Protokoll der Sitzung vom 24.01.2001

Der Verteidigungsminister hat diese Spielräume in der Liste der Kriterien aufgezeigt, die bei der Prüfung der Standortschließungen angelegt werden. Es kommt nun darauf an, dass die Landesregierung auf Grundlage dieser Kriterien überzeugende Argumente für Standorte in Schleswig-Holstein entwickelt. Zum Teil ist dies schon geschehen. So schließe ich mich ausdrücklich den Forderungen für den Erhalt der Standorte in der Region Neumünster/Bad Segeberg, in Schleswig, Hohenlockstedt und Kiel an. Wir brauchen in Schleswig-Holstein Truppen mit schwerem Gerät für den Katastrophenschutz im Land und an der Küste.

(Beifall bei der F.D.P.)

Dies spricht für den Erhalt der Panzerbrigade 18 im Kreis Segeberg und des Pionierbataillons in Schleswig. Der Bedarf an Hubschraubern für Seenotfälle spricht für den Erhalt des Heeresfliegerstandorts „Hungriger Wolf“. Das Wehrbereichskommando und die Wehrbereichsverwaltung in Kiel können ihre Führungs- und Verwaltungsaufgaben in Kiel mindestens ebenso gut erfüllen wie in Hannover. In Zeiten immer besserer Kommunikationsmittel nimmt die Bedeutung der räumlichen Lage für diese Aufgaben ab. Die sicherheitspolitische Bedeutung ist bei dieser Entscheidung sicherlich verschwindend gering; folglich können - gerade bei der Standortwahl für diese höhere Kommandobehörde - strukturpolitische Argumente einfließen.

Kiel hat durch den Abbau bei der Marine in den letzten Kürzungsrunden erheblich Federn lassen müssen. Jetzt werden mit hoher Wahrscheinlichkeit das Marineabschnittskommando und vielleicht auch das Marinearsenal abgebaut. Der Verteidigungsminister könnte durch den Verbleib von Wehrbereichskommando und Wehrbereichsverwaltung in Kiel zeigen, dass er es mit der Berücksichtigung regionaler Gesichtspunkte ernst meint.

(Beifall bei der F.D.P.)

Vergessen wir nicht, dass Hannover erst im letzten Jahr ein milliardenschweres strukturpolitisches Geschenk namens EXPO vom Bund bekommen hat. Die Debatte um Standortschließungen ist im Moment sehr intensiv und wichtig. In wenigen Wochen werden wir

mehr oder weniger froh vor vollendeten Tatsachen stehen.

Ich sagte es schon: Die Bundeswehr muss sparen und wird daher - auch in Schleswig-Holstein - eine Reihe von Standorten schließen müssen. Diese Art des Kostenmanagements können wir nicht verurteilen, denn genau das fordern wir zu Recht immer wieder von unserer Landesregierung. Der Bundesverteidigungsminister ist da offensichtlich schon ein ganzes Stück weiter.

Wir müssen unseren Blick schon jetzt auf die Zeit nach den Schließungen und auf die Bewältigung der Folgen richten. Für die betroffenen Kommunen ergeben sich zunächst gravierende Einschnitte. Diese bieten aber auch Chancen für die weitere Entwicklung. Erschlossene Baugebiete für Wohn- und Gewerbegebiete werden frei. Es kommt darauf an, dass die Gemeinden diese Liegenschaften zügig nutzen können. Hier liegt die Hauptaufgabe der Landesregierung. Sie muss die Gemeinden bei der Verwertung der ehemaligen Standorte unterstützen: erstens in den Verhandlungen mit dem Verteidigungsminister und dem Bundesvermögensamt bei der Übertragung dieser Grundstücke, zweitens durch zügige Genehmigungsverfahren und drittens durch Anpassungshilfen im Rahmen der schon bestehenden Förderprogramme, insbesondere des Regionalprogramms 2000.

Letztes erscheint mir besonders wichtig. In der letzten Sitzung des Wirtschaftsausschusses wurden die Vorsitzenden der Regionalbeiräte für die Projektentwicklung im Rahmen des Regionalprogramms 2000 gehört. Ziemlich einhellig kam zum Ausdruck, dass die Regionalbeiräte die Gefahr sehen, die Landesregierung rücke bei der Projektbewertung den Begriff Innovation immer stärker in den Mittelpunkt und vernachlässige möglicherweise normale strukturfördernde Maßnahmen, zum Beispiel die Ausweisung von Gewerbegebieten.

Innovationen entstehen in Unternehmen und was eine erfolgreiche Innovation ist, entscheidet sich letztlich am Markt und nicht im Ministerium.

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei der CDU)

Wichtig ist allerdings, dass die Betriebe ihre Produkte in Schleswig-Holstein überhaupt entwickeln und produzieren können. Das Land kann dies durch gute Rahmenbedingungen für unternehmerisches Wirken fördern, zum Beispiel durch die Unterstützung und Zur-Verfügung-Stellung wirtschaftsnaher Infrastruktur und Basisstruktur.

Im Bereich der Konversion ist es wichtig, die günstigen Voraussetzungen schnell zu schaffen. Die betrof

(Christel Aschmoneit-Lücke)

fenen Gemeinden müssen die Chance erhalten, den Verlust von Bundeswehreinrichtungen zügig zu kompensieren.

Im Rahmen der letzten Debatte über Standortschließungen hat die Landesregierung von der damals christlich-liberalen Bundesregierung hierzu vehement ein Konversionsprogramm des Bundes gefordert. Frau Ministerpräsidentin, wo bleiben Ihre nachdrücklichen Forderungen nach einem Konversionsprogramm

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

gegenüber der jetzigen Bundesregierung? Werden Sie da durch Parteiräson zurückgehalten?

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Nein! - Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Niemals!)

Oder hat möglicherweise die Einsicht Ihrer fehlenden Einflussmöglichkeiten auf die jetzige Bundesregierung obsiegt?

(Widerspruch bei der SPD)

- Diese Fragen stellen sich doch allemal, lieber Herr Nabel. Ich habe diese Forderung nach einem Konversionsprogramm heute jedenfalls nicht gehört.

(Beifall bei der SPD - Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Das bezahlt sie alles aus „ziel“!)

Die Bundeswehr wird Standorte in Schleswig-Holstein schließen.

Ich fordere heute die Landesregierung auf, erstens dafür zu sorgen, dass in Schleswig-Holstein nicht überdurchschnittlich reduziert wird, und zweitens, dass günstige Voraussetzungen für die zügige Konversion geschaffen werden.

Erlauben Sie mir noch einen Blick in die Zukunft, sozusagen in die nächsten Wochen, auf die Debatten, die wir noch führen werden. Die Ministerpräsidentin hat erneut - das will ich hier ausdrücklich lobend zur Kenntnis nehmen und erwähnen - zum 31. Januar alle möglichen Gruppen - wie auch schon in der vergangenen Woche - ins Landeshaus eingeladen, um mit ihnen darüber zu debattieren, wie es weitergehen soll.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Schön! Schön, dass wir mal darüber gesprochen haben!)

Ich finde, das ist genau der richtige Ansatz. Ich möchte aber uns alle bitten, dass wir uns in der Debatte um Standorte in den nächsten Wochen - wir alle haben das schon einmal erlebt - darauf konzentrieren: Welches sind eigentlich die wichtigen Dinge für unser Land?

(Beifall bei F.D.P., BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Brita Schmitz-Hübsch [CDU])

Welches sind die wirklich zentralen Forderungen, damit wir uns in diesem Land nicht gegenseitig schlecht machen? Welches sind die zentralen Forderungen für die Angehörigen der Bundeswehr selbst? Sie haben das in der letzten Sitzung zum Ausdruck gebracht. Es geht darum, zentrale Einrichtungen im Land zu erhalten. Ich bitte Sie, dass wir alle in den nächsten Wochen gemeinsam in dieser Art und Weise miteinander reden.

(Anhaltender Beifall bei F.D.P., CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort erteile ich jetzt dem Herrn Abgeordneten Benker.

(Lothar Hay [SPD]: Es spricht endlich mal jemand, der was davon versteht! Herr Fre- gattenkapitän! - Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Hermann, rück das mal wieder klar!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach diesem Bericht können wir eigentlich mit unserem Verteidigungsministerium zufrieden sein, denn die Geheimhaltung funktioniert

(Heiterkeit und Beifall im ganzen Haus)

zumindest, was den Truppenabbau betrifft.

(Heiterkeit - Dr. Ekkehard Klug [F.D.P.]: Es wird immer besser!)

Frau Aschmoneit-Lücke sagt, es sei nichts Besonderes, nichts Bemerkenswertes. Ich halte es für besonders bemerkenswert, dass wir Sozialdemokraten - die Regierung eingeschlossen - uns nicht haben anstecken lassen von dieser Spökenkiekerei, von dieser Kaffeesatzleserei, jeden Tag eine neue Sau durchs Dorf zu treiben und einen neuen Standort zu finden, der geschlossen werden soll.

(Beifall bei der SPD)

Dann nämlich wäre nichts anderes passiert, als andauernd dementieren zu müssen, dass dieser oder jener Standort nicht dran ist.

Es ist noch nichts entschieden. Damit haben wir uns bis zur nächsten Woche abzufinden.

(Beifall bei der SPD)

Dennoch begrüße ich den Antrag der F.D.P. Fairerweise muss ich auch den Antrag der CDU erwähnen,

(Hermann Benker)

denn er erlaubt mir festzustellen: Die Regierung handelt auch ohne Beschlussfassung des Parlaments.

(Zuruf des Abgeordneten Heinz Maurus [CDU] - Dr. Heiner Garg [F.D.P.]: Dafür ist sie auch da!)

Im Verlauf der Diskussion um den Truppenabbau dachte auch ich - ich habe mit Herrn Maurus kurz darüber gesprochen - an eine Resolution in Richtung Berlin ähnlich der, die wir 1995 gemeinsam gemacht haben, Herr Kayenburg. - Heute aber bin ich der Auffassung, dass die sachlichen Gespräche, wie sie von der Regierung seit Sommer letzten Jahres mit dem Verteidigungsminister, mit den Landräten, mit den Oberbürgermeistern und mit der Bundeswehr geführt wurden, der richtige Weg sind. Nur so schaffen wir die Voraussetzungen, um ein gutes Ergebnis für Schleswig-Holstein zu erzielen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich halte auch nichts von ständigen Glaubensbekenntnissen in Richtung Wehrpflicht. Wenn dies Entscheidungskriterium wäre, wären wir wieder bei einer Art Gutsherrenpolitik: Wer ist denn - bitte schön! - der Bundeswehr gewogen, wer wird begünstigt und wer nicht?

Auch wenn wir bis zum heutigen Tag keine konkreten Zahlen auf dem Tisch liegen haben, werden insbesondere die Bundestagsabgeordneten der CDU nicht müde, sich als Kaffeesatzleser zu betätigen. Dieser Begriff stammt nicht von mir, sondern ist bei der Verabschiedung der Kommandeure bei der WBK I gefallen.