Im Jahr 2000 wurden 1,1 Millionen Arbeitserlaubnisse für ausländische Arbeitnehmer erteilt. Hinzu kommt die Zahl von 243.000 nicht besetzten Ausbildungsstellen in ganz Deutschland. Angesichts dieser Zahlen wäre es also grundsätzlich möglich, jedem Hilfeempfänger ein Arbeitsangebot zu unterbreiten.
Wir müssen erneut eine Diskussion über den Begriff der Zumutbarkeit führen. Bei der Forderung nach Mobilität des jeweiligen Arbeitnehmers ist allerdings auch die familiäre Situation zu berücksichtigen. Haben die Partnerin oder der Partner vor Ort einen Arbeitsplatz, wie alt sind die Kinder, wie ist die schulische Situation? Was bedeutet das für einen eventuellen Umzug?
Im Allgemeinen gilt aber: Wer gesund und arbeitsfähig ist und ein Arbeitsangebot ausschlägt oder sich so verhält, dass dem Arbeitgeber eine Beschäftigung dieser Person nicht zugemutet werden kann, bedarf offensichtlich nicht der Hilfe. Solche Personen benötigen nach meiner Überzeugung auch keine sozialtherapeutischen Anwendungen, wie sie uns Frau Hinrichsen empfehlen wollte, sondern Druck, auch finanziellen Druck.
Eine solche Aussage ist nicht unsozial. Wer arbeiten könnte, es aber ablehnt und sich stattdessen mit Sozialleistungen ein feines Leben macht, handelt unsozial und lebt auf Kosten der Allgemeinheit.
Wer arbeitslos ist, hat ein Recht auf die Solidarität der Gesellschaft. Er ist aber selbst auch zur Solidarität mit den anderen verpflichtet.
Die CDU-Landtagsfraktion bleibt daher bei ihrer Position, die da lautet: Wer seine Arbeit verliert, muss alles tun, um wieder Arbeit zu finden, sich weiterzubilden oder gemeinnützige Arbeit leisten. Diese gemeinnützigen Arbeiten müssen allerdings - das will ich auch anführen - noch stärker vor Ort angeboten werden. Ich weiß, welch schwierige Aufgabe das für die kommunale Ebene ist.
Wir müssen uns bei der dringend notwendigen Reformdiskussion allerdings auch immer wieder vor Augen führen, zu welchem Zweck welches Instrumentarium eingeführt worden ist. Sozialhilfe war ursprünglich als Absicherung für Menschen gedacht, die vorübergehend in Not geraten sind.
In den 60er-Jahren gab es rund eine halbe Million Sozialhilfeempfänger, heute ist es leider so, dass die Sozialhilfe in vielen Fällen zu einer lebenslangen Versorgung geworden ist.
Sie federt nämlich das Risiko der Langzeitarbeitslosigkeit ab. Es gibt mittlerweile Familien, in denen mehrere Generationen von Sozialhilfeleistungen leben müssen. Die Gesamtzahl der Empfänger ist dementsprechend ständig gewachsen. Heute sind 2,7 Millionen Menschen auf die Hilfe zum Lebensunterhalt angewiesen. Sie haben im vergangenen Jahr rund 20 Milliarden DM an Leistungen erhalten.
Von den 2,7 Millionen Sozialhilfeempfängern sind rund 1 Million Menschen grundsätzlich arbeitsfähig, sie sind nicht krank, nicht behindert, nicht über 65 Jahre alt und haben als Alleinerziehende auch keine Kinder zu versorgen. Auf diesen Personenkreis der Arbeitsfähigen müssen wir uns in der Ausrichtung der Sozialhilfe verstärkt konzentrieren. Wer arbeitswillig ist, der soll nicht nur die volle Leistung erhalten, nein, bei besonderem Bemühen - das sollte vielleicht auch der SSW zur Kenntnis nehmen - soll es aus unserer Sicht auch einen Aufschlag geben. Wer sich hier aber verweigert, dem stehen aus unserer Sicht eben nicht die vollen Leistungen zu.
Das sind Anreize, die wir zusätzlich schaffen müssen, wenn es uns darum geht, wirkliche soziale Gerechtigkeit für wirklich Bedürftige zu schaffen.
Es gibt aber auch - diese Zahl müssen wir ebenfalls zur Kenntnis nehmen - rund 1,5 Millionen Menschen, die ebenfalls keine Arbeit haben und die von der Bundesanstalt für Arbeit im letzten Jahr weit über 20 Milliarden DM an Arbeitslosenhilfe bezogen haben. Die CDU-Landtagsfraktion fordert mit ihrem heutigen Antrag den Bundesgesetzgeber auf, gemeinsam mit den Ländern die notwendigen Grundlagen zu schaffen, um die Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfe zusammenzuführen. Ich glaube, wir sind uns hierin weitestgehend einig.
Beide Hilfearten sind steuerfinanziert, sie federn das Risiko der Arbeitslosigkeit ab, prüfen die Bedürftigkeit des Empfängers, sollen den Lebensunterhalt sichern und die Menschen wieder in den ersten Arbeitsmarkt vermitteln. Die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt ist der vorrangige Gedanke bei unseren Reformüberlegungen. Die Sozialämter sind bisher mit dem Instrument der Sozialhilfe nicht in einem ausreichenden Maß in der Lage, Arbeitsvermittlung und Qualifizierung wirklich zu leisten.
Jetzt komme ich noch einmal auf den Kanzlerspruch „Kein Recht auf Faulheit“ zurück. Das geltende Bundessozialhilfegesetz sieht als Regelfall vor, dass Bedürftige die volle Leistung erhalten. Kommt ein Hilfeempfänger aber seiner Verpflichtung zur Arbeit nicht nach, wird ihm die Leistung gekürzt. Hier hat also die Vorgängerregierung bereits ihre Hausaufgaben gemacht. Auch das sollte Herr Schröder zur Kenntnis nehmen.
In Zukunft sollte es aus Sicht der CDU-Landtagsfraktion so sein, um solche Ärgernisse abzuschaffen und zu beenden, dass nur derjenige einen Anspruch auf eine ungeschmälerte Leistung hat, der nachweist, dass er selber auch etwas tut. Er muss signalisieren, dass er zur Arbeit bereit ist, bereit ist, eine gemeinnützige Tätigkeit anzunehmen oder sich weiterzuqualifizieren. Mit einer solchen Praxis bewirken wir einen größeren Druck auch auf die Hilfeempfänger. Ein solches Verfahren entspricht auch dem Gedanken der Gerechtigkeit. Nur diejenigen sollen Sozialhilfe in Anspruch nehmen können, die diese Hilfe zum Lebensunterhalt auch tatsächlich benötigen.
Ein weiterer Schlüssel zur Beschäftigung ist die Qualifikation. Dabei sind für den Arbeitgeber nicht nur die formale Qualifikation wichtig, sondern auch Tugenden wie Engagement, Arbeitsmotivation, Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit. Von den 18- bis 60-jährigen Sozialhilfeempfängern haben 12 % keinen Schulab
schluss, 50 % keine abgeschlossene Berufsausbildung. Bei den jugendlichen Hilfeempfängern im Alter bis zu 24 Jahren haben 77 % keinen Schulabschluss. Ich erinnere hier noch einmal an die Zahl von 243.000 offenen Ausbildungsstellen. Gerade die Gruppe der jungen Sozialhilfeempfänger unterstreicht die Bedeutung einer Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe. Wir brauchen nämlich ein verstärktes Vermittlungsinstrumentarium.
Vor Ihnen auf den Tischen liegt unser Antrag, unsere differenzierte Positionierung. Wir wünschen uns darüber auch eine Auseinandersetzung, eine Diskussion, einen Streit mit Ihnen. Auf jeden Fall ist das, was wir vorlegt haben, um Längen besser als die dümmliche Äußerung zum Thema „Kein Recht auf Faulheit“.
Ihre Sprüche werden niemanden darüber hinwegtäuschen, dass SPD und Grüne in Berlin ihr zentrales Ziel dieser Wahlperiode, die Arbeitslosigkeit deutlich zu senken, ebenso deutlich verfehlen werden.
Auf der Tribüne begrüße ich jetzt die Besuchergruppen der Realschule Sandesneben und der GeorgKerschensteiner-Schule aus Pinneberg.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Zunächst einmal möchte ich mich ganz herzlich bei den Kollegen der SPD und bei den Kollegen der CDU für die vorgelegten Änderungsanträge bedanken, denn diese füllen die heute zu führende Debatte mit der Substanz, die diesem Thema auch angemessen ist. Dafür herzlichen Dank.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, lieber Kollege Geerdts, auch wenn ich gleich das Kanzlerwort etwas anders interpretieren werde als Sie, will ich doch eingangs die Frage stellen: Muss der Landtag beschließen, dass die weit überwiegende Mehrzahl der Arbeitslosen aus Gründen der Faulheit keiner Erwerbstätigkeit nachgeht? Muss der Landtag das wirklich beschließen? Hat irgendjemand, dessen Stimme Gewicht hat, in letzter Zeit behauptet, Arbeitslose seien
Auch der Bundeskanzler - darin unterscheiden wir uns ein bisschen, Herr Kollege Geerdts - hat zu keinem Zeitpunkt erklärt, Arbeitslose seien faul. Gerhard Schröder sprach jedem das Recht auf Faulheit ab, solange er diese zulasten der Allgemeinheit auslebt. Das ist auch völlig in Ordnung so.
Man mag unterschiedlicher Meinung darüber sein, ob dieser zugespitzte Satz des Kanzlers geeignet ist, eine öffentliche Diskussion über Rechte und Pflichten eines jeden Mitglieds unserer Gesellschaft zu führen. Man sollte sich aber davor hüten, diesen Satz bewusst falsch zu interpretieren und ihn auf angeblich faule Arbeitslose zu reduzieren.
Einige, die sich jetzt darum bemühen zu unterstreichen, sie hätten das bessere, ja, das einzig wahre soziale Gewissen, erreichen mit dieser Debatte nämlich genau das Gegenteil. Mit der öffentlichen Entrüstung über die selbst zurechtgelegte Sichtweise werden Vorurteile geschürt, von denen man sich dann natürlich trefflich und mit Vehemenz distanzieren kann. Eigentlich kann man sich nur verwundert die Augen reiben, wenn man sieht, was sich dann hieraus entwickelt hat.
Von vermeintlich besseren Menschen in die Ecke gedrängt, wollte der Kanzler dann zum Befreiungsschlag ausholen. Dieser Versuch, liebe Kolleginnen und Kollegen insbesondere von der SPD, wurde allerdings zur schallenden Ohrfeige für rund drei Viertel der Bevölkerung. Ich will das an einem Beispiel ganz klipp und klar sagen. Die Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner sind natürlich mitnichten fauler als die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern. Um es mit dem Kanzlerwort „Basta!“ zu sagen, bin ich der Auffassung, diese aus dem Ruder gelaufene Debatte sollte so schnell wie möglich beendet werden.
Einen Schlussstrich ziehen wir aber nicht, indem der Landtag aufgefordert wird, eine pure Selbstverständlichkeit zu beschließen. Genauso gut, vor allem aber genauso folgenlos könnten wir heute beschließen, dass die Sonne scheint.
- Ja, eben, genau, Herr Kollege Harms, und wir brauchen auch nicht den ersten Punkt Ihres Antrages, weil Arbeitslose nämlich nicht faul sind.
Interessanter sind die Punkte 2 und 3 des SSWAntrages. Liebe Kollegin Hinrichsen, die bestehenden Sanktionsmöglichkeiten reichen aus. Der feine Unterschied gerade zum immer wieder herangezogenen dänischen Vorbild besteht aber darin, dass diese Möglichkeit nicht immer mit derselben Konsequenz, das heißt genauso rigoros angewendet wird wie in Dänemark. Die dänische Arbeitsmarktpolitik funktioniert ja gerade deshalb so gut, weil sich der Staat auf der einen Seite verpflichtet, für jeden Arbeitslosen einen Arbeitsplatz oder eine Qualifizierung anzubieten, andererseits aber den Arbeitslosen verpflichtet, dieses Angebot auch anzunehmen. Anderenfalls greifen unmittelbar sehr drastische Sanktionen in Form von Leistungskürzung. Sie sollten nicht immer vergessen, das hier auch einmal in die Debatte zu werfen und ganz klar zu machen.
Das ist etwas völlig anderes als Ihre wachsweiche Formulierung: Der Landtag wolle darauf vertrauen, dass die Arbeitsämter die bestehenden Regelungen in angemessener Weise anwenden würden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Bundesrepublik hat ein Arbeitsvermittler 600 bis 800 Arbeitslose zu betreuen.