Protokoll der Sitzung vom 18.02.2004

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Garg das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Sehr geehrte Kollegin Hinrichsen, wenn man immer wieder den Begriff Solidarität in den Mund nimmt, dann hat man das Problem, sich vergegenwärtigen zu müssen, dass es zurzeit bedauerlicherweise nichts Unsolidarischeres als die derzeitigen Sozialversicherungssysteme gibt.

(Beifall bei FDP und CDU)

Sie belasten nämlich die junge Generation und die nach uns geborene Generation massiv negativ. Genau das ist der Grund, warum wir ihre Strukturen reformieren müssen. „Ihre Strukturen reformieren müssen“, heißt aber eben nicht, eine Positivliste einzuführen, sondern wir müssen grundlegende Fragen stellen, grundlegende Prinzipien infrage stellen und das offen diskutieren, um dann eine Antwort darauf zu geben.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich will das GMG gar nicht weiter bewerten und nichts weiter dazu sagen. Das haben die Kollegin Kolb und der Kollege Kalinka bereits getan. Das GMG ist und bleibt eine Reparaturmaßnahme innerhalb eines Systems, das nicht mehr funktioniert. Es handelt sich mitnichten um eine Reform, wenn man ein System, das schon heute für 90 % der Bevölkerung nicht funktioniert, für 100 % der Bevölkerung verbindlich machen will. Das ist keine Reform, das ist Unsinn.

(Beifall bei FDP und CDU)

Folgendes bleibt festzuhalten. Man muss eine Politikerin, insbesondere wenn es eine Bundesgesundheitsministerin ist, an ihren Worten messen dürfen. Man muss sie beim Wort nehmen dürfen. Es war die Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt, die vor der Bundestagswahl 2002 versprochen hat, sie werde

dafür sorgen, dass es für alle bessere, qualitativ hochwertigere medizinische Leistungen gibt, und das zu einem geringeren Beitrag. Jeder wusste, dass das nicht zu halten war. Es ist aber auch Aufgabe der Opposition, daran zu erinnern.

Ich habe gesagt: Es gibt grundlegende Strukturen, die neu zu ordnen sind. Es gibt grundlegende Fragen an das Gesundheitssystem. Es gibt vier Kernfragen, vier Hauptumverteilungsziele.

Das Erste - das ist das Kernziel, das eine Krankenversicherung leisten muss - ist: Es wird umverteilt. Es muss zwischen gesunden und erkrankten Mitgliedern umverteilt werden. Im jetzigen System wird aber zweitens auch zwischen jungen und älteren Mitgliedern umverteilt. Es wird drittens zwischen Geringer- und Besserverdienenden umverteilt. Es wird viertens zwischen Alleinstehenden sowie kinderlosen Paaren und Familien mit Kindern umverteilt - die berühmte Familienlastenausgleichskomponente in der GKV.

Ich sage Ihnen: Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels, vor dem wir stehen, können wir uns Umverteilung über beitragsversicherte Sozialversicherungssysteme nicht leisten. Wir müssen diese Umverteilungselemente über ein Steuersystem organisieren und die Krankenversicherung auf das Ziel reduzieren, für das sie ursprünglich gedacht ist, nämlich kranke Menschen und deren Angehörige davor zu bewahren, dass Krankheit sie in den finanziellen Ruin treibt.

(Beifall bei FDP und CDU - Glocke des Prä- sidenten)

- Mein letzter Satz, Herr Präsident. - Woran wir arbeiten müssen, ist, dass eine Krankenversicherung das wieder leisten kann. Dazu müssen diese Fragen ehrlich beantwortet werden. Wir müssen auch sagen, dass wir uns von den anderen Umverteilungszielen in der GKV verabschieden müssen. Die wird auch eine Bürgerversicherung in Zukunft nicht leisten können. Möglicherweise wird ein intelligentes Steuersystem dies tun können.

(Beifall bei FDP und CDU - Zuruf der Ab- geordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Zu einem weiteren Kurzbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Baasch das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Alternative der FDP war zum Beispiel auch die generelle Abschaffung der gesetzlichen Krankenversicherung. Wer sich dann hinstellt und sagt, von Umverteilung sollte man nicht mehr reden, muss natürlich zu einer solchen Forderung kommen. Es ist klar: Das geht nach dem Prinzip: Jeder hilft sich selbst, dann ist allen geholfen. Das ist das, was ihr wollt. Das ist das, was dahinter steht. Das muss man offen sagen.

Wir wollen das nicht. Wir bleiben dabei, dass wir sagen: Im Krankheitsfall und im Pflegefall brauchen wir eine solidarische Versicherung. Vor allem brauchen wir eine Bürgerversicherung, in die alle Menschen einbezogen sind, in die alle Einkommensarten einbezogen sind. Das Problem der Kranken- und der Pflegeversicherung ist, dass sie zu wenig Geld haben, um die notwendigen Leistungen zu erbringen. Wir wollen nämlich für alle eine vernünftige medizinische Leistung haben.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Der Kollege Kalinka stellt sich hier hin und demonstriert die Aufgabe von Glaubwürdigkeit hin zu Populismus pur. Das hätte die „Bild“-Zeitung wirklich nicht besser schreiben können. Der Redebeitrag von Herrn Kalinka ist „Bild“-Zeitungsstil und nichts Besseres. Wenn man will, dass eine Gesetzesreform, an der man als Partei selber mitgewirkt hat, Akzeptanz findet, würde ich mir, auch wenn Kröten dabei sind, die man schlucken muss, auch wenn es Schwierigkeiten gibt, immer vornehmen, selber für Akzeptanz zu sorgen. Das, was hier geschehen ist, ist praktisch die Aufgabe aller eigenen Positionen, die durch populistische Aussagen ersetzt worden sind.

Erstens. Fangen wir mit der Praxisgebühr doch einmal an. In dem Entwurf von Ulla Schmidt war eine Praxisgebühr drin. Ja, klar. Aber für den Besuch des Facharztes. Es sollte nämlich das Hausarztmodell propagiert werden. Dann ist die CDU gekommen und hat gesagt: Nix, wir erwarten immer eine Eigenbeteiligung von 10 % und wir erwarten, dass das grundsätzlich bei jedem Arztbesuch kommt. Dann ist ein Kompromiss geschlossen worden und die Praxisgebühr entstanden. Also, Vorschlag der CDU und nicht der SPD und in den geschlossenen Kompromiss eingebracht.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Zweitens. Die Chroniker-Regelung. Man kann sich hier hinstellen und sagen, das alles sei nicht richtig

gelaufen, und fragen, ob der Bundesausschuss richtig reagiert hat. Die Kollegin Kolb hat die Kassenärztliche Vereinigung infrage gestellt. Man kann darüber nachdenken, ob man das so akzeptieren will.

Mittlerweile gibt es seit dem 22. Januar eine Festlegung, wie die Chroniker-Regelung auszusehen hat. Klar ist: Pflegestufe II und III sind ausgenommen. Klar ist: Der Grad der Behinderung beträgt mindestens 60 % nach dem Bundesversorgungsgesetz, die Reduzierung der Erwerbsfähigkeit mindestens 60 % nach dem SGB VII. Das ist zum Beispiel festgelegt. Festgelegt ist auch eine kontinuierliche medizinische Versorgung, die im Bereich eines Arztes oder einer Psychotherapie notwendig ist. Das alles, noch ein bisschen detaillierter, liegt mittlerweile fest. Also sollte man sich hier nicht hinstellen und sagen, alles sei ungeordnet, alles sei nicht mehr klar, irgendeine Praktikantin aus irgendeiner Praxis zitieren, die das alles nicht versteht. Wenn man das selber nicht versteht, soll man das sagen. Mittlerweile steht aber fest und ist klar, was unter Chroniker-Regelung zu fassen ist.

(Beifall bei der SPD - Glocke der Präsiden- tin)

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ein dritter Punkt - Frau Präsidentin, ich greife einen letzten Gedanken auf, der angesprochen worden ist, und komme dann zum Ende - ist die Sozialhilferegelung. Wir haben im letzten Sozialausschuss darüber gesprochen. Alle Fraktionen haben durch die Bank hinweg deutlich gemacht, dass wir es schwierig finden, dass die Menschen, die auf Taschengeld angewiesen sind, ihren Beitrag in diesem Bereich zu leisten haben. Gleichwohl waren wir alle uns einig, dass auch sozialhilfeberechtigte Menschen einbezogen werden sollen und müssen und es schwierig ist, hier Akzeptanz zu finden. Es ist nämlich die logische Folge daraus. Die Regelungen sind aber so abgesenkt, dass man Wege finden kann, das umzusetzen. Auch darüber waren wir uns einig. Deswegen halte ich es für falsch, hier solchen Populismus zu betreiben. Vielleicht versuchen Sie in Zukunft, wieder mit dem Kopf zu denken. Das würde helfen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schlage vor, den Bericht zur abschließenden Beratung in den Sozialausschuss - -

(Zuruf)

- Er soll nicht in den Ausschuss. Gut. Damit ist kein Antrag gestellt und der Tagesordnungspunkt ist mit der heutigen Diskussion erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 19 auf:

Bericht zur Situation der Bildungsstätten in Schleswig-Holstein

Bericht der Landesregierung Drucksache 15/3002

Bericht und Beschlussempfehlung des Bildungsausschusses Drucksache 15/3167

Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 15/3238

Ich erteile zunächst dem Berichterstatter des Bildungsausschusses, Herrn Abgeordneten Dr. von Hielmcrone, zur Berichterstattung das Wort. - Herr Dr. von Hielmcrone, möchten Sie den Bericht zum Tagesordnungspunkt 19 geben?

(Dr. Ulf von Hielmcrone [SPD]: Können Sie mir bitte die Mappe geben? - Andreas Beran [SPD]: Aber gern! - Zuruf von der CDU: Er hat seine Leute! - Heiterkeit)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

(Zurufe: Mikro!)

- Ich kann das auch ohne. - Der Bildungsausschuss hat sich mit dem ihm durch Plenarbeschluss vom 14. November 2003 überwiesenen Bericht der Landesregierung am 15. Januar dieses Jahres befasst. Der Ausschuss empfiehlt dem Landtag, den Bericht Drucksache 15/3002 zur Kenntnis zu nehmen.

Ich hoffe, Sie haben mich verstanden.

(Beifall)

Ich danke dem Herrn Berichterstatter.

(Dr. Ulf von Hielmcrone [SPD]: Das funkti- oniert hier ja nicht!)

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor, ist aber im Plenum noch nicht erstattet worden. Ich erteile daher zunächst Frau Ministerin Erdsiek-Rave das Wort zur Berichterstattung.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! An den öffentlich geförderten Bildungsstätten in SchleswigHolstein haben im Jahr 2002 - das ist der Berichtszeitraum - fast 28.000 Maßnahmen mit insgesamt rund einer halben Million Teilnehmerinnen und Teilnehmer stattgefunden. Die Bildungsstätten stellen ein durchaus erhebliches Wirtschaftsvolumen dar. Von 2000 bis 2002 ist es um 22 % auf 37,5 Millionen € gewachsen. Die Landesregierung hat die Investitionen in Bau und Ausstattung im Berichtszeitraum von 18,7 Millionen € auf 22,7 Millionen € erhöht und wird diesen Kurs im Sonderinvestitionsprogramm „ZIP“ fortsetzen. Die Zahl der Veranstaltungen ist von 1997 bis 2002 um ein Drittel gestiegen, die Teilnehmerzahlen um rund 15 %. Insbesondere in den Förderkonzeptbildungsstätten hat die leistungsorientierte Förderung zu einer sehr positiven Entwicklung der Teilnehmerzahlen geführt. Analog stieg auch die Eigenwirtschaftsquote.

Fazit aus diesen wenigen Fakten, die ich hier sehr komprimiert dargestellt habe: In Schleswig-Holstein gibt es viele erfolgreiche Weiterbildungsangebote, die intensiv nachgefragt werden.

Der Bildungsbericht beschreibt diese Vielfalt. Die vom Land direkt oder indirekt geförderten Bildungsstätten geben Auskunft über ihr Profil, über Finanzierung und Ausstattung, über Angebote und Nachfrage, über Auslastung und Modernisierungsbedarf. Der Bericht macht deutlich: Schleswig-Holstein ist für das lebenslange Lernen gut gerüstet.

Im Einvernehmen mit den Trägern wird derzeit das Bildungsstättenförderkonzept für die Bildungsstätten aus dem Jahr 1999 fortgeschrieben. Das ist inzwischen am Ende der letzten Woche einvernehmlich geschehen. Ich werde dem Bildungsausschuss unmittelbar darüber berichten.