Protokoll der Sitzung vom 17.11.2000

stand, Ausgangspunkt für die so genannte Einstellungsteilzeit, die zunächst auch im Beamtenstatus durchgeführt wurde.

(Der Abgeordnete Gerhard Poppendiecker [SPD] unterhält sich mit Minister Claus Möller)

- Vielleicht könnte der Kollege Poppendiecker etwas leiser sprechen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Teilzeitverträge, Angestelltenverträge sollten in einer solchen Situation für junge Nachwuchskräfte ein dauerhaftes Beschäftigungsangebot begründen und darüber hinaus zu einer schnelleren Verjüngung der Kollegien beitragen.

Diese deutlichen Vorteile gelten natürlich nicht für Zeiten, in denen der Arbeitsmarkt für Lehrkräfte ausgeglichen ist beziehungsweise sich ein Lehrkräftemangel abzeichnet. Dann geht es verstärkt darum, die Einstellungsbedingungen möglichst attraktiv zu gestalten. Aber auch hier ist Einheitlichkeit im Moment nicht zu erwarten. Dagegen sprechen zunächst einmal die besonderen Bedingungen in den neuen Bundesländern, die durchweg Lehrkräfte im Angestelltenstatus einstellen und immer eingestellt haben, dann aber auch die generelle Unterschiedlichkeit des Lehrerarbeitsmarktes nicht nur hinsichtlich der Schularten - dies ist zwischen westdeutschen und ostdeutschen Ländern feststellbar -, sondern auch in Abhängigkeit zur jeweiligen Hochschuldichte.

Die Länder passen sich - das kann man wohl grundsätzlich sagen - mit differenzierten Einstellungsbedingungen diesem Lehrkräfteangebot an, etwa mit Angestelltenverträgen auf Teilzeitbasis, und eröffnen erst nach einer bestimmten Zeit die Perspektive der Verbeamtung.

Die Chance, von Schleswig-Holstein aus - sei es nun unter den Ministerpräsidenten oder in der KMK - den Bundesländern diesen gestuften Statuswechsel, den sie in ihrer Situation offenbar brauchen und wollen, auszureden oder zu einer Einheitlichkeit zu kommen, schätze ich eher gering ein. Die Länder, die auf ein Überangebot von Lehrkräften mit Teilzeiten im Beamtenverhältnis reagiert haben, sind gescheitert. Das Bundesverwaltungsgericht hat im März dieses Jahres die so genannte Einstellungsteilzeit für Beamte im hessischen Landesbeamtengesetz kassiert. Im Juli hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht in gleicher Weise entschieden. Beide Entscheidungen konnten uns nicht überraschen. Wir haben bewusst auf die Einführung der so genannten Einstellungsteilzeit im Beamtenverhältnis verzichtet, solange Artikel 33 Abs. 5 des Grundgesetzes eben nicht modernisiert ist.

Dieser Artikel stellt ja nach wie vor auf die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums ab, wonach sich der Beamte mit voller Kraft und Hingabe seinem Amt widmen muss

(Holger Astrup [SPD]: Vor allem die Hinga- be ist wichtig!)

und deswegen eine Einstellung in einem Teilzeitbeamtenverhältnis nicht zulässig ist.

Schleswig-Holstein hat deswegen schon 1996 eine Bundesratsinitiative eingebracht, mit der solche rechtlichen Risiken gemindert und der Weg zu einer Strukturreform geöffnet werden kann. Aber die bisherige Behandlung dieser Initiative gibt wenig Anlass, kurz- oder mittelfristig mit einer Verständigung auf Bundes- oder Länderebene zu rechnen.

Insgesamt ist - das ist das Fazit des Berichts - für alle westlichen Bundesländer festzustellen, dass sie kurzfristig oder sofort verbeamten. Damit gibt es in der Statusfrage keine Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Bundesländern mehr. Ich kann Ihnen versichern, die Bildungsministerin ist über diese Tatsache sehr froh.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter de Jager.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Jahr 1995 zog die Regierung Heide Simonis aus, die Welt zu verbessern. Lehrer - so das Reformkonzept - sollten keine Beamten mehr sein, sondern Angestellte - koste es, was es wolle. Den Anfang unter den alten Bundesländern würde Schleswig-Holstein machen. Mit dem Haushaltsjahr 1995 wurden dann junge Lehrer bei uns auch nicht mehr als Beamte eingestellt, sondern ausschließlich als Angestellte, oft auch nur mit Dreiviertelverträgen, also in so genannter Zwangsteilzeit.

Aber der Plan der Regierung Simonis war ehrgeiziger. Bundesweit sollte die Entbeamtungspolitik SchleswigHolsteins Schule machen. Deshalb wurde 1996 eine Bundesratsinitiative gestartet, die das Dienstrecht für Beamte komplett ändern sollte.

Ich glaube, dass der Bericht, der uns heute vorliegt, ein Fazit dieser etwas unglücklichen und glücklosen Be

(Jost de Jager)

mühungen zieht. Er ist sozusagen ein Dokument des Scheiterns.

(Beifall bei der CDU)

Das trostlose Ende dieser Politik, die das Markenzeichen der Regierung Simonis sein sollte, findet sich in solchen Sätzen wie dem, dass es wenig Anlass gebe, darauf zu hoffen, dass es kurz- oder mittelfristig auf Bundes- beziehungsweise Länderebene eine Verständigung auf eine Änderung der Verfassungsbestimmungen geben wird. Noch schlimmer heißt es dann später auf Seite 8 des Berichts:

„Auch unabhängig von verfassungsrechtlichen Fragestellungen dürfte daher die Bereitschaft (der Länder), sich... auf einen Status festzulegen, nicht vorhanden sein.“

(Ursula Kähler [SPD]: Leider!)

- Sie sagen „leider“, Frau Kähler, aber in der Tat: Abgesehen von den neuen Bundesländern und von Bremen in einer Mischform herrschen in den alten Bundesländern überall Verhältnisse, unter denen jedes Bundesland in der einen oder anderen Form die Verbeamtung von Lehrern vorsieht. Entweder werden junge Lehrer von vornherein verbeamtet oder sie werden zunächst als Angestellte eingestellt, erhalten aber die sichere Option auf die Verbeamtung.

Ich sage das ohne Triumphgeheul, sondern ich sage das als eine nüchterne Feststellung zum Ende von vielen streitigen Diskussionen, die wir auch hier im Parlament über die Frage der Verbeamtung geführt haben. Ich sage es aber auch, weil das Scheitern der Entbeamtungspolitik auf Bundes- und Landesebene eine schwerer wiegende Bedeutung hat als nur die eines Parteiengeplänkels. Die Entbeamtungspolitik hat in Schleswig-Holstein - und vor allem an den Schulen in Schleswig-Holstein - bleibende Schäden hinterlassen.

Da ist erstens zu nennen, dass über fünf Jahre hinweg insgesamt 120 Millionen DM - andere Berechnungen gehen von dem doppelten Betrag aus, nämlich von 250 Millionen bis 300 Millionen DM - im Bildungshaushalt den Schulen und den Hochschulen vorenthalten worden sind, die dort dringend gebraucht worden wären.

Ich weiß, dass Sie jetzt mit anderen Rechnungen kommen werden, mit den Pensionskosten und Rentenbeiträgen und so weiter. Doch festzuhalten bleibt: Zu einem Zeitpunkt, zu dem Investitionen in das Bildungswesen in Schleswig-Holstein dringend erforderlich gewesen wären, in einem Zeitraum, in dem man Planstellen hätte schaffen müssen, in dem man Lehrstühle hätte halten müssen, in dem man in die Aus

stattung von Multimedia hätte investieren müssen, haben Sie das Geld lieber in das Experiment Ihrer Entbeamtungspolitik gesteckt als in die Bildungshaushalte.

(Beifall der Abgeordneten Frauke Tengler [CDU])

- Das war falsch. So ist es, da kann man applaudieren. - Dass die 1.000 Lehrerstellen, die angekündigt worden sind und die mittelfristig geschaffen werden sollen, nicht einmal ausreichen werden, um die Unterrichtsversorgung in den kommenden Jahren zu verbessern, ist ein Versäumnis aus diesen Jahren.

(Beifall bei der CDU)

Wenn man rechtzeitig vorgebeugt hätte, hätte es nicht zu dieser schlechten Unterrichtsversorgung im Lande kommen müssen. Insofern ist die fünfjährige Entbeamtungspolitik ursächlich mitverantwortlich für die Defizite in der Unterrichtsversorgung.

(Beifall bei der CDU)

Zweitens. Der Bericht stellt im Fazit auf Seite 6 zu Recht fest:

„Der Beschäftigungsstatus ist für die Länder ein Instrument, mit dem sie auf die Bedingungen des Arbeitsmarktes für Lehrkräften reagieren. Parallel zu den Veränderungen bei Angebot und Nachfrage wird dieses Instrument in erster Linie pragmatisch eingesetzt.“

Stimmt! Nur, das Land Schleswig-Holstein hat über Jahre hinweg dieses Instrument falsch und eben nicht pragmatisch eingesetzt mit der Folge, dass junge Lehrer, die wir dringend gebraucht hätten, abgewandert sind und eine Beschäftigung in anderen Bundesländern gefunden haben. Der Lehrermangel, den wir haben, ist an den beruflichen Schulen mit Händen zu greifen. Er setzt sich in den Grund- und Hauptschulen in den kommenden Jahren fort.

Die Tatsache, dass wir es nicht schaffen, die Referendariatsplätze in den beruflichen Schulen zu besetzen, die Tatsache, dass wir mittlerweile Diplomingenieure zu Berufsschullehrern machen müssen, weil wir nicht genügend Lehramtsbewerber haben - alles das rührt aus einer Zeit her, in der in Schleswig-Holstein die Entbeamtungspolitik betrieben wurde. In Niedersachsen und auch in Hamburg wurden den jungen Berufsschullehrern Beamtenplanstellen angeboten und sie haben dieses Angebot wahrgenommen. Deshalb wird es noch eine Reihe von Jahren dauern, bis wir die falschen Signale aus jener Zeit wieder umgewandelt haben und junge Leute motivieren können, auf das Lehramt zu studieren. Auch dies ist eine Folge dieser Politik.

(Jost de Jager)

Zum Schluss darf ich Sie auffordern - ich hoffe, dass dies eine der letzten Debatten über die Verbeamtung sein wird, die wir in diesem Hause führen; Sie können dazu beitragen -: Ziehen Sie Ihre glücklose Bundesratsinitiative zurück. Dann können wir uns den Themen von morgen zuwenden, statt ständig über die Themen von gestern zu reden.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Als nächster Rednerin erteile ich der Antragstellerin, Frau Abgeordneter Hinrichsen, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr de Jager, wir als SSW bleiben weiterhin bei unserer Haltung, dass Beamte nur für hoheitliche Aufgaben in der Verwaltung einzusetzen sind.

(Beifall bei der SPD)

Es ist nicht einzusehen, dass Lehrerinnen und Lehrer Beamte sein müssen. Wir sind weiterhin der Meinung, dass angestellte Lehrkräfte viel flexibler im Schuldienst eingesetzt werden können.

Auch stehen wir zu der Aussage, dass eine Verbeamtung langfristig eine große finanzielle Belastung für den Landeshaushalt darstellt,

(Beifall bei der SPD)

denn durch die Verbeamtung von angestellten Lehrern wird den künftigen Generationen von Steuerzahlern unter den jetzigen gesetzlichen Voraussetzungen eine hohe Pensionslast zugeschoben.

Wir bleiben deshalb auch bei unserer Auffassung, dass es für die Zukunft der Bundesrepublik unausweichlich bleibt, Beamte in die Rentenbeitragspflicht einzubeziehen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Darüber können wir reden!)

Die beiden Systeme - hier Angestellte, dort Beamte müssen zusammengeführt werden, nicht zuletzt aus finanziellen Gründen.