Protokoll der Sitzung vom 30.05.2001

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der FDP, Wolfgang Kubicki.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bestätige gern, dass die Regierung noch nicht so arm dran ist, dass sich der Kollege Heiner Garg vehement vor Frau Simonis schmeißen muss, um sie - vor allen Dingen vor ihrer eigenen Fraktion - zu schützen.

Es gibt eine Reihe von Anmerkungen, die mich - übrigens auch als Vater - bewegen. In Anlehnung an die Rede der Ministerpräsidentin, die ich in weiten Teilen für sehr nachdenkenswert gehalten habe und halte, möchte ich Folgendes ausführen:

Wir debattieren Familienpolitik, das Verhältnis von Eltern und Kindern unter unglaublich ökonomischen Kriterien. Ich bin als Ökonom nicht dagegen, dass wir so etwas tun. Aber wer Kinder nur als Kosten- oder Belastungsfaktor begreift und wer das nur so debattiert, der schadet der familienpolitischen Entwicklung in Deutschland mehr, als dass er ihr nutzt.

(Beifall bei der FDP)

Ich kann mich daran erinnern - ich frage alle, die hier im Raum sitzen, wie es bei ihnen gewesen ist -, dass die Entscheidung für oder gegen Kinder mit ökonomischen Kriterien überhaupt nichts zu tun hatte.

Die Frage, ob es dann, wenn die Kinder da sind, Möglichkeiten der staatlichen Hilfe gibt, hat mit der Entwicklung hin zu mehr oder weniger Kindern nichts zu tun. Diese Entwicklung hängt nicht davon ab, ob wir mehr oder weniger Kindergeld zahlen oder mehr Ganztagsschulen schaffen. Die Entscheidung für oder gegen Kinder treffen die Leute individuell aufgrund von Beziehungen, Traditionen oder aufgrund von Überlegungen, die mit ökonomischen Kriterien überhaupt nichts zu tun haben. Dankenswerterweise ist es so. Würden sich die Leute rational verhalten und Kinder als Kostenfaktor betrachten - nach den Ausführungen der Kollegin Hinrichsen muss man das nahezu annehmen -, dann hätten wir, glaube ich, das Problem,

dass es kaum noch Eltern gäbe, die Kinder in die Welt setzen.

Wenn wir schon so debattieren, dann müssen wir uns auch die Frage stellen, ob wir das, was in der Rechtsprechung mittlerweile eine bedeutende Rolle spielt, nicht auch einmal akzeptieren können, nämlich dass die Wertigkeit von Frauen nicht unbedingt dadurch bestimmt wird, dass sie einen Beruf ausüben. In der Rechtsprechung, beispielsweise bei Schadenersatzforderungen, ist die Frage, ob die Tätigkeit einer Hausfrau und Mutter nicht auch einen Beruf darstellt - mit entsprechender Dotierung für den Fall, dass sie ausfällt -, eine ganz erhebliche. Das heißt, für uns wird die Frage bedeutend sein: Werten wir die Stellung der Frau, die sich konsequent und bewusst dafür entscheidet, nur für ihre Familie und ihr Kind da zu sein, auf oder negieren wir das weiter wie bisher? Auch das ist eine ganz wesentliche Frage.

(Günter Neugebauer [SPD]: Sie haben das bisher nur ökonomisch begründet! - Renate Gröpel [SPD]: Wenn das so attraktiv ist, müsste es mehr Männer geben, die das ma- chen!)

- Herr Kollege Neugebauer, wir haben nichts dagegen, dass Sie mit einem anderen, besseren Antrag die familienpolitische Debatte eröffnen. Konkret und erkennbar ging es nur um die Frage, ob wir die Kindergelderhöhung begrüßen und ob wir die Haltung der Ministerpräsidentin, was die Gegenfinanzierung angeht, unterstützen oder nicht. Wenn Sie das nicht wollen, dann sagen Sie das. Das ist etwas anderes als das, was Sie hier gerade vorführen.

Ein letztes Wort zu dem Kollegen Wadephul, der sich innerhalb der Union prächtig entwickelt.

(Heiterkeit - Klaus Schlie [CDU]: Solche Entwicklungschancen wünschen Sie sich selbst doch auch noch, oder?)

Ich sehe das mit großem Gefallen. Herr Kollege Wadephul, wir kritisieren als Opposition immer zu Recht, dass die Regierung Programme und Projekte vorlegt und in der Öffentlichkeit verkündet, ohne dass sie erklärt, wie sie sie praktisch umsetzen und finanzieren will. Ich sage in allem Ernst: Ihre familienpolitischen Vorschläge würden mehr Resonanz und Glaubhaftigkeit finden, wenn Sie wenigstens ansatzweise dokumentieren könnten, in welche Richtung eine Finanzierung gehen könnte.

(Beifall bei der FDP)

Dass das bisher unterblieben ist, ist ein großes Manko. Es wird nicht dadurch besser, dass der Kollege Kayenburg sozusagen als Ihr väterlicher Freund darauf

(Wolfgang Kubicki)

hinweist, dass er sich mit kleinen Schritten auf den richtigen Weg begeben wird. Wir müssen aufpassen, dass die Leute nicht beginnen, uns nicht mehr ernst zu nehmen, weil die Vorschläge, die unterbreitet werden, überhaupt nicht finanzierbar sind.

(Beifall bei FDP und SPD)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Johann Wadephul das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kubicki, vielen Dank für den väterlichen Rat von Ihrer Seite. Nach Ihrer Lesart habe ich dann wohl drei väterliche Ratschläge bekommen. Das kann nur gut tun.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Erfolg hat viele Väter!)

Ich möchte Ihnen, Herr Kollege Kubicki, ausdrücklich Recht geben, dass die Entscheidung für Familie und Kinder nie ausschließlich unter wirtschaftlichen oder monetären Gesichtspunkten betrachtet wird; das ist völlig richtig.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das, was die Frau Ministerpräsidentin zu diesem Teil gesagt hat, kann ich überhaupt nicht teilen, nämlich dass wir mit finanziellen Erleichterungen Familien nicht helfen würden. Frau Simonis, lesen Sie Ihren eigenen Landesarmutsbericht und nehmen Sie zur Kenntnis, dass in diesem Bericht drastisch darauf hingewiesen wird, wie die Situation ist.

(Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das hat die Ministerpräsidentin über- haupt nicht bestritten!)

Wir haben in dem Zeitraum von 1980 bis 1997 einen Anstieg der Zahl der Kinder unter sieben Jahre, die Sozialhilfe empfangen, von ursprünglich 4.000 auf 20.000 festgestellt.

(Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das bestreitet doch niemand!)

Wir haben in Schleswig-Holstein eine Entwicklung das finde ich auch unter sozialen Gesichtspunkten besonders bemerkenswert -

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Herr Kollege Hentschel, zuerst zuhören, dann kommentieren; dann wird der Zuruf besser.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben eine Entwicklung - ich finde, wir müssen sie ernst nehmen -, dass die Entscheidung für Kinder eine Entscheidung für Sozialhilfe ist. Das ist in einem der reichsten Länder der Welt ein Skandal. An diesem Problem müssen wir arbeiten.

(Beifall bei CDU und FDP - Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: An dem die CDU keineswegs unschuldig ist!)

Das sieht jedenfalls die CDU als Volkspartei, die große soziale Wurzeln hat, als eine Aufgabe an. Wenn die Sozialdemokratie diesen Bereich aufgegeben hat, nehme ich das zur Kenntnis - nicht mit Bedauern.

(Beifall des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Nun will ich etwas zu den Finanzen sagen. Frau Simonis, Sie haben da mit Zahlen hantiert, die falsch sind. Es gibt in anderen Bundesländern Landeserziehungsgeld. Wir haben ausdrücklich auf Bayern rekurriert. Die Zahlung von Erziehungsgeld im dritten Jahr hängt von der Bereitschaft ab, Erziehungsurlaub zu nehmen. Bei zirka 55 % der Kinder im dritten Lebensjahr werden damit Zahlungen fällig. Gehen wir von einem durchschnittlichen Auszahlungsbetrag von 400 DM aus und haben die Zahl von 28.780 Kindern, kommen wir zu einem Betrag, über den wir ernsthaft reden müssen, Herr Kollege Kubicki, von round about 76 Millionen DM. Wir reden über diesen Betrag, Frau Ministerpräsidentin, nicht über den, den Sie genannt haben. Das mit dem Rechnen ist in diesen Tagen in der Landesregierung nicht so ganz einfach. Deswegen helfe ich.

(Beifall bei der CDU)

Wir sollten in der Tat darüber diskutieren, in welchen anderen Bereichen - ich sage ausdrücklich: nicht nur im sozialen Bereich, sondern auch in anderen Bereichen, wenn es um Programme geht, wenn es um Subventionen geht - wir kürzen können. Ich sage Ihnen ausdrücklich zu - der Fraktionsvorsitzende der CDU hat das an dieser Stelle betont -: Wir werden zur Erwirtschaftung dieses Beitrages in den nächsten Jahren stufenweise konstruktive Vorschläge machen. Ich bin gespannt, ob die linke Seite des Hauses diese aufgreift.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag hat jetzt Frau Abgeordnete Anna Schlosser-Keichel.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem es große Aufregung über die hauswirtschaftlichen Beschäftigungsverhältnisse gegeben hat, will ich Folgendes klar machen. Dies ist eine Uraltforderung der SPD-Frauen und der SPD insgesamt - Beschlusslage,

(Beifall der Abgeordneten Jutta Schümann [SPD])

so viel ich weiß, auch der Grünen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Sie müssen sie einmal umsetzen! Sie sind an der Regierung!)

Sie hat auch ihre Berechtigung.

Vielleicht wissen Sie, dass ich im wirklichen Leben Finanzbeamtin bin.

(Heiterkeit)

Ich kann Ihnen versichern: Nicht der Personenkreis, den wir in der heutigen Diskussion meinen, ist es, der durch die Steuervergünstigung begünstigt wird. Bei 2.000 steuerpflichtigen Arbeitnehmern gibt es vielleicht eine Hand voll mit diesen Begünstigungen. Es sind nicht die Familien, die Frauen, gar die Alleinerziehenden, die diese Steuerbegünstigungen in Anspruch genommen haben. Es sind eher die Selbstständigen,