und Wirksamkeit zumindest beim Erwerb der rezeptiven und produktiven Schriftkompetenz, Schreibkompetenz sorgt,

(Glocke der Präsidentin)

ist die landesweite verbindliche Untersagung der Phantommethode Lesen durch Schreiben. Glauben Sie mir, damit können wir spätere Sprachförderung einsparen.

Herzlichen Dank.

(Beifall der CDU – Zurufe des Abg. Martin Brandl, CDU, und der Abg. Bettina Brück und Girogina Kazungu-Haß, SPD)

Für die SPD-Fraktion spricht die Abgeordnete Giorgina Kazungu-Haß.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich auf Ihrer Homepage Ihre Pressemeldung zum Thema suche, dann finde ich ein Kind, das sich die Augen zuhält. Vielleicht ist das jetzt ein guter Moment, um Ihre Augen zu öffnen.

(Beifall der SPD, des Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, und der Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP)

Wir sprechen heute nicht zum ersten Mal über die Sprachförderung im Land. Ich war schon ein bisschen verwundert darüber, dass Sie eine fast wortgleiche Große Anfrage

gestellt haben. Herr Barth hat uns eben aufgeklärt, es ging also um Controlling.

Uns geht es ums Gestalten von Politik. Das geht über die bloßen Zahlen natürlich ein Stück weit hinaus. Deswegen möchte ich mich jetzt tatsächlich auf zwei Punkte konzentrieren, die inhaltlichen Charakter haben. Der erste Punkt, Sie haben es eben angesprochen, ist die Forderung nach Sprachstandserhebungen in der Kita. Der zweite Punkt ist die Frage der Einrichtung und Organisation von DeutschIntensivkursen.

Ich möchte gerne zum ersten Punkt Folgendes sagen: Herr Kollege Baldauf ist jetzt leider nicht da, aber er hat ziemlich öffentlichkeitswirksam diese Sprachstandstests ins Gespräch gebracht,

(Zuruf von der SPD: Und ist durchgefallen!)

dabei aber geflissentlich unter den Tisch fallen lassen, dass wir in Rheinland-Pfalz natürlich solche Sprachstandserhebungen haben.

Auf der einen Seite ist da SISMIK – Sprachverhalten und Interesse an Sprache bei Migrantenkindern in Kitas –, also ein Verfahren, das Kinder mit Migrationshintergrund anspricht. Das ist ein Verfahren, das sich diese Situation nicht synchron an einem Tag betrachtet, sondern die Kinder über einen langen Zeitraum begleitet und mit Beobachtung und Diagnose arbeitet.

Auf der anderen Seite gibt es SELDAK – diese Kinder haben Sie übrigens gar nicht erwähnt –,

(Zuruf des Abg. Thomas Barth, CDU)

da geht es um die Sprachentwicklung bei deutschsprachig aufgewachsenen Kindern. Die müssen wir auch in den Blick nehmen. Das vergessen Sie immer; denn es geht uns immer darum, dass jedes Kind in Rheinland-Pfalz das Recht auf individuelle Förderung hat. Das ist Teil des Schulgesetzes, deshalb wundere ich mich immer, dass sie dabei so wenig komplex an diese Fragestellung herangehen.

(Zuruf von der CDU: Sie haben nicht zugehört!)

Das eine Auge ist jetzt vielleicht schon auf. Sie sehen, wir tun da schon etwas.

(Beifall bei SPD, und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP – Heiterkeit und Zuruf des Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr gut, Giorgina!)

Dann habe ich mir viele Gedanken zur Frage der DeutschIntensivkurse gemacht, weil Sie immer wieder infrage stellen, ob der Weg, den wir in Rheinland-Pfalz gehen und den wir als Ampelkoalition tragen, der richtige ist. Der Erwerb der deutschen Sprache steht meistens im Zentrum jeglicher Integrationsdebatten. Dafür gibt es gute Gründe, weil man Sprache braucht, um Teilhabe überhaupt leben zu können. Deswegen bin ich da auch dabei. Ich glaube aber, dass das sehr viel zu kurz gesprungen ist.

Brauchen wir nicht einen Raum, in dem Zuwanderer schnell Kontakt mit unseren Werten, Traditionen, unserer Kultur und mit uns selbst bekommen? Ihre dauerhafte Kritik an unserem integrativeren System – wir würden keinen richtigen Deutschunterricht organisieren, das ist immer so ein bisschen der Unterton –, ist für mich nichts weiter als eine Chimäre. Das ist eine Vorstellung, die vor allen Dingen nur bei Ihnen besteht.

Wenn man sich das genauer anschaut: Beispielsweise ist eine Schülerin in der Sekundarstufe I von 30 Regelstunden 20 Stunden in einem Deutsch-Intensivkurs. 20 Stunden. Zehn Stunden nutzen wir dann, um im Klassenverband uns und die neue Heimat zu erleben. Bei Grundschülern ist es ungefähr die Hälfte des Deputats; die Hälfte der Zeit sind die im Deutsch-Intensivkurs.

Ich kann einfach nicht erkennen, was daran falsch sein soll. Es erschließt sich mir einfach nicht; denn zugewanderte Kinder sollen möglichst schnell mit unseren Werten, unseren Traditionen, unserer Kultur und schlussendlich mit uns selbst in Kontakt kommen. Darum geht es in unserem Konzept.

Ihr Konzept ist nicht durchdacht. Ihre Forderungen sind nicht durchdacht. Ich sage Ihnen auch warum. Wesentliche Bestandteile von Integration werden ausgeblendet. Ich möchte keine Parallelgesellschaften in unserem Land. Ich möchte eine möglichst schnelle Integration.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Joachim Paul, AfD: Wir haben doch schon Parallelgesellschaften! Das haben wir doch schon! – Weitere Zurufe von der AfD)

Diese Parallelgesellschaften gefährden nämlich dann tatsächlich auch unsere Sicherheit. Gehen Sie noch einmal in sich und überlegen Sie, ob dieses Konzept wirklich trägt.

(Unruhe bei der AfD)

Zum Schluss möchte ich tatsächlich noch eine ganz wichtige Zahl nennen. Es werden 30 Millionen Euro im Jahr in die Sprachförderung investiert. Dieser Betrag ist gleich geblieben, obwohl die Zahl der Zuwanderer und Geflüchteten gesunken ist.

(Abg. Matthias Joa, AfD: Nein, die steigt immer weiter!)

Sie ist trotzdem konstant geblieben, immer noch 30 Millionen Euro. Davon sind 6 Millionen Euro gedacht, um weitere Stunden hinzuzufügen, falls während des Schuljahrs mehr Bedarf entsteht.

Ich finde, diese Zahlen sprechen für sich.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Frisch.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sprache ist der Schlüssel zur Welt. Das war schon vor mehr als 200 Jahren Wilhelm von Humboldt, einer der großen Persönlichkeiten der deutschen Kultur- und Bildungsgeschichte, bewusst.

Nur wer die Sprache seiner Mitmenschen beherrscht, ist in der Lage, Beziehungen zu knüpfen, an der Gesellschaft teilzuhaben und sich so weiterzuentwickeln. Deshalb ist es besorgniserregend, was die vorliegende Große Anfrage der CDU-Fraktion zu Tage bringt.

An vielen Schulen gibt es erhebliche Probleme mit mangelnden Sprachkenntnissen und Integration. Leider ist diese Erkenntnis weder neu, noch führt sie zur Umkehr in einer völlig aus dem Ruder gelaufenen Einwanderungspolitik. Es geht immer weiter. Warnungen werden überhört oder wegmoderiert, getreu dem Motto „Wir schaffen das“.

Schon Anfang 2016 hat der niederländische Soziologe und Sozialdemokrat Paul Schäfer in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung festgestellt – ich zitiere –: „Die Zuwanderung der vergangenen Jahrzehnte in die Bundesrepublik war ja nicht unbedingt eine Erfolgsgeschichte. Sogar die Integration eines Teils der zweiten und dritten Zuwanderergeneration ist problematisch. Woher nimmt [Frau] Merkel ihren Optimismus, dass dies nun anders wird?“

(Abg. Martin Brandl, CDU: Aus dem christlichen Menschenbild! – Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Ach! – Abg. Dr. Sylvia Groß, AfD: Ach!)

Wenn wir heute über die Notwendigkeit einer intensiven Sprachförderung an unseren Schulen sprechen, dann sind demnach gleich zwei Gruppen vorrangig davon betroffen:

(Zuruf des Abg. Martin Brandl, CDU)

Zum einen die schon länger hier lebenden Schüler mit Migrationshintergrund, bei denen oft bereits die Großeltern nach Deutschland kamen und die aufgrund einer gescheiterten Integration trotzdem gravierende sprachliche Mängel aufweisen.

(Zuruf des Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum anderen sind es die Asyleinwanderer, von denen in Rheinland-Pfalz rund 11.000 im schulpflichtigen Alter sind.

Welche Herausforderungen damit für unsere Schulen verbunden sind, machen die Antworten auf die Große Anfrage deutlich. Die mangelnden Deutschkenntnisse der zugewanderten Kinder schlagen sich nicht nur auf deren Leistungen nieder, sondern können den Fortschritt einer ganzen Lerngruppe beeinträchtigen.

Die Grundschule Gräfenau in Ludwigshafen ist da nur die Spitze des Eisbergs. 94 % aller Schüler haben einen Migra

tionshintergrund, 96 % davon einen Sprachförderbedarf. Wie hier der schulische Bildungsauftrag erfüllt werden soll, erschließt sich uns nicht. Daher können wir den von der Landesregierung diesbezüglich zur Schau getragenen Optimismus in keiner Weise teilen.

Wir haben auch kein Verständnis dafür, dass angesichts solcher Herausforderungen weiter in dieser Intensität in die Förderung des Herkunftssprachenunterrichts investiert wird.