Protokoll der Sitzung vom 27.05.2004

(Beifall bei der CDU)

Wir wollten ja nicht vertiefen, was hinsichtlich der Strecke Flensburg/Hamburg passiert ist. Wir haben gemeinsame Erfahrungen gesammelt und Gott sei Dank haben sie sich aufgerechnet. Aber als Mann aus der Wirtschaft muss ich Ihnen ehrlich sagen: Da sind uns einige Dinge unterlaufen, die so nicht hätten laufen dürfen.

Dass die Trägerfirma schon damals Probleme hatte, wussten wir monatelang. Diesen Hinweisen muss entsprechend scharf nachgegangen werden. Wir haben uns dahingehend täuschen lassen, dass die Situation nicht so kritisch ist. Wir haben gemeinsam daraus gelernt, aber man muss dies ansprechen können. Wir haben in Schleswig-Holstein keinen großen Schaden genommen. Das ist wichtig. Es hat uns aber etwas gekostet. Das ist nun einmal so.

In dem nächsten Paragraphen steht, dass in den nächsten fünf Jahren statt mehrerer Milliarden Euro nur einige Hundert Millionen Euro für Investitionen zur Verfügung stehen werden. Dass dies die Maßnahmen weiter verzögert, ist klar. Was wollen wir denn? Es droht die Gefahr, dass die angesprochenen Projekte in den nächsten Jahren nicht durchgeführt werden können. Was ist daran zu beklagen? Es bleibt der Aufruf: Wenn Heide Simonis irgendeinen Einfluss in Berlin hat, dann soll sie ihn jetzt geltendmachen! Frau Simonis, gehen Sie los! Das ist unsere Meinung.

(Beifall bei CDU und FDP)

Zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Hentschel das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Kürzungen im Bundeshaushalt betragen etwa 16 %. Diese Kürzungen sind im Vermittlungsausschuss so beschlossen worden. Wenn die Grünen nicht interveniert und dafür gesorgt hätten, dass ein Teil dieser Kürzungen zum Straßenbau verlagert wird, dann wären die Kürzungen doppelt so hoch gewesen. Kürzungen von 16 % können nach meiner Rechnung Kürzungen des Investitionsvorhabens um 16 % begründen. Sie begründen keine Androhung, dass sämtliche Investitionen Schleswig-Holsteins gestoppt werden. Vor allen Dingen dürfen diese Kürzungen nicht die laufenden Sanierungsmaßnahmen betreffen, weil diese aus den Trassengebühren bezahlt werden müssen. Diese werden von der DB AG selber finanziert und werden nicht vom Bundeshaushalt getragen. Von daher ist die Argumentation, was die gesamten Renovierungs- und Ausbaumaßnahmen in diesem Bereich betrifft, nicht zutreffend. Herr Eichelberg, das zu dem, was Sie zu den Ausbauten gesagt haben.

Zum Thema Trennung zwischen Schiene und Netz stelle ich fest, dass es eine Debatte darüber gibt, ob man die Bahn als Ganzes privatisieren soll, oder ob man das Netz reverstaatlichen soll beziehungsweise einer staatlichen Infrastrukturgesellschaft übereignen und den Fahrbetrieb privatisieren soll. In dieser Debatte äußert sich die CDU-Spitze. Dabei handelt es sich nicht um eine Zeitungsmeldung, sondern es handelt sich um eine Pressemitteilung der CDU selber. Darin steht: Die privatwirtschaftliche Ausrichtung der Bahn mit einem baldigen Börsengang wird von der CDU unterstützt. Gegensätzliche Bestrebungen, die das Ziel einer Rückführung zur Staatsbahn haben, wurden von den CDU-Vertretern strikt abgelehnt. Es gibt keine gegensätzlichen Bestrebungen, die das Zurückführen in eine Staatsbahn haben, aber es gibt einen Beschluss aller Fraktionen im Deutschen Bundestag, in dem gesagt worden ist, dass es keinen Börsengang mit dem Netz gibt. Diesen Beschluss meint Herr Mehdorn mit seiner Äußerung. Entgegen dem Votum Ihrer eigenen Bundestagsfraktion sprechen Sie sich für einen baldigen Börsengang aus.

(Zuruf des Abgeordneten Uwe Eichelberg [CDU])

Das ist genau das Gegenteil dessen, was im Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages fraktionsübergreifend beschlossen worden ist.

(Wortmeldung des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Sie unterstützen damit die Position von Mehdorn für eine Privatisierung des Netzes. Anders ist das nicht zu interpretieren. Wenn Sie sich darüber empören, dann fühlen Sie sich getroffen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich dem Oppositionsführer, Herrn Abgeordneten Kayenburg, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Hentschel, das kennen wir von Ihnen schon. Sie bauen einen Popanz auf, hauen drauf und verdrehen so die Wahrheit.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Die Wahrheit ist, dass wir uns für eine Privatisierung ausgesprochen haben. Die Wahrheit ist aber auch: Wenn man Ihren Antrag anschaut, dann sieht man, dass Sie zum Beispiel unter Ziffer sechs die Vertriebsstrukturen so fassen wollen, dass den Fahrgästen künftig zum Beispiel optimiert Fahrkarten zur Verfügung gestellt werden sollen. Ich frage Sie: Wie wollen Sie das machen? Das ist rückwärtsgerichtet. Das ist eine Verstaatlichung. Das heißt doch, dass Sie der Bahn, dem Betreiber, die Chance nehmen wollen, das, was wesentliches Merkmal des Wettbewerbs ist, nämlich Fahrkarten zu verkaufen, nicht mehr möglich machen wollen. Das ist ein unmittelbarer Eingriff.

Weiter sagen Sie, Sie wollen Schiene und Netz von dem Betrieb trennen. Da sind wir bei Ihnen. Sie müssen dann aber auch sagen, wie Sie das Minus von 15 %, das bei der Bewertung des Unternehmens, das zurzeit noch ein Gesamtunternehmen ist, herauskommt, zahlen wollen. Hier liegt das Problem. - Sie nicken. Prima, dass Sie das einsehen.

Genau an dieser Stelle müssen wir miteinander ringen, denn der Kollege Eichelberg hat es deutlich gemacht: Wir wollen die Trennung, aber wir müssen die Trennung so gestalten, dass sie auch machbar bleibt. Diese Trennung darf nicht den einen Teil, nämlich den Betrieb, in die Situation bringen, dass das Finanzvolumen, das eigentlich hinter dem Betrieb steht, an der Börse nicht mehr untergebracht werden kann. Dann haben wir das Problem, dass wir erneut eingreifen müssen. Vor diesem Hintergrund bitte ich darum, dass Sie uns - wenn Sie uns zitieren - so zitieren, dass

(Martin Kayenburg)

wir gemeinsam und miteinander weiter beraten können. Darauf freue ich mich.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich erteile Herrn Minister Dr. Rohwer das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da offenbar noch Missverständnisse bestehen, will ich einen weiteren Beitrag dazu leisten, um die Legendenbildung nicht weiter entstehen zu lassen. Ich halte es für eine Peinlichkeit sondergleichen, wie desinformiert diese Presseerklärung vom 23. April formuliert worden ist. Herr Kayenburg, sie ist unter Ihrer Beteiligung formuliert worden. Dass Herr Carstensen so etwas macht, kann ich noch nachvollziehen, weil er sich mit diesem Thema hier nicht beschäftigt hat. Wenn Sie aber dabei sind, dann finde ich es bedenklich, in welcher Weise Sie mit dieser Presseerklärung einem wichtigen Verkehrsunternehmen - wohlgemerkt nicht allen - „in den Arsch kriechen“. Ich zitiere:

„Die privatwirtschaftliche Ausrichtung der Bahn mit einem baldigen Börsengang wird von der CDU unterstützt.“

An dieser Stelle steht kein Satz über das, was Sie eben gesagt haben. Es steht kein Satz zu dem, was Herr Eichelberg gesagt hat, da. Diese Presseerklärung war wahrscheinlich nicht mit Ihnen abgestimmt. Da müsste stehen, dass wir klipp und klar bei der Trennung von Netz und Betrieb bleiben.

(Martin Kayenburg [CDU]: Unsere Presseer- klärungen machen wir schon selber!)

- Herr Kayenburg, seien Sie doch so ehrlich und sagen Sie hier, dass Sie mit dieser Presseerklärung einen „massiven Bock“ geschossen haben!

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde es nett, dass Sie den Wirtschaftsminister zitieren und sagen: Er provoziert ständig das bundeseigene Unternehmen und fordert gleichzeitig mehr Engagement im Land. Wenn man versucht, mit Herrn Mehdorn auf Augenhöhe zu verhandeln, dann ist das - so glaube ich - wichtig für unser Land. Ich erwarte, dass Sie uns hier unterstützen und für das Land Schleswig-Holstein - und nicht nur für ein Unternehmen - kämpfen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt kommt der Gipfel. Im nächsten Absatz sagen Sie: Bei den tölpelhaften Privatisierungsbemühungen auf der Schiene wurde bisher ein Millionenschaden angerichtet. Das schreiben Sie, statt darzustellen, dass wir bis zum Jahr 2015 durch unser Wettbewerbskonzept 270 Millionen € für das Land einsparen. Das müssen Sie doch richtigstellen! Das kann so doch nicht im Raum stehen bleiben!

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie können so etwas doch nicht mit einer Presseerklärung verkaufen. Wen verkaufen Sie eigentlich für blöd? - Leider sind wenige Leute da. Wer aber soll das glauben?

(Martin Kayenburg [CDU]: Es scheint, dass Sie sich maßlos ärgern!)

Das Einzige, was mir an Ihrer Presseerklärung richtig gefällt, ist, dass Sie von unserer „Rambo-Mentalität“ sprechen. Ich glaube, in der Bahnpolitik ist manchmal ein bisschen „Rambo-Mentalität“ nötig, weil es darum geht, schleswig-holsteinische Interessen bundesweit zu vertreten. Das sollte man ruhig mit Stärke machen und nicht mit diesem Weichmacher in dem Gespräch, das ich - wie gesagt - für eine Peinlichkeit hoch drei halte.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zur Sache! Die Bahnreform war richtig und sie ist richtig. Man kann es gar nicht oft genug sagen: Sie ist eine einzige Erfolgsstory für den Personennahverkehr. Leider ist sie es nicht für den Personenfernverkehr und den Güterverkehr. Das ist unser Problem. Warum ist das unser Problem? Es ist unser Problem, weil wir mit der Bahnreform die richtigen Strukturvoraussetzungen für den Nahverkehr, aber nicht für den Fernverkehr und den Güterverkehr gelegt haben, obwohl wir genau wissen, dass der Güterverkehr das größte Zukunftsproblem ist, wenn wir in Deutschland ernsthaft Verkehrspolitik machen wollen.

Unsere Nahverkehrspolitik war deshalb erfolgreich, weil wir auf Wettbewerb gesetzt und damit Qualität erreicht haben und weil wir neue Strecken und Stationen eröffnet haben. Frau Aschmoneit-Lücke, Sie haben vorhin gefragt, was seit 1988 eigentlich erreicht worden sei. Die Elektrifizierung haben wir erstmals in Schleswig-Holstein umgesetzt; wohlgemerkt als Bundesmaßnahme mit Landeszuschüssen. Frau Aschmoneit-Lücke, dort, wo wir selbst Möglichkeiten hatten, nämlich bei der Reaktivierung von

(Minister Dr. Bernd Rohwer)

Strecken und bei der Reaktivierung von Bahnhöfen, haben wir das mit Landes- beziehungsweise Regionalisierungsmitteln gemacht.

Das ist für mich das beste Beispiel dafür, dass etwas in der Struktur nicht stimmt. Deswegen plädiere ich ja für einen gemeinsamen Strukturantrag. Wir brauchen klare Entscheidungen, wer was klärt. - Da bin ich völlig bei Ihnen, Frau Aschmoneit-Lücke; diesbezüglich haben wir tatsächlich einen sehr schönen Konsens. Dort, wo das Land im Regionalverkehr etwas entscheiden konnte, haben wir richtig entschieden. Dort aber, wo eine Vermischung besteht, wo wir auf Bundeszuschüsse angewiesen sind, hatten wir Probleme, und dort, wo die Bundesregierung zusammen mit der Bahn ausschließlich über das Fernnetz entscheidet, können wir ohnehin direkt nichts machen.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Deswegen bin ich dankbar, dass Frau AschmoneitLücke das noch einmal klipp und klar gesagt hat, wie ich übrigens auch dankbar bin, dass Ihr Abgeordnetenkollege Friedrich auf Bundesebene eine sehr vernünftige Bahnpolitik macht, die sich voll und ganz auf der Linie von Rot-Grün im Parlament befindet - leider nicht auf der Linie des Bundesverkehrsministeriums. Das ist ein Problem für sich. Das ist richtig.

Von der CDU würde ich mir allerdings noch klarere Aussagen wünschen. Herr Eichelberg, das, was Sie hier gesagt haben, war ein bisschen wischi-waschi. Insofern wäre es wichtig, dass Sie im Ausschuss noch einmal ganz klar sagen, ob wir im Kern einen gemeinsamen Strukturantrag zustande bringen können, der noch einmal unsere Forderungen formuliert. Wir müssen doch auch sagen, was wir wollen. Unser Antrag muss vor allen Dingen die Strukturpunkte - also die Ziffern 3, 5, 9 und 10 - enthalten, damit wir auf Bundesebene geschlossen auftreten können. Die anderen Forderungen müssen wir natürlich auch aufnehmen. Sonst würde man in Berlin denken, wir wollten jetzt nur Strukturen, hätten aber keine Projekte, und das geht auch nicht.

Ich sage also: Heute geht es nicht um die Frage, welche Projekte wir fordern. Das sage ich auch zu Frau Aschmoneit-Lücke, weil sie den Begriff des Wunschkatalogs erwähnt hat. Das ist, glaube ich, heute gar nicht das Entscheidende.

Die Prioritäten sind übrigens auch klar benannt. Es ist keineswegs so, dass wir nicht wüssten, welche Prioritäten wir setzen. Diese haben wir ja auch in unseren Verkehrskonzepten deutlich gemacht. Das Problem besteht vielmehr darin, dass wir im Kern einen diskriminierungsfreien Zugang haben müs

sen, im Nahverkehr sowieso, aber auch im Fernverkehr und im Güterbereich. Dazu brauchen wir die Trennung von Netz und Betrieb. Insoweit freue ich mich über eine offensichtlich weitgehende Einigung. Diese Trennung reicht aber nicht. Wir brauchen zugleich - vor Börsengang - eine klare Vereinbarung darüber, dass Investitionen in das Bestandsnetz und in das Bedarfsnetz, also in das Ausbaunetz, nicht nach rein wirtschaftlichen Interessen des DB-Konzerns, sondern nach verkehrlichen Anforderungen erfolgen. Das ist das Hauptproblem, das wir lösen müssen, das wir aber allein mit der Trennung noch nicht erreichen. Deswegen brauchen wir zusätzliche Maßnahmen. Diese sind im Antrag auch formuliert. Wenn noch ein erklärender Satz angefügt werden soll, so sind wir schnell dabei. Wichtig ist, dass Sie diese Position bundesweit stützen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Deswegen stört mich auch der Satz aus Ihrer Presseerklärung, Sie unterstützten den Börsengang. Man kann das ja sagen. Wir können sagen: Grundsätzlich können wir uns einen Börsengang ebenfalls vorstellen. Aber man muss die Bedingungen klarer formulieren, Herr Kayenburg. Wir müssen deutlicher sagen, was vor dem Börsengang noch passieren muss.

Herr Hentschel hat netterweise darauf hingewiesen, dass es nicht nur um die Sicherung nachhaltiger Gewinne geht. Das ist natürlich bei einem Börsengang immer wichtig. Aber das Entscheidende ist, dass die angesprochene Trennung vor dem Börsengang vollzogen wird. Denn nachher ist es zu spät. Was wir vorher nicht klären, werden wir nachher nicht mehr lösen.