- Sie können noch etwas sagen und sich melden, aber reden Sie nicht immer dazwischen! -, bei einer so komplexen Reform sind Nachbesserungen an Details, die erst in der Diskussion der Praktiker zu Tage treten, nicht zu vermeiden und es wird sicherlich noch Jahre dauern, bis alles genau geregelt ist; es ist nun einmal eine sehr große Reform. Ich begrüße deshalb die bereits geplanten Änderungen bei den Kinderfreibeträgen und bei den Auszahlungsterminen.
Wir wollen eine Nachbesserung bei den Zuverdienstmöglichkeiten mit dem Ziel „Jeder zweite Euro bleibt." Wir wollen sicherstellen, dass Frauen, die keine Leistung bekommen, bei der Vermittlung und Weiterbildung nicht hintangestellt werden. Es muss ein eigenständiger Leistungsanspruch von Frauen während des Aufenthalts in Frauenhäusern wieder sichergestellt werden.
In der Gesundheitsversorgung muss sichergestellt sein, dass über die 2-%-Grenze hinaus keine unzumutbaren Vorauszahlungen gefordert werden, die die Krankenversorgung verhindern. Es muss sichergestellt werden, dass private Rentenversicherungen nicht gekündigt werden müssen.
Damit bleibt die Frage, was jetzt im Land SchleswigHolstein zu tun ist. Der Bericht von Minister Rohwer hat dazu klare Prioritäten genannt. Agentur, Land und Kommunen müssen unter allen Umständen sicherstellen, dass die neuen Leistungen pünktlich an die betroffenen Personen ausgezahlt werden.
Darüber hinaus sollten alle Beteiligten ihren Teil dazu beitragen, dass die aktivierenden Leistungen so schnell wie möglich bereitgestellt und die nötigen Mittel freigegeben werden. Schließlich erwarten wir natürlich von der Landesregierung, dass sie die genannten Nachbesserungen auch im Bundesrat vertritt und sich dafür einsetzt.
Meine Damen und Herren, es ist richtig und notwendig, die Probleme zu diskutieren und bei den Reformen nachzubessern, wo es erforderlich ist. Es ist das gute Recht, Herr Kayenburg, der Betroffenen, zu demonstrieren und sich gegen Ungerechtigkeiten zur Wehr zu setzen. Für dieses Recht hat meine Generation seit 1968 gekämpft und ich werde es immer verteidigen.
Wenn aber jetzt Verantwortliche in Politik und Medien noch Öl ins Feuer kippen und falsche Informationen verbreiten, dann schadet das dem Reformprozess.
Wer jetzt versucht, Wahlstimmen durch Panikmache zu bekommen, wie es Herr Garg hier wunderbar vorgeführt hat, der treibt Schindluder mit den Ängsten der Menschen.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Martin Kayenburg [CDU]: Und was haben Sie eben gemacht? Sie sind ein Brandstifter!)
Ich hoffe, dass es uns gelingt, die Reformen so erfolgreich umzusetzen, wie dies in den 90er-Jahren in
Skandinavien gelungen ist. Dort wurde seitdem die Arbeitslosigkeit halbiert, während sie sich hier fast verdoppelt hat.
Ob dann die Wähler eine Regierung für einen ernsthaften, aber schmerzhaften Reformprozess belohnen oder ob sie Schaumschläger vorziehen, die erst gnadenlose Härte fordern und anschließend genau das anprangern, was sie vorher gefordert haben, werden wir sehen.
Wir jedenfalls werden uns nicht darin beirren lassen, das zu tun, was nach unserem besten Wissen und Gewissen für die Zukunft dieses Landes und der Menschen nötig ist.
(Anhaltender Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Martin Kayenburg [CDU]: Er durfte sagen, was Herr Baasch nicht sagen durfte!)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bevor ich eine generelle Bewertung des jetzigen Standes von Hartz IV vornehme, möchte ich wie meine Vorrednerinnen und Vorredner einen Rückblick auf die ursprünglichen Pläne von VW-Mann Peter Hartz machen.
Diese Pläne waren zukunftweisend und vielversprechend. Peter Hartz und seine Mitstreiter wollten durch die schon lange geforderte Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe vor allem eines erreichen: Die Langzeitarbeitslosen sollten nicht mehr durch zwei verschiedene Systeme - Sozialamt und Arbeitsamt - betreut werden. Sie sollten von nur einem Sacharbeiter aus einer Hand betreut werden, und zwar so, dass man sich individuell um jeden optimal kümmern kann.
Deutschland hat im Vergleich zu den europäischen Nachbarländern einen zu hohen Anteil von Langzeitarbeitslosen und dieser Zustand muss schnellstmöglich beendet werden.
Denn je länger Menschen arbeitslos sind, desto schwerer wird es, sie wieder im ersten Arbeitsmarkt zu integrieren.
Die ursprünglichen Hartz-Pläne sahen weiter vor, dass die Langzeitarbeitslosen dieser beiden verschiedenen Systeme in Zukunft dieselben Leistungen er
halten sollen. Auch sollte die bürokratische Berechnung der Höhe der Arbeitslosenhilfe wegfallen. Ziel war es, dass die neue Leistung als pauschalierter Betrag ausgezahlt werden sollte. So sollten sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Arbeitsamt verstärkt auf die Vermittlung der Arbeitslosen und nicht mehr auf die Verwaltung dieser Arbeitslosigkeit konzentrieren.
Es war aber bei Peter Hartz nie davon die Rede, dass diese neuen Leistungen der ehemaligen Arbeitslosenhilfebezieher nur auf Sozialhilfeniveau und zu den gleichen Bedingungen wie bei der Sozialhilfe gewährt werden sollten. In diesem Bereich hat die Bundsregierung aus Sicht des SSW den entscheidenden Fehler gemacht, der dann ja auch erst zu den großen Protesten und Demonstrationen gegen Hartz IV geführt hat.
Wenn man also die an sich vernünftigen Reformvorschläge von Peter Hartz in einer wirtschaftlichen Krisenzeit zum Sozialabbau nutzt, darf man sich über die Reaktion der Betroffenen nicht wundern.
Warum ist es berechtigt, im Zusammenhang mit Hartz IV von Sozialabbau zu sprechen? Es ist ja richtig, dass die vielen Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger von der Reform profitieren werden. Das ist auch in Ordnung. Das Problem liegt im Bereich der bisherigen Arbeitslosenhilfeempfänger. In Zukunft werden sie schon nach einem Jahr kein Arbeitslosengeld mehr erhalten. Über 55-jährige sollen zwar 18 Monate Arbeitslosengeld bekommen, aber das hilft diesen Personen nicht entscheidend, wenn sie dann bis zum Rentenalter keinen Arbeitsplatz mehr finden.
Die Folge ist, dass Menschen, die oft jahrzehntelang in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben, schon nach einem Jahr Arbeitslosigkeit riskieren, in sehr schwere finanzielle Fahrwasser zu kommen oder gar in die Armut abzurutschen.
Wenn der Bundeskanzler in diesem Zusammenhang sagt, es drehe sich um Steuergelder, die von der Kassiererin oder dem Arbeiter aufgebracht werden, so vergisst er eben, dass diese Arbeitslosen möglicherweise jahrzehntelang in die Arbeitslosenpflichtversicherung eingezahlt haben. Sie erwarten daher als Gegenleistung keine Almosen, sondern angemessene finanzielle Absicherung über einen längeren Zeitraum als nur zwölf Monate Arbeitslosengeld.
Ich will gar nicht auf die vielen Details der Arbeistlosengeld-II-Regelungen eingehen. Da ist in der Tat in der Sommerpause in den Medien auch viel gelogen und geheuchelt worden. Aber es bleibt die Tatsache bestehen, dass das Arbeitslosengeld II nur auf Sozialhilfeniveau ausgezahlt wird und dass das erlaubte
Schonvermögen zum Beispiel für Altersvorsorge für die meisten Betroffenen nicht ausreichend sein wird.
Das zeigen auch die Zahlen des DGB für SchleswigHolstein. Der DGB rechnet damit, dass über 70.000 Arbeitslosenhilfebezieher und ihre Familien in Schleswig-Holstein nach dem 1. Januar 2005 weniger Leistungen erhalten werden.
Selbstverständlich darf man in dieser Debatte nicht vergessen, darauf hinzuweisen, dass die CDU-Opposition, die durch den Bundesrat an Hartz IV ja genauso beteiligt ist wie die Bundsregierung, einen noch viel härteren Sozialabbau verlangt hat. Das sollte man der Bevölkerung sagen.
Dafür spricht nunmehr insbesondere auch das sozialpolitische Programm der Landes-CDU zur Landtagswahl, das am letzten Wochenende fast ohne Diskussion verabschiedet wurde. Es zeigt, was nach einer eventuellen Regierungsübernahme in diesem Bereich wirklich geschehen wird: ein massiver Sozialabbau.