Protokoll der Sitzung vom 26.01.2001

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Dieser Appell ist doch Quatsch! Sie müssten etwas tun!)

In der Debatte über den ersten Bericht der Landesregierung hat die Kollegin Aschmoneit-Lücke noch das Erstgeburtsrecht für die erfolgreiche Bundesratsinitiative des Landes für Schleswig-Holstein zur Schaffung eines solchen Rechtsinstituts für die F.D.P. in Anspruch genommen. Dafür haben wir damals gedankt. Aber heute erwarte ich von denjenigen F.D.P.Kolleginnen und -Kollegen, die an der Regierung beteiligt sind, dass sie sich einmal in einer so wichtigen

(Karl-Martin Hentschel)

Frage durchsetzen, um damit ihrem Anspruch gerecht zu werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Das ist doch die Sache der Grünen!)

Aber auch wenn die F.D.P. wieder einmal umfällt, stehen die Signale für den Abbau der Diskriminierung von Lesben und Schwulen auf grün. SchleswigHolstein - das beweist das Antidiskrimierungsprogramm der Landesregierung - ist hier vorn.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD] und Wolfgang Baasch [SPD])

Das Wort für den SSW im Landtag hat jetzt Frau Abgeordnete Silke Hinrichsen.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der SSW steht weiterhin hinter der Schwulenund Lesbenpolitik, die seit 1996 von der rot-grünen Landesregierung betrieben wird. Wir brauchen weiterhin eine aktive Politik für die Chancengleichheit und gegen die Diskriminierung von Lesben und Schwulen. Die größte politische Errungenschaft in diesem Sinne ist zweifellos die endlich beschlossene Einführung einer registrierten Partnerschaft für die Lesben und die Schwulen. Darauf ist in dem Bericht eingegangen worden. Die gefundene Regelung geht leider noch nicht weit genug. Sie ist aber zumindest ein erster Schritt.

(Präsident Heinz-Werner Arens übernimmt den Vorsitz)

Ziel muss eine Gleichstellung mit der Ehe sein, damit für beide endlich die Vorteile und Nachteile, die damit verbunden sind, genutzt werden können.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir erwarten von der Bundesregierung, dass das Lebenspartnerschaftsgesetz - ich meine das Ergänzungsgesetz - nicht auf lange Zeit in der Schublade verschwindet, sondern dass weiterhin offensiv für die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare gekämpft wird. Wir sind zuversichtlich, dass zukünftig weitere Rechte und Pflichten folgen werden. Das ist zumindest die Erfahrung aus den skandinavischen Ländern, auf die der Kollege Garg schon eingegangen ist. Dort hat man - zwar erst etwas später, aber immerhin - die Adoption der leiblichen Kinder eingeführt.

Dessen ungeachtet ist es aber enttäuschend, dass die Mehrheit der Bundesländer immer noch nicht akzeptieren kann, dass die sexuelle Orientierung eines Menschen kein Kriterium für staatliches Handeln und staatliche Normen sein kann. Hier müssen viele Fehler der Vergangenheit geheilt werden. Wir halten es aber für problematisch, wenn die Gleichstellung der Lesben und Schwulen nur durch Sonderregelungen erfolgt. Damit wird die sexuelle Orientierung immer noch zur Grundlage der jetzt separaten Gesetzgebung. Diese Form der positiven Diskriminierung mag zurzeit noch notwendig sein, sie ist aber beileibe nicht der Weisheit letzter Schluss. Daher stehen wir einem Antidiskriminierungsgesetz skeptisch gegenüber. Es ist wichtiger, die Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Lebensweisen durch gesetzliche Gleichstellung in allen Bereichen und durch soziale Maßnahmen zu fördern. Das macht die Landesregierung aber auch jetzt schon auf vielen Feldern.

Sie hat eine lange Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Gleichbehandlung der Lesben und Schwulen zu fördern. Wir unterstützen vorbehaltlos das große Engagement in zentralen sozialen Bereichen wie Jugendhilfe, Familie, Beratung, Schule und Umwelt.

Was wir jedoch im vorliegenden Bereich leider etwas vermissen, sind Aussagen über die Erreichung der Ziele dieser Schwulen- und Lesbenpolitik. Das Land Schleswig-Holstein wendet zum Beispiel seit einigen Jahren Instrumente wie Multiplikatorenbildung und Informationsmaterial an, um die gesellschaftliche Situation der Lesben und Schwulen zu verbessern. Ich würde mir wünschen, dass die Landesregierung mitteilt, was diese Maßnahmen an Veränderungen gebracht haben. Welche Erkenntnisse bestehen darüber, inwieweit die Multiplikatoren- und Informationsarbeit bei den Endverbrauchern und Endverbraucherinnen zu positiven Effekten geführt haben? Nur wenn wir diese Information haben, können wir wirklich bewerten, ob die bestehende Arbeit unverändert fortgesetzt werden soll oder ob sie vielleicht noch verbessert werden kann.

Mir ist klar, dass in einem solchen Bereich keine harte Evaluation möglich ist. Es ist natürlich schwer, Erfolge zu erfassen, wenn es um die Veränderungen menschlichen Bewusstseins und sozialen Handelns geht. Trotzdem wünschen wir uns hier nähere Angaben zu dem Bericht, die wir in der anstehenden Ausschussberatung möglicherweise erhalten werden.

(Beifall)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ein Antrag ist nicht gestellt worden.

(Widerspruch)

- Überweisung an den Innen- und Rechtsausschuss -

(Thorsten Geißler [CDU]: Mitberatend an den Bildungsausschuss! - Weitere Zurufe)

- Überweisung federführend an den Innenund Rechtsausschuss und mitberatend an den Bildungsausschuss.

(Zurufe von der SPD: Federführend an den Sozialausschuss!)

- Also, wer zustimmt, dass der Bericht federführend an den Sozialausschuss und mitberatend an den Innenund Rechtsausschuss und Bildungsausschuss überwiesen wird, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Auflösung der Enquetekommission

Antrag der Fraktionen von CDU und F.D.P. Drucksache 15/640

Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 15/679

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Wadephul.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie, dass ich noch einen Satz zur vorangegangenen Debatte sage! Herr Kollege Henschel, ich möchte ausdrücklich noch einmal Folgendes klarstellen: Wir stehen zu der Aussage, dass wir eine Förderung derjenigen wollen, die Kinder zu betreuen haben. Deshalb ist es Beschlusslage meiner Partei, das Ehegattensplitting durch ein Familiensplitting zu ersetzen. An dieser Stelle gibt es Gemeinsamkeit.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun zum eigentlichen Thema! Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben uns vorgenommen, in der Enquetekommission unter dem Vorsitz des Kollegen Puls, dem ich für seine Arbeit, für sein Engagement zugunsten der Kommunalpolitik an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich danken möchte,

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

große, offene Regelungsbereiche im Verhältnis des Landes zu den Kommunen zu diskutieren. Ausgangspunkt waren in der Tat Finanzfragen; Ausgangspunkt war die Absicht, in den kommunalen Finanzausgleich einzugreifen. Mit der Verabschiedung des Landeshaushaltes wurde die Politik der rot-grünen Landtagsmehrheit und der Landesregierung durchgesetzt. Ich möchte das Kapitel an dieser Stelle nicht noch einmal gesondert aufwärmen, aber ich muss schon sagen, dass die Diskussion im Sonderausschuss und in der Enquetekommission an der Stelle sehr sachorientiert war und wir gemeinsam, Herr Kollege Astrup, zu dem Ergebnis gekommen sind, dass es aus finanzpolitischer Sicht keine Rechtfertigung gab, diesen Eingriff vorzunehmen. Sie bleiben aufgefordert, in den nächsten Jahren von diesem Eingriff Abstand zu nehmen.

(Holger Astrup [SPD]: Machen wir 2005!)

- 2005, rechtzeitig zur Landtagswahl soll die Geschichte beerdigt werden. Aber keine Sorge, wir werden dafür sorgen, dass nicht nur den Kommunalpolitikern, sondern auch den Bürgerinnen und Bürgern im Gedächtnis bleiben wird, was Sie an der Stelle gemacht haben.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben die Themengebiete in einer konstruktiven Art und Weise ausgeweitet. Wir haben über Standardfreigabe diskutiert, wir haben darüber diskutiert, wie das zentralörtliche System fortentwickelt werden kann, wir haben grundsätzlich über den interkommunalen Finanzausgleich miteinander diskutiert und wir haben auch über die Frage des Finanzausgleichs zwischen Land und Kommunen diskutiert. Das sind große Fragen.

Wir haben nur ein ums andere Mal in der Enquetekommission leider miterleben müssen, dass die Landesregierung den Beratungen vorgegriffen hat, dass die Landesregierung die Beratungen der Enquetekommission, die naturgemäß etwas Zeit erfordern, ad absurdum geführt hat. Deswegen war der Schritt des Kollegen Puls richtig, der sich dafür zu schade war, den Vorsitz in einer Enquetekommission weiterzuführen, die im Grunde gar nicht vernünftig arbeiten kann. Deswegen ist es leider auch konsequent, wenn wir diese Enquetekommission - kein Ruhmesblatt, insbesondere für die Sozialdemokraten - hier und heute beenden.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Aber ich möchte den Blick nach vorn richten und das aufgreifen, was insbesondere deutlich geworden ist, nämlich dass insbesondere die Grünen gemeinsam mit den Freien Demokraten an vielen Stellen bereit waren, mit uns sachorientiert über die Probleme zu diskutie

(Dr. Johann Wadephul)

ren. Ich bitte Sie herzlich und fordere Sie auf, im Innen- und Rechtsausschuss die drängenden Fragen, die vor uns liegen, miteinander zu diskutieren. Die Kommunen erwarten, dass das Land seine Hausaufgaben macht. Herr Kollege Puls, deswegen sind an erster Stelle die Sozialdemokraten aufgefordert: Machen Sie Ihre kommunalpolitischen Hausaufgaben! Werden Sie entschädigungsfähig bei den entscheidenden Fragen, die anstehen! Dann sind wir bereit, gemeinsam, parteiübergreifend eine Landespolitik zu betreiben, die kommunalfreundlich ist, die Entscheidungen den Menschen überlässt, die vor Ort ehrenamtlich für die Bürgerinnen und Bürger Verantwortung tragen.

Deswegen möchte ich an dieser Stelle den Versuch unternehmen zu sagen: Wir wollen nicht nach hinten blicken - dass es in der Enquetekommission ein trauriges Kapitel war, wissen wir alle -, sondern wir sollten an dieser Stelle einen neuen Versuch starten. Ich rufe insbesondere die Sozialdemokratische Fraktion und die Landesregierung auf, jetzt nicht Stückwerk zu machen, keine Entscheidungen vorwegzunehmen, sondern bereit zu sein, die grundsätzlichen Fragen, die das Land und die Kommunen betreffen, neu und konstruktiv zu beraten. Die CDU-Fraktion ist dazu bereit. Ab heute blicken wir nicht mehr nach hinten, sondern nach vorn und wir sind sicherlich auch in der Lage, gemeinsam zugunsten unserer Kommunen eine Menge zu erreichen.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Puls das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktionen von CDU und F.D.P. beantragen, die Enquetekommission zur Neuordnung der Beziehungen zwischen dem Land und den Kommunen sowie der Kommunen untereinander aufzulösen. Die SPD-Landtagsfraktion wird sich bei diesem Antrag der Stimme enthalten.

Wir folgen den Geboten der Kollegialität und der Pietät und werden uns der Mutter des Gremiums - wenn sie ihr Kind denn selbst zu Grabe tragen will - nicht in den Weg stellen. Aus unserer Stimmenthaltung entnehmen Sie aber bitte auch, dass wir als SPD-Fraktion willens, bereit und in der Lage wären - unabhängig vom Rücktritt des Vorsitzenden -, die der Kommission vom Landtag aufgetragene Arbeit mit kompetenter Neubesetzung fortzusetzen.

(Beifall bei SPD und SSW)

Mit unserer Stimmenthaltung wollen wir darüber hinaus dokumentieren, dass wir als SPD-Fraktion geschlossen dem wesentlichen Teil der Begründung des Antrags von CDU und F.D.P. - soweit er schriftlich vorgelegt worden ist - nicht zustimmen können. Es trifft nach unserer Auffassung nicht zu, dass die Regierungsfraktionen und die Landesregierung durch aktuelle Gesetzesänderungen den Auftrag des Parlaments an die Enquetekommission - so wie es im Antrag schriftlich heißt - missachtet hätten. Ich selbst habe als damals noch amtierender Vorsitzender in der November-Sitzung der Kommission am 13. November die Einigkeit aller Kommissionsmitglieder festgestellt ich zitiere aus dem Protokoll der Enquetekommission -, dass „die Enquetekommission - auch wenn es um strukturelle Änderungen gehe - in Fragen des Untersuchungsgegenstandes nicht den Stillstand der Gesetzgebung ausrufen kann“.