Im Übrigen möchte ich auch noch einmal die Frage der Zahlungsmoral der öffentlichen Hände ansprechen. Die bringt nämlich die kleinen Betriebe in erhebliche Schwierigkeiten.
Dann noch ein Wort zu dem, was der Herr Minister hier mit Blick auf die Opposition ausgeführt hat. Herr Minister, ich muss Ihnen sagen, Sie sind manchmal doch sehr überzeugend, aber bei dem, was Sie heute zur Opposition gesagt haben - dass wir keine Vorschläge hätten -, fand ich Sie überhaupt nicht überzeugend. Sie wirkten in der Situation auch nicht überzeugend.
Meine Damen und Herren, die Regierung legt uns wieder einmal einen vermeintlichen Erfolgsbericht vor mit der üblichen Botschaft: Schleswig-Holstein ist wirtschaftlich vorn und alles, was nicht so schön aussieht, geht erstens vorüber und liegt zweitens nicht in der Verantwortung der Landesregierung.
Sie meinen, wenn man es nur oft genug wiederholt, dann glauben die Menschen es hoffentlich irgendwann. Auf jeden Fall aber glaubt es die Landesregierung und das ist in der Tat wahrscheinlich das größte wirtschaftspolitische Problem, das wir haben.
Herr Kollege Schröder, Sie haben in unsere Richtung von unverantwortlicher Schwarzmalerei gesprochen; ich spreche an Ihre Adresse von unverantwortlicher Schönfärberei.
„Erfreuliches Ergebnis für Schleswig-Holstein war, dass das neue Ziel-2-Gebiet - im Gegensatz zu fast allen anderen Ländern - mit rund 860.000 Einwohnern deutlich umfangreicher ist als die bisherigen Gebiete der EUStrukturförderung.“
Erfreulich nennt der Wirtschaftsminister es, dass die EU in Schleswig-Holstein deutlich mehr Gebiete mit schwerwiegenden Strukturproblemen erkennt als bisher. Wirklich erfreulich wäre es, wenn die Wirtschaftspolitik zum Abbau der Strukturprobleme beigetragen hätte. Das hat sie aber offensichtlich leider nicht.
Im letzten Jahr fiel Schleswig-Holstein beim Wachstum erheblich zurück. In der Aktuellen Stunde führte die Landesregierung aus, dies liege nur daran, dass die konjunkturelle Entwicklung Schleswig-Holsteins der Bundeskonjunktur hinterherlaufe. Das Wachstum seit 1991 zeigt aber, dass Schleswig-Holstein unterdurchschnittlich wächst: 9,4 % im Vergleich zu 11,8 % für Westdeutschland und 14,8 % für Deutschland.
Um es ganz deutlich zu sagen: Die Schere geht auseinander. Das ist ja das Problem. Natürlich gibt es zwischendurch einmal einen Wachstumsschub. Aber wenn Schleswig-Holstein auf lange Sicht immer im Wachstum hinterherhinkt, dann geht die Schere auseinander. Das ist doch das wirkliche Problem in SchleswigHolstein.
Das ist eben leider kein Zeichen für eine Boomregion, auch wenn die Landesregierung, wenn der Herr Wirtschaftsminister dies hier immer wieder so darstellen werden.
Die weiteren Kennzahlen werden pro 1.000 Einwohner angegeben. Warum fehlt das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes pro Kopf? Ich habe diese Zahl immer wieder angemahnt. Das ist nämlich der wesentliche Indikator für die Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungskraft und des Wohlstandes einer Volkswirtschaft.
Nimmt man nur das Bruttoinlandsprodukt, dann ist China die stärkste Wirtschaftsnation der Welt, auch was das Wachstum angeht. Pro Kopf sieht das allerdings etwas anders aus. Die Ostasienreisen der Landesregierung sollten sie für diese Zusammenhänge sensibel gemacht haben. Manchmal gibt eben Nichtgesagtes mehr Auskunft als Ansgesprochenes.
Eine Kennzahl sollte uns zu denken geben: Der Wirtschaftsbereich Landwirtschaft, Forsten und Fischerei hat einen Anteil von 2,5 % an der Bruttowertschöpfung und beschäftigt 1,8 % der Beschäftigten. Vielleicht sollten wir diesen Zahlen Rechnung tragen und den für diesen Bereich zuständigen Anteil an Landesregierung und Landesverwaltung entsprechend verkleinern.
Mir fehlen im Übrigen beim Überblick über die gesamtwirtschaftliche Lage differenzierte Aussagen zur Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes. Wo sind die Daten für Investitionen und Staatsverbrauch im Ländervergleich? Sie gäben uns ein besseres Bild der Entwicklung unseres Landes als die alleinige Angabe der erfreulichen Daten der Existenzgründungen.
Existenzgründungen sind - darüber sind wir uns einig - äußerst wichtig, sie allein reichen aber nicht aus. Das zeigt auch der Vergleich der Neugründungen mit dem Beschäftigungswachstum. Bei den Nettoneugründungen pro 1.000 Einwohner liegt Schleswig-Holstein im Jahr 2000 im Ländervergleich auf dem dritten Platz. Sehr schön! Beim Wachstum der Erwerbstätigkeit schlägt sich das leider nicht nieder; dort liegt unser Land ziemlich weit hinten.
Herr Minister, ich weiß, dass mein Kollege Dr. Garg, der mich in der letzten Zeit zweimal im Wirtschaftsausschuss vertreten hat, nach den Auswirkungen dieser Neugründungen auf die Finanzkraft im Land gefragt hat. Sie hatten daraufhin Zahlen zugesagt. Wenn ich es richtig sehe, haben wir diese Zahlen von Ihnen
bisher nicht bekommen. Ich fürchte, dass eben die Auswirkungen dieser Existenzgründungen in der Finanzkraft des Landes auch nicht nachzuweisen sind. Vielleicht liegt das ja daran, dass Neueintragungen ins Handelsregister auch steuerrechtlich erzwungene Rechtsformwechsel erfassen, die das Produktionspotenzial des Landes nicht erhöhen.
Es ist nicht gelungen, die guten Zahlen der Neugründungen in entsprechendes Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum umzumünzen. Das ist kein Zeichen erfolgreicher Wirtschaftspolitik.
Die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes erkennen das selbstverständlich auch. 75 % der Menschen in unserem Land bewerten die Leistungen der Wirtschaftspolitik als hochgradig mangelhaft. Bei den SPD-Wählerinnen und -Wählern sind es stattliche 65 %. Diese Zahlen sprechen für sich.
Beschäftigungswachstum entsteht, wenn kleine und mittelständische Unternehmen mehr Freiräume bekommen, denn der Mittelstand ist das Rückgrat unserer Wirtschaft - in Schleswig-Holstein noch mehr als in anderen Ländern. Doch mehr Freiräume sind nicht in Sicht. Dafür bekommen wir eine verschärfte Mitbestimmung. Alle Förderprogramme können den Schaden nicht ausgleichen, den die mittelstandsfeindliche Wirtschaftspolitik im Bund verursacht.
Die Verschärfung arbeitsrechtlicher Vorschriften zementiert unsere Arbeitsmärkte immer stärker und drosselt das Wachstumspotenzial.
Hier liegt der Ansatzpunkt für wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik. Der Wirtschaftsminister hat es zumindest versucht. Aber die Landesregierung hat ihn mit seiner Initiative gegen mittelstandsfeindliche Regelungen im Regen stehen lassen. So viel zur wirksamen Förderung der kleinen und mittelständischen Unternehmen.
Ich möchte ein Beispiel für die Entwicklungstendenzen aufgreifen, den Tourismus. Die Fremdenverkehrsintensität zeigt, welche Bedeutung der Tourismus für unser Land hat. In der Liste der beliebtesten Reiseziele ist Schleswig-Holstein bedauerlicherweise hinter Mecklenburg-Vorpommern zurückgefallen. Im Licht der hohen Bedeutung des Tourismus für SchleswigHolstein muss uns der Abstieg hinter MecklenburgVorpommern beunruhigen, denn eine Trendwende ist nicht in Sicht - leider. Umsätze und Beschäftigung sinken.
Die Antwort der Landesregierung ist TASH. Hoffen wir, dass der Rechtsformwechsel in der Tourismuspolitik Früchte trägt. Die Hoffnung stirbt bekanntlich immer zuletzt.
Der Wirtschaftsbericht 2000 ist kein Ausweis erfolgreicher Wirtschaftspolitik, sondern Schönfärberei. Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum sowie die wachsende Abhängigkeit von Bundesund EUFördermitteln zeigen es deutlich: Schleswig-Holstein fällt im Wettbewerb der Regionen zurück. Wir leisten den Menschen unseres Landes einen Bärendienst, wenn wir diese Entwicklung schönreden, um uns so vor den notwendigen Reformen zu drücken.
Lassen Sie mich zum Schluss noch einen Blick auf die Finanzlage dieses Landes werfen. Die Finanzdaten sprechen auch hinsichtlich der Wirtschaftskraft des Landes eine sehr deutliche, und zwar eine unbestechliche und eine außerordentlich traurige Sprache. Die Spirale dreht sich in diesem Land nach unten. Das gibt ernsthaften Anlass zur Sorge.
Ich spreche übrigens fast niemandem in diesem Haus und auch in der Regierung den ernsthaften Sparwillen ab. Aber Sparen oder auch der Wille allein dazu reichen bekanntlicherweise nicht aus, solange es keine Perspektive hin zu einer besseren Entwicklung gibt. Das gilt übrigens auch für Optimismus, Autosuggestion oder Schönrederei. Dies kann nur helfen, wenn der Trend ohnehin nach oben geht.
Es reicht nicht, dass man die Augen schließt und sagt, es wird besser. Die Landesregierung kommt mir vor wie der überschuldete Familienvater, der seinen Kindern eine rosige Zukunft verspricht, während er ihnen das Taschengeld kürzt und gleichzeitig die eingehenden Mahn- und Vollstreckungsbescheide unter das Bett schiebt. Ich kenne das aus meinem beruflichen Bereich. In der Regel empfehle ich in solchen Fällen Schuldnerberatung, und zwar sofort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es gehört zu den selbstverständlichen Ritualen, dass die Regierung erklärt, dass die Wirtschaftspolitik erfolgreich ist, und die Opposition erklärt, dass
die Regierung versagt hat. Ich glaube allerdings, das uns weder das eine noch das andere weiterhilft. Wir brauchen weder Schönrederei noch großmäulige Behauptungen, dass mit der Opposition alles besser würde. Stattdessen brauchen wir eine realistische Bestandsaufnahme der Stärken und Schwächen, um daraus die notwendigen Konsequenzen zuziehen.