Protokoll der Sitzung vom 21.02.2001

(Beifall bei der F.D.P.)

Alle Parteien in diesem Hause und die Landesregierung selbst messen dem Problem hohe Bedeutung bei. Wir alle sehen die Probleme, die kurzfristig auf die betroffenen Gemeinden zukommen. Wir dürfen diesen Problemen nicht nur mit Worten hier in diesem Hause Rechnung tragen, wir müssen bei der Meisterung der Probleme helfen. Dazu reicht eben die Forderung nach Bundesmitteln nicht aus.

Wir stimmen dem Konversionsprogramm des Bundes ausdrücklich zu. Das habe ich Ihnen, Herr Kollege Benker, im Vorfeld auch schon gesagt. Wir werden also auch Ihrem Antrag zustimmen, ebenso wie Sie im Prinzip unseren Antrag unterstützen. Ich finde es nur sehr schade, dass wir im Vorfeld - wir hatten diesen Vorschlag ja gemacht - unseren Antrag nicht in den anderen Antrag einarbeiten konnten. Ich muss Ihnen ehrlich sagen, dass ich es eigentlich nicht verstehe, dass wir im Parlament zwar gemeinsam eine Aufforderung an die Bundesregierung verabschieden können, aber nicht auch gemeinsam unsere Landesregierung auffordern können, in diesem Bereich etwas zu tun.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Zu unserem Antrag! Erstens sollten die betroffenen Gemeinden bei der Umsetzung des Regionalprogramms 2000 und des Programms „Zukunft auf dem Land“ besonders berücksichtigt werden, wenn sie Konversionsprogramme einbringen. Frau Kollegin Spoorendonk, Sie haben gesagt, „ziel“ solle nicht für alles missbraucht oder gebraucht werden. Selbstverständlich! Aber innovative Projekte und Konversionsprojekte schließen sich ja keineswegs aus, sondern können sehr wohl genau das gewünschte Ziel erreichen.

(Beifall bei der F.D.P.)

Es kommt Folgendes hinzu: Viele der betroffenen Standorte liegen jetzt schon in strukturschwachen Gebieten und werden nun zusätzlich geschwächt. Dies sollte in den Entscheidungen über die Förderung angemessen zur Geltung kommen.

Aber auch die betroffenen Gemeinden, die eben nicht in der Fördergebietskulisse liegen, müssen unterstützt werden. Denn es wird uns kaum gelingen, die Kriterien der EU für die Förderung strukturschwacher Regionen aufzuweichen, und ich glaube nicht, dass es möglich sein wird, Kofinanzierungsmittel aus der Wirtschaftsförderung in diese Orte umzulenken, ohne Fördermittel der EU zu verlieren. Folglich müssen wir den Gemeinden anderweitig helfen, die nicht für die Förderung im Rahmen von „ziel“ in Betracht kommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen und liebe Kollegin Spoorendonk, ich will an dieser Stelle auch etwas zum Antrag des SSW sagen, den Sie begründet haben. Der SSW fordert hier heute einen Bericht, der zu großen Teilen als erstes Dokument in das Wirtschaftsarchiv wandern könnte, das der SSW in einem anderen Antrag fordert.

(Beifall bei der F.D.P. - Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Sehr gut!)

Die Entwicklung von Landes- und Bundesverwaltung im vergangenen Jahrzehnt wird vor allen Dingen historisch orientierte Verwaltungswissenschaftler interessieren. Der Bericht wird offen legen, dass die Reform der Landesverwaltung ein Verschiebebahnhof ist, der Effizienz und Effektivität des Verwaltungshandelns kaum gefördert hat. Diese Erkenntnis ist allerdings nicht neu. Über die Entwicklung der Bundeswehrstandorte in Schleswig-Holstein sind wir in den letzten Wochen sehr genau informiert worden. Diese Informationen sind ja Grundlage der laufenden Diskussion.

(Christel Aschmoneit-Lücke)

Interessant an Ihrem Bericht, Frau Kollegin Spoorendonk,

(Lothar Hay [SPD]: Den hat es noch gar nicht gegeben! - Anke Spoorendonk [SSW]: Den kennen Sie noch gar nicht, aber Sie interpre- tieren ihn schon!)

- der aufgrund des Antrages kommt - entschuldigen Sie, Herr Kollege Hay, ich will das gern auch genau sagen - wird Folgendes sein: Die Landesregierung wirft ja dem Verteidigungsminister vor, regionale und strukturpolitische Gesichtspunkte bei der Standortplanung nicht genügend berücksichtigt zu haben. Wir werden sehen, inwieweit sich die Landesregierung bei der eigenen Verwaltungsreform in Zukunft an die Maßstäbe hält, die sie von anderen fordert.

(Beifall bei der F.D.P.)

Wir werden deshalb Ihrem Antrag zustimmen.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Der Verteidigungsminister hat seine Entscheidungen gefällt. Wir können alle damit nicht zufrieden sein. Alle Vorredner haben dies bereits gesagt. Deshalb sollten wir uns - das möchte ich zum Ende meiner Rede noch betonen - jetzt wirklich auf die Zukunft und auf die Chancen konzentrieren, die sich auch für dieses Land daraus ergeben.

Noch einmal: Wir werden Ihren Antrag unterstützen. Wir sollten mit aller Kraft darauf hinwirken, dass der Bund dem Land Schleswig-Holstein bei den Konversionsprogrammen hilft. Wir sollten aber auch fordern und durchsetzen, dass das Land nicht nur nach Hilfe ruft, sondern sich selbst einsetzt. Deswegen wäre ich Ihnen außerordentlich dankbar, wenn Sie heute auch unserem Antrag zustimmen könnten.

(Beifall bei F.D.P., CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Hentschel das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem es ein wenig Verwirrung gestiftet hatte, dass ich in letzter Zeit einige vernünftige Äußerungen der CDU gelobt habe, muss ich heute sagen, dass ich den Beitrag relativ unsäglich fand.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Bei meiner lieben Kollegin Aschmoneit-Lücke möchte ich mich dagegen für den differenzierten Beitrag bedanken.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW - Zurufe von der CDU: Oh! - Lothar Hay [SPD]: Und das von dir!)

- Man muss ja in der politischen Arithmetik ausgewogen bleiben. - Soziologen behaupten, Rituale dienten dazu, Gesellschaften zusammenzuschweißen. Ein solches Ritual scheint es mir zu sein, wenn jetzt an vielen Stellen im Lande lautstark gegen den Truppenabbau gewettert wird und sogar von Herrn Wadephul heute, wie wir es gehört haben, der Bundeswehrabbau insgesamt infrage gestellt wird. Ich glaube, Politiker tun sich keinen Gefallen, wenn sie sich selbst und den Bürgern etwas vormachen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Haben wir denn nicht alle gejubelt, als der Eiserne Vorhang fiel und aus ehemaligen Feinden sogar Verbündete wurden? Ist das alles vergessen?

(Lothar Hay [SPD]: Ich sage: China!)

Haben wir nicht darüber geredet, dass wir jetzt das Geld, das wir zuvor in Milliardenhöhe für die Rüstung ausgeben mussten, für soziale Zwecke, für die Bildung und für andere Dinge einsetzen könnten?

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Das machen wir doch gar nicht!)

Nun wird plötzlich gejammert und gesagt: Das darf aber nicht sein! Die Bundeswehr darf nicht umgestrickt werden! Es soll alles so bleiben, wie es ist! Sie können doch nicht ernsthaft vertreten, dass Zigtausende von jungen Männern ein Jahr ihres Lebens in einem Dorf in Schleswig-Holstein verbringen müssen, damit in der Kneipe mehr Bier verkauft wird. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein! Dann müssen Sie auch Zwangsurlaub in Schleswig-Holstein fordern.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Unglaublich!)

Nein, meine Damen und Herren, so geht es nicht!

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Ja, eben! So geht es nicht!)

Richtig dagegen ist es, dass die Entscheidungen des Bundesverteidigungsministers in den letzten Wochen von der Landesregierung kritisch überprüft wurden und dass natürlich von ihr die Interessen des Landes vertreten werden. Ich glaube aber, man darf bei solchen Diskussionen die Hoffnungen auch nicht zu hoch schrauben.

(Karl-Martin Hentschel)

Wenn Herrn Scharping vorgeworfen wird, er habe zu rasch entschieden und man habe das alles schon ein Jahr vorher gewusst, und wenn man andererseits Herrn Austermann hört, dann kann ich nur sagen: Das ist die übliche Spökenkiekerei. Natürlich wird im Vorfeld solcher Entscheidungen sehr viel diskutiert, werden sehr viele Fragen gestellt, wird sehr viel spekuliert. Aber dann muss irgendwann entschieden werden. Das hat Herr Scharping gemacht. Das finde ich völlig richtig.

Herr Abgeordneter Hentschel, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Maurus?

Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, dass der Bundesverteidigungsminister selbst in seinem Konzept eine Anhörungsfrist bis zum 31. März eingeräumt hatte, aber bereits am 16. Februar entschieden hat?

- Ja, das ist mir bekannt. Ich habe darüber nachgedacht, warum er das gemacht hat. Ich fand, das war ein schlauer Schachzug,

(Lachen bei CDU und F.D.P. - Heiterkeit bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

denn er hat dadurch verhindert, dass wieder drei Spekulationen aus seinem eigenen Hause vorher veröffentlicht werden.

(Klaus Schlie [CDU]: Das war aber schwach, Herr Kollege Hentschel! - Heinz Maurus [CDU]: Wie gehen Sie eigentlich mit den Kommunen um? - Weitere Zurufe von CDU und F.D.P.)

Das Wort hat jetzt wieder Herr Abgeordneter Hentschel.

Wirklich zu kritisieren hätte ich die Entscheidung des Bundesverteidigungsministers, wenn es stimmt, dass 60 unwirtschaftliche Standorte nur den Regionen zuliebe erhalten bleiben. Denn es wäre ein Fehler, würde kurzfristig Rücksicht auf regionale Gesichtspunkte genommen und unwirtschaftliche Standorte blieben

erhalten, die den Steuerzahler über Jahre hinweg Milliarden kosteten.

Aber genau das fordern Sie doch ständig. Sie fordern, dass die Entscheidungen regionalpolitisch gefällt werden und nicht im Interesse der Bundeswehr. So kann man nicht an die Finanzen des Staates und so kann man auch nicht an militärpolitische Entscheidungen herangehen. Das geht nicht!

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])