Alles das hat mit Terror nichts zu tun, was im Bereich des Zuwanderungsrechts zu regeln und seit Jahren in der Diskussion ist. Die Koppelung von Sicherheit, Integration und Zuwanderung, wie sie durch die CDU jetzt auch in Schleswig-Holstein vorgenommen wird, ist ein ausländer-, migrations- und integrationspolitischer Rückschritt.
Die Auswahl der für die Berichterstattung des Innenministers erbetenen Punkte zeigt, dass die CDU jetzt offenbar auch aus Schleswig-Holstein das Zustandekommen des Bundeszuwanderungs- und Integrationsgesetzes torpedieren will. Ich will das belegen: Herr Kollege Lehnert, neun von zwölf Punkten betreffen Sicherheitsfragen, die nur wegen eines zufälligen terroristischen Anschlags in Spanien in die Verhandlungen über das Bundeszuwanderungsgesetz eingeführt werden sollen und auf Bundesebene eingeführt worden sind.
Da werden aktuelle Ängste der Menschen vor terroristischen Gefahren mobilisiert und instrumentalisiert. Da werden mit strammen - aber gleichwohl schwammigen - Parolen wie Regelausweisung bei Terrorismusverdacht oder Regelausweisung für Extremisten Stammtische aktiviert. Da wird Zuwanderung mit Terrorismus in einen Topf geworfen und zu einem Gebräu verarbeitet,
mit dem die in Teilen der Gesellschaft latent vorhandene Ausländer-raus-Mentalität oder Ausländerjedenfalls-nicht-rein-Mentalität nur genährt werden kann. Was das Schlimmste ist: Da werden für den Verhandlungsprozess auf Bundesebene neue Hürden aufgebaut, die möglicherweise zu einem Scheitern der gesamten Zuwanderungs- und Integrationsregelung führen werden.
Meine Damen und Herren von der CDU-Landtagsfraktion, wollen Sie das wirklich? Auch Sie können doch nicht in Abrede stellen, dass es überfällig ist, endlich bundeseinheitliche Regelungen für eine wirtschaftlich vernünftige Zuwanderung ausländischer Fachkräfte in den deutschen Arbeitsmarkt, für den humanitären Flüchtlingsschutz - auch und insbesondere in Härtefällen - und nicht zuletzt für verbindliche Integrationsmodalitäten, die nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten enthalten, zu schaffen.
Wir jedenfalls hoffen, dass der gesamte auf Bundesebene versammelte und zum Teil leider ideologisch verrammelte Sachverstand im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat endlich den Durchbruch schafft. Wir freuen uns, dass unser Innenminister an den Verhandlungen in Berlin unmittelbar beteiligt ist. Wir wünschen ihm bei den weiteren Verhandlungen viel Erfolg, denn gerade für SchleswigHolstein wäre das Zustandekommen des Zuwanderungsgesetzes von besonderer Bedeutung, weil dann endlich für die bei uns seit 1996 eingerichtete und vorbildlich arbeitende Härtefallkommission eine konkrete weiterführende Rechtsgrundlage vorhanden wäre, die die dort seit Jahren geleistete Flüchtlingsintegrationsarbeit noch erfolgreicher machen könnte.
Für die Fraktion der FDP erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Puls, auch ich bedaure, dass der Kollege Lehnert hier „schily-buß-tert“ hat. Die CDU demonstriert mit diesem Antrag in erster Linie eines: Für sie ist das Thema Zuwanderung vordergründig ein Sicherheitsproblem. So erklärte der Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Thomas Strobl in einer Pressemitteilung vom 16. März 2004:
„Ausländerrecht ist Sicherheitsrecht und hat die Bevölkerung vor der islamistischen Terrorbedrohung zu schützen.“
Wie muss sich so mancher seit Jahren in Deutschland lebender und arbeitender ausländischer Mitbürger fühlen, wenn er hören muss, Ausländerrecht sei erst einmal Sicherheitsrecht. Wie will die Union die wichtige Diskussion der Themen Zuwanderung, Integration und auch innere Sicherheit führen, wenn sie mit der Sensibilität eines Elefanten im Porzellanladen agiert?
Formal ist das, was die CDU vorgelegt hat, zwar ein Berichtsantrag in Richtung Landesregierung, de facto aber gibt jeder einzelne Spiegelstrich eine Forderung der Union wieder. Dazu soviel: Die FDP-Fraktion - jedenfalls im Schleswig-Holsteinischen Landtag - hält Ihren Ansatz aus Datenerfassungswut, Verkürzung des Rechtsweges und unbestimmten Ausweitungskriterien für inakzeptabel.
Die CDU will die Regelausweisung bei Terrorismusverdacht. Gemeint ist sicherlich der Anfangsverdacht. Kollege Lehnert, ich gehe davon aus, Sie sind darüber unterrichtet worden, was das heißt.
Der liegt bereits dann vor, wenn es nach kriminalistischen Erfahrungen möglich erscheint, dass eine verfolgbare Straftat vorliegt. Hierzu genügt das Vorhandensein entfernter Indizien. Ist also der Fall gegeben, dass es aufgrund entfernter Indizien möglich erscheint, dass jemand Mitglied einer terroristischen Vereinigung ist, dann hat diese Person als Ausländer ausgewiesen zu werden. Der Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“ wird also umgekehrt in „im Zweifel für den Sicherheitsstaat“.
Ähnliches gilt bei der Regelausweisung von Extremisten. Kollege Lehnert, wer definiert eigentlich, was extremistisch ist und was nicht? Welches Verhalten soll sanktioniert werden? Soll es etwa ausreichen, extremistische Auffassungen kundzutun? Ab wann ist eine Äußerung extremistisch? Das sind sehr heikle und wichtige Fragen, die objektiv kaum zu beantworten sind. So mancher CDU-Politiker ist letztlich nur durch seine deutsche Staatsbürgerschaft vor einer Ausweisung geschützt, wenn wir uns Äußerungen zum Sturz des Saddam-Hussein-Regimes, der nordkoreanischen Regierung oder der staatlich befohlenen Liquidierung von Privatpersonen im Nahen Osten vor
Kommen wir zur Datenerfassungswut der Union. Sie will eine Zentraldatei für Einladende, eine zentrale Warndatei und die Speicherung der ethnischen Herkunft im Ausländerzentralregister. Die so genannte Einladerdatei ist die Einrichtung einer zentralen Datei über natürliche und juristische Personen, die visumspflichtige Ausländer nach Deutschland - möglicherweise zu sich nach Hause - einladen. Das mache ich übrigens relativ häufig, Kollege Lehnert. Falls Sie häufiger Ausländer einladen, sollten Sie darüber nachdenken, ob die Einladerdatei sinnvoll sein könnte.
Hier geht es in der Tat um das Problem, dass im Bereich der Schleuserkriminalität durch entsprechende Einladungen eine Einreise ermöglicht wird. Nach Auffassung des Bundes Deutscher Kriminalbeamter hat sich eine ganze Industrie bestehend aus Reisebüros, angeblichen Kulturvereinen, Scheinfirmen und so weiter gebildet, die ausschließlich und zum Teil gegen beachtliche Gebühr Einladungen zu touristischen oder geschäftlichen Zwecken an Personen aussprechen, die dann - mit Schengen-Visa versehen - in westeuropäische Staaten einreisen und dort in der Illegalität versickern.
Eine Einladerdatei für alle soll helfen, das Problem zu lösen. Allerdings gilt auch hier, dass sich der überwiegende Teil derjenigen, die Einladungen aussprechen und auch derjenigen, die Einladungen annehmen, durchaus redlich verhält. Es muss deshalb die Frage gestellt werden, warum grundsätzlich alle erfasst werden sollen und was das bewirken soll. Wer dreimal eingeladen hat, der darf nicht mehr?
Selbst der ehemalige Bundesinnenminister Kanther, der nicht gerade als liberaler Zeitgenosse bekannt ist, hat seinerzeit seine Pläne für eine Einladerdatei aufgegeben, weil sie keinen praktischen Nutzen hat. Herr Kollege Lehnert, es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie keinen praktischen Nutzen hat. Die schleswig-holsteinische CDU ist aber anscheinend noch nicht so weit wie Kanther 1997. Das stimmt bedenklich und macht uns als FDP sehr nachdenklich.
Wir sollten uns davor hüten, immer wieder gesetzliche Maßnahmen als Allheilmittel für den Schutz vor Terror und Kriminalität zu preisen. Das sind sie nicht. Das beste Beispiel ist die Rasterfahndung. Bundesweit sammelten die Landeskriminalämter zirka 8,3 Millionen Datensätze. Aus diesen ergaben sich zirka 19.000 so genannte Prüffälle. Lediglich ein Ermitt
lungsverfahren wurde daraufhin eingeleitet und kurz danach wieder eingestellt. Was haben uns die angeblichen Sicherheitsexperten gelöchert, sie bräuchten die Rasterfahndung unbedingt! Nur so könne man den Kampf gegen den Terror führen. Das Ergebnis ist - abgesehen vom erheblichen finanziellen Aufwand - null.
Statt also gesetzgeberische Placebos verabreichen zu wollen, sollten wir lieber darauf achten, dass der Personalabbau bei der Polizei und dem Verfassungsschutz nicht weiter fortschreitet. Damit erreichen wir mehr als mit solchen Anträgen.
Auf der Tribüne darf ich zunächst neue Gäste begrüßen, und zwar Vertreterinnen und Vertreter der türkischen Gemeinde, Kiel. - Herzlich willkommen!
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Lehnert, wir brauchen kein Gesetz, das Integration und Zuwanderung verhindert. Ich sage das in allem Ernst. Es macht mich sehr traurig, dass wir hier auf diese Weise debattieren.
Vor ein paar Wochen noch hat sich die CDU lautstark darüber beschwert, dass der Landtag wegen der neuen Sicherheitsvorkehrungen kein offenes Haus mehr sei. Diese Sicherheitsvorkehrungen haben wir alle miteinander beschlossen. Jetzt stellen wir fest, dass diese Sicherheitsvorkehrungen natürlich auch für uns gelten und für uns Hürden aufbauen.
Beim Zuwanderungsgesetz machen Sie genau das Gleiche, wollen aber die Konsequenzen nicht wahrnehmen. Eine Tür in unser Land, die zum Beispiel dank Ihrer Kollegin Rita Süssmuth oder Ihres Kollegen Peter Müller dabei war, sich für Migrantinnen und Migranten, für Zuwanderinnen und Zuwanderer und auch für Flüchtlinge zu öffnen, wird von Ihnen deutlich wieder zugeschlagen, und zwar aus ideologischen Gründen. Ich finde das ausgesprochen verwerflich.
Die Ereignisse der vorangegangenen Woche haben leider in trauriger Weise diese Debatte überholt. Ende letzter Woche ereilte uns die Meldung, dass der Rechtsanspruch auf Integrationsmaßnahmen im Zuge der Verhandlungen wegzufallen droht. Damit hätte die CDU den Namen dieses Gesetzes endgültig ad absurdum geführt. Nicht nur, dass wir spätestens nach Verzicht auf das Punktesystem ein Zuwanderungsverhinderungsgesetz verhandelt hätten, mit dem aktuellen Entwurf hätten wir zudem auch ein Integrationsverhinderungsgesetz.
Weil zum Thema Zuwanderung sowieso fast nichts mehr darin steht, was über geltendes Recht hinausgeht, kommen manche Leute aus der Partei von Rita Süssmuth auf die Idee, das Zuwanderungsgesetz statt dessen mit Inhalten aus der Sicherheitspolitik zu füllen und damit unser demographisches Problem in völlig unsinniger Weise mit Fragen zum Schutz vor Terrorismus zu vermischen.
In diese Richtung zielt ja auch der vorliegende Antrag der CDU. Es ist unendlich absurd, die Angst vor der Zuwanderung des Terrorismus zu schüren und gleichzeitig bei Maßnahmen, die am ehesten fundamentalistische Gesinnung verhindern könnten, nämlich bei den Integrationskursen, zu kürzen. Der vorliegende Antrag, ganz harmlos als Berichtsantrag gestaltet, ist daher in der gegenwärtigen Situation absolut kontraproduktiv. Aus meiner Sicht hat er sich mit dem im Landtag gegeben Bericht erledigt. Wir nehmen ihn zur Kenntnis. An eine Überweisung an den Innen- und Rechtsausschuss ist aus meiner Sicht nicht zu denken.
Wer hier lebt und gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung arbeitet - das wissen Sie, Herr Lehnert -, muss mit den entsprechenden strafrechtlichen und ordnungsrechtlichen Konsequenzen rechnen. Der Minister hat dies in seinem Bericht deutlich zum Ausdruck gebracht. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um einen teutonischen militanten Skinhead oder um einen fundamentalistischen arabischen Gotteskrieger handelt. Dabei sind selbstverständlich rechtstaatliche Grundsätze zu beachten. Ausweisungen aufgrund reinen Verdachts darf es aus unserer Sicht nicht geben.
Migrantinnen und Migranten sind seit drei Generationen ein fester Bestandteil unserer Gesellschaft. Die Politik hat die Aufgabe, den Migrantinnen und Migranten nach 45 Jahren des Zusammenlebens endlich Integrationsangebote zu machen. Wer Orientierung und Sprachkurse braucht, muss diese auch bekommen.
Das Zuwanderungsgesetz schreibt in seinem bisherigen Entwurf im Bereich der Flüchtlings- und Asylregelungen lediglich internationale Standards fest. Da holt Deutschland nur etwas nach, was andere Länder uns bereits vormachen.
Ohne den Rechtsanspruch auf Integration bewegt sich der Gesetzentwurf ebenfalls auf dem Niveau des geltenden Ausländerrechts. Schlimmer noch: Das neue Gesetz sieht Sanktionen vor und stellt damit eine deutliche Verschlechterung für die Migrantinnen und Migranten dar. Dazu brauchen wir kein Gesetz.
Wie gesagt, der Überweisung des Berichts an den Innen- und Rechtsausschuss werden wir nicht zustimmen.